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Louis
Ich war lange nicht mehr vor Harry aufgewacht. Doch nichts erleichterte mich mehr, als das am nächsten Morgen zu tun. Es war kurz nach neun. Der letzte Abend musste Harry alle Kraft geraubt haben.
Mein Kopf fühlte sich noch immer leicht schummerig an, doch das Gefühl verschwand langsam, als ich die Augen aufschlug. Wie ein gelüfteter Vorhang floss der unbeschriebene Verlauf eines neuen Tages langsam von meinem Bewusstsein in meinen Körper über.
Aber was so viel wichtiger als jeder neue Tag war, war der friedlich schlafende Harry neben mir. Ohne ihn zu berühren, spürte ich eine ruhige Wärme von seinem Körper ausgehen. Endlich. Endlich war er wieder warm.
Gestern hatte ich sein Gesicht brechen sehen. Doch jetzt schlief er. Friedlich, ohne Albträume. Er atmete. Sanft passierte die Luft seine leicht geöffneten Lippen, die heute nicht mehr inmitten kreideweißer Haut lagen.
Ich wollte ihn nicht aufwachen sehen. Ich konnte nicht wissen, was er fühlen würde. Als ich gestern noch ein Glas Wasser von unten geholt hatte, war Harry schon eingeschlafen gewesen. Komplett erschöpft hatte er auf der unberührten Decke gelegen, in seinen dünnen Boxershorts und demselben T-Shirt, das ich ihm gestern unter Nialls Anweisungen und Schweiß und Schock ausgezogen hatte.
Ich hatte Harry zugedeckt und die letzten stummen Tränen von seinen Wangen gewischt.
Jetzt, im gedämpften Licht der Morgensonne, wirkte er nicht mehr erschöpft. Er sah aus wie ein Engel, der im Schlaf nicht wusste, dass der Teufel in den Flammen der winzigsten Kerzen auf ihn wartete.
Das verdammte Feuer. Das Schlimmste war, dass ich es nicht hatte wissen können. Keine Chance. Ich hatte mir den Kopf darüber zerbrochen, war unsere gemeinsame Vergangenheit durchgegangen.
Dass Harry im Internat lebte und Evelyn seine Patin war; dafür hatte es viel zu viele Anzeichen gegeben. Ich war ein verfluchter Idiot gewesen, nie etwas erkannt zu haben.
Ich hatte Harry aus dem Lehrertrakt spazieren sehen, und ebenso Evelyn aus unserem Zimmer, als Harry halbnackt gewesen war. Es war lange her, und ich hatte diese Momente verdrängt, aber nie ganz vergessen. Und die dämlichen Ferien natürlich. Oder der Fakt, dass er nie über seine Eltern geredet hatte.
Aber dafür, dass Feuer eine Gefahr war? Der Trigger für eine posttraumatische Belastungsstörung, die er seit elf Jahren hatte? Keinerlei Anzeichen, kein einziges. Doch nicht Donnie Darko! Ich war damals zu beschäftigt damit gewesen, mich anzustrengen, Harry nicht anzusehen, als dass mir irgendetwas Bedenkliches an ihm hätte auffallen können.
Allerdings kannte ich jetzt die Wahrheit. Die komplette Wahrheit, genau das, was ich mir immer gewünscht hatte. War ich froh darüber? Ich war mir nicht sicher. Darum ging es nicht, oder? Es ging nicht um mich.
Aber doch; ich war mir sicher. Ich war froh, die Wahrheit zu kennen. So erschütternd sie auch sein mochte. Nicht nur, weil ich Harry jetzt nie wieder unwissentlich in Gefahr bringen würde. Dass ich es wusste, würde Harry Sicherheit bringen, davon war ich fest überzeugt. Oder zumindest hoffte ich es. Er hatte sich mir anvertraut – wenn auch nicht ganz freiwillig – und jetzt würde er sich sicher sein können, dass er mir einhundertprozentig vertrauen konnte.
Harrys Vergangenheit mochte tragisch sein, aber sie war ein Teil seiner Persönlichkeit geworden. Es war mehr als eine leidvolle Geschichte. Es war seine Realität. Er hatte gelernt, wieder glücklich zu sein. Was nicht bedeutete, dass er nicht traurig sein konnte, oder durfte. Es gab Momente für alles. Für Glück und Trauer, und für beides.
