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So kurz vor dem Ende sollte ich in one room nicht mehr experimentieren, aber...naja, hier habt ihr • 108 •.
Weil ich das Kapitel authentisch haben wollte und weiß, wie anders mein Gehirn funktioniert, wenn ich in genau dem Zustand bin, in dem Harry hier ist, habe ich es ausschließlich geschrieben, wenn ich selbst in genau dem Zustand war (von post-orgasmisch mal abgesehen....). Die Schwebe und Grenzenlosigkeit hat das Schreiben leichter gemacht, aber es war nicht ganz leicht, nicht einfach einzuschlafen. Und das Ergebnis ist...doch eher fragwürdig.
(Zu einem Zeitpunkt habe ich „brain exploding in magma chamber" gegoogelt, aber alle Suchergebnisse waren über den Menschen, dessen Gehirn beim Ausbruch des Vesuvs in Glas verwandelt wurde....)
Ich höre mich an, als würde ich über Drogenkonsum philosophieren. Wie auch immer.
Verzeiht mir all die Sätze, die ich am nächsten Tag einfach nur ungläubig anstarren konnte. Aber wozu löschen? Viel Spaß mit diesem EEG meines (und damit jetzt auch Harrys) Gehirns, wenn es viel, viel, viel zu müüüüüüüüüde ist (:
Harry
»Louis?«
Es gab keinen Grund zum Flüstern. Aber Louis war nah genug, um mich zu verstehen. Wenn er hier direkt neben mir lag, seine Nasenspitze nur Zentimeter von meiner entfernt, wollte ich die Stimme nicht heben. Es hatte etwas Beruhigendes, dass Louis in diesem Moment der einzige Mensch auf diesem Planeten war, der meine Worte hören konnte.
»Hm?«, summte er leise zurück. Er sah mich an, aber es war nicht schwer zu erkennen, dass seine Augenlider vom Gewicht seines zerfallenen Orgasmus schwer waren. Es war um meinetwillen, dass er sie offen hielt. Sein Körper war golden gegen die weiße Decke.
Ich schob mein Knie vor, bis es Louis' berührte. »Wenn jemand mir vor acht Monaten gesagt hätte, dass Louis Tomlinson der erste Junge sein würde, mit dem ich schlafe, hätte ich...«, ich versuchte, meinen Kopf nach der Wahrheit zu durchsuchen. »Keine Ahnung, was ich getan hätte.«
Louis' Mundwinkel zuckte träge nach oben. »Wahrscheinlich hättest du es für einen zukünftigen Kriegszug gehalten.«
Lachen war zu einfach, wenn der Körper vor wenigen Minuten all seine Spannungen auf einmal abgeworfen hatte. Meine Brust sollte nie wieder aufhören, sich wie eine Seifenblase anzufühlen. »Dieser Kriegszug hätte ein bisschen dein eigentliches Ziel verfehlt.«
»Oder vielleicht war es insgeheim immer mein Ziel, Harry Styles die Jungfräulichkeit zu nehmen.«
»Herzlichen Glückwunsch.«, flüsterte ich weiter und küsste Louis' Unterlippe flüchtig. Seine Haut war noch immer heißer als die verhangene Luft, die uns umgab. »Das ist dir gelungen.« Mein Kopf schien so sehr in Watte gepackt wie vor ein paar Minuten. Auf die beste Weise. Louis und ich hatten Sex gehabt. Ich, Harry, mit den zwei linken Händen und Füßen, hatte Sex mit Louis gehabt. Irre. »Aber können wir bitte aufhören, in der dritten Person voneinander zu reden, wenn wir...direkt hier beieinander sind?«
Louis' Blinzeln wurde immer langsamer. »Du hast damit angefangen.«, seufzte er, ohne irgendeine Art von Energie in seine Stimme zu legen. Die schleichende Müdigkeit machte seine Stimme samtig. Ein unmöglicher Kontrast zu der rauen Heiserkeit von vor wenigen Minuten.
Ich verstand nicht ganz, wie Louis gerade dabei sein konnte, einzuschlafen. Ja, auch mein Körper war müde. Erschöpfung waberte durch meine Muskeln bis unter die letzten Millimeter meiner Haut. Aber mein Kopf war hellwach. Unglaube und Glück wirbelten wild tanzend zwischen den Wänden meines Schädels herum. Die Augen zu schließen war verlockend, aber genauso gut wusste ich, dass meine Gedanken niemals zur Ruhe kommen könnten. Schlaf war gerade nicht im Rahmen meiner geistigen Möglichkeiten.
»Louis?«, flüsterte ich wieder, als Louis' Augenlider für ein paar Sekunden zu lang geschlossen blieben. Er atmete warm durch offene Lippen. Ich umklammerte seine Finger fester. Es war keine Option, dass ich ihn hier mit seinem Fuß zwischen meinen Beinen an eine unwirkliche Welt aus Träumen verlor.
»Ja?«, erwiderte er leise nach einer kleinen Ewigkeit. Erleichtert atmete ich aus, als er mich fragend anblinzelte.
