Daddy Issues
A/N: Denkt ans Voten und Kommentieren ihr Lieben ;) Ich freue mich immer so, wenn ich auch mitbekomme, dass ein paar von euch noch immer aktiv beim Lesen dabei sind. Ansonsten - Viel Spaß!
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Plötzlich wünschte sich Jamie sehr, sie wäre zuvor einfach Billy blind hinterher gestolpert und in den Wald gelaufen. Was auch immer er vor gehabt hatte, es wäre kaum möglich, dass es schlimmer gewesen wäre, als das, was sie jetzt durchleben musste.
Jamies Vater sah sie freundlich und auffordernd an. Als wäre nichts geschehen. Als hätte er nicht eines Morgens das Haus verlassen und hätte nicht einen Haufen Chaos, Kosten und ihre instabile Mutter in den Händen eines jungen Mädchens zurück gelassen. Ohne Abschied. Ohne Erklärung.
Alte, schlecht verheilte Wunden rissen wieder auf und das Gefühl von Verrat durchströmte sie wie heiße Lava.
Seine Hände waren in den Hosentaschen und er wippte mit seinem Oberkörper leicht nach vorne, dass er sich auf seine teuren italienischen Schuhe rollte, von denen der schwarze Lack noch so glänzte. Seine mittlerweile weißen Haare hatte er ordentlich zurück gekämmt. Er trug eine neue Brille, doch sie glich der alten so sehr, dass sie nicht der Grund sein konnte, warum Jamie Schwierigkeiten hatte ihn zu erkennen.
Stattdessen war er alt geworden. Sehr alt. Viel älter als ihn die paar Jahre hätten verändern dürfen. Obwohl er Jamie freundlich ansah, bekam sie eine Gänsehaut als er einen Schritt weiter auf sie zutrat.
Die halbherzig auf den Tresen abgestellte Tasse entglitt ihren Fingern als sie ihre Arme wie ferngesteuert neben sich Richtung Boden gleiten ließ nachdem ihre Kraft ihrem Körper entschwand. Es schepperte laut.
"Nach wie vor mein kleiner Tollpatsch wie ich seh.", hörte sie ihn sagen. Es war, als sei er weit weg. Ihr stiegen Tränen in die Augen, als er sie mein kleiner Tollpatsch nannte. Es war schön, es war grausam, es klang falsch und brannte wie Batteriesäure. Ihr Herz begann zu rasen.
Viel zu viel passierte in ihrem Kopf. Gefühle und Erinnerungen brachen auf sie herein wie eine Lawine. All die Blockaden, all die schwarzen Wände in ihrem Gedächtnis begannen sich aufzulösen und sich mit einer dazugehörigen Emotion zu verbinden. Sie spürte alles, sie spürte nichts - es passierte alles gleichzeitig.
So gerne hätte sie ihn all den Schmerz, all den Verrat, die Verzweiflung und die Angst spüren lassen, die sie hatte durchleben müssen, nachdem er einfach verschwunden war. Für den Abend, für die Nacht. Die erste Woche. Den ersten Monat. Widersprüchliche Gefühle tobten in ihr und sie bekam ihre Zähne nicht auseinander, hatte ihre Zunge verschluckt. Gleichzeitig fühlten sich ihre Erinnerungen... falsch an. Bilder von langen Fluren, hohen Wänden und fremden Gesichtern tanzten ihr durch den Kopf. Ihre Mutter, die sie in eine Jacke wickelte, bedacht darauf, schnell los zukommen "Wir müssen uns beeilen Süße!", flüsternd. Ihre Kopfschmerzen hämmerten, ihre Magen rebellierte.
"Oh nein Schätzchen, hast du dir wehgetan?", fragte er besorgt als er die Tränen in ihren Augen schimmern sah und kam in drei weiteren Schritten auf sie zu, schloss sie in ihre Arme. Steif wie ein Brett stand Jamie nur da und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Sie konnte sich nicht bewegen, dabei versuchte sie es mit aller Macht. Als er schließlich in väterlicher Geste seine Arme um sie schloss, löste sich der Knoten in ihrem Hals und schluchzen entstieg ihrer Kehle.
Sie wollte keine Schwäche zeigen. Wollte ihn nicht wissen lassen, wie sehr er es geschafft hatte sie zu verletzen. Ihre Mutter zu verletzen.
Er war ihr Vater und sie hatte ihn vergöttert. Erst mit Abstand war ihr bewusst geworden, wie viel an der Beziehung zu ihrem Vater, ja auch zwischen ihren Eltern eigentlich verdorben und kaputt war. Kinderaugen sahen oft nicht die Wahrheit und solange man seine Erinnerungen nicht hinterfragte, bemerkte man auch nicht was an ihnen falsch war.
Doch was sie jetzt sah, als sie an ihre Familie in Seattle zurück dachte war, dass das was sie geteilt hatten keine Liebe gewesen war. Es war Abhängigkeit. Abhängigkeit und Angst.
