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Harry
»Endlich Wochenende!« Gut gelaunt stocherte Louis in seinem Salat herum. Ich liebte es, ihn so zu sehen. Louis war zwar nicht häufig schlecht gelaunt, aber er war selten wirklich sorglos.
Manchmal würde ich die Zeit gerne anhalten können. Louis verdiente es, jede Sekunde seines Lebens so glücklich zu sein. Ich würde alles dafür geben, das wahr zu machen.
Ich war ehrlich erleichtert, dass ihn das Wochenende so erfreuen konnte. Gestern Abend noch hatte ich mich nach einem Moment wie diesem hier gesehnt.
Wir hatten einander gegenüber auf der Fensterbank gesessen, unsere Knie hatten Halt aneinander gefunden. Louis war nicht wirklich glücklich gewesen. Es hatte ihn beschäftigt, was Zayn ihm erzählt hatte. Dass seine Eltern seinen Namen ohne sein Wissen und entgegen der Wahrheit nach ihren Vorstellungen nutzten.
Ich konnte ihn in seiner Unruhe und Unzufriedenheit darüber verstehen, aber es hatte eine Weile gedauert, bis ich ihn davon überzeugt hatte, dass er seine Eltern anrufen und das einfach klären sollte. Er konnte sich schließlich nicht für immer mit seinen Eltern zoffen. Kommunikation war die Lösung.
»Hier, Louis«, murmelte ich leise, während Niall etwas erzählte, und schob Louis den kleinen Schlüsselbund zu. Ich war vorhin bei Evelyn gewesen und hatte die Schlüssel für den Telefonflur besorgt, damit Louis nicht bis Sonntag warten musste, um in der Telefonzeit mit seinen Eltern telefonieren zu können.
Louis lächelte und drückte mein Knie unter dem Tisch leicht. »Danke, Harry.« Er nahm mir die Schlüssel ab und ließ sie in seiner Hosentasche verschwinden. »Ich werde gleich nach dem Essen anrufen.«
Ich nickte. »Du schaffst das.«
Er seufze leise. »Das werden wir sehen. Du kennst meine Eltern nicht, Harry. Weißt du nicht mehr; Hemsby? Ich wollte niemals den Ball mit dir verpassen, aber Mum und Dad haben beschlossen, dass ich dort bin, also musste ich es sein. Das hier kann nur ähnlich werden. Sie haben beschlossen, mich zumindest für den Glauben anderer ins Familiengeschäft zu integrieren. Es wird sich zeigen, ob ich da etwas mitzureden habe.«
Ich strich sanft mit meinen Fingern über seinen Oberarm. Es gab jetzt wahrscheinlich nichts mehr dazu zu sagen. Er hatte recht. Es würde sich zeigen. Ich konnte hoffen, dass alles sich so regelte, wie Louis es sich wünschte. Er verdiente es.
»So«, sagte Louis, als er wenige Minuten später alles von seinem Salat aufgegessen hatte. Er schob seinen Stuhl zurück und lächelte kurz in die Runde. »Ich gehe dann mal. Bis später.«
Ich griff nach seiner Hand und drückte sie. »Viel Glück.« Er nickte dankbar und machte sich dann mit seinem Teller davon. Ich sah ihm nach, bis Liams Stimme meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
»Was habt ihr jetzt für Pläne?«, fragte er in unsere kleine Runde.
»Ich habe überlegt, ob ich vielleicht ein bisschen rausgehe.«, berichtete Niall, während er eine Tomate auf seinem Teller mit der Gabel Kreise ziehen ließ. »Jetzt, wo der Schnee mal wieder für ein paar Tage weg ist, kann man sich ja halbwegs trocken draußen bewegen. Ihr könnt gerne mitkommen, ich habe nichts gegen Gesellschaft.«
»Bin dabei.«, beschloss Liam. »Morgen und Sonntag muss ich vermutlich jede freie Minute in der Bibliothek für das Chemie-Referat verbringen, also kann ich heute ruhig noch ein bisschen ausnutzen.«
Ich überlegte, wie spät es war. Aber eigentlich war es mir auch egal, ich hatte nichts vor. Wieso sollte ich dann nicht mit ihnen mitgehen? »Wenn ihr mich mitnehmen wollt, dann komme ich gerne mit.«
»Klar.«, sagte Niall, aber Zayn neben ihm sah plötzlich aufmerksam auf.
