• 15 •
Harry
Die Tür wurde geöffnet und ich stand dem braunhaarigen Jungen gegenüber.
»Hey Liam«, sagte ich mit einem etwas unsicheren Lächeln.
Die braunen Augen musterten mich skeptisch, als müssten sie sich vergewissern, dass wirklich Harry Styles dort stand. Dass ich gerade bei Liam Payne geklopft hatte. Dem einzigen Menschen, der sich – bevor Louis kam – eindeutig von mir distanziert hatte.
»Harry«, sagte er knapp. Dann schob er sich einfach an mir vorbei durch die Tür und wollte weggehen. Ich hielt allerdings sein Handgelenk fest und zog ihn sanft zu mir zurück.
»Darf ich reinkommen?«, fragte ich höflich und weil er mich nur unverständlich ansah, nahm ich das nicht als Nein und zog ihn mit mir in sein Zimmer. Ich schloss die Tür und nahm mir die Freiheit, mich auf einen im Raum stehenden Stuhl zu setzen.
Liam schien noch immer überfordert mit meinem Erscheinen zu sein.
»Ich wollte eigentlich frühstücken.«, sagte er dann ohne besonderen Nachdruck.
»Das tut mir leid, Liam, aber wäre es okay, wenn Frühstück heute für uns beide ausfällt?« Skeptisch sah er mich an. Aber wieder beschloss ich, das nicht als Nein zu zählen. »Super!«, fügte ich also noch hinzu.
Es dauerte noch etwa eine halbe Minute, bis Liam sich mit meiner Anwesenheit abgefunden hatte. Dann setzte er sich auf sein Bett und kniff prüfend die Augen zusammen.
»Also, Harry. Was möchtest du?« Ehrlich gesagt war ich ein wenig enttäuscht von dem abwertenden Ton seiner Stimme. »Komm schon, Styles, wir waren nie Freunde. Ich dachte, wir hätten die Phase deiner überengagierten Anfreundungsversuche hinter uns gelassen. Bitte sag mir nicht, dass wir das jetzt weiterführen wollen. Was hast du mir mitgebracht? Einen Präsentkorb? Einen Blumenstrauß?«
Ich schüttelte matt den Kopf. Ich hätte nicht gedacht, dass er es wirklich so sehr ablehnte, sich mit mir zu befreunden. Aber darum ging es mir ja jetzt nicht mal.
»Nein.«, sagte ich also. »Kein überengagierter Anfreundungsversuch. Ich will dich nicht belästigen. Ich wollte mit dir nur über etwas reden.«
»Mit mir? Harry, hast du vergessen, wer du bist? Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Wenn Harry Styles in seinem hübschen, kleinen Lockenköpfchen ein Problem ausmacht, dann geht er nicht zum bösen Liam. Sondern zu seinem liebsten NiNi oder jeder anderen verdammten Person hier, die nicht ich ist. Das ist, was Harry Styles normalerweise tut. Also los, Harry, geh zu Niall und lass dich von ihm beraten.«
Ich unterdrückte das Augenrollen. »Liam, ich stecke nicht in einer Identitätskrise. Ich bin zu dir gekommen, weil ich mit dir reden wollte. Und nicht mit jeder anderen Person, die nicht du ist.«, wiederholte ich seine Worte und er sah ein wenig überrascht aus.
»Also wirklich mit mir? Wieso sollte Harry Styles mit mir reden wollen? Bei welcher Art von Problem würde er sich an mich wenden?«
»Können wir bitte aufhören, in der dritten Person von mir zu reden?« Ich wartete, bis er belustigt nickte. »Gut«, sprach ich dann weiter und versuchte ihm mit meinem Blick zu vermitteln, dass es mir wirklich wichtig war. »Es geht um Louis.«
Jetzt weiteten seine Augen sich? »Louis?«, fragte er ungläubig. »Harry, ich glaube ehrlich, dass du dich da in der Tür geirrt hast. Wenn es um Louis geht, solltest du wirklich mit Niall reden. Oder hast du schon wieder vergessen, dass wir in der Louis-Harry-Feindschaft auf verschiedenen Seiten stehen?«
»Nein.«, erwiderte ich schlicht. »Aber was das betrifft, ist Ni der letzte, der mir dabei weiterhelfen soll. Du bist ehrlich gesagt der Einzige, der mir irgendwie helfen kann.«
»Wie spannend!«, sagte er mit leicht spotthaftem Unterton. »Was ist das nur für ein Thema? Es geht um Louis, dein bester Freund ist der schlechteste Ansprechpartner und ich bin der beste. Dass ich diesen Tag noch erleben darf! Komm, Harry, erzähl es mir!«
Plötzlich schien er wirklich interessiert. Ich musste unwillkürlich lächeln. Und weil Liam es tat, konnte ich auch den Fakt vergessen, dass wir Harry und Liam waren. In diesem Moment war es ihm egal, dass er mich eigentlich nicht gerade gut leiden konnte. Und das war mir mehr als willkommen.
Ich setzte mich gerade hin. »So: Louis. Ich weiß nicht, ob er dir davon erzählt hat, aber es hat sich so eine seltsame Sache zwischen uns entwickelt. Eigentlich nicht mal zwischen ihm und mir, sondern ihm und Niall. Ich bin nur Nialls Vorwand, glaube ich – für was auch immer.«
»Du meinst den Krieg!« Liam schien begeistert, dass er wusste, wovon ich sprach. Ich nickte.
