Larry ~ Familiensachen (AU) [deut]
"Ich kann nicht glauben, dass du mir das verheimlicht hast!"
"Beruhig dich erstmal."
"Beruhigen? Ist das dein Ernst? Wir sind verlobt, Harry! Wir haben eine Tochter!"
"Nein, sind wir nicht, haben wir nicht, nicht dieses Wochenende! Bitte, du verstehst das nicht..."
Louis verschränkte die Arme vor der Brust.
"Du verstehst das nicht?", wiederholte er meine irreführende Wortwahl. "Denkst du, du wärst der einzige Schwule auf der Welt, der sich davor fürchtet, es seinen Eltern zu erzählen?" Ich sah zur Tür, weil Louis etwas lauter geworden war. "Nein, natürlich nicht... aber sie hat mich und meine Schwester so liebevoll großgezogen und sie wohnt so weit weg, dass wir sie sowieso nur so selten sehen und... naja, sie kommt nun mal aus einer anderen Generation."
Er verdrehte die Augen und sah sich in der Küche um, in der wir standen. "Meine Mutter auch, stell dir vor. Sie hat nach meinem Outing drei Monate kein Wort mit mir gewechselt, nur meine Schwestern haben sie davon abgehalten, mich vor die Tür zu setzen! Und trotzdem bin ich irgendwann erwachsen geworden und habe es ihr erzählt!" In der Sekunde, in der er es gesagt hatte, wusste ich, dass er es bereute. Obwohl mir klar war, dass er es nicht so gemeint hatte, musste ich dieses kleine bisschen Schuld, dass er nun empfand, für meinen Vorteil nutzen, sonst würde ich die Diskussion haushoch verlieren.
"Du sagst also es ist unreif, mich nicht outen zu wollen? Willst du mich dazu drängen? Willst du allen ungeouteten Schwulen da draußen sagen, dass sie erwachsen werden und sich outen sollen?"
Um meinen Worten, die mir vorkamen wie der letzte Strohhalm, an den ich mich klammern konnte, Nachdruck zu verleihen, verließ ich die Küche und ging nervös Richtung Esstisch. "Harry, warte. Natürlich habe ich das nicht so gemeint." Er hielt mich mit seiner Hand auf meiner Schulter auf. "Hey. Ich hätte es nur schön gefunden, wenn ich es gewusst hätte. Wir sind seit 5 Jahren zusammen. Es ist mir ein Rätsel, wie du es überhaupt verstecken konntest. Ich meine, deine Geburtstagsessen und die Geschenkkarten, die wir zu Weihnachten verschickt haben, unterschrieben von uns beiden..." Er zog die Augenbrauen zusammen. "Oh mein... hast du die Geschenkkarten von uns gegen andere ausgetauscht? Und warte, willst du mich deshalb nie küssen an deinen Geburtstagen?" Ich biss auf meiner Unterlippe herum.
Er schwankte zwischen einem verblüfften Lachen und wütender Härte.
"Ich glaubs ja nicht... und das Kennenlernessen?" Schuldbewusst knetet ich meine Finger. "Ich habe ihr erzählt du seist ein Freund aus der Uni, mit dem ich eine WG gründen wollte." Er sah mich fassungslos an. "Drei Monate vor deinem Abluss? Das hat sie dir abgekauft?"
In diesem Moment klingelte es an der Haustüre. "Das wird sie sein.", stellte ich trocken fest und küsste ihn schnell, bevor ich, mein Hemd glattstreichend, zur Türe ging. Bevor ich sie allerdings erreichen konnte, blieb ich nochmal stehen und drehte mich um. "Lou, ziehst du den Ring aus?" Sein Gesicht nahm einen leidenden Ausdruck an.
"Meinen Verlobungsring? Muss das sein?"
"Bitte, für mich."
"Harry!"
"Bitte!"
"Ist ja schon gut... ich fasse es nicht."
"Danke."