Weitere Bilder erschienen ihr vor ihrem inneren Auge, wie ihre Mutter zerbrochen und zerstört in ihrem Bett gelegen hatte, ein Bild ihres Vaters in der Hand während sie wieder und wieder murmelte "Was habe ich nur falsch gemacht?". Sie dachte immer, die Erinnerung käme aus der Zeit nach der Trennung. Jetzt sah sie das Bild in ihrem Kopf deutlich, sah wie sie ihrer Mutter in die Arme rannte und sie das Bild schnell weglegte und schützend ihre Arme um Jamie legte, weil sie verängstigt bei ihr Schutz gesucht hatte. Schutz vor ihrem Vater!
Ihr Herz schlug zunehmend schneller, als sich weiter Erinnerungen nach oben kämpfen wollten, doch all das, was in der Gegenwart geschah, lenkte Jamie so sehr ab, dass sie nur wie ein Schatten hinter ihr lauerten und darauf warteten hervor zu kommen.
"Martin!", durchschnitt die Stimme ihrer Mutter diesmal fest und bestimmend den Raum und riss Jamie zurück in die Gegenwart. Die Arme um sie lösten sich von ihr und sie konnte an ihrem Vater vorbei ihre Mutter stehen sehen. Sie hatte ein Messer gezückt in der Hand.
Entgeistert sah sie die ihr plötzlich fremd erscheinende Mutter an.
„Martin, trete sofort von meinem Kind zurück!", knurrte sie und machte einen bedrohlichen Schritt auf sie beide zu, ließ Jamies Vater dabei aber nicht eine Sekunde aus den Augen. Ein Rascheln an der Tür erweckte Jamies Aufmerksamkeit.
Billy hatte sich zurück ins Haus geschlichen und beobachtete die ganze Szene mit wachen, aufmerksamen Augen. Zum ersten Mal seit sie ihn kannte war jeglicher Charm aus seinem Blick verschwunden. Stattdessen wirkte er angespannt und gefährlich. Er analysierte die Situation, sein Kiefer angespannt, die Ader auf seiner Stirn pulsierend.
Jamie folgte seinem Blick zurück zu ihren Eltern.
"Schatz, jetzt mach doch nicht so ein Drama.", sprach ihr Vater ruhig. Er hatte beschwichtigend die Hände gehoben. "Wir können doch über alles Reden."
Etwas, das Jamie nicht anders als mit dem Wort 'Mordlust' zu beschreiben wusste, blitzte in den Augen ihrer Mutter auf.
"Reden,", keuchte sie atemlos, als habe er ihr einen Schlag in die Magengrube verpasst. "Jetzt will der Mistkerl reden!", quickte sie und sah sich um, als suche sie nach einer versteckten Kamera."Ich gebe dir drei Sekunden, um aus diesem Haus zu verschwinden und niemals wieder zu kommen, haben wir uns verstanden Martin? Drei Sekunden, dann rufe ich die Bullen.", knurrte sie.
Jamie stand vollkommen unter Schock. Sie wusste, dass ihrer Mutter das Herz gebrochen worden war, doch hatte sie niemals gedacht, ihre Mutter könne gewalttätig werden. Nicht in diesem Maß.
"Du weißt, die Polizei wird dir nichts bringen Schatz.", säuselte ihr Vater. Er lächelte freundlich, und betrachtete geringschätzig das zitternde Messer in der Hand ihrer Mutter mit schiefgelegtem Kopf. "Nicht in dieser Stadt zumindest. Nicht heute."
Er war ruhig. Erschreckend ruhig in Anbetracht der Tatsache, das er mit einem Messer bedroht wurde. Von seiner Exfrau noch dazu.
"Na dann ist es ja gut, dass ich dann da bin, nicht war Mrs. McNeill?", flötete Billy unerwartet, lässig an die Wand gelehnt mit den Beinen überkreuzt. Dabei zwinkerte er Jamies Mutter zu als wäre die Luft nicht so hochexplosiv wie ein Pulverfass. Er grinste breit und passte sich damit dem irren Verhalten ihres Vaters an.
Beide verhielten sich so widersprüchlich zu der angespannten Stimmung in der Küche, dass Jamie sich nicht ganz sicher war, ob sie nicht einfach nur einen schlechten Traum hatte. Billys Anwesenheit schien ihren Vater ein wenig aus der Bahn zu werfen. Überrascht drehte er sich um und musterte ihn von den Haarspitzen bis zu den Fußsohlen. Er schien weniger beeindruckt. Dann drehte er sich zurück zu ihrer Mutter als wäre nichts passiert.
"Mc Neill? Ehrlich? War Brenner nicht mehr gut genug?" Er klang zum ersten Mal ehrlich aufgebracht und trat einen Schritt näher an sie heran, die Spitze des Messers ignorierend. Dabei zog er Jamie neben sich her, die er noch immer am Oberarm festhielt. Jamie zuckte erschrocken zusammen, jedoch versuchte sie nicht, sich aus dem Griff zu befreien, so gelähmt war sie.
In Billy kam Bewegung.
"He, lass sie los.", knurrte er und riss an ihrem Arm. Ihr Vater ließ sie los und drehte sich dann ganz zu Billy um.