»Eigentlich«, schaltete er sich ein und sah mich an, »hatte ich gedacht, dass du mir jetzt vielleicht die Kunsträume zeigen könntest, Harry.«
Ich überlegte kurz. Dann nickte ich. »Okay. Ist gut, ich kann sie dir jetzt gerne zeigen. Niall, Liam? Vielleicht kommen wir ja später nach.«
Die beiden nickten in Einverständnis und begannen darüber zu diskutieren, ob sie zum Cricketfeld oder zum See gehen wollten.
Als wir alle unsere Teller geleert hatten, trennten wir dann unsere Wege. Liam und Niall gingen hoch, um sich für draußen ihre Jacken zu holen; Zayn und ich durchquerten die Eingangshalle, um in den gegenüberliegenden Flur einzubiegen.
»Musik und Kunst sind hier im Westflügel. Siehst du die große Tür da hinten?« Ich zeigte den jetzt komplett leeren Gang hinunter zu der mit Inschriften verzierten, großen Flügeltür. Auf den ersten Blick sah sie genau wie die aus, die in den Sternsaal führte, allerdings wusste ich, dass sich die Worte in ihnen unterschieden. »Es ist die Bibliothek. Dort darfst du eigentlich immer rein, solange dir auch erlaubt ist, dich außerhalb deines Zimmers zu bewegen.«
»Also außerhalb der Nachtruhe?«, fragte er mit interessiertem Blick.
Ich nickte. »Genau. Du darfst immer hinein, aber unser Bibliothekar, Mr. Deighton, ist in der Regel nur bis sechs Uhr da. Er ist jung und nett, er wird dir immer weiterhelfen. Er liebt euch Schüler fast so sehr wie seine Bücher. Und der Buchbestand unserer Bibliothek ist wirklich umwerfend.«
»Euch Schüler?«, fragte Zayn und lachte leicht. Er hatte ein sehr eigenes Lachen. Es lag auf der gleichen Tonhöhe wie seine Sprechstimme, weswegen man es nie einfach überhören könnte. Ich konnte mich nicht entscheiden, ob es sich sehr ehrlich oder sehr unehrlich anhörte. Wahrscheinlich ersteres – Zayn lachte viel. »Bist du nicht selbst Schüler, Harry?«
»Ja, natürlich.« Ich lächelte schief, damit er nicht verstand, woher mein Versprecher kam. Aber es schien ihn nicht weiter zu kümmern.
»Du liest gerne, Harry?«, fragte er stattdessen und musterte mein Gesicht, geduldig auf eine Antwort wartend.
»Mhm. Es ist etwas einzigartiges, finde ich. Lesen ist nichts Irdisches; also zumindest nicht der Ort, an dem deine Gedanken sind, wenn du liest.«
Er schwieg kurz, während er mich weiterhin ansah. »Das ist bemerkenswert. Deine Worte, meine ich. Hast du schon mal darüber nachgedacht zu schreiben, Harry?«
Jetzt war ich es, der lachend den Kopf schüttelte. »Nein! Natürlich nicht. Es gibt Dinge, die mir besser liegen.« Schreiben! Ich konnte die meiste Zeit des Tages ja nicht mal meinen eigenen Gedanken folgen. »Komm mit.«, erinnerte ich mehr mich als ihn daran, dass wir ja eigentlich ein festes Ziel hatten.
Unsere Schritte hallten leise durch den Gang, während ich mich fragte, wie es bei Louis gerade lief. Hoffentlich gut. Ich wusste, dass er sich keine zu großen Hoffnungen machte. Er hielt seine Eltern nicht für besonders einsichtig. Ich konnte das nicht einschätzen, aber ich betete einfach, dass er Unrecht haben würde. Man konnte immer und gegen jede Erwartung positiv überrascht werden.
Ich drehte mich halb um zu Zayn. Ich hatte erwartet, seinen Blick auf den Gemälden an den Wänden oder den verzierten Holztürrahmen zu finden, die wir passierten. Stattdessen erwiderte er meinen Blick mit einem Lächeln, sobald ich mich ihm zugewandt hatte.
