...before the storm
Leise und doch konstant tropfte seine Kleidung auf die Küchenfliesen wo sich das Regenwasser mit seinem Blut vermischte. Jamie schüttelte sich und riss den Verband auf, den sie unter der Spüle hervor geholt hatte, um seine Wunde zu verbinden. Als sie sich daran machte, die verstärkte Seite des Mulls gegen seine Stirn zu pressen, riss Billy den Arm hoch und hielt ihr Handgelenk schmerzhaft fest, sein Blick aggressiv und drohend.
"Au- „
Jamie drehte ihr Handgelenk im Versuch es frei zu kommen.
"Billy, lass los, du tust mir weh!", stieß sie hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie sollte den Mistkerl wieder auf die Straße setzen, angeblichen Gedächtnisverlust oder nicht.
Augenblicklich ließ Billy ihr Handgelenk los und schaute verwirrt drein. Dann wanderte sein Blick von ihrem Gesicht zu seiner Hand welche sie eben noch im Schraubstock gehalten hatte. Er schien nicht zu verstehen, wie diese Hand zu ihm gehörte. Als er sie das nächste Mal ansah waren seine Augen weit aufgerissen. Erschrocken stellte Jamie fest, dass der Blick mit dem er sie nun bedachte, übersät war von Angst.
Ihr Herz schlug schneller.
Wenn Billy Hargrove vor etwas Angst hatte, dann musste es etwas wirklich furchtbares sein.
„Es will so viele!", flüsterte er kaum merklich. Sein Blick war leer und in die Ferne gerichtet. Seine Augen füllten sich mit Wasser „So viele! Ich kann das nicht!" Sein Blick schwang zu ihr, die Angst war zu echter Panik heran gewachsen. Beinahe verzweifelt schien er ihr etwas sagen zu wollen, nur fehlten ihm die Worte. „Hilf mir!"
Dann sackte er wieder erwarten mitten auf ihrem Küchenstuhl zusammen und fiel wie ein schlecht geworfener Pfannkuchen platt auf den Boden.
Erschrocken sprang Jamie zurück und beugte sich über Billy. Er war bewusstlos. Mit der spärlichen medizinischen Kenntnis die sie durch Fernsehserien oder Bücher, vielleicht auch noch die eine oder andere Biologiestunde aufgesaugt hatte, fühlte sie direkt seinen Puls.
Sie fühlte seinen Puls. Sie war bereits dabei ebenfalls eine ausgewachsene Panik zu schieben, als sie ihn endlich spürte. Jamie hatte Bio nur gerade so bestanden, doch sie war sich relativ sicher, dass ein normaler menschlicher Herzschlag um einiges höher sein müsste als das, was sie unter ihren zittrigen Fingern zu fühlen bekam. Vielleicht war der Puls bei ohnmächtigen Menschen niedriger? Vielleicht war sie auch einfach nur so doof, ihn an seiner Halsschlagader anständig zu messen? Sie legte ihr Ohr auf seine Brust in dem Versuch, seinem Herzschlag zu lauschen. Es war schwerer als Gedacht, denn ständig kam ihr dabei ihr eigener Puls in die Quere, der wegen der ganzen Situation und der Tatsache, dass ihre Wange auf der unter ihrem Ohr nackten Brust von Billy (- der mal wieder ein Shirt trug das so weit aufgeknüpft war, das sie beinahe seinen trainierten Bauch sehen konnte) galoppierte. Doch sein Herzschlag war da. Schwach, leise und unter seiner festen und enorm kalten Brust verborgen, doch vorhanden.
Erleichtert atmete Jamie aus.
