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Jungkook
Langsam öffneten sich seine Augen. Seine Atmung verlief ruhig, seine Sicht war jedoch nicht sofort klar. Nach und nach erkannte er grelles Licht an der Decke und versuchte sich aufzurichten, doch war sein Körper zu schwer. Auch nahm er jetzt erst wahr, wieso er sich nicht rühren konnte. Das Piepen neben seinem Ohr verriet ihm auch den letzten Hinweis.
Mit einem Mal erinnerte sich Jungkook wieder daran, was passiert war. Dass Hyemi fort musste. Dass er einen Herzinfarkt hatte.
Das Piepen neben seinem Ohr beschleunigte sich und der Schmerz in seinem Herzen stieg weiter an. Doch war dieser plötzlich wie weggeblasen, als er eine Vase mit wunderschönen Blumen entdeckte und das Bild von ihm und Hyemi, welches im Apsan Park von der alten Dame geknipst wurde.
"Hyemi...", seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. Noch immer war er zu schwach. Jungkook vermutete bereits, dass er im künstlichen Koma gelegen hatte und bewahrheitete sich seine Annahme, als er auf das Datum des Kalenders an der Wand blickte. Acht Tage war er fort gewesen.
Für einen Moment schloss Jungkook seine Augen und entschied sich erst einmal dazu, logisch zu handeln, statt seinen Emotionen nachzugehen. Es dauerte keine zwei Minuten, nachdem er den Knopf an seinem Bett gedrückt hatte, dass seine Ärztin in sein Zimmer gestürmt kam und ihn erleichtert ansah. Leicht bildete sich ein Lächeln um Jungkooks Lippen, als er in das erleichterte Gesicht seiner Ärztin sah, diese auch schon gleich auf seinem Bett Platz nahm.
"Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagdt", sprach sie besorgt und half Jungkook dabei, sich aufzurichten.
"Wie fühlst du dich?", fragte sie, als sie ihn von den ganzen Kabeln befreit hatte.
"Gut wäre gelogen." Ein Lachen entkam seiner Ärztin.
"Immerhin scheint dein Humor immernoch der selbe zu sein", sprach seine Ärztin erleichtert, doch verwandelte sich ihre Unbeschwertheit plötzlich in Ernsthaftigkeit. Jungkook ahnte bereits, was ihn erwarten würde, doch ahnte er nicht, dass es so schlimm kommen würde.
"Jungkook-ah... Ich kann dir nicht erlauben, die Klinik zu verlassen. Deine Verfassung hat sich durch den Infarkt so drastisch verschlechtert, dass du ohne ärztliche Betreuung vielleicht nicht überleben wirst. Es tut mir Leid."
Alles was er sich erarbeitet hatte, alles wofür er gekämpft hatte, alles wurde binnen weniger Sekunden zu Grunde gerichtet. All seine Hoffnungen auf ein besseres Leben waren fort. Sie waren nun mit Hyemi verschwunden.
"Soll ich deine Mutter informieren, dass du wach bist?", fragte seine Ärztin vorsichtig, als sie das entgeisterte Gesicht ihres Patienten sah und bereits ahnte, dass er sich innerlich wieder verschlossen hatte. Er verschloss sich, wie er es am ersten Tag ihrer Begegnung getan hatte.
"Nein", war alles was dem Jungen als Antwort entkam. Verstehend nickte seine Ärztin und ließ ihm seine Ruhe, die er nun brauchte und verlangte. Zu viel ging in seinem Kopf vor. Zu viel war geschehen. Zu viel für ihn, um es einfach verarbeiten zu können.
Die Leere breitete sich in seinem Herzen aus, verschlang sogar die Schmerzen, die er bis gerade eben noch gespürt hatte. Es war wie beim ersten Mal. Der selbe hoffnungslose Ausdruck in seinem Gesicht und die Leere in seinem Herzen.
Jungkooks Blick fiel erneut auf die Vase mit dem Bild, wanderte dann allerdings zu seinem Handy.
Seine Hand zitterte, als er nach diesem Griff und eine Nummer wählte. Er hatte genug logisch gehandelt und nichts dafür bekommen. Nun spielten seine Emotionen auch keine Rolle mehr.
"Yeoboseyo?"
Der Klang ihrer Stimme hatte sich nicht verändert. Noch immer klang Hyemi wie Hyemi. Ein kleiner Sonnenstrahl am dunklen Horizont.
"Du bist also fort", hauchte Jungkook in den Hörer, während sein Blick an dem Bild kleben geblieben war, bekam vorerst allerdings keine Antwort.
"J-Jungkook-ah?" Hyemi konnte nicht glauben, dass er es wirklich war.
"Du bist einfach fortgegangen. Du bist gegangen, ohne dich zu verabschieden." Jungkooks Stimme klang vorwurfsvoll, denn wusste er nicht, dass sie noch immer bei ihm war. Er wusste nicht, dass sie jeden Tag an seinem Begt gesessen hatte und darauf gewartet hatte, dass er aufwachte.
Hyemis Stimme war erloschen, nur noch das Rascheln im Hintergrund war zu Hören. Traute sie sich nicht mit ihm zu sprechen? Ihm alles zu erklären? Jungkook war zu überzeugt davon, dass er ihre Worte nicht mitbekam. Er hatte aufgelegt.
Er ahnte nicht, dass Hyemi auf dem Weg zu ihm war und selbstlos aus dem Unterricht gerannt war. Er glaubte, dass sie ihn im Stich gelassen hatte. Und dieses Gefühl wollte ihn nicht verlassen.
(...)
Schwer atmend kam das aufgelöste Mädchen vor der Klinik zum stehen. Sie war so schnell gelaufen, dass sich ihre Lunge schon garnicht mehr mit Luft zu füllen schien. Sie wollte ihn endlich sehen. Sie wollte endlich sehen, dass er wirklich am Leben war und nicht nur von den Maschinen am Leben gehalten wurde.
