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|| six ||

Auf der Polizeistation war es gespenstisch ruhig. Nur das Ticken der Uhr, welche ihr gegenüber an der bereits ergrauten weißen Wand hing, durchbrach die Stille. Mitternacht. Lucy fragte sich, wie so viel Zeit vergehen konnte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass maximal zwei Stunden vergangen sein könnten, seit Kasimir sie aus Kians Zimmer gezappt hatte. Es musste Mittag sein. Ihr fehlten ganze zwölf Stunden, verdammt!

Bis eben saß der Polizist noch, der sie zu ihrem Glück ohne Handschellen abgeführt hatte und sich als Herr Holzer entpuppte, am Schreibtisch, neben welchem auch sie auf einem ungemütlichen Stuhl hockte. Sein Arbeitsplatz war das reinste Chaos. Mehrere Papierstapel türmten sich auf der grauen Plastikoberfläche des Tisches, blaue Kugelschreiber, eigens für das Polizeirevier angefertigt, lagen verstreut neben Tastatur und Zettelchen für schnelle Notizen. Unwillkürlich fragte sie sich, wie viel Arbeit in ländlichen Gebieten wohl täglich anfielen. Auf dem Computerbildschirm bewegte sich das Logo der Landespolizei wie beim Ping Pong auf dunklem Hintergrund. Geradezu hypnotisierend. Solange der Polizist anwesend gewesen war, hatte Lucy weder Kasimir ihre abertausenden Fragen stellen noch sich ihre momentane übernatürliche Lage vor Augen führen können. Doch selbst jetzt, nachdem der Polizist den Raum verlassen hatte, entschied sich Lucy lieber für Schweigen, anstatt dem brennenden Gefühl in ihrem Inneren nachzugeben.

Vermutlich hätte sie Panik schieben sollen. Immerhin saß sie gerade im Polizeirevier der Nachbargemeinde, der blaue Pinguinpyjama mit Blutflecken beschmutzt – hoffentlich bekam sie den wieder sauber, das war ihr Lieblingspyjama – und der liebe Herr Holzer hatte ihr bereits eingebläut, dass ihr Vandalismus und Sachbeschädigung viel Geld kosten würden. Oder eher ihren Eltern. Diese wurden bereits angerufen, genauso wie die Ladenbesitzerin. Lucy wollte sich weder ihren enttäuschten Eltern noch der armen Frau Heinrich stellen. Konnte Kasimir sie nicht einfach in die Zwischenwelt zurückkatapultieren? Sie wegbringen? Irgendwohin, wo es viel Ben & Jerry's gab? Ihre Hände zitterten, da sie schon viel zu lange nichts gegessen hatte und ihrem glamourösen Auftritt in der Zwischenwelt zu verdanken, hatte sich auch das letzte Abendbrot verabschiedet. Herr Holzer hatte ihr zwar erlaubt, sich im Bad auf der Wache frisch zu machen, wo sie festgestellt hatte, dass ihre Verletzungen anfangs schlimmer ausgesehen hatten, als sie wirklich waren, und ihr außerdem ein Glas Wasser gebracht, aber keine Schokolade. Das wäre für eine Kriminelle wahrscheinlich auch zu viel verlangt. Ansonsten hatte er ihr Socken und Schuhe angeboten, beide etwas zu groß für ihre kleinen Füße, aber zumindest warm. Und auch ein wenig ekelig, denn sie vermutete, dass er sie aus der Fundgrube rausgekramt hatte.

Lucy hatte Panik, aber nicht, weil ihr Strafen drohten. Kurz lachte sie auf. Wie viel in den zwei Stunden geschehen waren, dass mitten in der Nacht in einem Revier zu hocken noch nicht einmal das Außergewöhnlichste war.

Kasimir, der noch immer so winzig wie ein übergroßes Radieschen war, schwebte vor der Wand ihr gegenüber und begutachtete die Zettel auf der Pinnwand, die unter der Uhr hing. Irgendwelche Termine für Veranstaltungen waren daran angepinnt. Der Polizist hatte Kasimir nicht bemerkt, weswegen sie annahm, dass er den Geist gar nicht sehen konnte. Sie fragte sich, woran das lag.

Als Lucy lachte, drehte Kasimir sich um.

„Was ist so lustig?", fragte der kleine Geist.

„Nichts", gab Lucy zurück. Kasimir kehrte ihr beleidigt den Rücken zu. Gut möglich, dass sie noch immer ein bisschen sauer auf Kasimir war. Trotzdem sorgte sie sich ein wenig um ihn. Seine Blässe gefiel ihr nicht, aber sie wusste viel zu wenig über Geister und Gespenster, um feststellen zu können, ob das noch gesund war oder nicht. Bei dem ihr heiligen Ben & Jerry's, konnten Geister überhaupt krank werden? All den Filmen und Serien zufolge, die sie gesehen hatte, war das nicht möglich, aber was wussten die Produzenten denn schon? Bis jetzt hatte sie noch nirgends von einer Zwischenwelt gesehen oder gelesen, in der Seelen nach dem Tod des Menschen landeten und die Geister diese dann weiterleiteten. Wohin? Und wieso? Das musste doch eine endlose Aufgabe sein; wie hatte Kasimir dann überhaupt Zeit, hier im Polizeirevier herumzuschweben und sie zu fragen, was sie so witzig fand?

