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Louis
Die Sache zwischen Harry und Zayn schien nicht allzu wild zu sein. Bevor Harry mir verriet, wo Zayn war, versicherte er mir noch ein paar Mal, dass zwischen ihnen wirklich alles okay war. Mir wurde schnell bewusst, dass er damit vor allem verhindern wollte, dass ich Zayn danach fragte, aber das hatte ich sowieso nicht vor. Ich wollte ihm nur Hallo sagen.
So schlenderte ich etwa eine Viertelstunde, nachdem ich wieder ins Internat zurückgekehrt war, durch das knöchelhohe Gras zu der Stelle nahe des Nachtfußballfeldes, die Harry mir beschrieben hatte. In der Sonne zwischen den Bäumen saß Zayn mit geschlossenen Augen. Seine Gesichtszüge waren entspannt. Auch er schien mir unbewusst vermitteln zu wollen, dass, was auch immer vorgefallen war, nicht weiter schlimm war. Es war schon wieder vergessen.
»Zaynie, hi.« Ich ließ mich neben ihn ins Gras fallen. Er schlug die braunen Augen auf und blinzelte überrascht.
»Louis«, stellte er ziemlich neutral fest, als wäre es die Uhrzeit, die er verkündete. »Du bist zurück.«
Ich nickte. »Ja. Unser Flug ging gestern. Seit wann bist du hier?«
»Gestern Morgen«, Zayn schloss die Augen wieder. Er schien nicht besonders redebedürftig. Es war seltsam mit Zayn. Manchmal tat er nichts als reden und lachen und eine halbe Stunde später schien es, als wären andere Menschen das Schlimmste, das ihm je passiert war. Aber jetzt beschloss er anscheinend, es wenigstens zu versuchen, als er ›Wie war es auf Sardinien?‹ fragte.
Ich lächelte. »Gut.« Es war wirklich gut gewesen. Die meiste Zeit hatte ich am Strand verbracht, aber aus gutem Willen hatte ich meine Eltern auch in ein paar alte Städte begleitet. Es war ungewohnt, sie außerhalb ihres strengen Arbeitsalltages zu sehen. Besonders fehl am Platz schienen sie im heißen Sand der Bucht des kleinen, teuren Ferienhauses. Ich hingegen war mehr im Wasser als am Strand gewesen. Stundenlang hatte ich im klaren Wasser auf meiner Luftmatratze gedümpelt. Ich hatte die Zeit genossen, wirklich, aber in Gedanken hatte gleichzeitig die Uhr der Ungeduld in mir getickt.
›Vorfreude ist die schönste Freude‹ hatte Harry fast im selben Atemzug gesagt, wie, dass er bereit für Sex war. Typisch Harry. Er unterschätzte seine Wirkung auf mich noch immer. Schon bei den Blow- und Handjobs, die wir in den Internatalltag geschmuggelt hatten, überwältigte er mich. Sex war eine andere Form von Intimität. Zwei Körper, die sich ergänzten. Harrys und meiner.
Ich hatte in meinem Leben bisher mehr Gelegenheitssex als alles andere gehabt. Vor allem aber hatte ich nie mit jemandem geschlafen, den ich wirklich liebte. Harry war die erste Person, der ich ehrlich meine Liebe gestanden hatte. Mit ihm hatte ich gelernt, was tiefe Gefühle für jemanden an den sexuellen Handlungen änderten – zumindest für mich.
Nur die Worte aus Harrys Mund zu hören, hatte sich wie mehr angefühlt, als ich je verdiente. Er war bereit. Wir waren bereit. Alles, was wir jetzt noch abwarten mussten, war meine Rückkehr, die ich mit meinen Eltern schon abgeklärt hatte, bevor wir überhaupt auf der Mittelmeerinsel gelandet waren. Ich hatte mich in der vergangenen Woche auch ein bisschen belesen, natürlich im Internet. Ich war schließlich nicht komplett dämlich; es war nicht alles gleich mit Mädchen und Jungen. Zwar war ich der Überzeugung, dass gar nichts schiefgehen konnte, solange Harry und ich uns einfach auf das einließen, was wir fühlten und verlangten, aber man konnte nie sicher genug sein. Ich hatte auch ein paar Dinge gelernt.
Meine Eltern hatten von all dem natürlich gar nichts mitbekommen. Der Fakt, dass sie von meiner gleichgeschlechtlichen Beziehung mit Harry nichts wussten, hatte ein bisschen in meinem Magen gebrannt. Es fühlte sich nur fair an, dass wir komplett ehrlich miteinander sein sollten, wo wir es für die erste längere Zeit in Jahren geschafft hatten, einander zu verstehen und entgegenzukommen. Aber ich hatte ihnen nichts gesagt. Es hätte mir auch ein seltsames Gefühl gegeben, denn ich hatte nicht ein einziges Mal mit Harry darüber geredet.