Vielleicht sollte Harry wieder aufwachen. Es musste weitergehen. Es war Zeit für das Ende der Trauer. Oder auch nicht, falls er dafür noch nicht bereit war. Es gehörte dazu. Es musste weitergehen.
Ich streckte vorsichtig meinen Arm aus. Harry lag auf der Seite, die Hände vor sein Gesicht gebettet. Behutsam, ohne ihn anders zu berühren, strich ich eine dunkle Locke aus seiner Stirn. Im Schlaf wirkte er nicht mehr so zerbrechlich wie gestern Abend. Nebliges Rosa färbte seine Wangen.
Ja, er war ein Engel. Harry machte Schönheit objektiv.
Es dauerte nicht lange, bis seine Augenlider flatterten. Ich fuhr federleicht die Konturen seiner Wangenknochen nach. Die rosigen Lippen schlossen sich, er schlug die Augen auf.
Harry
Noch bevor die Erinnerungen an gestern Abend zurückkehren konnten, sah ich Louis' warmes Gesicht vor mir. Die schwindende Müdigkeit zeichnete die Ränder meines Blickfeldes weich. Schläfrig lächelte ich und rollte mich in Louis' Arme.
»Hi«, flüsterte ich leise. Wie ein Planet hüllte seine Nähe mich in die Geborgenheit seiner Atmosphäre.
»Harry«, erwiderte er kaum lauter als ich. Doch der besorgte Klang seiner Stimme legte den Schalter in meinem Kopf um. Die letzten zwölf Stunden zogen durch mein Bewusstsein wie ein Sturm. Ich kniff die Augen zu, um die Schwärze zu induzieren, bevor sie sich mir aufzwingen konnte. Kontrolle war das Schlüsselwort.
Ich brauchte ein paar Sekunden, vielleicht ein paar mehr. Ich konzentrierte mich auf meinen Atem und darauf, das Gefühl von Louis' Haut gegen meiner nicht zu verlieren. Unverkennbar spürte ich die gähnende Einsamkeit an mir zerren und meinen Realitätssinn taumeln. Aber sichernde Finger verflochten sich mit meinen.
»Wie geht es dir, Harry?« Eine zweite Hand fuhr sanft durch meine Haare. Ich blinzelte in den Sonnenschein Louis' makelloser Gesichtszüge. Die Sorge in den blauen Augen trübte seinen Anblick nicht.
Ich kannte die Antwort nicht, doch ich wusste, dass meine Worte automatisch Wahrheit erschaffen würden. »Besser«, erwiderte ich mit der Gewissheit, die ich nie verloren hatte und niemals verlieren würde. Ja, die Momente, die mich zurückkatapultierten, waren dunkel. Aber sie gingen vorüber. Ich hatte das Glück, längst gelernt zu haben, sie von meiner normalen Realität zu trennen.
Heute Morgen hatte ich die Kontrolle zurück. Ich konnte das Geschehene anerkennen, ohne mich überwältigen zu lassen. Das Leben ging weiter, so wie es das immer getan hatte.
Aber Louis' Blick verlor die alarmierte Aufmerksamkeit nicht. Ich setzte mich ein Stück auf. Fest sah ich Louis in die Augen. Seine braunen Haare schienen dunkler auf dem weißen Kissen.
»Louis«, ich drückte seine Hand in meiner leicht. »Es geht mir besser, hörst du? Es geht mir gut. Ich bin okay. Das war nicht das erste Mal, Louis. Es wird nicht das letzte Mal bleiben. Aber ich bin okay.«
Er nickte und setzte sich ebenfalls auf. »Ich weiß.«, erwiderte er, und meinte es. »Aber es war...heftig.«
Es hatte keinen Zweck, das zu verneinen. »Es war heftig, aber das liegt vor allem daran, dass du die ganze Geschichte gehört hast. Ich musste seit Jahren nicht aussprechen, was geschehen ist und...es wird nicht schlimmer, Louis. Wir waren beide unvorbereitet. In Zukunft wird es anders sein.«
Louis erwiderte nichts. Ich sah ihm an, dass er verstand. Er würde lernen, das wusste ich. Er würde sich an alles gewöhnen. Das passierte unweigerlich. Man brauchte nur ein bisschen Geduld. Und das war eine Sache, von der ich sicher wusste, dass Louis sie besaß.