Ich hatte hunderte Fragen – die in ihrer Komplexität und Tiefe weit über ›war ich gut?‹ hinausgingen. Tausende Gedanken. Millionen von Gefühlen. Aber ich wusste, wieso meine Zunge zögerte.
Es gab keine Chance, dass ich tatsächlich formulieren konnte, was in mir vorging. Ich wollte die Wahrheit nicht durch schwache Worte schmälern. Und dazu kam, dass ich mehr Reaktion haben wollte, als einen schwammigen Louis, der im Kopf noch immer auf einem Orgasmus schwebte.
Aber ich wollte sein Bewusstsein noch nicht durch meine Fingerspitzen rinnen lassen. »Louis?«, fragte ich also wieder.
Skeptisch zog er die Augenbrauen zusammen. »Ja, Harry?«
Die Erkenntnis schwappte verräterisch durch meinen energieberaubten Körper. Ich fühlte alles – aber zu sagen hatte ich nichts.
Vielleicht würde ich morgen ein paar Worte finden, die dem gerecht wurden, was ich nur wahrnehmen, aber nicht auszudrücken können schien.
Ich musterte Louis' erwartungsvollen Gesichtsausdruck. Im Moment gab es nur keine Antwort. Er war so schön in seiner Müdigkeit.
Aber ich konnte ihn nicht gehen lassen. Dafür war zu viel passiert, dafür war ich zu viel.
»Wie spät ist es?«, murmelte ich leise, denn wenn man sich selbst nicht mehr verstand, blieben immer noch die Naturgesetze.
Louis' linker Mundwinkel zuckte. Das amüsierte ›Das ist es, was du so dringend sagen willst?‹ stand ihm in skeptischen Falten auf die Stirn geschrieben, aber er sprach es nicht aus. Stattdessen zuckte er seufzend mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ist das wichtig?«
Ich nickte, weil ich diese Antwort kannte. »Ja. Es ist zu früh, um einzuschlafen.« Das hier war unser letzter Abend in London. Das teilte ich ihm also ebenfalls mit. Es war unmöglich zu sagen, wann ich das nächste Mal in den Dämmerungsstunden mit Louis in dieser Stadt sein würde. Oder irgendwo anders außerhalb des Internates. Unser letzter Abend! Wir konnten den Tag jetzt nicht beenden.
Unbeeindruckt drückte Louis meine Hand in seiner. Er gähnte. »Das hättest du dir überlegen sollen, bevor deine Hüften mir das hier angetan haben.« Mit den Fingern seiner freien Hand fuhr er sich langsam über den verklebten Oberkörper.
Lächelnd rutschte ich noch ein paar Zentimeter näher an Louis' schwimmende Wärme. »Du hast mich als erstes geküsst.«, verteidigte ich mich ohne besonders viel Nachdruck. »Unten in der Küche.«
»Aber du hast überhaupt erst damit angefangen, über Sex zu reden.«, grinste Louis träge. »Auf unserem Balkon-Date.«
»Das du organisiert hattest.«
Louis lehnte sich vor und küsste mich lächelnd. »Weil du es dir gewünscht hast.«
Empört zog ich meinen Kopf zurück. »Also ist es meine Schuld, dass du jetzt müde bist, weil...ich mir ein Date gewünscht habe?«
Mit ernstem Blick nickte Louis. »Jap.«
»Hey!« Ich ließ seine Hand los und tippte tadelnd gegen Louis' Brust. »Du hast als erstes gesagt, dass du mich liebst, und mich als erstes geküsst, und mich überhaupt erst zum Ball gebeten. Alles deine Schuld.«
Louis' Kopf sank zurück ins Kissen, seine Augen schlossen sich wieder. »Schuldig im Sinne der Anklage.«, erklärte er zufrieden mit sich selbst, kaum hörbar.
Ein Teil von mir wollte es ihm gleichtun; die Augen schließen und mich so nah wie nur irgendwie menschlich möglich an Louis kuscheln. Aber ein anderer Teil wusste, dass ich mir die Ohren und Haare mit dem Sperma und Schweiß auf unseren Körpern verkleben würde, ruhelos in Louis' Armen liegend, während Louis selbst nach nicht mehr als drei Minuten längst eingeschlafen sein würde.
Für eine Weile rührte ich mich nicht. Die Zimmerwand, vor der sich das Profil von Louis' schlanker Nase abzeichnete, schien gemächlich näher zu rücken. Ich wusste nicht, auf welchen Teil ich hören sollte.
Bis mir bewusst wurde, dass ich mir diese Frage selbst schon längst beantwortet hatte. Langsam streckte ich eine Hand nach Louis' Ellenbogen aus und schloss meine Finger sanft um die Wärme seines Armes. »Es ist zu früh, um einzuschlafen.«
In einer überraschend flüssigen Bewegung rollte Louis sich zurück auf die Seite. Vorwurfsvoll, aber noch immer verschwommen, sah er mich an. »Langsam habe ich das Gefühl, dass du der Müdere von uns beiden bist, Harry.« Eine seiner Hände wanderte in meine Haare.
Ich widerstand dem Bedürfnis, zu schlucken. Meinem Gehirn verbot ich, über diese Möglichkeit nachzudenken.