Schnell durchschritt sie den Empfangsbereich der Klinik und machte sich auf den Weg zu Jungkooks Zimmer. Ging es ihm wirklich gut? Hyemi befürchtete das Gegenteil. Seine Stimme klang zu leblos für seine Verhältnisse.
Ohne zu zögern riss sie Jungkooks Zimmertür auf und fand ihn wie erwartet in seinem Bett vor. Er sah aus dem Fenster, doch wandte sich sein Blick Hyemi langsam zu.
Jungkook zeigte keine Reaktion, sah sie bloß an. Keine Freude lag in seinem Blick. Verstand er nicht, dass sie wirklich vor ihm stand?
"Jung-Jungkook-ah?" Vorsichtig näherte sich das Mädchen dem Jungen, dessen Lebensfreude nicht mehr in seinen Augen erkennbar war. Er antwortete ihr auch nicht, sah stattdessen wieder hinaus aus dem Fenster.
"Was machst du hier? Ich dachte du bist fort." War er nicht glücklich, dass sie da war?
"A-ani...", antworte Hyemi dem Schwarzhaarigen verwirrt.
"Das macht es noch schlimmer. Ich darf die Klinik nicht mehr verlassen Hyemi-ah. Vielleicht wäre es besser gewesen, einfach gleich zu gehen", hauchte Jungkook verloren. Hyemi konnte ihren Ohren nicht glaube, sie wollte es schon garnicht.
"Hör gefälligst auf, so etwas zu sagen! Bist du denn nicht froh, dass dein Herz noch immer schlägt?", Hyemis Stimme war verzweifelt an Jungkook gerichtet, welcher jedoch bloß traurig auf seine Hände sah.
"Mein Herz bedeutet mir genauso wenig wie mein Leben", flüsterte er, als hätte er aufgeben. Doch konnte Hyemi es nicht akzeptieren. Sie konnte nicht akzeptieren, dass Jungkook plötzluch nicht mehr Jungkoon war. Dass er aufgeben hatte. Dass er solche Worte von sich gab.
Sanft umschloss Hyemi sein Gesicht, zog seinen verlorenen Blick damit sofort auf sich.
"Dein Herz mag dir vielleicht nichts bedeuten, dein Leben vielleicht auch nicht. Mir bedeutet beides jedoch eine ganze Menge, da sie zu dir gehören und dich ausmachen. Also hör auf so etwas zu sagen Jungkook-ah. Du hast das Glück, Leben zu dürfen. Andere überleben keine zwei Herzinfarkte, also sei niemand, der du nicht bist und sei der, der du wirklich bist. Du bist jemand, der aufgeben als keine Option sieht. Also sieh es auch nicht jetzt als Option!" Langsam hellte sich Jungkooks Blick auf, je mehr ee begriff, dass Hyemi Recht hatte. Diese hatte ihre Worte so tief auf ihrem Herzen ausgesprochen, dass sie auch ihre nächsten Worte nicht länger zurückhalten konnte.
"Ich hätte niemals gedacht, dass ich eine Person treffe, in die ich mich so schnell verlieben würde, wie in dich Jungkook-ah. Von Anfang an wusste ich, dass etwas zwischen uns liegt, was besonders ist. Ich hatte den anderen nie geglaubt, dass man eines Tages eine Person trifft, von der man von ganzem Herzen weiß, dass sie die Person fürs Leben ist. Bis ich dich traf. Also bitte, sag nicht solche Worte zu mir. Denn ich habe dich noch lange nicht aufgegeben und du solltest dich auch nicht einfach aufgeben."
Tränen schossen ihm in seine dunklen Augen und füllten diese wieder mit Leben. Nach und nach fing Jungkook zu begreifen, was Hyemi ihm zuvor gesagt hatte und als er es begriffen hatte, zögerte er nicht länger. Mit einem Mal war seine Kraft zurück in seine Muskeln gekehrt. Jungkook griff nach Hyemis Arm und zog diese zu sich, um seine Lippen im nächsten Moment auf ihre zu legen. Der Kuss war unschuldig und dennoch lagen all ihre Gefühlen in ihm.
"Mianhaeyo Hyemi-ah. Ich werde mir nie wieder den Tod wünschen. Ich werde an deiner Seite bleiben. Für immer."
Oft vergessen wir Menschen, wie viel es bedeutet, am Leben zu sein. Wir beschweren uns über alltägliche Probleme, wünschen anderen Menschen manchmal sogar den Tod. Doch der Tod ist unendlich und unwiderruflich. Er ist nicht wie ein Traum, aus dem wir Nachts aufwachen und feststellen, dass es nur ein Traum war. Wir schätzen das Leben manchmal nicht genug und schon garnicht die Menschen, die an diesem Teil haben.
Ein Spruch besagt: "Wir schätzen Dinge erst dann, wenn wir sie nicht mehr haben."
Doch anders als bei Dingen, die passieren wenn wir leben, können wir das Leben nicht mehr schätzen, wenn wir nicht mehr auf dieser Erde verweilen.
Wieso also das Leben nicht schätzen, wenn wir noch die Zeit dazu haben? Noch können wir unsere Fehler wieder gut machen und mit unseren Feinden Frieden schließen. Noch können wir lachen und weinen, so viel wir wollen.
Und wollen wir nicht alle in Frieden gehen, mit reinem Gewissen? Nichts bereuen und sagen können, dass wir gelebt haben? Doch vorallem: Wollen wir nichgalle erst von dieser Welt verschwinden, wenn wir alles erlebt haben, was man auf dieser Erde erleben kann?
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