Ich lehnte mich vor und küsste ihn mit geschlossenen Augen. Vom Schlaf träge Lippen ließen es sich wie einen ersten Kuss anfühlen. Unsicher und sehnsüchtig. Louis erwiderte. Hoffentlich verstand er, was es bedeutete. Wir funktionierten wie immer, gemeinsam. Er brauchte sich nicht verrückt zu machen. Alles würde gut sein – oder so gut es sein konnte.
Auch wenn ich es nicht freiwillig getan hatte, war ich froh, es Louis gesagt zu haben. Es war höchste Zeit gewesen, das hatte sich gestern Abend ja bewiesen. Außerdem war das hier das Ende der Lügen. So gut wie. Endlich.
Natürlich hatte Niall mit allem recht gehabt.
Ich zuckte von Louis' Gesicht weg. Erschrocken öffnete er die Augen weit. Ich rappelte mich vom Bett auf.
»Harry?«, fragte er mit verstärkter Beunruhigung.
Ich versuchte, alles in dem Zimmer um mich herum aufzunehmen. »Niall!«, stieß ich als Erklärung hervor.
Louis' nackte Füße fanden den glatten Boden vor seinem Bett. »Das ist nicht meine Name«, murmelte er leise, genau wissend, dass ich das nicht meinte.
»Wo ist das Handy, Louis?«, fragte ich, ohne ihn anzusehen. Auf dem Schreibtisch war es nicht, nirgendwo auf dem Boden. Nachttisch? Nein. »Louis?!«
Es brauchte nur ein paar Sekunden, bis Louis vor mir stand. Entschlossen umfasste er meine Unterarme. »Harry«, durchdringend sah er mich an. »Ist alles okay?«
Ich nickte. Dann schüttelte ich den Kopf. »Niall.«, wiederholte ich mit mehr Nachdruck. Louis' Hände waren warm. »Er weiß nicht, was los ist. Wir haben ihm nie Bescheid gesagt! Er und Eve- Wo ist das Handy, Louis?«
Mit Erleichterung über das Verständnis meiner Dringlichkeit ließ er meine Arme los. Kurz schloss er die Augen, die sich sammelnden Gedanken waren ihm in feinen Falten auf die Stirn geschrieben. »Im Wohnzimmer«, verkündete er dann endlich. »Es müsste im Wohnzimmer sein.«
Dankbar nickte ich und wirbelte sofort herum. Mittlerweile hatte ich die Räumlichkeiten von Louis' Haus halbwegs abgespeichert. Schnell lief ich die Treppe hinunter, Louis nicht weit hinter mir.
Sicher war Niall am Durchdrehen. Er hatte nie eine Rückmeldung erhalten, nachdem er gestern mit Louis geredet hatte.
Als ich ins Wohnzimmer stolperte, sah ich das Handy sofort. Wie präpariert lag es einsam auf dem hellen Parkett. Ich ergriff es, ohne lange zu zögern, die kleine rote Zahl in der linken Ecke ignorierend. Die Nummer, die ich brauchte, war eingespeichert. Das Handy war kalt gegen mein Ohr.
Es klingelte genau einmal, bevor ich hörte, wie die Leitung sich dem zweiten Gesprächspartner aufgab.
»Louis!«, drang Nialls angespannte Stimme an mein Ohr. »Endlich!«
Ich senkte den Kopf, mein Kinn auf meiner Brust. »Niall«, seufzte ich. »Ich bin es.«
»Harry!« Erleichterung knisterte durch den Lautsprecher. »Harry, Gott sei dank, wie geht es dir? Es tut mir so leid. Ich hätte Louis nicht auflegen lassen dürfen! Er hat sich nicht davon abhalten lassen, einen Krankenwagen-«
»Niall, keine Sorge, es ist alles gut«, fiel ich ihm ins Wort. »Er hat keinen Krankenwagen gerufen. Ich war rechtzeitig bei vollem Bewusstsein. Das alles war für ihn schlimmer als für mich.«
»Es war echtes Feuer, Harry, du hast seit Jahren kein echtes-«
»Es ist alles okay, Ni, es geht mir gut.« Ich betonte jedes Wort. »Louis konnte nichts dafür.«
Ein kurzes Schweigen erfüllte mein Ohr. »Das weiß ich«, erwiderte Niall schließlich. »Wie geht es ihm? Du hast ihm doch von allem erzählt, oder nicht?«
Eine warme Hand legte sich um meine. Louis führte das Handy von meinem Ohr weg und drückte auf das kleine Megaphon-Symbol. Er umfasste meine Taille und schob mich sanft zum Sofa, auf das wir uns beide setzten.