Doch Louis lieferte den Beweis, als seine Finger begannen, ruhige Muster auf meine Kopfhaut zu malen. Ein schwebendes Kribbeln wanderte durch meinen Kopf und meinen Rücken hinab. Vielleicht hatte Louis recht. Vielleicht.
»Du weißt, dass du nicht wacher wirst«, fuhr Louis weiter in zu melodiöser Stimme fort, »nur weil du wiederholst, dass es zu früh zum Einschlafen ist.«
Damit mochte er richtig liegen. Das Gewicht meiner Augenlider bestätigte das. Aber ich lag ebenso richtig. Es war zu früh zum Einschlafen. Darüber würde ich nicht streiten. Und wenn Worte nicht gegen die Müdigkeit helfen konnten, wusste ich doch, was effektiv sein würde.
»Wir sollten duschen gehen.«, beschloss ich, und rutschte mit den Schultern ein Stück am Kopfende des Bettes hinauf. Louis' Hand fiel zurück auf die Decke. Sofort zogen seine Augenbrauen sich skeptisch zusammen. Das reichte mir, um mich direkt zu verbessern. »Wir müssen duschen gehen.«, stellte ich klar.
»Harry, nein.«, Louis schüttelte kraftlos den Kopf.
»Harry, doch.«, erwiderte ich entschlossen, und rollte mich entgegen der Proteste meiner eigenen Muskeln kurzerhand von der Matratze.
»Komm zurück, Haz.«, bat Louis verzweifelt. Er stützte sich auf einen Ellenbogen und verzog seine Lippen zu einem leichten Schmollen. »Ich will dich in den Arm nehmen. Bitte.«
Auch wenn es irre schien, schüttelte ich den Kopf. Aber ich hatte nun mal recht gehabt– und würde es noch hundertmal wiederholen, wenn nötig; es war zu früh zum Einschlafen. Es war unumgänglich, dass wir London morgen um diese Zeit verlassen haben würden. Ich würde keine einzige Minute verschwenden. Zu früh zum Einschlafen.
Louis' springender Blick war das einzige, das mich daran erinnerte, dass ich kein einziges Kleidungsstück trug. Aber die Luft in seinem Zimmer umhüllte meine nackten Oberschenkel noch immer feucht und warm. Ich fühlte mich nicht unwohl.
»Du hast mehr Erfahrung als ich, Louis. Du weißt, dass-« Wie ein Echo des überwältigenden Schmerzes von vorhin schoss ein stechendes Ziehen durch meine Hüften, als ich mich auf dem kühlen Parkett aufrichten wollte. Kurz schnappte ich mit einer Hand zurück aufs Bett gestützt nach Luft, aber Sauerstoff war nicht die Heilung für alles. Trotzdem zwang ich mich, Louis' halb besorgten, halb belustigten Blick zu ignorieren und entschieden ein paar Schritte zurück zu stolpern. Gehen. Kontrolliert zurück zu gehen. Natürlich.
»Du hast mehr Erfahrung als ich, Louis.«, wiederholte ich, als wäre keinem von uns aufgefallen, dass mein Körper mir meine Intimität mit Louis nicht so einfach verzieh, »Du weißt, dass wir es morgen früh bereuen würden, so eingeschlafen zu sein. Wenn wir jetzt nicht duschen gehen.« Ich sah zur unnötigen Erklärung an meiner Brust hinab.
»Ich weiß, dass ich es heute Abend bereuen werde, mit Harry Styles Sex gehabt zu haben.«, murmelte Louis mit einem kaum sichtbaren Augenrollen.
»Ich dachte, ich hätte gesagt, dass wir nicht mehr in der dritten Person voneinander reden.« Experimentell bewegte ich meine Hüfte ein Stück nach links, dann nach rechts. Es war okay.
»Und ich dachte, ich hätte gesagt, dass ich dich in den Arm nehmen will. Bitte, Harry. Es könnte so schön sein.« Mit großen Augen neigte er den Kopf zur Seite.
Wahrscheinlich war ich komplett übergeschnappt. Denn ich schüttelte den Kopf. »Ich gehe duschen.«, erklärte ich ruhig und drehte mich zur Tür um. Das Metall der Klinke war aufgewärmt, das Geräusch des Herunterdrückens wurde von Louis' lautem Seufzen und seinen Schultern, die zurück in die Decke fielen, übertönt. Ich schloss die Tür hinter mir nicht.
Es war ein ungewohnter Schmerz. Seltsam dumpf. Als ich auf dem Flur außerhalb von Louis' Sichtfeld war, erlaubte ich mir, mit ein wenig weiteren Beinen als gewöhnlich zu laufen. Es entlastete mein Becken etwas. Sofort schob sich der Gedanke an morgen in mein Bewusstsein. Das letzte, was ich wollte, war, einen ganzen Tag lang wie eine Ente durch London zu watscheln. Aber vielleicht war es morgen früh besser? Oder würde es über Nacht sogar schlimmer werden? So funktionierten Muskeln, oder nicht?