Sicher war Zayn wirklich nett. Ich war auf gewisse Weise dankbar, dass er hier war – das lag an Louis.
Ich wusste, dass Louis überzeugt war, dass er bevor er hierher gekommen war, nie richtige Freunde gehabt hatte. Nur ein paar Menschen mit Masken, denen Louis imponierte, als wäre das Geld seiner Eltern ein niedergeschriebenes Versprechen.
Ich selbst wollte nicht daran glauben, weil es bei der Menge an ›Freunden‹, die Louis gehabt hatte, ganz einfach Menschen gegeben haben musste, die ihn ehrlich gemocht hatten. Es war immerhin Louis.
Louis jedenfalls sah das nicht so und deswegen wusste ich, wie wichtig ihm Liam und auch Niall waren. Sie waren seine Freunde, er vertraute ihnen. Genauso ich; ich würde für immer ein Freund für Louis sein. Das war es, was er verdiente. Menschen, die ihm bewiesen, wie wichtig und wertvoll er war.
Und er sah in Zayn einen neuen Freund. Gestern hatte er nach ihrer gemeinsamen Einweisung gelächelt, er hatte sich gefreut. Zayn war aus London, Louis liebte das. Es war wie ein therapeutischer Beweis, dass es doch Menschen in London gab, die echte Gesichter hatten.
Louis wollte Zayn in seiner Freundesgruppe, und ich fand, dass Louis jeden Menschen verdiente, der ihm wirklich ein Freund sein wollte. Also war Zayn mir mehr als willkommen.
»Musik«, sagte ich und zeigte auf einige Türen auf der rechten Seite des Ganges. »Niemand versteht, wieso die Musikräume so nah an der Bibliothek liegen, aber das haben sie wohl immer, also wird es auch nicht geändert. Außerdem ist die Akustik in den Räumen umwerfend.«
»Spielst du ein Instrument, Harry?«, fragte Zayn, als wüsste er schon, dass ich ein begnadeter Violinist war.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann ein bisschen auf dem Klavier klimpern, aber nicht so, dass irgendjemand mir freiwillig zuhören wollen würde.«
Zayn zuckte mit den Schultern. »Ich würde zuhören.«
Ich sah ihn verständnislos an, dann fragte ich, während wir weitergingen: »Spielst du etwas?«
Wieder lachte er. »Um Gottes Willen, nein! Ich habe zwei linke Hände, was Musik betrifft. Ich habe versucht, Gitarre zu lernen, als ich klein war, aber ich habe nach ein paar Monaten aufgegeben.«
Ich lächelte. Ich liebte Gitarre; Niall spielte wirklich gut. Zwar war es schon über ein halbes Jahr her, seit ich ihn das letzte Mal hatte spielen hören, aber die Klänge hallten noch klar in meinem Kopf wieder. Ich hatte Niall in den Sommerferien für zwei Wochen in Irland besucht, aber er nahm seine Gitarre nie mit zurück ins Internat.
»An manchen Abenden, wenn du früh schlafen gehst«, begann ich und schloss kurz die Augen, um mich in die lauen Sommerabende zurückzuversetzen, »kannst du selbst auf unseren Zimmern das Klavierspiel-« Ich schnitt mir selbst die Worte ab, als ich verstand, dass Zayn falsche Fragen haben könnte, wenn ich es aussprach. »Es sind wunderschöne, alte Klaviere hier unten.«, sagte ich stattdessen und sah ihn unsicher von der Seite an. Er schien meinen Sinneswandel nicht mal bemerkt zu haben, lief einfach weiter neben mir.
»Und hier sind die Kunsträume«, sagte ich beinahe erleichtert, als wir links vor drei weiteren Türen standen.
Zayn nickte wissend und lächelte zufrieden. »Südseite, nicht wahr? Gute Ausleuchtung – wichtig für jedes Atelier.«
Ich winkte ab. »Ich würde nicht so weit gehen und sie als Ateliers bezeichnen, aber ja; das Sonnenlicht wird gut aufgefangen. Sie sind immer offen, aber ab einer gewissen Zeit hält dich die Nachtruhe zurück. Für diese Fälle solltest du entweder deine eigenen Blöcke auf deinem Zimmer haben oder du fragst mal im Lehrerpersonal nach, dann kannst du dir auch Dinge ausleihen.«
»Können wir jetzt mal reingehen, Harry?«
Ich nickte. »Klar.« Zayn öffnete eine Tür und hielt sie auffordernd auf. Ich lächelte dankend und betrat den Raum vor ihm. Er schloss die Tür leise hinter sich und sah sich bedächtig im Klassenzimmer um.
