Larry - The Hunt 2
Das Zusammenleben mit einem Fremden mitten in einem verwunschenen Wald gestaltete sich komplizierter, als ich erwartet hatte. Eigentlich war ich mir gar nicht sicher, was genau ich erwartet hatte.
Harry war distanziert und ruhig, aber so, dass man dauernd das Gefühl hatte, in ihm brodelte ein Feuer. Er sprach nicht viel und übertrug mir keine Aufgaben, sodass mir nicht viel mehr übrig blieb, als den Wald rund um das Versteck herum zu erkunden.
Mir fiel auf, dass die Wege und Bewachsung sich nur dann ständig änderten, wenn Harry in der Nähe war. Als würde der Wald ihn beschützen wollen, und alle Menschen um ihn herum lenken. So kam es, dass ich, solange Harry nachmittags das Versteck verließ und was auch immer machte, das Gebiet ungestört erforschen konnte.
Abends kehrte er meist für ein paar Stunden zurück und hatte Brot oder anderes Essen aus dem Dorf dabei. Manchmal warf er es mir einfach hin, manchmal konnte ich mich zu ihm an den Tisch setzen. Aber immer aßen wir vollkommen still. Dann, wenn die Sonne untergegangen war und ich müde wurde, konnte ich meist beobachten, wie Harry das Versteck verließ und in seiner riesigen Wolfsgestalt in der Ferne verschwand.
Was anfänglich noch einschüchternd und bestialisch auf mich gewirkt hatte, war jetzt faszinierend und wunderschön geworden. Manchmal schlich ich mich extra von der Matte, die ich als Bett nutzte, um Harry bei der Verwandlung beobachten zu können. Ich bewunderte ihn dafür.
Und eines Abends erwischte er mich dabei.
Er war gerade aus der Hütte getreten und hatte den Kopf zum Himmel gereckt, als schätze er etwas sehr wichtiges ab, als ich vorsichtig durch die Hintertür hinaus und um die Holzwände herum schlich. Er wischte sich über die Nase und schüttelte seine Schultern. Ich fragte mich, wofür er sich vorbereitete. Und ob es ein langer Weg war, den er nachts zurücklegte. Dann machte er ein paar Schritte, und ich wurde aufmerksam. Er holte Schwung und sprang dann in einem großen Satz in seine andere Gestalt hinein, direkt bereit, schnellen Schrittes zu verschwinden.
Aber ich rutschte mit der Hand an der Ecke der Hütte ab und musste ein paar Schritte machen, um mich abzufangen, und sofort schnellte sein Kopf zu mir.
Ein Schauer der Aufregung rauschte durch meinen Körper, aber ich konnte den Blick nicht von ihm abwenden. Dieses dunkle Fell, die grünen Augen, die riesigen Pfoten, selbst seine spitzen Eckzähne jagten mir keine Angst mehr ein. Er schnaubte und trottete davon, ganz anders, als ich es von ihm erwartet hätte.
Am nächsten Morgen war er vor mir wach. Er lehnte gegen das runtergekommene Schränkchen, an das ich nicht randurfte, und hatte die Arme vor dem Körper verschränkt.
Ich hatte kaum die Augen geöffnet, da sprach er mich schon an.
"Was sollte das?"
Vor Müdigkeit schwerfällig brachte ich erst nur ein verschlafenes "Hm?" heraus, aber nach einigen Sekunden erinnerte ich mich an die Nacht zuvor. "Oh. Ähm... ich weiß nicht. Ich..." Ich rang mit mir, und überhaupt war es zu früh, um solche Gespräche zu führen. "Hätte ich dir nicht zusehen dürfen?"
Seine Augen sprangen zu mir als hätte ich was falsches gesagt. "Nein." Sein Tonfall lied mich erschaudern. "Wieso wolltest du es überhaupt sehen? Menschen haben Angst vor uns." Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich auf. "Ich nicht."
"Wieso?"
Ich gähnte, was ihn noch wütender zu machen schien. "Hättest du mir was tun wollen, hättest du es schon getan.", sagte ich dann und sah zu ihm hinauf, auf seltsame Weise interessiert an der Situation. Er hatte kaum ein Wort mit mir gesprochen seit ich bei ihm war, und plötzlich...
"Ich wollte dich töten und deinem Vater vor die Füße werfen.", stellte Harry klar. Ich zuckte mit den Schultern. "Aber du hast es nicht gemacht, oder? Du hast den Prinzen verschont. Sehr nobel." Ich grinste. Wieso grinste ich? Bei unserer ersten Begegnung war er es gewesen, der gegrinst hatte. Jetzt fühlte ich mich plötzlich in so anderer Position. Worüber sprachen wir eigentlich wirklich? Wieso hatte er das Gespräch gesucht?
Harry sah mich einen Moment lang stumm an, bis mein Grinsen mir aus dem Gesicht wich und ich den Blickkontakt abbrechen musste. "Entschuldige.", brachte ich leise hervor. "Ich hätte mich nicht extra rausschleichen sollen. Das ist deine Privatsphäre und ich habe sie nicht respektiert."
Er schaubte zufrieden und es wurde für einen Moment still.
Dann wandte er sich ab und ging Richtung Tür. Schnell drückte ich mich auf die Beine. "Warte! Wo willst du hin?" Er schenkte mit nur einen belustigten Seitenblick.
Als ob ich dir sagen würde, was ich vorhabe.
Aber ich ließ nicht locker und schaffte es, noch vor ihm die Türe zu erreichen. "Warte mal! Seit zwei Wochen verschwindest du dauernd Und ich sitze hier rum und langweile mich." Und plötzlich änderte sich die Atmosphäre. Er lies ein Knurren hören und stieß mich gegen die Türe hinter mir.
