I don't know you
Perplex sah sie ihn an.
Jamie war sich nicht sicher, ob er es ernst meinte oder einen dummen, verdrehten Witz gemacht hatte. Vielleicht wollte er auch einfach genauso gerne wie sie so tun, als wäre nie etwas passiert?
Na, vielen Dank auch.
Jamie sammelte ihre Sachen zusammen und machte sich daran, sich von der Liege zu erheben. Es fühlte sich an, als würde sie gegen einen starken Sog ankämpfen, aber schließlich schaffte sie es wackelig auf ihre Beine und funkelte Billy böse an.
„Habe dein Shirt gerne vorbeigebracht, Arschloch!", grummelte sie und stieß ihn zur Seite, um an ihm vorbeizugehen. Er griff nach ihrem Arm.
Wütend drehte Jamie sich um. Er musste sich dringend abgewöhnen, sie immer so zu packen, sonst würde sie bald noch blaue Flecken bekommen.
„Hast du mich gestern Abend gesehen?", fragte er sie intensiv musternd. Wüsste sie es nicht besser, würde Jamie behaupten, er versuche ihr Gesicht zu lesen. Konnte er sich womöglich wirklich nicht daran erinnern, sie gestern getroffen zu haben? Jamie stürzte die Lippen.
„Wir kennen uns nicht, Billy.", antwortete sie stattdessen ausweichend und versuchte erneut, sich loszumachen, doch Billy ließ nicht locker. Ganz im Gegenteil. Mit einer ruckartigen Bewegung zog er sie näher an sich, sodass sie gegen seine Brust stolperte. Allem Anschein nach war das heute ihr Ding: gegen nackte, muskulöse Männerbrüste zu laufen. Es gab Schlimmeres.
Herablassend schaute er auf sie hinunter, sein Blick dunkel vor Zorn. „Ach ja? Und wieso bringst du mir dann mein Shirt?"
Zu dumm, dass er nicht dumm war.
Überheblich und eitel? Ja.
Arrogant und unverschämt? Auf jeden Fall! Mit Hang zu Gewalt, nicht zu vergessen. Jamies langsam absterbender Arm war Beweis genug dafür.
Aber dumm? Das war er leider nicht.
Jamie schluckte schwer und ärgerte sich darüber, dass sie sich von ihm mit seiner Art tatsächlich einschüchtern ließ. So war sie nicht erzogen worden, doch ehrlich gesagt machte ihr Billy, so wie er sich gerade verhielt, ein bisschen Angst.
Trotzig reckte sie ihr Kinn hervor und versuchte, sich größer zu machen. „Ich bin sicher, du verlierst überall in der Stadt deine Kleidung, Billy!", fauchte sie ihm entgegen und zog erneut an ihrem Arm, diesmal in Verbindung damit, dass sie sich an seiner festen Brust abdrückte.
Endlich ließ er sie los. Ihre Fingerspitzen kribbelten, als das Blut endlich wieder in die Extremitäten zurückfloss. "Vielleicht bin ich ja nur ein guter Samariter und habe ein herrenloses Hemd anhand seines Gestanks nach billigem Aftershave zu seinem Besitzer zurückverfolgen können?"
Junge, jetzt geriet sie aber in Fahrt. Sie hätte ihm gerne noch weitere Dinge an den Kopf geworfen, seine dämliche Frisur kritisiert und ihm mit ihrem Zeigefinger in seine aufgepumpte Brust gepikst, doch sie stoppte sich rechtzeitig.
So war sie nicht. Sie musste nicht unnötig gemein oder grausam sein, das hatte sie nicht nötig. Eigentlich. Doch Billy brachte ihr Blut zum Kochen und ihr Herz zum Rasen. Sie ließ die Luft aus den aufgeblasenen Backen entweichen und versuchte, sich zu beruhigen. Er hatte sie losgelassen, sie hatte gesagt, was sie zu sagen hatte, und er hatte sein dämliches Shirt wieder. Sie konnte jetzt gehen, oder?
Dennoch blieb sie stehen und starrte ihren Gegenüber weiter an, der sie ziemlich zornig und eventuell ein klitzekleines bisschen belustigt ansah.
Dann machte er eine Kopfbewegung zur Seite. Jamie folgte seiner Bewegung und sah Lindsey an, die gerade dabei war, mit einem Kühlpack in der Hand zum Platz zurückzulaufen. Als sie sah, wie Jamie sie anschaute, winkte sie erst und bekam dann große Augen, nachdem sie erkannte, mit wem sie sich gerade unterhielt. Das Kühlpack fiel ihr dabei aus der Hand.
Billys Mundwinkel hoben sich wissend.
„Ah, mein kleiner Fanclub.", schnurrte er und beugte sich näher an Jamie heran. „Habe ich mein Shirt vielleicht bei deiner kleinen Freundin vergessen?"
Diese Frage verdeutlichte für Jamie zwei Dinge.
Erstens: Sie konnte Billy, auch wenn sie gestern eventuell kurzzeitig ein wenig verwirrt war, eindeutig doch nicht leiden. Zweitens: Er hatte wirklich keine Ahnung, was gestern vorgefallen war.
Sie legte den Kopf schief und musterte ihn genauer. Nicht wie er sich hier vor ihr aufplusterte und unnahbar gab, sondern die kleinen Details, die eben nicht für jeden so offensichtlich waren. Die Dinge, die ihr den Ruf, etwas merkwürdig zu sein, eingebracht hatten.
Billy atmete flach. Sein Grinsen, wenn auch sehr überzeugend auf seine vollen Lippen gelegt, erreichte seine Augen nicht. Seine Pupillen waren geweitet und sein Nacken angespannt. Außerdem lag ein leichter Schweißfilm auf seiner Stirn, und er hatte Gänsehaut trotz des heißen Wetters. ...so wie sie.
Die Erkenntnis traf sie unerwartet, und ihre Gedanken begannen zu rasen. War er krank? Hatte er sie angesteckt? Womit hätte er sie angesteckt haben können? Und wie?
Schnell schaltete sich ihre Vernunft dazu: Sei nicht albern, du hast nur die Grippe und fängst schon an zu hyperventilieren. Es wäre nicht das erste Mal... Dabei ging es ihr im Moment gar nicht mehr so übel wie zuvor. Ihr Pochen im Kopf war weniger schnell und stark, ihr Schlottern hatte aufgehört, und Billy sah sie tatsächlich klar vor sich stehen - weshalb es ihr auch auffiel.
„Du hast Angst.", flüsterte sie überrascht, und ihre Augen weiteten sich.
Toll, da waren wieder das Mitleid und die Sympathie für ihn.
Sein Lächeln verrutschte minimal auf seinen Lippen. Wahrscheinlich für andere nicht sichtbar, doch Jamie sah es. Sie hatte ins Schwarze getroffen.
Mit breiten Schultern lehnte Billy sich wieder vor, so nah diesmal, dass Jamie seinen Atem an ihrem Ohr und ihrem Hals spürte, als er flüsterte: „Schätzchen, projiziere deine Angst vor dem, was zwischen uns passieren könnte, nicht auf andere."
Sie erschauderte, als Billy sich wieder zurücklehnte und wissend grinste. Seine Zähne leuchteten perlweiß, während er darauf wartete, dass Jamie seine schmutzige Andeutung verstand. Als sie als Reaktion die Nase kraus zog, zwinkerte er ihr zu. Dann drehte er sich auf den Fersen um und verschwand.
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