„Ihr Menschen seid grausam", gab der Geist nach einer Weile von sich. Während Lucy ihren Gedanken nachgejagt war, hatte Kasimir wohl etwas anderes gefunden, das er genauer inspizieren konnte. Er las sich einen Bericht durch, der an einer anderen Pinnwand steckte. Da sie nicht erkennen konnte, worum es sich handelte, stand sie auf. Der Polizist hatte zwar gemeint, sie solle sitzen bleiben, doch er befand sich nicht mehr im Raum.

Schnell überflog Lucy den Bericht, welcher vom einzigen Mord handelte, der sich in ihrer Nachbargemeinde ereignet hatte. Der Täter, der eine junge Frau zuerst vergewaltigt und dann niedergestochen hatte, wurde nie gefunden. Deswegen hing sein Bild neben dem Bericht wohl noch immer an der Pinnwand, obwohl der Vorfall schon fünf Jahre zurücklag. Lucy war damals zwölf Jahre alt gewesen und sie konnte sich noch gut an die Zeit erinnern. Ihre Eltern hatten ihr verboten, ohne Aufsichtsperson rauszugehen. Zwar hatte sie die Entscheidung verstanden, fand es aber auch verdammt nervig.

„Mögt ihr uns Menschen deswegen nicht?", hakte Lucy nach. Vielleicht erzählte Kasimir ihr nun endlich mehr über die Furcht der Geister vor den Menschen. Und tatsächlich meinte es das Universum mal gut mit ihr.

„Wesen, die ihresgleichen in vollem Bewusstsein absichtlich verletzen und töten, sind Monster. Wie kann man einem Gefährten so etwas nur antun? Wir Geister verschwenden nicht einmal einen Gedanken daran, unseresgleichen in irgendeiner Weise zu verletzen. Geschweige denn, jemanden zu töten! Und als ob das nicht genügen würde, fügt ihr auch noch anderen Wesen Leid zu. All die Tierquälerei und Jagden. Ihr fresst andere Lebewesen!"

Lucy schluckte schwer, als sie an das Gulasch dachte, das sie vor etwa einer Woche gegessen hatte. Obwohl sie wenigstens versuchte, auf Fleisch zu verzichten, gelang ihr das nicht immer sonderlich gut. Was ihre Mama kochte, musste gegessen werden. Vegetarismus in einem Dorf, das hauptsächlich von Viehzucht und Landwirtschaft lebte? Unvorstellbar für viele Bewohner.

„Auch uns verletzt ihr durch eure Hausräucherungen. Manche Geister sind dabei sogar schon gestorben! Die Kräuter, die ihr hierfür verwendet, schaden uns, nehmen uns die Fähigkeit, einfach zu verschwinden. Diejenigen, die nicht rechtzeitig fliehen können, werden vom Rauch zersetzt", fuhr Kasimir entrüstet fort. Unwillkürlich musste Lucy an das Gespenst und den Flammenwerfer in Livs Händen denken. Hatte der Rauch des Feuers das Ding nur geschwächt oder getötet? Ähnelten sich Geister und Gespenster also tatsächlich dahingehend?

In ihrem Kopf herrschte ein ähnliches Chaos wie auf dem Schreibtisch hinter ihr. Eigentlich war sie daran gewöhnt, doch dieses Mal war irgendetwas anders. Allerdings wollte ihr nicht einfallen, was. Es fühlte sich dunkler an. Düsterer als sonst. Lucy konzentrierte sich so stark auf die endlosen Stränge, die sich immer wieder verknoteten, lösten, entzwei rissen und sich wieder verknoteten, sodass sie keine Antwort auf Kasimirs aufgebrachte Rede fand. Tief durchatmend, um vielleicht doch wieder etwas Ordnung in ihrem Kopf zu bekommen, ging sie wieder zurück zum Stuhl. Entfernt nahm Lucy energische Schritte und eine melodische Frauenstimme wahr. Sie klang nicht nach ihrer Mutter, welch ein Glück!

Frau Heinrich kam in den Raum gestürmt, Herr Holzer im Schlepptau. Die fast 60-jährige Frau trug einen dunkelbraunen Mantel und hatte ihre ergrauten Haare mit einer Spange hochgebunden. Eine orangene Brille saß auf ihrem Nasenrücken, passend zu ihren orangenen Ohrringen. Oft bekam Lucy Frau Heinrich nicht zu Gesicht, aber wenn, dann trug sie immer eine andere Brille und diese war immer der Farbe ihres Schmuckes angepasst.

„Oh Luzia, Spätzchen! Geht es dir gut? Du siehst fürchterlich aus. Warum hast du keinen Arzt gerufen, Andreas?" Beim letzten Satz drehte sie sich zu Herrn Holzer um und starrte ihn vorwurfsvoll an. „Die Kleine hat ja lauter Schnittwunden, die muss sich jemand ansehen!" Herr Holzer wollte etwas darauf erwidern, doch Lucy rettete ihn aus der misslichen Lage. Sie kannte sich gar nicht so gutmütig.