Um meine kreisenden Bedenken zum Schweigen zu bringen, schüttelte ich kurz den Kopf, als ich Louis' Badezimmer betrat. Darüber konnte ich mir später noch Sorgen machen. Jetzt war es Zeit dafür, meine langsam verkrustende Brust sauber zu waschen.
Es gab keine Kleidung, der ich mich entledigen musste. Es war seltsam ungewohnt, ohne Umweg in die Dusche marschieren zu können. Ich musste einen Schritt zurücktreten, als das Wasser kalt auf die Fliesen zu prasseln begann. Vom Internat war ich es gewohnt, den Duschkopf aus der Halterung zu nehmen und auf den Boden zu richten, bis meine auskundschaftenden Zehen die Temperatur für zumutbar befanden. Hier kam der quadratische Duschkopf direkt aus der rein-weißen Wand. Aber das Wasser war innerhalb von Sekunden warm. Trotzdem hielt ich aus versichernder Gewohnheit kurz den Atem an, als ich unter den milden Strahl trat.
Die prasselnde Wärme umhüllte mich wie ein behütender Kokon. Klares Wasser saugte sich in meine Locken und spülte den kühlen Schweiß von meiner Kopfhaut. Ich schloss die Augen und ließ das Kinn auf meine Brust sinken. Mein Gehirn lief auf Wolken. Es waren Müdigkeit, Wärme und mein längst verabschiedeter Körper.
Es war fast ein bisschen zu automatisch, dass ich komplett abschaltete. So einfach war es also, die wild kreisenden Gedanken zum Schweigen zu bringen. Mehr als ein bisschen sanftes Wasser brauchte es nicht, um selbst zu sanftem Wasser zu werden. Jedenfalls war das, wie sich meine Muskeln, und meine Haut, und mein Kopf, und die Zeit mit jeder Sekunde mehr anfühlten. Was war Schlaf, wenn man unendlich war?
»Versteh ich nicht.« Louis' Stimme war nah, näher, und eine Sekunde später spürte ich seine Hände sanft auf meiner Taille.
Ich blinzelte lächelnd, ohne Überraschung – ich hatte gewusst, dass er mir folgen würde – aber trotzdem verwirrt. »Was?«, fragte ich leise und beobachtete, wie winzige Wassertröpfchen sich in den Haaren auf Louis' Armen festsetzten.
»Ich verstehe nicht, wie du vom Hoffnungslosen-Romantiker-Harry zum Pragmatischen-Dusche-nach-Sex-Harry werden konntest. Du hattest die Chance auf etwas, das dein acht Monate jüngeres Ich sich in seinen wildesten Träumen herbeigewünscht hätte.«
Meine Wimpern waren schwer von all dem Wasser. »Welchen Harry magst du lieber?«
»Ist das eine Fangfrage?«
Ich ließ meine Stirn gegen Louis' Schulter sinken. »Vielleicht.«
Louis' Lippen lagen an meiner Schläfe. Sie vibrierten amüsiert, als er zu sprechen begann. »Wahrscheinlich hat sich der hoffnungslose Romantiker in dir verabschiedet, als ich dich fast umgebracht hätte mit meiner zauberhaften Idee eines ersten Mals bei Kerzenschein.«
»Vielleicht.«, hauchte ich wieder – ohne wiederholen zu können, was Louis gesagt hatte.
Die Hände an meiner Taille glitten ein wenig höher. Durch die Dunkelheit meiner Wahrnehmung huschten lila Schatten. »Du schläfst gleich im Stehen ein, Haz.«
Ich hob meinen Kopf nicht an. »Ich bin nicht müde.«, säuselte ich in der Tonlage des Wassers.
»Weiß ich doch.« Das Lächeln in Louis' Stimme war von der Art, die ich kopieren konnte. Also tat ich es.
Mit ein bisschen Überwindung sah ich jetzt doch auf. Louis stand nur halb im Strahl der Dusche. Sein Gesicht schimmerte noch tiefrosa von dem Adrenalin, das er in meine Knochen übertragen hatte.
Er fuhr mit seinen Fingern langsam meine Rippen entlang bis zu meiner Wirbelsäule und verflocht sie dort miteinander. »Tut es sehr weh?«, fragte er, als seine Hände auf Höhe meiner Hüftknochen hinabgerutscht waren.
Kurz neigte ich meinen Kopf zur Seite, dann seufzte ich. »Ein bisschen.«
»Das tut mir leid.« Ehrlich bedauernd verzog Louis einen Mundwinkel.
»Muss es nicht.«, versicherte ich aufrichtig. »Es ist ein fairer Preis.«
»Trotzdem.«, er trat einen kleinen Schritt weiter in den Strahl. Das Wasser benetzte seine Schlüsselbeine. »Das letzte Mal, als ich dir solche Schmerzen bereitet habe, war, als wir Schlittschuhlaufen waren. Und danach habe ich mich wie ein Idiot gefühlt.«
»Tja«, ich grinste mit all der Energie, die ich noch in mir spürte, »wenigstens habe ich jetzt etwas gefunden, das du besser kannst als Schlittschuhlaufen.« Ich wollte ihm zuzwinkern, aber meine Augenlider waren zu träge und so blinzelte ich mit beiden Augen. Also umschloss ich stattdessen seine Wangen mit meinen schweren Händen und zog sein Gesicht zu meinem und seinen Körper vollständig zu mir ins Wasser.