Ich setzte mich auf einen der großflächigen Einzeltische und schwieg, während Zayn durch den Raum schlenderte und die vielen Bilder an den Wänden und vereinzelten Plastiken studierte.
»Harry?«, fragte er nach einigen Minuten und sah mich an, als müsste ich seine Frage schon kennen. Ich versuchte ihm mit meinem Blick klar zu machen, dass dies nicht der Fall war, er schien es zu verstehen und sprach die eigentliche Frage aus. »Sind hier Stücke von dir?«, fragte er mit subtiler Neugier.
Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe meine Sachen gerne für mich. Es sind keine Geheimnisse, aber ich fühle mich wohler, wenn ich sie bei mir habe. Dafür dürfte unser Zimmer bald in Zeichenkarton ertrinken.« Ich lächelte unwillkürlich. Armer Louis. Vielleicht sollten wir mal ein paar Arsenal-Logos an die Wand hängen, um ein bisschen Gerechtigkeit zu schaffen. Ich grinste breiter bei dem Gedanken daran, wie Fußballlogos meine Zeichnungen und Skizzen überdeckten.
»Darf ich sie sehen?«
Ich nahm Zayns Worte nur halb wahr und sah fragend auf. »Hm?«
»Darf ich sie sehen? Die Dinge in deinem Zimmer? Es tut mir leid, Harry, ich will wirklich nicht aufdringlich sein, aber es macht mich so neugierig!« Er strahlte breit. »Ich habe selten Gleichaltrige mit ähnlich geprägten Interessen wie meinen getroffen.«
Ich zuckte mit den Schultern und rutschte von der Tischplatte. »Natürlich. Jetzt gleich? Oder willst du noch ein bisschen hier unte-«
»Nein, wir können gleich hoch, Harry.« Er war schneller an der Tür, als ich es für menschenmöglich hielt. So sanft wie er sie geschlossen hatte, öffnete er sie wieder. »Wenn ich bitten darf..?«
Es fühlte sich ein wenig seltsam an, sich der höflichen Geste hinzugeben, auch wenn ich nicht sagen konnte, wieso. Aber ich tat es und ermahnte mich innerlich selbst. Ich konnte niemanden dafür verurteilen, dass er höflich erzogen wurde. Selbst wenn es mir etwas zu viel des Guten erscheinen sollte.
Sofort fühlte ich mich auch für diesen Gedanken schuldig. Ich selbst hielt gerne anderen Menschen Türen auf, um es ihnen leichter und ihnen eine Freude zu machen. Es war absolut nicht fair, wenn ich Zayn dafür verurteilte, das gleiche zu tun, nur weil ich mich dabei seltsam fühlte.
Ich fühlte mich wirklich schlecht und beschloss, dass Zayn Besseres verdiente. »Wie kommt es, dass du hier auf die Schule gehst?«, fragte ich ihn also, um wieder ein Gespräch aufzubauen. »Louis meinte, du würdest schon länger in England leben. Wieso kommst du jetzt hierher?« Ich gab mir Mühe, nur neugierig zu klingen – was ich auch ehrlich war. Ich hatte noch nie erlebt, dass ein Schüler mitten im Jahr herkam. Louis war schon eine Sensation gewesen. Außerdem hatte niemand von uns auch nur eine Ahnung von Zayns Ankunft gehabt. Evelyn hatte nicht ein Wort von ihm erwähnt, bevor er in unser Klassenzimmer spaziert war.