Ich kam mir bescheuert vor, so viel Sicherheit gezeigt zu haben. Jedes Wort, das ich seit dem Aufwachen gesagt hatte, bereute ich mit einem Mal. Er presste mich mit seinen Händen an meinen Schultern schmerzhaft stark gegen die knarrende Holztüre und plötzlich sah ich die Wut gefährlich flackernd in seinem Gesicht, die er sonst unter der Oberfläche brodeln ließ.
"Wenn du Bespaßung suchst, kannst du wieder zurück ins Schloss gehen! Es war nicht meine Idee, dich mit her zu nehmen. Also leb' gefälligst mit den Konsequenzen!"
Ich war starr vor Angst. Das überlegene Gefühl, das mich noch vor einer Minute zu einem Grinsen verleitet hatte, war völlig verschwunden, als ihm Reißzähne aus dem Kiefer quollen und seine Augen rot aufleuchteten.
Mit einem wütenden Geräusch stieß er sich von der Wand ab und ging einige Schritte weg, die Hände über die Ohren legend. Er wandte sein Gesicht ab und schenkte mir damit einige Sekunden, in denen ich tief durchatmen und meine Schultern entspannen konnte.
Dieser Morgen war so anders als die letzten 13. Er war anders. Eine andere Version von sich selbst vielleicht, oder einfach mit anderer Laune.
Ich hatte den spielerisch gefährlichen Harry erlebt, der mich mit einem Grinsen im Gesicht töten wollte, und den distanziert stillen Harry. Aber das hier, das war... unausgewogen. Konfrontierend und gefährlich still im einen Moment, dann laut und aufbrausend (und handgreiflich) und jetzt...
Harry murmelte etwas vor sich hin und krümmte den Rücken, die Hände noch über die Ohren gelegt, den Körper abgewendet. Ich beobachtete ihn, unsicher, was vor sich ging. Ob ich ihn ansprechen sollte?
"H-Harry?"
Sofort drehte er sich zu mir um und schrie: "Geh weg!" Ich zuckte zusammen. Harry kam näher. "Ich höre jeden Herzschlag, jeden Atemzug, jedes Blinzeln! Du bist LAUT!" Er presste sich wieder gegen mich, in einem völlig durchtriebenen Versuch, mich durch das Holz hinaus zu beschaffen. Alle Luft wurde aus meinen Lungen gepresst, die Türe ächzte hinter mir, sein Gesicht schwebte vor meinem, mit einem Ausdruck darin, der absolute Panik vermittelte, gepaart mit der Seele eines unruhigen Tieres.
Ich wusste nicht, was mich dazu trieb, sein Geischt in meine Hände zu nehmen und ihn erneut zu küssen, diesmal länger als beim letzten Mal. Aber in der Sekunde, in der ich meine Lippen auf seine legte, erstarrte er.
Eigentlich erstarrte alles. Die Welt um uns herum, mein Körper, meine Gedanken, einfach alles. Dad war eine andere Art von Kuss, und diesmal löste es etwas in mir aus. Ich spürte eine Wärme in meinem Herzen, ein Kribbeln in meinem Bauch. Ich spürte, wie Harry sich entspannte, der Druck von meinem Körper abfiel, wie er seine Hände an meinen Körper legte, unsicher, wohin und wie fest. Ich spürte, wie er seine Lippen bewegte, nur für einen kurzen Moment, bis wir außeinander gingen und die reale Welt wieder auftauchte.
Wir sahen uns für einen Moment sprachlos an, dann ging er einen Schritt zurück und schaffte Abstand zwischen uns. "Entschuldige, Louis." Er konnte den Blickkontakt nicht halten, aber auch von der Seite konnte ich die Verwirrung und Erleichterung in seinem Gesicht sehen.
Ich sortierte meine aufgewühlt Gedanken.
"Geht es jetzt besser?"
Er fuhr sich müde übers Gesicht. "Ja. Es ist... es ist der Vollmond." Ich beobachtete ihn, völlig unter Strom. Er erzählte von sich?
"Der macht mich... nun ja, verrückt." Er sah doch wieder zu mir. "Du kannst natürlich bleiben. Die Symptome gehen vorüber. Es ist nicht mehr lang."
Ich schluckte. "Und... mein Herzschlag und... das... das Blinzeln?" Harry zeigte sein schiefes Grinsen. "Überstimulation. Ist schon wieder vorbei. Dank..." Das Grinsen wich aus seinem Gesicht und plötzlich sah ich, als ich versuchte, seine Emotionen in seinem Gesicht zu lesen, wieder die übliche Mauer. Sie war stark und undurchlässig, aber man wusste einfach, dass dahinter viel vor sich ging.
Harry räusperte sich und schob mich dann an der Schulter zur Seite. "Ich kehre auf Abend zurück." Er verschwand durch die Tür und ließ mich völlig perplex hinter dem offenen Türrahmen stehen, als hätte ich nicht gerade den verrücktesten Morgen aller Zeiten durchlebt.
Als tte ich nicht tausend Fragen auf der Zunge.
Und tausend mehr Dinge, über die ich nachdenken wollte.
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Leute, ich verschwinde dann mal für 3 Tage nach Hamburg, ne?
DANKE FÜR DIE GANZEN NEUEN READS IN "MY PRINCESS"! IHR SEID DER HAMMER!
Und auch danke an alle, die in "The me inside of you" reingeschaut haben :) ihr seid der Wahnsinn!
Meinungen, Wünsche, Anregungen und Ideen wie immer in die Kommentare!
AOF
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