Louis war nass und perfekt und hier. Es war keine bewusste Entscheidung, meine Lippen gegen seine zu öffnen, bis seine Zungenspitze meine anstupste. Ich sollte Louis nicht küssen. Geschlossene Augen bargen gerade zu viel Gefahr. Aber so war das mit den Versuchungen. Und letztendlich fühlte ich mich nicht schuldig genug, um mich nicht von Louis küssen zu lassen.
Es waren die kalten Fliesen in meinem Rücken, die mich realisieren ließen, dass Louis sicherer als ich auf seinen Füßen stand. Ich atmete warme Luft und feine Tröpfchen Wasser ein, als die Kälte der Wand mich zusammenzucken ließ. Nicht nur meine Schultern pressten sich gegen die glatte Oberfläche. Louis schien meine Überraschung nebensächlich zu finden, er küsste mich weiter mit dirigierenden Lippen und sich in meine Wange schmiegender Nase.
»Louis?«, hauchte ich leise und ohne meinen Mund vor ihm zu verschließen. Es wirkte auf mich nicht wie ein großer Verlust, dass mein Wortschatz sich auf dieses eine Wort beschränkt zu haben schien. Das schien Louis genauso zu sehen, denn er stoppte nicht, um mich damit aufzuziehen. Stattdessen schob er sein Knie sanft zwischen meine Beine. Ich klammerte mich fester an sein Gesicht und versuchte, mir des seichten Wasservorhangs, der uns umgab, bewusst zu werden. Sobald ich ihn für unsere Atmosphäre halten würde, wäre es zu spät.
Ich wusste nicht, ob es meine Müdigkeit oder das monotone Rauschen des Wassers war, das meinen Kopf genügend abschaltete, um meinen Körper übernehmen zu lassen. Aber erst, als ich leise gegen Louis' Lippen keuchte, realisierte ich, dass sich mein Becken schon wieder seinem entgegenpresste. Allerdings fing er es rechtzeitig ab. Zärtlich presste er es zurück. Die Wand hinter mir war nicht weniger hart geworden.
»Harry«, murmelte er behutsam. »ich kann dich unmöglich jetzt gegen...«, er schien es sich anders zu überlegen. Seine Haare klebten längst nass an seinen Schläfen, als er den Kopf beinahe unmerklich schüttelte. »Du hast sowieso schon Schmerzen. Das werde ich auf diese Weise nicht verantworten können.«
Aufgeregt blinzelte ich mich durch das schimmernde Wasser. Es wäre eine Lüge, zu sagen, dass meinen Lenden diese neue Vorstellung nicht gefiel. »Also willst du sagen, dass...wir es andersherum versuchen sollten? Vertauscht?« Müdigkeit hatte plötzlich ihre Bedeutung verloren. Was zählte Müdigkeit schon, wenn Schlaf die letzte Option war?
Für ein paar Sekunden runzelte Louis verwirrt die Stirn. »Nein. Ich meinte, dass ich deine Erinnerung an dein erstes Mal nicht dadurch trüben werde, dass du dich bereit genug für eine zweite Runde fühlst. Erst recht nicht in der Dusche. Sieh dir deine hübschen, wackeligen Knie an. Ich habe nichts, worin ich dich morgen durch die Innenstadt karren kann, wenn du nicht mehr auf deinen eigenen Beinen stehen kannst.«
»Nicht witzig, Louis.«
»Das war kein Scherz.« Er presste seine Stirn gegen meine, dann küsste er die weiche Haut unter meinem Kieferknochen. Von einer noch immer neuen Selbstverständlichkeit gesteuert, legte ich meinen Kopf ein Stück in den Nacken. »Ich will nur sagen, dass ich dich nicht überfordern will, Haz. Wir sollten es langsam angehen. Heißt es nicht, dass man aufhören soll, wenn es am schönsten ist?«
»Ja, so heißt es, aber«, ich senkte mein Kinn wieder etwas, um im seichten Regen besser atmen zu können, »ich wusste nicht, dass diese Redewendung in deinem Leben existiert.«
»Da staunst du, was?« Er lächelte selbstzufrieden. Einer seiner Daumen fuhr über meinen linken Hüftknochen. »Dass du so einen reflektierten Freund hast!«
Ich rutschte ein paar Zentimeter an der Wand in meinem Rücken hinunter. Insgeheim fragte ich mich, ob die Fugen senkrechte Abdrücke auf mir hinterlassen würden – und was Louis' Zunge dann mit ihnen anstellen könnte. »Wenn mein Freund so schrecklich reflektiert ist, sollte er sich bewusst sein, dass sein Knie in meinem Schritt es mir nicht unbedingt einfacher macht, zu stoppen, wenn es am schönsten ist.«
Louis grinste schief. Im Strahl des Wassers konnte er seine Augen nicht vollständig offen halten. »Dieses Knie?« Auf wackeligen Füßen hielt ich zitternd die Luft an, als Louis' Bein sich ein Stück höher schob.