Aber jetzt war ich endlich wieder hier. Meine Eltern waren so unwissend über meine Beziehung wie vorher, Zayn war mir noch immer irgendwie ein Rätsel und Harry war bereit für Sex. Mit mir. Ich hätte mich nicht besser fühlen können.
»Du nimmst mir die Sonne, Louis.« Zayn spitzte seine Lippen vorwurfsvoll. Ich stolperte eilig einen halben Meter weiter. Ich hatte den von mir verursachten Schatten auf Zayns Gesicht nicht mal gemerkt. Dabei fielen mir auch die geflochtenen Gänseblümchen im Gras auf. Eine Kette von nicht viel mehr als fünfzehn Zentimeter Länge lag unbeendet neben Zayn. Natürlich war sie von Harry. Ich fragte mich, was Harry dazu veranlasst hatte, sie fallenzulassen. Ob es etwas mit Zayns und seiner Auseinandersetzung zu tun hatte?
Doch mein Interesse an dieser Frage wurde von einem ganz anderen Gefühl abgelenkt.
Jetzt, wo Zayn die Sonne angesprochen hatte, wurde ich mir der feuchten Wärme auf meiner Haut bewusst. Mit meiner langen Jeans und dem dünnen, langärmeligen Pullover war ich viel zu warm angezogen. Natürlich war mir England nach der Hitze Sardiniens kalt vorgekommen. Ich hatte bis jetzt nicht wirklich realisiert, dass auch hier das Wetter schon fast sommerlich war.
»Ich gehe zurück. Kommst du mit?«, fragte ich also. Ich musste mir unbedingt ein T-Shirt anziehen, wenn nicht sogar eine kurze Hose. Der Pullover klebte an meinem Rücken.
Aber Zayn schüttelte den Kopf. »Ich denke nach, Louis. Über Dinge. Geh allein.«
Ich runzelte die Stirn. So eine Antwort konnte wirklich nur von Zayn kommen. Dann eben nicht. Wenn ich so darüber nachdachte, störte es mich auch nicht wirklich. Ein bisschen Allein-Zeit mit Harry würde garantiert nicht schaden. »Dann bis später.«
Er nickte kaum sichtbar. Ich wandte mich ab und verschwendete keine Sekunde mehr darüber, mich über Zayn zu wundern. Er würde schon hinterherkommen, wenn er so weit war. Jetzt wollte ich erstmal zu Harry.
Der Weg zum Internat kam mir nicht lang vor, obwohl er am Abend des Nachtfußballspiels ewig gewirkt hatte. Aber wahrscheinlich machte es einen relevanten Unterschied, ob es taghell oder stockdunkel war. Jedenfalls schien es heute nicht allzu lange zu dauern, bis ich wieder oben im Jungentrakt war. Auch der Weg zu unserem Zimmer am Ende des Ganges erschien mir außergewöhnlich kurz, aber vielleicht lag das daran, dass ich es auf Sardinien so vermisst hatte, diese Wege zu gehen.
Wie an meinem ersten Tag hier saß Harry mit einem Buch in der Hand und der Wand in seinem Rücken auf seinem Bett. Nur dass er heute nicht angespannt aussah. Heute war meine Anwesenheit keine Belastung mehr für ihn. Er blinzelte mir lächelnd entgegen, dann widmete er sich wieder den Seiten.
Meine Reisetasche versperrte mir den Weg zu Harry. Ich nahm das als Zeichen dafür, dass ich sie jetzt auspacken sollte, bevor ich nachher noch weniger Lust hatte. Als ich sie aber anhob und auf mein Bett legen wollte, musste ich feststellen, dass dort schon Harrys Koffer lag.
»Seit wann bist du eigentlich wieder da?«, fragte ich und hob seinen Koffer vom Bett, um für meinen Platz zu machen. Harry hatte offenbar noch nicht ausgepackt; sein Koffer war zwar leicht, aber nicht komplett leer.
Ich sah Harry nicht an, als er mir nach ein paar Sekunden mit einem ›Seit vorgestern‹ antwortete. Um ihn weiter lesen zu lassen, schwieg ich, während ich jetzt begann, meine Dreckwäsche vom Rest der sommerlichen Kleidung zu trennen.
Das Gepäck der einen Woche war übersichtlich und ich kam zügig voran. Das lag vor allem daran, dass ich auf Sardinien fast pausenlos in Badehose herumgelaufen war und so das meiste meiner Wäsche in unberührten Stapeln in meiner Tasche ruhte. Ich trug meine kurzen Hosen zum Schrank, als Harry sein Buch hörbar zuschlug. Ich sah zu ihm. Sein Blick war durchdringend. Fragend zog ich die Augenbrauen hoch.
