Hairy Business
Bis sie den Satz beendet hatte, war sie so außer Atem, dass sie keuchend nach Luft schnappen musste. Ihr Temperament hatte sie eiskalt erwischt (schon wieder!) und sie hatte sich von ihren Emotionen treiben lassen. Emotionen, die sie dazu veranlasst hatten dem Schlimmsten aller Männer ins Gesicht zu schreien, dass sie ihn mochte. Das konnte doch nur gut ausgehen, richtig? War sie denn gar nicht mehr zurechnungsfähig in letzter Zeit? Jemand sollte sie langsam mal entmündigen, sie wegsperren und der Schlüssel wegschmeißen bis sie sich wieder unter Kontrolle hatte!
"Du bist in mich verliebt."
Billys riss weit die Augen auf, so unglaublich weit, dass sie Sorge hatte, sie aus seinem Kopf fallen zu sehen und Erkenntnis spiegelte sich in ihnen. Erkenntnis, Stolz und... war das Überraschung oder Amüsement. Jamie wurde blass. Das würde übel werden, oder?
"Was? Gott nein." Sie schüttelte den Kopf so vehement, dass ihr schwindelig wurde, als könnte sie damit alles gesagt wieder rückgängig machen.
Verliebt pfff. Sie hatte nicht das Bedürfnis singend durch die Stadt zu rennen und anzuhalten um an Blümchen zu schnuppern. Noch weniger wollte sie mit ihm Händchen haltend durch die Stadt schlendern und sich einen Milchshake teilen oder irgendwas ähnlich ekelhaft klischeehaftes. Sie wollte nur...ihn. Ihr wurde schlecht. Zeit, mit dem Kopfschütteln aufzuhören.
"Nein.", wiederholte sie mit festerer Stimme diesmal und trat einen Schritt von ihrem Gegenüber zurück, drehte sich um und folgte dem Verlauf der Straße weiter in die entgegengesetzte Richtung von Billys Haus weiter weg auf den Weg zurück nach Hause. Hinter ihren Augen drückte es verdächtig, als wollen Tränen sich einen Weg nach außen Bahnen. Sie musste schnell wieder nach Hause kommen und ihrer Gefühle Herr werden und sich selber in ihr Zimmer sperren, wenn es sonst niemand tat, bevor alles komplett aus dem Ruder laufen würde.
Mit drei schnellen Schritten holte er auf,- natürlich, schließlich waren seine Beine um einiges länger als ihre, warf einen Arm über ihre Schulter und zog sie näher an seine Seite während sie zusammen weiterschritten. Dabei senkte er seinen Kopf und flüsterte ihr mit tiefer Stimme, dass sie ganz weiche Knie bekam, ins Ohr: „Oh du liiiiiebst mich. Du weißt nicht, was du ohne mich machen sollst, du willst in meiner Nähe sein und dein Hände über meinen Körper gleiten lass-".
Sie drehte sich zu ihm und zog ihn an seiner Kette auf Augenhöhe, drehte ihren Kopf seinem zu, ein Funkeln in den Augen.
"Siehst du?", sein Lächeln wurde schmutzig. "Du willst mich!"
"Ich will das du die Klappe hältst!", grummelte sie und stieß ihn von sich ehe sie seufzte. Billy's Arm rutschte von ihrer Schulter. Als er erneut seinen Arm um sie legen und sie wieder an sich ziehen wollte, sah sie ihn warnend an. "Lass das!"
"Aber du riechst so gut!", schmollte er und grinste frech.
"Das nennt sich Shampoo, solltest du auch mal versuchen!", konterte sie.
Billy lachte. "Du bist doch nur neidisch auf meine Haare!"
Haare? Vielleicht. Wimpern? Auf jeden Fall.
"Die sind doch sowieso nicht echt und voller Haarspray!", schnaubte sie etwas unwirscher als angebracht. Sie fühlte sich ertappt.
"Alles natürlich Baby. Fass an!"
Tatsächlich blieb sie stehen und wickelte sich in Gedanken seine Korkenzieher-Locke, welche ihm wieder und wieder ins Gesicht zu fallen schien, um ihren Finger. Seine Haare waren weich. Sie rochen nach ihrem Shampoo, das ihm von der Dusche gestern bei ihr noch in den Haaren zu hängen schön.