Es kostete ein wenig Überwindung, aber ich platzierte meine flache Hand auf Louis' Oberschenkel in meinem Schritt und übte einen Druck sanfter Bestimmung nach unten aus. Das Verständnis für seine Worte war vielmehr eine feucht-neblige Wolke, deren bestätigende Wahrheit ich in meinem Kopf bis in meinen Rachen hinein spüren konnte, als dass ich es in greifbare Gedanken hätte verpacken können. Es machte Sinn, was er sagte. Ja, zwar wollte und brauchte ich Übung und sehnte mich – trotz dumpfem Schmerz – nach der Intensität der Erfahrung. Aber für heute Nacht sollten wir festhalten, was wir hatten. Louis wollte, dass meine Erinnerung nicht verschwamm, und wenn ich ehrlich war, wollte ich meine Erinnerung nicht verschwimmen sehen. Heute Nacht sollten wir nicht riskieren, die Blase mit all ihren Regenbogenfarben zerplatzen zu lassen. In der Hinsicht hatte er recht. Die Unendlichkeit von ersten Erfahrungen durfte man nicht aufs Spiel setzen, wenn man sich ihrer rechtzeitig bewusst war.
Trotzdem lehnte ich mich vor und küsste Louis wieder. Das würde mir nicht langweilig werden. Ich löste auch meine zweite Hand von Louis Wange und zog mich an seinen Oberarmen dichter an sein nasses Gesicht. Seine Zähne waren glatt gegen meine Zunge. Louis' Mund hatte jetzt einen Geschmack, der mich vor einigen Wochen noch manchmal aus dem Konzept gebracht hatte. Er schmeckte nach mir.
Mit leisem Schmatzen löste ich mich von seinen trägen Lippen und dem Harry-Geschmack seines Mundes. Ich fädelte mich aus dem losen Griff seiner Arme und stolperte einige Schritte aus dem Strahl der Dusche. Sofort legte sich eine feine Gänsehaut über meinen oberen Rücken – egal, wie dampfverhangen das Bad war. Ich steuerte meine ausgelaugten Beine zum eckigen Waschbecken. Der Spiegel war von Millimeter-gewölbten Wassertröpfchen beschlagen. Es war der Anblick meiner schwammigen Reflexion, der die Müdigkeit in einer zweiten Welle wie nach einer magischen Ebbe wieder über mich hinwegspülen ließ. Louis' Blick lag auf mir, das wusste ich, auch wenn der Spiegel ihn deckte.
Ich griff mit der linken Hand nach meiner Zahnbürste auf dem schmalen Rand des eckigen Waschbeckens und drehte mit der rechten den gerillten Deckel der Zahnpastatube auf. Die vierfarbige Zahnpasta sah fremd auf den mitgenommenen Borsten meiner Zahnbürste aus. Louis hatte mich darum gebeten, meine eigene Zahnbürste mitzubringen, obwohl mir die originalverpackten Zahnbürsten im Spiegelschrank natürlich nicht entgangen waren. Ich war nicht gleichgültig genug gewesen, um nicht zu fragen. Louis hatte mit seiner Begründung nicht gezögert – allerdings hatte er es mehr so wirken lassen, als ginge es um mich, dabei war ich mir ziemlich sicher, dass diese Erklärung eher für ihn von Bedeutung war; er hatte nicht gewollt, dass ich mich wie ein ungeplanter Übernachtungsgast fühlte.
Um meine Hände frei zu kriegen, schob ich mir den schmalen Plastikgriff meiner Zahnbürste zwischen die Zähne und bereitete auch Louis' Zahnbürste vor. Ohne genügend wachen Verstand übrig zu haben, um darauf bedacht zu sein, auf meinen schlüpfrigen Füßen nicht auszurutschen, tapste ich zurück unter die Dusche. Louis lächelte, als wüsste er, dass ich die Art von glücklich war, die sich unendlich anfühlte. Schweigend nahm er mir seine Zahnbürste ab und wir putzten unsere Zähne. Der Schaum, der langsam meinen Mund füllte, war leicht, und ich war müde. Das Wasser schien wärmer zu werden.
Louis spülte seinen Mund als erstes aus, ich folgte seinem Beispiel. Undurchsichtige Zahnpastareste klebten in seinem linken Mundwinkel, aber meine Gedanken waren zu schwer geworden, um mir die Mühe zu machen, ihn darauf hinzuweisen. Ich könnte sie ihm später wegküssen. Später. Morgen. In einer Woche. Nachdem ich geschlafen hatte.
Ohne viel Druck öffnete Louis meine Finger um meine Zahnbürste, um sie mir abzunehmen. Zusammen mit seiner eigenen platzierte er sie auf dem unerklärlich elegant wirkenden Metallgitter an der Wand, das eine kleine Auswahl an schimmernden Hygieneartikeln trug.