Einen letzten tiefen Atemzug nehmend, öffnete ich die Türe. "Mum!", lächelte ich. Trotz, dass sie kaum einen echten Anteil an meinem Leben hatte, hätte ich meine Mutter nicht mehr lieben können. Sie war eine fantastische Frau, und ich freute mich, sie zu sehen. "Harry! Endlich sehen wir uns wieder. Komm her, du hast mir so gefehlt!" Sie zog mich in ihre Arme und ich genoss die Umarmung.
Louis stand noch beim Esstisch und beobachtete die Szene. Es war schwer einzuschätzen, ob er noch wütend war, oder ob ich ihn mit meiner Geheimniskrämerei verletzt hatte. Er freute sich immer darauf, meine Mutter zu sehen, weil er davon ausgegangen war, dass sie ihn als meinen Partner mochte, nicht als den Freund, mit dem ich zusammenwohnte, weil er sich keine eigene Wohnung leisten konnte.
Nachdem sie meinen letzten Geburtstag wegen einer Krankheit verpasst hatte, war dieses Wochenende, dass wir (ich) ihr geschenkt hatten (hatte) dazu gedacht gewesen, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Innerhalb der letzten eineinhalb Jahre war viel passiert, wir hatten eine Tochter adoptiert, die nun bald drei wurde, und Anfang des Monats hatten wir uns endlich verlobt. Und obwohl es vielleicht in der Diskussion anders rüberkam, hatte ich wirklich vor, reinen Tisch zu machen. Dazu hatten wir Mia zu Louis' Eltern gebracht. Seine jüngsten Schwestern freuten sich immer, wenn "sie" auf Mia aufpassen durften.
"Hallo, Louis! Schön, dich zu sehen!", begrüßte meine Mutter schließlich auch Louis, der seine angespannte Haltung zu lockern versuchte und ihr die Hand gab. "Hallo, Anne. Darf ich dir was zu trinken anbieten?"
"Oh, sehr gerne!"
"Pfefferminztee wie sonst auch?"
"Ja, danke dir."
Er warf mir einen funkelnden Blick zu, als er sich zur Küche abwendete. Ich fuhr mit der Zunge über meine Lippen. Nun galt es, den ganzen Abend lang Hinweise zu platzieren und ihre Reaktionen zu analysieren, um mich dann darauf vorzubereiten, es ihr beim Frühstück am nächsten Tag zu erzählen. Mittags würde Mia nach Hause kommen und ihre Grandma kennenlernen.
"Und, was gibt es Neues?", fragte ich und begleitete meine Mutter zum Sofa.
"Nicht viel, wie sonst auch. Ich war fürchterlich krank, und das hat sich ewig gezogen, diese verdammten Viren. Aber dann ist der Trockner wieder kaputtgegangen, und..."
Hinter ihr tauchte Louis auf und hielt in der einen Hand einen kleinen Bilderrahmen hoch. Mit der anderen wedelte er fragend neben seinem Kopf herum. Ich zuckte entschuldigend mit den Schultern. Natürlich hatte ich alle unsere Bilder in die leere unterste Schublade in der Küche verräumt.
"... und dann hat er tatsächlich die falschen Lilien gekauft!" Meine Mutter lachte. "Faszinierend, Mum.", sagte ich schnell, von einem plötzlichen Anflug von Schuldgefühlen wie gelähmt. "Du hast mir gar nicht zugehört!", meinte sie gekränkt. "Wozu lädst du mich überhaupt ein, wenn du mir gar nicht zuhören willst?"
Wozu? Um dir von meinem Freund zu erzählen, mit dem ich ein Kind adoptiert habe und den ich im Herbst nächsten Jahres heiraten werde.
"Entschuldige, Mum. Ich war nur in Gedanken..." Zeit, den ersten Hinweis zu streuen. "... hast du auch davon gehört? Letzte Woche war eine Schießerei in dieser Schwulenbar gleich hier um die Ecke." Wie auf ein Stichwort kam Louis aus der Küche, zwei Teetassen in den Händen.