Er sah mich von der Seite an und lachte. »Das ist eine etwas verwirrende Geschichte, schätze ich. Meine Mom ging früher hier auf die Schule, sie ist in Phoenix geboren, aber meine Großeltern sind früh nach England gezogen. Mom hat später wieder in Amerika gelebt, mit Dad und dann auch mit mir. Sie hat sich immer irgendwie gewünscht, dass ich hierher komme, die Schule, die sie geliebt und gelebt hat. Auch wenn sie eigentlich Paris vorzieht. Als wir nach London zogen, hätte ich sofort hier aufs Internat gehen können, aber Dad hält die Schule für super altmodisch und konservativ.«
Ich zuckte halb mit den Schultern. »Altmodisch kann man wahrscheinlich gut sagen, ja.«
Er nickte. »Dad hat gedacht, man würde mich zu einem kleinen, britischen Aristokraten erziehen. Letztendlich durfte wegen der Unstimmigkeit ich selbst die Entscheidung treffen. Und naja, London ist ein schöne Stadt, und ich habe die Gallery geliebt, man kann dort wunderbar nachdenken. Ich habe niemals gewusst, wieso ich auf ein Internat im Nirgendwo gehen sollte, wenn mein Leben so weiter gehen konnte, wie es immer gewesen war – nur eben in einem anderen Land.«
»Und wieso bist du jetzt hier?«
»Meine Schule schließt im Verlauf der nächsten Jahre. Lehrermangel ist in der Stadt erstaunlich groß, und es gab auch noch ein paar andere Faktoren. Weil aber niemand genau wissen kann, wann die Schule genau schließt, wollte ich nicht riskieren, dass das schon im nächsten Jahr in meinem Abschlussjahr geschieht. Also hat Mom mich freudig an meinen Plan B erinnert. Und naja; hier bin ich.«
Das erklärte noch immer nicht wirklich, wieso niemand von Zayns Ankunft gewusst hatte, aber was soll's.
»Hey!«, stoppte ich Zayn, als er gerade dabei war, noch ein Stockwerk höher zu marschieren. »Da oben sind die Mädchen.«
Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Ja, richtig. Danke, Harry! Ich muss mir das mit den Etagen wirklich noch besser merken.« Er ging an mir vorbei in den Jungstrakt. Zielstrebig ging er auf die allererste Tür zu und trommelte mit den Fingerspitzen melodisch dagegen. »Das hier ist übrigens mein Zimmer, Harry.«
»Dann bist du ja alleine. Hat Eve dich gefragt, ob du einen Mitbewohner willst? Es gibt einzeln belegte Doppelzimmer. Niall zum Beispiel ist alleine.«, berichtete ich, während wir weiter den Flur hinunterliefen.
»Keiner hat mich sowas gefragt, nein. Aber es stört mich nicht, Harry. Ich bin eigentlich ganz gerne auch mal allein.« Er drehte sich ungläubig um und betrachtete all die Türen, an denen wir schon vorbeigegangen waren. »Wie weit hinten ist denn dein Zimmer, Harry?«
Ich grinste. »Ganz hinten. Da.« Ich öffnete die Tür und ließ ihn hinein. »Alles an den Wänden stammt von mir, falls du das sehen willst. Und wenn du ein bisschen suchst, dürftest du auch Skizzenblöcke auf dem Tisch finden.«
Aber Zayn sah sich weder Bilder an den Wänden noch irgendwo anders an. In Gedanken versunken sah er sich die beiden Betten an.
»Mit wem teilst du dir ein Zimmer, Harry?«, fragte er schließlich.
Ich könnte ein Lächeln niemals verhindern. »Louis.«
Er wandte seinen Blick mir zu. »Ihr«, er schien nicht ganz sicher zu sein, was er sagen wollte, »seid ein wirklich hübsches Paar.«
Es gab keine Antwort darauf. Auch wenn es mich freute. Louis hatte zweifellos die Fähigkeit, alles perfekt aussehen zu lassen, wenn er nur daneben stand.
»Darf ich etwas fragen, Harry?«, fragte Zayn – nicht zögerlich, aber auch nicht dringlich. Ich bedeutete ihm mit einem Blick, weiterzureden. »Wie lange seit ihr schon zusammen?«
»Etwa anderthalb Monate« Ich strahlte. Wieso auch nicht? Ich dachte an unseren Monatstag zurück, der eine halbe Katastrophe, aber die beste meines Lebens gewesen war. Der Neujahrsball war am 11. Januar gewesen, ich hatte es aber als den 12. in Erinnerung gehabt. Also war das erste, was ich am Morgen des 11. Februars getan hatte, Louis dafür auszulachen, dass er mir mit einem bestechendem Kuss zum Einmonatigen gratulierte – bis sich dann herausstellte, dass ich Unrecht hatte. Und das war nur der Anfang unseres grenzenlos chaotischen Monatstages gewesen...