Ich schloss die Augen, lange. Das Wasser auf meinen Schultern wurde weicher. Auf meiner Zunge lag der Geschmack von Menthol, nicht das gewohnte, süße Minzaroma. Als ich die Augen wieder öffnete, schirmte Louis mit seiner linken Hand das Shampoo auf der Handfläche seiner rechten vom Wasser ab. Ich schloss die Augen wieder, länger. Der sanfte Regen der Dusche durchdrang meine Schädeldecke und schien heiß und zäh durch meinen Hals meine Wirbelsäule hinabzurinnen. Mein Herz und sein verlorener Schlag waren eine tiefe, stille Wanne, gefüllt bis zum Rand, Schaum in Bergen auf seiner Oberfläche schwebend. Louis' Finger fuhren in meine Haare. Weite Kreise brachten meine Kopfhaut zum Kribbeln. Ich wollte fallen – in tiefen Schlaf oder Louis' Arme oder die Sicherheit einer Vergangenheit, die nicht existierte.
Als ich die Augen wieder öffnete, war Louis verschwommen. Mit in den Nacken gelegtem Kopf spülte er sich den Schaum aus den eigenen Haaren.
Nicht weniger untätig ließ ich mir von ihm dabei auch mit dem Waschen vom Rest meines Körpers helfen. Louis' Hände waren sanft und ihre Bewegungen fließend. Er ließ meine Hülle aus Muskeln und Haut sich wie den perfekten Ort für weichen, warmen Schlaf anfühlen. Manchmal vergaß ich, beim Blinzeln wieder die Augen zu öffnen und nach einer ungewissen Ewigkeit war die Schwärze hinter meinen schweren Lidern schöner als der Anblick von Louis' rotwangigem Gesicht.
Erst, als das Wasser innerhalb einer Sekunde seinen Fall auf meinen Kopf und das Gewicht meiner Schultern stoppte, riss das abrupte Ende der Monotonie mich aus meinem schwebenden Limbus zwischen Schlaf und Wachzustand. Das laute Tropfen von unseren Ellenbogen und Haarsträhnen machte die Stille lauter. Überfordert starrte ich Louis an, der schon nach zwei Handtüchern gegriffen hatte. Er schlang mir eines um die Hüften, bevor er in seinem eigenen das Gesicht vergrub. Ich stützte mich mit einem Arm an den beschlagenen Fliesen ab.
»Stören die nassen Haare dich, Harry?«, fragte Louis leise, als würde er es nicht wagen, lauter als das verklungene Rauschen des Wassers zu sein. Mit ein paar schnellen, routinierten Vor- und Zurück-Bewegungen rubbelte er sich das eigene Haar so trocken, wie es eben ging. Fragend hielt er mir sein Handtuch entgegen, als seine klamme Frisur eher einer Löwenmähne als allem anderen glich. »Du kannst sie auch föhnen, kein Problem, ich-«
»Danke.«, seufzte ich leise, und nahm ihm das Handtuch ab. Auch wenn ich genau wusste, dass meine Locken es mir nicht danken würden, imitierte ich sein Trockenreiben meines Kopfes. Das Handtuch saugte erstaunlich viel des schon jetzt kälter werdenden Wassers auf. Ich gab es Louis zurück, ohne mich schlecht dafür fühlen zu können, dass es mehr oder weniger vor Nässe triefte. Der Jasmingeruch des Duschgels benebelte nach dem Badezimmer auch meinen Kopf.
Langsam verließ ich die Dusche. Mit betrunkenen Fingern begann ich, meinen Oberkörper abzutrocknen. »Louis?, fragte ich, als mir bewusst wurde, dass ich den wohligen Magnetismus seiner Haut vermisste.
Er legte eine Hand auf meinen unteren Rücken und drückte meine entblößte Hüfte sanft. »Ja?« Vielleicht hatte er nicht mehr die Kraft, sich wieder über mich lustig zu machen.
»Ich habe gelogen.«, erklärte ich und blinzelte ein paar Mal schnell hintereinander, um zu verhindern, dass mein Blickfeld weiter verschwamm. Fragend hob Louis die Augenbrauen und breitete sein Handtuch auf einer weißen, dafür vorgesehenen Heizung aus. Ich nickte und knotete meines wie in Zeitlupe neu um meine Hüfte. »Ich bin doch müder als du.«
Louis lachte weich und hell. Er nahm meine Hand. »Ich weiß, Harry.«
Ohne weiter zu fragen, öffnete er die Tür zum Flur und zog mich geduldig mit sich. Meine Beine waren zähes Karamell, aber ich ließ mich von ihm leiten. Kühle Luft legte die nächste Gänsehaut auf meinen Rücken. Keiner von uns dachte daran, das Badlicht auszuschalten. »Aber du hast gesagt, ich würde besser werden im Lügen.«, beschwerte ich mich ohne jeglichen Nachdruck und genau wissend, was Louis antworten würde.
»Tja, Süßer«, lächelte er unschuldig. Ich ließ den Schmerz in meinem Becken nicht bis in mein akutestes Bewusstsein vordringen. Weite Beine halfen noch immer. »Das war leider eine Lüge.«
»Leider eine Lüge«, wiederholte ich bestätigend. Ich versuchte nicht mehr, mich daran zu erinnern, worüber wir geredet hatten. Im ganzen Haus gab es keine Ecken mehr.