"Na gut, dann lass ich dich mal ruhen.", seufzte sie mit zittriger Stimme und nutzte die Gunst der Stunde um ihm den Verband welchen sie noch immer in der Hand hielt um die Stirn zu wickeln. Es war schwer, dabei nicht seine wirren und langen Vokuhilalocken mit einzubinden. "Das wäre doch jetzt die Gelegenheit, dir den Pony oder besser noch die gesamten Haare zu schneiden, findest du nicht?", fragte sie den bewusstlosen Billy und strich ihm nach getaner Arbeit eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. "Ich wette unter dem toten Pudel auf deinem Kopf versteckt sich ein hübsches Kerlchen."
Wie sie sich so selbst zuhörte, schlug sich Jamie erschrocken eine Hand vor den Mund und sammelte die herumliegenden Verbandtaschen zusammen. Das Adrenalin, welches so langsam wieder dabei war ihren Körper zu verlassen, hatte sie ganz kribbelig werden lassen. Nachdem sie mit dem Aufräumen fertig war, hatte sich Billy noch immer nicht bewegt.
Da sie selbst nicht mehr als 58 Kilo wog bezweifelte sie stark die ungefähr 90 Kilo die es sich auf ihrem Küchenboden bequem gemacht hatten, bewegen zu können. Jamie seufzte schwer und rieb sich die Stirn. Das nächste Mal würde sie die Tür einfach geschlossen halten. Oder sich doch ihren Freunden aufdrängen, sie zu ihrem Date mit ins Kino zu nehmen. Vielleicht sogar selber die Nachtschicht irgendwo arbeiten. Irgendwas, damit sie bei solch einer Situation das nächste Mal nicht einfach wieder sowas mitmachen musste.
Auf der Unterlippe kauend warf sie einen erneuten Seitenblick auf Billy. Diesmal musterte sie ihn genauer. Jetzt, wo er sie nicht mehr mit anzüglichen Blicken bewarf oder sie mit dem Zorn eines wahnsinnigen ansah, schien er Jamie beinahe zerbrechlich. Sicher, er hatte noch immer seine ihn darstellende Kleidung und neben dem Geruch von Schmutz und Blut waberte auch noch immer das billige Colone durch ihre Küche, doch sein Gesichtsausdruck war weich und glatt. Fast zerbrechlich. Der Impuls ihn beschützen zu wollen stieg in ihr auf und sie stöhnte. Das konnte doch jetzt nicht ihr ernst sein. Sie würde das noch bereuen, dessen war sie sicher. Und dennoch.
Jamie beugte sich kopfschüttelnd über die Spüle und befeuchtete einen Lappen mit lauwarmen Wasser. Dann kniete sie sich erneut neben ihren ausgeknockten Patienten und machte sich daran, Schmutz und Blutreste zu entfernen und sein Gesicht zu säubern. In der Nähe seiner Kopfwunde viel ihr überrascht auf, was für ungewöhnlich lange und geschwungene schwarze Wimpern er hatte. Insbesondere für einen Mann. Sie grummelte leise.
"Kannst du mir mal verraten, wofür du um alles in der Welt solche Wimpern brauchst?"
Sie dachte an ihre eigenen, welche sie gerade an diesem Morgen noch mit einem Blick in den Spiegel verflucht hatte. Sie hatten das gleiche blond wie ihre Haarfarbe, was bedeutete, dass sie genauso gut aus gar keine hätte haben können. Wovon sie gar nicht weit entfernt war, denn ihre Wimpern waren nicht nur blond, kurz und nicht gerade sehr voll sondern hoben dementsprechend auch nicht ihre blauen Augen hervor. Nicht ohne Mascara zumindest, welchen sie jedoch meistens nach ein paar Minuten bereits verschmierte, weil sie vergaß, dass sie ihn aufgetragen hatte.
"Damit ich meine Beute besser in die Falle locken kann!", murmelte ihr plötzlich gar nicht mehr so ohnmächtiger Gast unter Jamies Fingern und sah ihr von unten herauf durch seine langen schwarzen Wimpern mit bohrendem Blick direkt in die Augen. Seine Pupillen war beinahe so groß wie Untertassen.
Heilige Scheiße.
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