»Ja. Jedenfalls fühlt Ni sich irgendwie verantwortlich dafür, dass ›die Ungerechtigkeit mir gegenüber gerächt wird‹ oder so ähnlich. Frag mich nicht. Du weißt schon, Louis und ich verstehen uns ja nicht gerade blendend.« Ich beschloss, meine Homosexualität nicht mit einzuflechten, denn dann würden Liam und ich uns garantiert nicht mehr so unterhalten können. »Und ja, es war Nialls Idee mit der Algebranote. Du fragst dich wahrscheinlich, warum ich überhaupt mitgemacht habe. Ich weiß es selbst nicht genau. Ich schätze, ich war einfach wütend. Aber die Sache ist, dass Louis jetzt beschlossen hat, zurückzuschlagen. Dafür hat er eine Teetasse über meiner Matratze ausgeleert und-«
»Zwei Tassen«
»Was?« Ich runzelte die Stirn, als mir bewusst wurde, was das hieß.
»Oh, du warst dabei.«, stellte ich fest. »Dann brauche ich dir Louis' diabolische Hintergedanken ja nicht weiter zu erläutern. Jedenfalls ist das Ganze nicht so verlaufen, wie wir erwartet hatten. Weder er noch ich.«
Ich spürte, wie meine Wangen wärmer wurden. Hoffentlich war es nur ein zartes Rot.
»Was ist passiert?«, fragte er aufgeregt. Es war wohl kein zartes Rot.
»Ich habe mit ihm in einem Bett geschlafen.« Seine Kinnlade klappte hinunter. Ich empfand den sehr starken Druck, mich rechtfertigen zu müssen. »Mein Bett war ein See! Es war eiskalt! Ich wäre krank geworden! Und mein Urteilsvermögen war durch die Müdigkeit praktisch nicht mal vorhanden!«
Liam grinste breit, während er meine hektischen Gesten beobachtete.
»Du musst dich nicht rechtfertigen, Harry! Ich werde dir nichts vorwerfen. Wenn ich schwul wäre-«
»Sei leise, Liam! Das hatte nichts mit meiner Sexualität oder irgendeiner Sympathie für Louis zu tun! So weit kommt's noch. Aber trotzdem hängt es damit zusammen, dass ich mit dir reden will.«
Er klatschte enthusiastisch in die Hände. »Torte oder Eis?«
Irritiert kniff ich die Augen zusammen. »Was?«
»Beides!«, sagte er, anstatt mir zu antworten.
»Beides was?«, fragte ich.
»Torte und Eis!«
»Wofür?!« Langsam kam ich mir vor, als wäre ich blöd. Um ehrlich zu sein, wollte ich nicht wissen, wie sehr das der Wahrheit entsprach.
»Na für die Hochzeit!« Liams Blick ließ mich nicht gerade intelligenter fühlen.
»Welche Hoch- Oh.« Ich sah Liam vorwurfsvoll an, als ich verstand. »Bis eben konntest du mich noch nicht mal leiden und jetzt willst du mich schon mit deinem besten Freund verheiraten. Ich will nichts von ihm! Jetzt lass mich doch endlich mal zum eigentlichen Thema kommen.«
Für ein paar Sekunden sah er so aus, als wollte er noch widersprechen, dann nickte er aber. »Schon gut. Leg los, Harry ›Ich stehe auf Jungs, aber nicht auf Louis‹ Styles.«
Ich ignorierte den Fakt, dass er mich mit dem albernen Namen aufzog.
»Ich hasse diesen ›Krieg‹«, sagte ich kurzerhand. »Du weißt, dass ich Streit hasse – mehr als alles andere. Ja; sogar mehr als Louis. Du solltest das ja am besten wissen. Ich konnte es nie ertragen, dass du mich nicht ausstehen konntest.
Deswegen will ich, dass das aufhört. Und es hätte keinen Zweck gehabt, mit Niall darüber zu reden, denn der hat damit zu tun, Schlachtzüge zu entwickeln. Und von Louis brauche ich gar nicht erst anzufangen. Wir beiden können nicht mal ein zivilisiertes Gespräch führen. Er hasst mich. Und ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich ihn mag. Ich möchte keine Freundschaft schließen. Ich möchte nur in einem trockenen Bett schlafen können.«
Ein leichtes Lächeln legte sich auf Liams Lippen. »Und ich dachte, ich wäre der Einzige, der nicht irre ist. Ehrlich gesagt bin ich wirklich froh, dass du dem ein Ende setzen möchtest, Harry.«
»Vielleicht könntest du mit ihm reden, Liam?«, fragte ich bittend.
Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Das wird nichts bringen. Dafür wäre Louis zu stur und eitel. Wir müssen ihn mit den eigenen Waffen schlagen. Wir zeigen ihm, dass er aus diesem Krieg nur Schaden davonträgt.«
Kurz dachte ich darüber nach, dass ich mich ein wenig wie ein Geheimagent fühlte. Dann fiel mir auf, dass ich nicht wirklich verstanden hatte, was er damit meinte.
Liam erklärte es mir. Er erläuterte mir den Plan, den er parallel in seinem Kopf entwickelte. Ich war mir nicht sicher, ob er mir gefiel. Ich wusste nicht mal, ob das funktionieren würde. Aber wahrscheinlich hatte ich keine Wahl. Also beschlossen wir, es zu versuchen.
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