"Wer ist der Clown Claire?", fragte er und zeigte auf ihn. "Bitte sag mir nicht, du lässt sie mit Schmalzlocke hier ausgehen!" Er sah ihre Mutter zornig an. "Ich dachte du würdest unser Mädchen mehr lieben, aber du scheint wieder in deine alten, selbstsüchtigen Muster zu verfallen"
Ihre Mutter hielt dem Blick ihres Vaters stand, wobei sie bei seinen Worten langsam aber sichtbar zu schrumpfen schien. Jamie, die bis zu diesem Moment nur mit großen Augen das Geschehen um sie herum beobachtet hatte, schaltete sich ein nachdem der Schock sich langsam in Wut zu verwandeln begann.
„Wie kannst du es wagen." Ihre Stimme zitterte vor zurück gehaltenen Emotionen. Überrascht sah er sie an.
"Jam, Schatz.", er versuchte eine Hand auf ihre Wange zu legen doch sie trat einen Schritt zurück.
"Fass mich nicht an.", knurrte sie und sah ihn durch einen Tränenschleiher hindurch an. Sie blinzelte fanatisch.
Er ignorierte ihre Wort und Jamie zuckte zurück, als er erneut näher kam um sie zu berühren. Sie bekam eine Gänsehaut, wollte eigentlich fliehen vor ihm, der Situation, ihren Gefühlen, aber war in die Ecke gedrängt. Die Anrichte drückte gegen ihren Rücken. Stoisch blickte sie ihrem Vater ins Gesicht, Augen groß und bereit sich gegen ihn zu behaupten, als Billy sie plötzlich zur Seite zog und ihrem Vater seine Faust ins Gesicht schlug
"Ich glaube sie hat gesagt Finger weg!", knurrte er.
Fassungslos sah Jamie ihn an.
Ihr Vater strich sich mit seiner linken Hand über den Mund. Speichel und Blut sammelten sich an seinem Handrücken, als einziges Indiz, dass Billy ihrem Vater gerade ein Kinnhaken verpasst hatte. Sein Gesicht war fast ausdruckslos, nur unter der Oberfläche brodelte der Zorn.
Ihr Vater brüllte nicht. Nie. Dafür hielt er sich, so wusste Jamie aus Erfahrung, für zu weit entwickelt. Nein, wenn er wütend war, dann fraß er diese Emotion in sich hinein, kultivierte sie und sammelte weitere Informationen für einen Schwachpunkt seines Gegenübers. Dann verwendete er diesen in unerwarteten Momenten gegen einen. Weitere, präzisere Erinnerungen diesmal, flackerten in den Tiefen von Jamies Kopf auf.
Es war dunkel, es war eng, sie hatte Angst. Panische Angst. Das Gesicht ihres Vaters - ruhig und freundlich, doch mit einem aufgeregtem Glitzern in den Augen, konnte sie sehen. „Es liegt ganz an dir mein Schatz, was jetzt passiert. Es ist deine eigene Schuld findest du nicht auch?"
Sie begann zu weinen. Stumme Tränen, denn sie wusste, widerstand wäre zwecklos. Sie hasste sich dafür das sie weinte. Damit zeigte sie Schwäche. Ihr Vater mochte es nicht, wenn sie Schwach war, das machte ihn nur noch wütender, doch sie hatte solche Angst. Sie wollte ihm widersprechen. Flehen, sie nicht wieder in die Kiste zu sperren, die dunkle Kiste, die so klein war, dass sie sich zusammen kauern musste, bis ihre Knie schmerzten und ihr Nacken steif wurde, doch diskutieren würde für sie nur längere Zeit in der Kiste bedeuten. In der Dunkelheit. Eingesperrt.
„Nur wer sich seinen Ängsten stellt, kann stark werden!", erklärte er, als er den Deckel schloss und das Schloss anbrachte, ihr zittern und ihre flehende Blicke ignorierend, der Blick von immer voller Freude und Neugier.
Jetzt war es wieder da, das Glitzern in seinen Augen und augenblicklich fingen Jamies Knie an zu zittern. Ihr Vater war gefährlich - und Billy stand in seinem Weg. Sie zog an seinem Hemd, wollte ihn nach hinten zerren, doch er ignorierte sie. Seine Schultern waren gespannt, sein Nacken starr. Er war kleiner als ihr Vater, doch er hielt dem bohrendem Blick ihres Vaters stand, welcher ihn eindringlich musterte. Jamie meinte zu sehen, wie sich seine Augen kurzzeitig weiteten, doch bereits nach einmaligem blinzeln war der Ausdruck verschwunden. Schließlich wand er sich demonstrativ ab und sah über seine Schulter mit schief gelegtem Kopf und einem freundlichem Lächeln auf den Lippen zu Jamie. Das blau seiner Augen wirkte unnatürlich leuchtend, sein Blick war kalt und distanziert.
"Schatz, ich bin enttäuscht.", durchschnitt seine Stimme die Stille. "Ich dachte ich hätte dich erzogen, deine eigenen Kämpfe zu kämpfen." Er schüttelte leicht den Kopf ehe er seufzend den Kopf senkte und zu Boden sah. "Was für eine Verschwendung."
Dann zog er eine Waffe.
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