39. Kapitel
Als ich am nächsten Tag aufwache, denke ich sofort an Shawn. Heute werde ich ihn endlich wiedersehen und umarmen können. Und das ist nicht alles, ich werde auch mit ihm nach Toronto, seiner Heimat, fliegen.
Doch dann fällt mir ein, dass ich noch gar nicht mit meiner Mom gesprochen habe... Scheiße! Was ist, wenn sie es mir nicht erlaubt und ich meinen Freund nicht begleiten darf? Das wäre echt blöd. Dann wäre Shawn völlig umsonst nach New York geflogen.
Na ja, er selber würde wahrscheinlich sagen, dass es nicht umsonst gewesen wäre, weil er mich wieder sehen konnte. Ich hingegen sehe das etwas anders. Aber er würde es nie zugeben.
Dann frage ich mich wieder, wie dumm ich eigentlich sein kann. Ich habe meinen Koffer gepackt und aber vergessen, meiner Mutter etwas davon zu erzählen. Wie geht das?
Nachdem ich mich umgezogen habe, mache ich mich schnell auf den Weg ins Wohnzimmer, um Mom Bescheid zu sagen, bevor Shawn an der Haustür klingelt. Allein das würde sie bestimmt freuen, doch nicht von mir zu erfahren, dass ich weggehe, würde sie nicht erfreuen.
„Morgen", grüße ich sie zuerst, als wäre es ein ganz normaler Tag. Immerhin will ich sie nicht mit dieser Nachricht überrumpeln. Allerdings darf ich mir auch nicht zu viel Zeit lassen, sonst steht der Sänger doch schon da.
Statt also erst zu essen, setze ich mich auf das Sofa und nehme mein Handy in die Hand. Ein paar Sekunden starre ich auf den schwarzen Bildschirm, aber das muss sie ja nicht wissen. Es soll nur so aussehen, als wäre alles wie immer.
Dann lege ich es wieder ab und sage: „Mom?" „Becca?", entgegnet diese mit einer Rückfrage. Sie blickt mich ganz erwartungsvoll an, was mich irgendwie etwas beunruhigt. Aber wenn ich daran zurückdenke, wie ich Andrew umgestimmt habe, macht sich mein Mut auf den Rückweg.
„Ich muss dir was sagen", fange ich nun an. Erst jetzt fällt mir auch ein, dass sie gar nichts davon mitbekommen hat, dass die Beziehung von Shawn und mir viral gegangen ist. Sie hat ja so gut wie gar nichts mit den sozialen Medien zu tun und gerade viel Radio hört sie ebenso nicht.
„Also erst einmal muss ich dir sagen, dass die Welt jetzt von Shawn und mir Bescheid weiß. Deswegen gab es auch ein bisschen Stress mit seinem Manager, aber das hat sich zum Glück geklärt", erzähle ich. „Die letzten Wochen war er übrigens in Kanada und in diesem Moment ist er auf dem Weg hierher."
„Das ist doch wundervoll! Was ist da das Problem?", möchte meine Mutter wissen. Na ja, ich sehe da ja auch kein Problem, ich freue mich nämlich riesig. Jedoch habe ich ihr noch nicht alles erzählt. Danach wird sie es wahrscheinlich verstehen.
„Mom, wir werden zusammen nach Toronto gehen", spreche ich die Worte letztendlich aus. Wenn ich ehrlich bin, war es gar nicht so schwierig als ich mir vorgestellt habe. „Ich weiß nicht, für wie lange, aber ich werde endlich seine Familie kennenlernen."
„Und warum sagst du mir das erst jetzt?", fragt sie, wobei sie eindeutig enttäuscht klingt. „Mark wollte heute eigentlich kommen und uns zum Essen ausführen." Das hätte sie mir aber auch früher mitteilen können.
„Tut mir leid, ich habe das erst gestern erfahren und Shawn wollte sich nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen", werde ich ein kleines bisschen lauter. „Ich wäre wirklich gern mitgekommen, aber ganz ehrlich: Wenn ich die Wahl zwischen Mark und Shawn habe, entscheide ich mich natürlich für meinen Freund. Du würdest doch genau so handeln.
Noch dazu sind wir gerade am Anfang unserer Beziehung und möchten uns so oft wie möglich sehen. Das solltest du doch echt verstehen, immerhin hast du die letzten Wochen fast nur Zeit mit Mark verbracht. Jetzt bin ich mal an der Reihe."
Im nächsten Moment habe ich irgendwie ein schlechtes Gewissen. Ich habe noch nie so mit Mom geredet. Bisher waren wir aber auch noch nie in einer Situation wie dieser. Ich hoffe, sie ist mir jetzt nicht böse.
„Ich verstehe", meint meine Mutter nach kurzer Stille. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich die letzten Wochen ohne ihn gefühlt hast. In den ersten Tagen mit Mark hatte ich ein großes Verlangen nach ihm, das wird bei dir wahrscheinlich auch so gewesen sein. Du wolltest seine Nähe spüren, doch das war schlichtweg nicht möglich."
Und wie ich seine Nähe spüren wollte. Und jetzt ist dieses Verlangen so groß wie noch nie. Vor allem, wenn man weiß, dass es jede Minute so weit sein könnte.
„Es fällt mir sehr schwer, das zu sagen; immerhin bist du doch meine Kleine", beginnt sie. Allerdings lasse ich sie nicht weitersprechen, sondern werfe gespielt genervt ein, dass ich nicht mehr klein bin.
Mit einem Augenverdrehen fährt Mom dann fort: „Na ja, jedenfalls wollte ich eben sagen, dass du gerne nach Toronto gehen darfst. Versprich mir nur, dass du auf dich aufpasst und auch zu mir beziehungsweise zu uns zurückkommst!"
Meine Mundwinkel bahnen sich ihren Weg nach oben und ich schlinge meine Arme um sie, während ich mich von ganzem Herzen bedanke. „Außerdem habe ich dann einen guten Beschützer an meiner Seite", flüstere ich, nachdem wir uns wieder gelöst haben. Oh Gott, ich bin so froh, dass sie mich gehen lässt!
Plötzlich knurrt mein Magen und mir wird klar, dass ich dringend etwas essen muss. Demnach stehe ich vom Sofa auf - wobei ich bereits gar nicht mehr richtig darauf gesessen bin - und laufe in die Küche, um mir ein Stück Kuchen zu schnappen.
Ich liebe diesen Kuchen einfach so sehr. Ihr wisst gar nicht, was ich alles dafür tun würde. Dennoch lasse ich ihn sofort auf den Teller, den ich vorher hingestellt habe, damit nachher nicht so viele Krümel auf dem Tisch liegen, fallen und springe vom Stuhl auf.
Schnell mache ich mich auf den Weg zur Haustür, ich renne sogar fast. Ich glaube, ich hatte noch nie so ein Tempo drauf, weil es geklingelt hat. Allerdings ist das heute eine andere Sache.
Als ich die Tür öffne, steht ein großgewachsener, junger Mann mit Sonnenbrille und Kapuzenpulli vor mir. „Bereit für unsere kleine Reise?"
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