Doch selbst wenn ich es könnte, würde ich niemals etwas daran ändern.
Zayn nickte, plötzlich sah er ein wenig frustriert aus. Ich runzelte die Stirn.
»Alles okay?«
Wieder nickte er, wenn er auch nicht viel fröhlicher als vorher aussah. »Was hältst du davon, wenn wir draußen nach Niall und Liam suchen, Harry? Ich war noch nicht draußen, und hat Niall nicht gesagt, es gibt einen See?« Er sah mich abwartend an. »Die Zeit werde ich noch auf meine Seite bekommen.«
»Was?« Ich sah ihn verständnislos an. »Was ist mit der Zeit?«
Aber er schüttelte nur den Kopf. »Ach nichts. Ich meinte nur, dass ich ja noch genug Zeit haben werde, mir das alles anzusehen.«, er deutete mit dem Arm auf all das Papier an den Wänden. Dann lächelte er wieder verspielt. »Du wärst deswegen nicht sauer, Harry, nicht wahr?«
Ein wenig überfordert verneinte ich und Zayn nahm die Umsetzung seiner Planänderung sofort in die Hand. Er führte mich aus dem Zimmer und zurück zu den Treppen. Doch als wir in der ersten Etage angekommen waren, verließ gerade ein breit lächelnder Louis Evelyns Büro.
»Harry!«, rief er erfreut, obwohl ich ihn schon längst gesehen hatte. Es war ein Automatismus, als ich auch sofort lächelte und stehen blieb. Er kam auf uns zu und ehe ich es voll realisiert hatte, schlossen sich seine Hände um meine und er küsste beide meine Handrücken freudig und dann meine Lippen mit dem glücklichen Lächeln auf den seinen.
»Es lief gut?«, fragte ich überrascht. Das wären wirklich gute Nachrichten. Vor allem in Betracht dessen, wie glücklich es Louis machte.
Er nickte. »Ich erzähle dir alles, Harry. Ich glaube, ich und meine Eltern könnten endlich auf einer Wellenlänge angekommen sein.«
»Meine Eltern und ich«, wies ich ihn lächelnd auf seine Angewohnheit hin.
»Ja, sogar Dad hat, glaube ich, kapiert, dass auch ich in meinem Leben ein Mitspracherecht habe!« Euphorisch küsste er mich wieder und vielleicht verstand ich erst jetzt zum ersten Mal, wie viel es ihm ausgemacht hatte, dass ihm verständnisvolle Eltern fehlten. Louis' Blick streifte jetzt Zayn, der uns, wie mir jetzt auffiel, die ganze Zeit mit einer mir nicht ganz eindeutigen Emotion beobachtet hatte. »Hey, wo wolltet ihr denn eigentlich hin?«
»Zum See, Louis.«, antwortete Zayn, der sich jetzt auch wieder angesprochen zu fühlen schien. Louis hatte mich gestern darauf hingewiesen, wie französisch Zayn seinen Namen aussprach, und es hörte sich ehrlich gesagt ziemlich niedlich an. Vielleicht sollte Louis nach Frankreich ziehen, um sich dort anzugewöhnen, den Namen selbst so auszusprechen.
»Super, ich bin dabei. Ich habe Evelyn gerade die Schlüssel zurückgebracht, also muss ich nicht länger aufhalten.« Weder ihm noch mir fiel auf, dass das nicht ganz stimmte, weil er nicht mal seine Jacke dabei hatte.
»Erzählst du auf dem Weg, was deine Eltern gesagt haben?«
»Hm«, er setzte eine nachdenkliche Miene auf. »Wenn du mich noch einmal küsst, dann ja.« Er sagte es ernst, aber lächelte wieder, als ich keine Sekunde brauchte, um diese Bedingung zu erfüllen. Zayn hatte ich in diesem Moment schon wieder vergessen. Aber selbst wenn ich ihm Aufmerksamkeit geschenkt hätte, wäre ich auf nichts anderes als eine fest entschlossene Miene gestoßen.
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Happy Pride!
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