»Harry?«, Nialls Stimme schallte jetzt durch den ganzen Raum. »Hast du es ihm erzählt?«
»Ja. Natürlich.«
Wir konnten Niall atmen hören. Es dauerte einen Moment, bis er wieder sprach. »Und..?«, echote er durch die Stille. »Wie hat er reagiert?«
Louis räusperte sich leise. »Ich habe verstanden, wieso ihr es mir nicht vorher erzählt habt.«
»Louis! Du bist hier.« Niall klang erleichtert darüber, Louis' Stimme zu hören. Ich wollte mir nicht vorstellen, in welcher Verfassung er sie zuletzt gehört hatte.
»Ich hätte gestern nicht auflegen sollen, Niall.«
»Du hast alles richtig gemacht, Louis.«, schaltete ich mich ein. Wie hätte er auf eine Situation reagieren sollen, auf die er nicht vorbereitet gewesen war?
»Harry hat recht. Mach dir keine Vorwürfe, Louis. Es war großartig, dass du mich angerufen hast.«
Louis neigte den Kopf. »Das war eine Impulsiventscheidung.«
»Es spielt keine Rolle, was für eine Art von Entscheidung es war.« Nialls Stimmlage war mir mehr als bekannt. Er hatte jahrelange Übung darin, mit seinen Worten Adrenalin zu ersticken. »Hauptsache ist, dass es allen gut geht.«
»Weiß Eve Bescheid?«
»Ha!«, lachte Niall freudlos. »Sie telefoniert sich gerade durch alle Krankenhäuser Londons.«
Louis schürzte die Lippen. »Als würden die irgendeine Auskunft geben.«
»Man muss nur die richtigen Leute kennen. Das müsstest du wissen, Louis.« Niall machte eine kurze Pause. »Außerdem war es alles, was ihr übrig geblieben ist. Sie hat unzählige Male versucht, euch anzurufen.«
Ich warf Louis einen Blick zu. Der zuckte mit den Schultern. »Ich hab das Handy stumm gestellt.« Vorwurfsvoll blinzelte ich ihn an. Niall schnalzte leise mit der Zunge. Verteidigend warf Louis die Arme in die Luft. »Was? Ich wollte dieses Wochenende nur für uns haben!«
»Und das Festnetztelefon?«, forschte Niall weiter. »Evelyn hat es nicht nur mit dem dämlichen Prepaid-Ding versucht.«
Louis zuckte mit den Schultern. »Das habe ich auch nicht laut gestellt. Wieso sollte ich? Niemand weiß, dass ich hier bin.«
Trotz der eigentlichen Ernsthaftigkeit der Situation musste ich schmunzeln. Louis hatte wirklich alle Möglichkeiten einer potentiellen Störung eliminieren wollen. Ich nahm seine Hand und küsste lächelnd seine Fingerkuppen. Wieder zuckte Louis mit den Schultern. »Sind vier Tage zu zweit so viel verlangt?«, hauchte er kaum hörbar gegen die Haut meines Halses. Sofort legte ich meine Hand auf die Stelle, um die Gänsehaut zu ersticken.
»Wie auch immer«, meldete Niall sich zurück. Er klang jetzt sorglos und heiter. »Evelyn wird sich freuen, offiziell ihren zukünftigen Schwiegersohn kennenzulernen!« Auch über eine Distanz von 150 Kilometern war sein Grinsen hörbar.
Louis verdrehte die Augen, dann stand er mit einem kurzen Drücken meiner Hand auf. ›Frühstück?‹, fragte er lautlos. Ich nickte dankbar, woraufhin er aus dem Wohnzimmer verschwand. Erst jetzt fiel mir auf, wie hungrig ich war. Diese Erkenntnis brachte mich zum Lächeln. Wenn der Appetit zurück war, war wirklich alles wieder gut.