Sie strich die Haarsträhne zur Seite, ihre Finger berührten sanft seine Haut. "Vielleicht ein bisschen", murmelte sie und beantwortete seine Vermutung von zuvor.
Dann blinzelte sie verwirrt und sah in Billys selbstgerecht grinsendes Gesicht. Sie konnte wirklich nicht die Finger von ihm lassen, was war nur los mit ihr? Schnell trat sie einen Schritt zurück und nahm bei der Gelegenheit gleich noch einen, damit sie so viel Abstand wie möglich zwischen sie zwei bekam. Ertappt räusperte sie sich. "Entschuldige."
"Keine Sorge Schätzchen, du bist nicht die Erste, der er so geht.", er zwinkerte ihr zu.
"Da gehe ich stark von aus.", murmelte sie in Gedanken. Aus ihrem Augenwinkel beobachtete sie Billy, zu sehr peinlich berührt über den dramatischen Fehler, den sie sich gerade geleistet hatte. Sie konnte gar nicht in Billy verliebt sein. So fühlte sich Liebe nicht an. Wäre sie verliebt, hätte sie wohl kaum letzte Nacht mit Jake geknutscht und so starkes Kribbeln in ihrem Bauch gespürt und -oh mein Gott, jetzt sprach sie schon von Liebe. Zu ihrer Übelkeit kamen jetzt auch noch zunehmende Kopfschmerzen dazu.
"Eigentlich war das sogar ziemlich angenehm, dass du gerade mit meinen Haaren gespielt hast.", sinnierte er weiter. "Bei diesem Freundschaftsdings, dass du vorgeschlagen hast, darf ich da auch mit deinen Haaren spielen? Wo genau sind die Grenzen bei sowas?
Das Pochen in ihrem Kopf wurde stärker. Lustig, dass ausgerechnet er, ausgerechnet nach letzter Nacht nach Grenzen in einer Freundschaft fragte. Ihr Gehirn versuchte das Gespräch zwischen ihnen beiden vom Vorabend hervorzurufen, doch grelle Blitze durchzogen ihren Kopf wie Messerstiche.
Tatsächlich fühlte sie sich nicht so besonders gut, wenn sie genauer drüber nachdachte. Sie legte eine Hand auf ihre Stirn und stöhnte während Billy neben ihr weiter von Dingen, die ihm gefielen, seinen Eroberungen und seinem Charm, den er einfach unfreiwillig auf Mädchen zu haben schien, sprach.
"Goooott, Billy hör auf!", stöhnte sie und schloss die Augen während sie stehen blieb. Ihr Magen machte eine Salto.
"Was, erträgst du es nicht, mich von anderen Frauen reden zu hören? Nun, solange du mich immer wieder von dir weißt und wir beide nicht-"
"Das ist es nicht, du Idiot.", knurrte sie und blinzelte ihn an. Ein Fehler, denn ein heller Sonnenstrahl reflektierte direkt von dem geparkten Auto hinter Billy und traf ihre Pupille wie der Schein einer Taschenlampe. Sie hatte das Gefühl ihr Hirn würde verbrennen "Fuck!"
"Ja, genau das meine ich! Ich hab nun mal auch Bedürfnisse!"
Jamie kniff sich in die Nasenwurzel, die Augen wieder geschlossen und unterdrückte ihre köchelnde Wut. „Billy?", knurrte sie. „Halt die Klappe. Irgendwas stimmt nicht. Irgendwas...Gott, deine Stimme verursacht mir Migräne."
Kraftvoll drückte sie mit ihren Handballen gegen ihre Augen. Der Schmerz war so stechend, dass sie sich gerne ihre Augen herausgenommen, und ihr Gehirn massiert hätte. Sie hatte schon öfters Kopfschmerzen gehabt, aber das war neu. Schnell, ohne Vorwarnung und unglaublich stechend, schnitt der Schmerz ihr durch den Kopf als würde sie mit einem gespaltenen Schädel durch die Gegend rennen.
Der Druck gegen ihre Augenhöhlen half ein wenig und sie konnte sie wieder auf das Geschehen um sie herum konzentrieren. Es war ruhig.
Scheiße, es geht los!, schoss es ihr durch den Kopf - und gab für sie überhaupt keinen Sinn. Ihr Atem stockte und sie wartete auf weitere komische Gedankenblitze, aber es kam nichts mehr. Stattdessen blieb es noch länger still.