„Ich habe abgelehnt, als er gefragt hat, ob er die Rettung rufen soll. Mir geht es gut und außerdem ist Mama ja eh Krankenschwester", beteuerte Lucy. Frau Heinrich schüttelte nur missbilligend den Kopf. „Ach Liebes, das ist der Schock. Wieso bist du überhaupt in mein Schaufenster geplumpst?", fragte Frau Heinrich und das schlechte Gewissen überzog Lucy wieder wie eine viel zu buttrige Schokoglasur – fettig und ekelhaft. Was sollte sie überhaupt antworten? Ein Gespenst hatte sie aus der Zwischenwelt geschleudert und sie war leider ausgerechnet in ihr Geschäft gekracht? „Ich bin gefallen", antwortete sie, wissend, dass das die dämlichste Erklärung überhaupt war.

„Natürlich. Und woher kam das Feuer?", brummte der Polizeibeamte. Lucy zuckte mit den Schultern.

„Andreas!", zischte Frau Heinrich.

Lucy konnte aus dem Augenwinkel Kasimirs Schmunzeln erkennen. Na toll, der Geist fand ihre Misere auch noch witzig. Aber nicht nur sie dürfte sein Grinsen bemerkt haben. Frau Heinrichs Blick wanderte kurz zu ihrer Linken, wo Kasimir schwebte. Sah sie ihn?

„Dein Vater ist auf dem Weg, Spätzchen", fuhr sie schließlich fort und fokussierte sich erneut auf Lucy. „Ruh dich erstmal aus, von einer Anzeige sehe ich natürlich ab, meine Versicherung bezahlt das schon", ein weiterer anklagender Blick in Richtung Polizist, „wir regeln das schon irgendwie anders. Auf meine alten Tage bin ich nicht mehr so fit, wie ich es gerne wäre, du könntest bei mir aushelfen. Na, wie wäre das?"

Lucy war sprachlos. Frau Heinrichs Gutmütigkeit war ihr bekannt, aber das hatte sie trotzdem nicht erwartet. Hin und wieder etwas aushelfen wie früher in alten Schulzeiten statt eines Strafgeldes? Sie war kurz davor, Gott zu danken.

Lächelnd stand sie auf und umarmte die alte Frau. Sie war es, der sie danken musste, nicht Gott. Frau Heinrich erwiderte die Umarmung und tätschelte ihren Rücken. Überrumpelt von der plötzlichen körperlichen Nähe, befreite sich Lucy hastig aus ihren Armen. Sie konnte sich nur zu gut daran erinnern, welchen Menschen sie zuletzt umarmt hatte. Und das war vor genau zwei Jahren gewesen. Warum in ihr so mir nichts, dir nichts das Bedürfnis aufkam, ihre Erleichterung so zum Ausdruck zu bringen, verstand sie selbst nicht. Frau Heinrich schien ihren abrupten Gefühlsumschwung aber nicht zu bemerken, und selbst wenn – immerhin hatte sie ja das berühmt-berüchtigte dritte Auge – ignorierte sie es ihr zuliebe.

„Theresa, bist du dir sicher?", warf der Polizist ein. Ach halt doch die Klappe, dachte sich Lucy und sah ihn genauso böse an, wie Frau Heinrich und Kasimir es ebenfalls gerade taten.

„Bin ich. Komm Liebes, wir warten draußen auf deinen Vater. Hier, zieh dir meinen Mantel an." Frau Heinrich machte schon Anstalten, ihren Mantel auszuziehen, aber Lucy lehnte ab. Es war bereits Frühling, nachts sanken die Temperaturen trotzdem fast auf null Grad. Der alten lieben Dame allerdings den Mantel abnehmen wollte sie dennoch nicht. Ihr Papa würde sicher bald kommen.

„Oh nein, Liebes. Nimm ihn. Nicht, dass du dich erkältest." Sie gab Lucy nicht einmal die Möglichkeit, ein weiteres Mal abzulehnen, sondern legte ihr den braunen Mantel selbst über die Schultern ihres Pyjamas.

„Die Sache landet nicht in ihren Akten, oder, Andreas?", meinte Frau Heinrich noch an den Beamten gewandt, als sie schon fast durch die Tür getreten waren. „Hans ist ein guter Freund meines Mannes und außerdem willst du doch nicht auf deine kostenlosen Leberkäsesemmeln verzichten, nicht wahr?" Von ihren Eltern wusste Lucy, dass Hans der hiesige Polizeichef war. Sie verbarg ihr Lächeln hinter dem dicken Mantel, amüsiert über Herrn Holzers zugleich verblüfften als auch angefressenen Gesichtsausdruck. Er hatte sich den Nachtdienst heute eindeutig anders vorgestellt.

„Sehr gut." Zufrieden hob sie das Kinn, ehe sie sich wieder an Lucy wandte und in flüsterndem Ton sprach: „Na gut, lass uns gehen. Du und dein Freund habt mir einiges zu berichten."

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