»Dass Louis nicht antwortet, nehme ich mal als Einschüchterung auf.«, fuhr Niall munter fort. »Keine Angst, Louis, sie mag dich. Auch wenn sie dich in den ersten Wochen fast von der Schule geschmissen hätte, weil du so ein homophobes Arschloch warst. Aber das wird sie dir kaum ins Gesicht sagen. Also keine Sorge.«
Ich zog mir ein Kissen auf den Schoß und erklärte Niall, dass Louis nicht mehr hier war. Ein wenig enttäuscht ging mein Freund dazu über, mir eine Reihe von Routinefragen zu stellen. Ich berichtete ihm alles, woran ich mich erinnern konnte. Nach ein paar Minuten kitzelte der Geruch der warmen Scones, die wir gestern auf dem Rückweg vom Restaurant für heute Morgen besorgt hatten, in meiner Nase. Also rappelte auch ich mich vom Sofa auf und tapste barfuß in die Küche.
»Niall«, schaltete ich mich in seine aktuelle Berichterstattung darüber, wie er Evelyn das Prepaid-Handy heute morgen unbemerkt abgenommen hatte, ein. Louis sah nur kurz auf, als ich die Küche betrat. »Louis und ich würden jetzt frühstücken wollen. Wir können am Sonntag reden, wenn ich zurück bin, ja?«
Auf Nialls Antwort wartend musterte ich die leichte Gänsehaut auf meinen Beinen, die dieses Mal von der Kälte und nicht von Louis ausgelöst worden war.
»Frühstücken. Hm. Okay. Gute Idee eigentlich. Wird für mich auch langsam Zeit. Aber Harry! Eine Sache muss ich noch wissen.«, er senkte verschwörerisch seine Stimme. »Ihr habt schon miteinander geschlafen, oder? Bitte sag mir, dass mein bester Freund keine Jungfrau mehr ist. Liam und ich haben gewettet, an welchem Tag-«
Louis lehnte sich vor und beendete mit einem einzigen Handgriff das Telefonat. Mit amüsiertem Grinsen ließ ich das Handy sinken.
»Niall hat eine ungesunde Menge Neugier in sich.«, stellte Louis fest. Eine seiner Hände legte sich auf meinen Hüftknochen.
Ich neigte den Kopf zur Seite. »Er ist aber anscheinend nicht der einzige, der Wetten auf das Sexleben seines besten Freundes abschließt.«
Louis verdrehte grinsend die Augen. »Liam und Niall sind irre.«
»Nach dieser Neuigkeit respektiere ich deine Entscheidung, das Handy stumm zu stellen.«
Ein sanftes Lachen verengte Louis' Augen. Ich schlang ihm meine Arme um den Hals und küsste ihn mit offenen Lippen. Sein Griff um meine Hüfte verstärkte sich.
Ich lehnte mich nur zurück, um sagen zu können, was ich nicht verloren gehen lassen wollte. »Louis?« Aufmerksam sah er mich an. »Ich denke, wir sollten demjenigen, der auf heute gewettet hat, seinen gebührenden Gewinn versichern.«
Als Louis mich wieder küsste, spürte ich meine Wangen warm werden. »Ich verspreche dir, dass es keine Kerzen geben wird.«, murmelte er gegen meine Lippen. Ich küsste ihn härter, als er mich geküsst hatte. Es würde nicht nur mein erstes Mal werden. Es war unser erstes Mal.
Doch wieder trennte ich mich von Louis' Lippen und dieses Mal auch vom Rest seines Körpers. Ich ließ meinen Blick über meine Beine wandern. »Ist es okay, wenn ich vor dem Essen noch schnell duschen gehe?« Es würde gut sein, gestern Abend von mir abzuwaschen.
Louis schien das ohne Worte zu verstehen, denn er nickte, ohne mir anzubieten, mit mir zu kommen. »Natürlich, Haz. Lass dir Zeit.« Er streckte seinen Arm aus und ließ seinen Daumen federleicht über meine Wange streifen. Bleiben wäre perfekt gewesen, aber ich nickte lächelnd und verließ die Küche wieder. So schnell wie möglich lief ich nach oben.
Die Dusche dauerte nicht lange und trotzdem hatte sie den gleichen wiederbelebenden Zauber wie ein Gewitter nach einem heißen Sommertag. Mit seliger Entspannung in meiner Brust schlüpfte ich danach in frische Kleidung. Ich las mir den Brief an Louis' Zimmerwand zum wiederholten Mal durch, während ich die zwei Kopfkissen auf Louis' Bett ausschüttelte. Als ich mich wieder auf den Weg nach unten machte, summte ich ohne Perfektionismus.