»Womit habe ich diesen Blick verdient?« Ich schob die kurzen Hosen an ihren vorgesehenen Platz im Schrank.
Harry räusperte sich leise, bevor er sprach. »Ich habe die ganze Woche darauf gewartet, dass du zurückkommst. Du hast keine Ahnung, wie aufgeregt ich bin, dass wir jetzt so weit sind. Dass wir es tun werden.« Seine Stimme war leise, ich hörte den leichten Unglauben und die starke Überwältigung.
»Das gute Aufgeregt, hoffe ich.« Ich zwinkerte ihm spielerisch zu.
Ein Grübchen bildete sich in seiner Wange. »Das beste Aufgeregt.«
Ja, das war treffend. Und beruhte auf Gegenseitigkeit. Die Gewissheit von Sex mit Harry war wirklich die allerbeste Aufregung. Meine Fingerspitzen kribbelten allein bei dem Gedanken daran. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie seltsam es vor einem Jahr gewesen wäre, wenn mir jemand gesagt hätte, dass ich eine Woche lang im Mittelmeer schwimmend an Sex mit einem Jungen denken würde.«
Harry sagte dazu nichts, stattdessen krabbelte er vom Bett, schlang seine Arme um meinen Hals und küsste mich mit einem Verlangen, das mich beinahe die Socken in meiner Hand auf den Boden fallen ließ. Gott, wie ich das vermisst hatte. Seufzend ließ ich mich von Harry so hart küssen, wie er wollte. Weder seine Lippen noch seine Zunge schienen in irgendeiner Weise zurückhalten zu wollen. Er nahm mir die Luft, aber ehrlich, wenn Sauerstoff der Preis dafür war, dass Harry mich so küsste, war ich mehr als bereit dafür, ihn zu zahlen. Seinen Geschmack inhalierend klammerte ich mich so eng an ihn wie er sich an mich.
Doch als meine Hüften beginnen wollten, sich selbstständig zu machen, musste ich Harry entschieden von mir drücken. In seinen großen Augen konnte ich allerdings lesen, dass er wusste, wieso wir stoppen mussten. »Zayn«, murmelte ich und gestikulierte in Richtung des Fensters.
Seufzend nickte Harry. »Ich weiß.«
»Ich will nicht das Risiko eingehen, dass er hereinplatzen könnte. Wir müssen uns irgendwas überlegen, wie wir ihn loswerden können.« Ich musste grinsen, weil sich das so pathetisch anhörte.
»Aber wie?« Harry nahm meine freie Hand in seine und trommelte einen nachdenklichen Rhythmus auf meinen Handrücken.
Ich zuckte mit den Schultern. »Wir könnten ihn einfach vor einen Film setzen. Irgendeinen artsy Film aus den Neunzigern oder so. Da wird er schon brav sitzen bleiben.«
Zweifelnd runzelte Harry seine Stirn. »Bist du sicher, dass das funktioniert?«
»Ich denke schon. Und selbst wenn er auf den Film nicht anspringt, komm schon, Harry, er wird verstehen, wenn wir beide ein bisschen Zeit für uns beide haben wollen. Er wird sich seinen Teil denken. So ziemlich das erste, was ich je zu ihm gesagt habe, ist, dass ich dir lieber einen Blowjob geben würde, als ihn herumzuführen. Ich denke, er wird uns alleine lassen.« Ermutigend nahm ich jetzt seine Hände und drückte sie aufmunternd.
Natürlich war er noch immer nicht hundertprozentig überzeugt, also küsste ich ihn grinsend auf die Nase. »Wie hoch sind deine Erwartungen an Sex, Harry?« Ich hielt ihm ein imaginäres Mikrophon vors Gesicht.
Er verzog lachend sein Gesicht. »Halt den Mund, Louis.« Seine Hände entzogen sich meinen. Er griff wieder nach seinem Buch. »Pack erstmal deinen Koffer aus.«
Das würde ich tun. Ich wollte schließlich nicht, dass Harrys erstes Mal inmitten eines riesigen Chaos stattfinden würde. Nicht, dass das wirklich eine Rolle spielte, aber Harry verdiente wenigstens einen ausgepackten Koffer. Plötzlich hielt ich ich inne, weil mir etwas einfiel.
»Harry?«
»Ja?«
»Ich liebe dich.«
•••••••••
Denk nochmal gut über alle von Zayns Stimmungsschwankungen nach, Louis...
(Alles Gute zum Geburtstag, Niall!! Und Harry spielt in don't worry darling mit, eine Haupt(!)rolle nach iCarly und Christopher Nolan... Das nenne ich mal eine steile Schauspielerlaufbahn)
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