Schließlich wagte sie erneut einen vorsichtigen Versuch, die Augen zu öffnen. Beinahe so schnell wie ihr Migräneanfall gekommen war, war er auch wieder verschwunden. Zwar war es ihr noch immer zu hell und ihr Kopf dröhnte etwas, doch sie konnte Billy mit offenen Augen betrachten, ohne das sich ihr der Magen umdrehte und er vor ihre Augen zu verschwimmen begann.
Genau genommen war er alles, was sie sehen konnte.
Er hielt ihren Kopf sanft zwischen seinen Händen fest und massierte mit seinen Daumen ihre Schläfen und mit seinem Ring und kleinen Fingern einen Druckpunkt in ihrem Nacken.
Eine unglaublicher Erleichterung spülte über sie hinweg, brachte ihre Haut zu kribbeln und belebte ihre Sinne.
Gott, es tat so gut.
Seine Nähe. Seine Massage. Seine grün-blauen ruhigen Augen, in denen sie sich verlor, seine tiefe Stimme, die sie in den Bann zog und „Shhh, alles wird gut Jamie.", flüsterte.
Eigentlich funktionierten Kopfschmerzen anders, doch Billys Berührung hatten sie beinahe komplett verschwinden lassen.
„Wie hast du das gemacht?", flüsterte sie, gefangen in dem fast schon magischen Augenblick. Billy seinerseits war tief in Gedanken: Zwar sah er sie an, nur sah er sie nicht. Viel eher sah er durch sie hindurch während sein Grübeln eine Emotion nach der nächsten über sein Gesicht huschen ließ.
„Billy?" Als er nicht reagierte, streckte sie ihren Arm nach ihm aus, um ihn aus seinen Gedanken zu lösen. „Hey, Billy?"
Als er nicht reagierte, streckte sie ihren Arm nach ihm aus um ihn aus seinen Gedanken zu lösen.
"Billy?"
Sobald sie ihn berührte, bekam sie einen Stromschlag. Der Stromschlag war heftig und sie musste die Augen geschlossen haben, denn für den Bruchteil einer Sekunde war alles um sie herum schwarz. Billy zuckte erschrocken zusammen und auch sie trat einen Schritt zurück.
Sie musste elektrisch geladen sein oder sowas. Bestimmt war Billys billiges rotes Satin-Plastikshirt Schuld, schlussfolgerte sie direkt. Blöd nur, dass er ein T-Shirt und Jeansjacke trug, merkte sie dann. Nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte, erwartete sie ihn etwas in der Richtung von "Ich wusste doch, da ist Spannung zwischen uns" sagen zu hören, doch er war beinahe erschreckend ernsthaft und wortkarg.
"Alles okay bei dir?"
Er nickte. Dann sah er sie an und langsam kam das schmutzige Grinsen zurück, doch es erreichte seine Augen diesmal nicht.
"Klar doch. Ich dachte ich gebe dir nur einen Moment Zeit dich zu erholen, bevor ich dich und deine Vergötterung meiner Wenigkeit weiter aufziehe."
"Oh Billy, bitte nicht.", jammerte sie, musste aber ungewollt grinsen, als er ihr seitlich auf den Arm boxte. Lieber dieser Billy, als der ernste.
"Ach, Kopf hoch Jamie. Das passiert den Besten.", er wackelte mit den Augenbrauen. "Ich muss es wissen, ich habe die Besten ausprobiert."
Ja, er war wieder der Alte. In den Moment zu lachen wäre falsch und würde ein komplett falsches Signal senden, dass sie seine chauvinistischen Sprüche lustig fand, ihm mehr verfallen wäre, als sie es sich und noch weniger IHM gegenüber zugeben würde. Sie konnte es zurückhalten, doch ein grunzendes Schnauben stahl sich dennoch über ihre Lippen.
Billy blieb stehen und sah sie an. "Was war das denn bitte gerade?"
Jamie sah sich unschuldig um.
"Was? Wovon redest du?"
Billys Grinsen wurde breiter.
"Oh, stell dich nicht dumm McNeill. Das steht dir nicht, dafür bist du zu clever."
"Schleimer!", grummelte sie.
"So magst du mich", gab er zurück und warf ihr erneut ein herausfordernden Blick zu.
"Stimmt." flüsterte sie kaum hörbar und ging weiter.