»Du weißt, dass ich dir den Brief nie hätte schreiben können«, verkündete ich, als ich das Esszimmer betrat, aus dem Louis meinen Namen gerufen hatte, »wenn Eve mir nicht deine Adresse gegeben hätte. Weiterreichen vertraulicher Informationen.« Ich ließ mich Louis gegenüber auf einen der hochlehnigen Stühle fallen.
Louis legte uns zwei goldbraune Scones auf die ebenen Teller. »Einer der Vorzüge als Patensohn der Schulleiterin, nehme ich an.«
Ich wusste nicht, was an meinem Anblick es war, das Louis zum Lächeln brachte, aber ich wollte nicht, dass es aufhörte. »Sehr gut erkannt, Lou. Hätte sie mir die Adresse nicht gegeben, wäre ich vielleicht in ihr Büro eingebrochen und hätte sie mir selbst besorgt.«
»Ich denke, wir sollten dieser ganzen Bonnie-und-Clyde-Sache nochmal einen zweiten Gedanken schenken. Das war immerhin lange vor Hemsby.«
Mein Orangensaft schmeckte süßer als sauer. Ich wusste, dass Louis seinen zuckerte. »Es wäre nicht wirklich ein Einbruch gewesen.«, gab ich zu. »Ich habe einen Schlüssel.«
»Und so verfällt all dein Potential wieder, Bonnie. Ich hatte wirklich gedacht, die Zukunftsperspektive gefunden zu haben, nach der du immer noch suchst.«
Ich zerkrümelte die Sconesunterhälfte lächelnd in meiner Handfläche. Mit Daumen und Zeigefinger der anderen Hand schob ich mir die Krümel der Reihe nach zwischen die Lippen. »Was sind unsere Pläne für heute?«, fragte ich mit Vorfreude auf etwas, das noch namenlos für mich war. »Bis auf den Wettbetrug natürlich.«
»Natürlich.« Louis zwinkerte mir zu. Es war ein ungewohnter Anblick. Vielleicht war Louis wirklich anders in London. Oder vielleicht waren es die Menschen. Fiel Druck von Louis ab, wenn er nicht von der schulischen Szenerie umgeben war? »Aber wegen dem Rest der Pläne«, erklärte er, »das ist, wenn du willst dir überlassen. Heute ist Samstag, also definitiv einer der Höllentage in der Innenstadt. Aber das ist für dich wohl kaum ein Hindernis. Ansonsten hätte ich an St. Dunstan-in-the-East gedacht. Die geheimste Stelle, die mir im Zentrum einfällt. Außerdem perfekt für dich, weil du Gärten liebst, und heute ist es sonnig. Wir könnten auch zur No. 10 Adam Street, damit du ein Fake-Downing-Street-Foto machen kannst. Niall würde drauf reinfallen. Und für abends hatte ich gedacht, dass wir vielleicht etwas kochen könnten. Wenn du Lust hast. Immerhin-« Als hätte jemand ihm die Luft abgeschnürt, hielt er inne. Mein so schwer zu bekämpfendes Lächeln fiel.
»Louis?«, fragte ich etwas aus dem Konzept gebracht. Seine Augen waren weit. Er hatte sich einen Finger auf die Lippen gelegt, zum Zeichen, dass ich schweigen sollte. Ein unwohles Gefühl breitete sich in mir aus. Verunsichert sah ich mich um.
Den Stuhl vorsichtig anhebend stand Louis auf. Seine Füße waren fast lautlos, als er um den Tisch herum zur angelehnten Tür des Esszimmers schlich. »Louis?«, flüsterte ich wieder, dieses Mal lag etwas in meiner Stimme, das ich für mein eigenes Wohlbefinden nicht benennen wollte. Ich drehte mich soweit auf meinem Stuhl um, dass ich sehen konnte, wie Louis die Tür weiter aufschob.
Plötzlich erstarrte er. Seine Arme fielen an die Seiten seines Körpers. Die Anspannung der Muskeln verflog so schnell, wie sie gekommen war. Ich konnte nicht sehen, was seinen Blick gefesselt hatte. Aber ich hörte die Worte, die er unterdrückt hervorpresste.
»Fuck. Das darf doch nicht wahr sein!«
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