Schwere Hitze schlug uns in Louis' Zimmer entgegen. Es roch nach Schweiß und Sex und Sauerstoffmangel. Lächelnd blieb ich stehen, weil die Erinnerung trotz Dusche noch auf meiner Haut lag. Ich war zu müde, um zu gähnen und fast zu müde, um zu schlafen. Gerade jetzt fühlte ich mich so perfekt, geborgen, weich und unendlich in meiner Müdigkeit, dass ich weinen wollte. Einfach nur, um so viel zu fühlen, wie nur möglich.
Mit familiären Fingern löste Louis den Knoten des Handtuches um meine Hüfte wieder. Es fühlt es sich an wie ein Traum, den ich schon mal gehabt hatte. Aber was tat das nicht? Eins zwei drei, zwei drei vier. Das Handtuch fiel zu Boden. Ich stolperte zum Bett, meine Knie knickten ein, bis ich rücklings sitzend auf der Matratze landete. Ich wollte einfach nur noch zu Atem und falschen Bildern meines Unterbewusstseins werden.
Wieder hörte ich Louis lachen. Irgendwie hatte er sich zum Fenster bewegt, um die hellen Vorhänge vorzuziehen. »Die ganze Dusche war umsonst, wenn du dich jetzt in dieses Bett legst, Haz.« Ich schielte zu ihm herüber. Seine Augen waren klein vor Müdigkeit, feuchte Strähnen hingen in seine Stirn.
»Ist mir egal.«, flüsterte ich, weil es wahr war.
»Es dauert nur zwei Minuten, das Bett neu zu beziehen.«
Ich wollte ihn fragen, wer jetzt von uns beiden der Pragmatiker war, aber die Worte wollten in meinem Kopf keinen echten Satz ergeben. Außerdem wusste ich, dass er Unrecht hatte. Ich schüttelte den Kopf und ließ mich in die Kissen fallen. Falls die Laken nicht trocken waren, machte das gegen meinen sowieso halbnassen Rücken keinen Unterschied. Ich schloss die Augen.
»Wie war das mit ›zu früh, zum Einschlafen?‹«, fragte Louis mit schleifender Belustigung in der Stimme. Eine Welle der Erleichterung schlug über meinem Kopf ein, als die Schwärze meiner Augenlider mit dem Klicken des Lichtschalters schwärzer wurde. »›Letzter Abend in London‹ und so«, wiederholte Louis leise, was ich vorhin gesagt hatte. Ich hörte seine nackten Füße durchs Zimmer tapsen. Ein paar Sekunden später spürte ich sein Gewicht neben mir auf der Matratze. Einen kurzen, unvorbereiteten Moment fiel ich, aber dann doch nicht. Louis hatte nur die Decke unter mir weggezogen, um sie jetzt über uns auszubreiten. Ich nutzte meine allerletzte Kontrolle über meinen Körper, um mich in Louis' Richtung zu rollen.
»Morgen ist der letzte Tag in London.«, flüsterte ich leise. Ich konnte meinen Herzschlag hören. Oder Louis'. »Das ist wichtiger. Wir dürfen morgen nicht müde sein. Wir müssen schlafen.«, brabbelte ich drauflos und konnte nicht mehr sagen, welcher Teil meines Bewusstseins da sprach. »Wir müssen schlafen, jetzt, morgen müssen wir aufwachen, rechtzeitig, wir haben Pläne. Oder? Wir haben Pläne. Oder? Haben wir Pläne? Ja, es ist unser letzter Tag in London, wir müssen schlafen und-«
»Du bist süß, Haz, weißt du das?« Louis schlang einen Arm um meine Taille. Ich spürte all seine nackte Haut. Wir hatten miteinander geschlafen und es war unfassbar gewesen.
»Ja.«
Louis' Nase in meinen Haaren. Ich küsste ihn, auch wenn ich nicht wusste, welches seiner Körperteile es war. Wir waren eine Magmakammer, sicher abgeschirmt vom Rest des Universums. Vielleicht würde es niemals Morgen werden und vielleicht war das auch gut so. Schon jetzt konnte ich spüren, wie ich meine Fingerspitzen an eine Welt verlor, die mein erstes und letztes Zuhause war.
Und dann war da noch Louis. Er hatte mich geküsst, als ich ihm offenbart hatte, dass ich mich vor London und dessen Bedeutung für uns beide fürchtete. Dass ich nur jemand sein konnte, der Louis etwas bedeutete, solange das Internat uns von einer ungelebten Realität abschirmte. Aber wir waren hier. Die Seifenblase war nicht geplatzt. Louis konnte mich auch in London lieben. Und was war es, das Louis' Mum heute Morgen zu mir gesagt hatte, als ich ihr davon berichtet hatte, wie lange ich nicht hier gewesen war? ›London ist die Welt.‹
Das mochte wahr sein, aber in der Endlosigkeit dieser Nacht waren wir die Welt. Ich hörte Louis atmen, aber es machte keinen Unterschied, ob er schon schlief, oder ich.
Denn ich wusste, dass ich neben ihm aufwachen würde.
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