Billy schien sie dennoch verstanden zu haben und blieb stehen. Wenn sie es nicht besser wüsste würde sie sagen er sah ehrlich verwirrt aus. "Du meinst das ehrlich, oder?"
Dies war ihre Chance einen Rückzieher zu machen, alles als dummen Witz abzutun und ihr altes Leben zurück zu bekommen. Stattdessen nickte sie und strich sich über ihren verspannten, kribbelnden Nacken. Stärker werdende Kopfschmerzen kündigten sich wieder an.
"Warum würde ich mir sonst meinen freien Tag mit dir versauen?"
Seine Antwort kam schnell und hart.
"Rache? Wettkampf? Stursinn oder Abenteuerlust?"
Sie schluckte schwer als sie seinen Ausdruck sah. Er gab sich locker, seine Stimme war höhnisch und unbeschwert doch die Art wie er es sagte, ließ sie aufhorchen. Es klang resigniert und verletzt.
Das waren seine Erfahrungen!
Das waren die Gründe, weshalb sich andere normalerweise für ihn interessierten, richtig? Und selbst ihre Motive sich mit ihm zu treffen passten irgendwo in alle vier seiner Kategorien. Selten hatte sie sich so schlecht gefühlt.
Sie antwortete nicht.
Billy sah sie einen Moment an, musterte sie. Eigentlich war sie kein so emotionaler, gefühlduseliger Mensch, doch sie fühlte sie geschlaucht. Sie war einfach erschöpft, vielleicht etwas gedemütigt, dass Billys erste Reaktion war, sich über sie lustig machen zu wollen und vor allem empfand sie stärker werdendes Mitleid. Die letzte Minute hatte er mehr über ihn verraten, als sie bisher insgesamt von ihm erfahren hatte. Er war einsam. Er wurde benutzt. Er hatte seine Dämonen.
So wie sie. Aber das Schlimmste was sie nun konnte, da er sie hinter seine Fassade hatte blicken lassen, war Mitleid zeigen. Also riss sie sich zusammen und erdrückte ihre aufkommenden Gefühle, wie sonst auch.
"Ich habe gehört, sie sind so gut wie fertig mit dem Aufbau des Jahrmarkts!"
Billy hob eine Augenbraue, offenbar vollkommen verwirrt von dem plötzlichen Themenwechsel, doch der Ausdruck in seinen Augen verschwand. "Und?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Lass uns dahin!"
Kurz sah Billy sie einfach nur an, sah dann auf seine Uhr und machte ihre Geste von zuvor nach. "Ein paar Stunden habe ich noch."
Sie biss sich auf die Zunge um ihn nicht zu fragen, was er am Abend noch spannendes vor hatte. Das ging sie nichts an. Sie war nicht eifersüchtig. Sie waren ja schließlich nicht zusammen und sie mochte ihn ja auch eigentlich gar nicht, richtig? Sie sah ihn an und erwischte ihn dabei, wie er das gleiche tat. Er hatte sie beobachtet. Sie nicht ausgecheckt oder seine Blicke begierig über ihren Körper wandern lassen. Er hatte sie angesehen.
"Ich werd dir keinen dämlichen Teddybären beim Dosenwerfen gewinnen!", stellte er klar
Sie lächelte bei der Vorstellung. "Und ich habe dir schon gesagt, das ich nicht auf der Suche nach einem Winnie Pooh bin. Außerdem werde ich dafür auch nicht meine süße Zuckerwatte mit dir teilen und dir dann einen klebrigen Kuss geben!"
Er schmollte. "Schade eigentlich."
Sie zuckte mit den Schultern. "Wenn du sowas willst, frag mich um ein Date."
Ihre Aussage war leicht dahin gesagt gemeint, nicht als Aufforderung. Mit schiefgelegtem Kopf sah er sie von der Seite an. Seine Augen blitzten. Ihr Herzschlag klopfte etwas schneller. Er grinste. "Geht nicht, sind ja jetzt Freunde."
Jamie lachte. Ob vor Erleichterung oder um Enttäuschung zu maskieren wusste sie selbst nicht.
"Sieht so aus, als müsste ich mir den Teddybär jetzt selber gewinnen."
"Je besser ich dich kennen lerne, desto mehr glaube ich, dass du das tatsächlich auch alleine hinbekommst!"
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