"Oh, danke, Louis.", meinte meine Mum und nahm den Tee entgegen. Dann wandte sie sich wieder an mich. "Doch, habe ich mitbekommen. Schrecklich, sowas. Man sollte dieses ganze Waffengehabe dringend stoppen und sich wieder 'oldschool' mit den Fäusten prügeln."
Verwirrt, wie ich diese Antwort aufnehmen sollte, ließ ich das Thema wieder fallen. Louis verschluckte sich an seinem Tee.
Der Abend verlief wie ein Dinner auf einer Achterbahn. Wackelig.
Hin und wieder versuchte ich, das Thema in die Richtung zu lenken, die ich bisher immer gemieden hatte, aber jeder Versuch missglückte. Schließlich zwang Louis mich zu einer Krisensitzung in der Küche, während meine Mutter mit ihrem vierten Glas Rotwein auf unserer Couch Platz nahm und verkündete, sie würde das Mensch-ärgere-dich-nicht- Spielbrett aufbauen. Weil es ja auch so fürchterlich viel zum Aufbauen gab.
"Das ist eine Katastrophe! Harry, was hast du dir bloß gedacht?" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und ging an Louis vorbei. "Wieso? Bisher läuft doch alles gut..." Er lacht und hielt mich fest. "Gut? Was nennst du gut? Dass du jedes Mal einen Rückzieher machst, wenn du versuchst, es ihr zu sagen?" Ich zog die Augenbrauen zusammen. "Das ist nicht wahr!" Er verdrehte die Augen.
"Harry, so stelle ich mir dich vor wie du mit deiner ersten Freundin Schluss gemacht hast. Das hat nicht ohne Grund 3 Monate gedauert." Ich setzte mich auf einen Stuhl und gab mich geschlagen. "Meinetwegen, ja. Ich hab Mist gebaut. Hilfst du mir da wieder raus?" Jetzt verschränkte er die Arme vor der Brust. "Ich soll dir da raus helfen? Nein, das musst du alleine hinkriegen, ich teile mir den restlichen Wein mit deiner Mutter und dann schlafe ich im Gästezimmer." Das Telefon klingelte und Louis stürmte aus der Küche, um ranzugehen, sodass er nicht mehr hörte, wie ich murmelte: "Wozu? Den Großteil der Flasche hat sie sowieso alleine getrunken." Dann saß ich alleine in der Küche und seufzte.
Natürlich hatte er recht. Ich wollte, dass meine Mutter ihre Enkeltochter kennenlernte, und dass Mia noch eine Grandma bekam. Und ich wollte, dass Louis sich besser fühlte. Also stand ich, plötzlich wieder voller neuem Mut, auf und ging zurück ins Wohnzimmer.
"Ah, Harry! Sehr gut, dass du da bist! Willst du blau haben oder pink?" Verwirrt von der Symbolik antwortete ich, etwas aus dem Konzept gebracht: "Blau. Ich nehme die Männ- äh blauen Männchen. Hör mal, Mum, ich muss etwas wichtiges mit dir besprechen." Sie leerte ihr Glas. "Ich verspreche, ich trinke nur noch Wasser, Liebling!", sagte sie dann und nickte, als müsste sie es deutlich machen.
Noch verwirrter wehrte ich ab. "Nein, nein, das ist es gar nicht. Mum, du musst zuhören, okay? Es fällt mir nicht leicht, dir das zu sagen, aber... es geht um Louis und-"
"Harry!" Louis, stürmte, das Telefon in der Hand, ins Wohnzimmer. "Harry, das war meine Mutter. Sie hat Mia ins Krankenhaus gefahren, weil sie 40.7° Fieber hat und sich übergeben musste, und die Fieberzäpfchen helfen nicht, wir müssen sofort los!" Er schnappte sich seine Schuhe und die Autoschlüssel, als meine Mutter ihn unterbrach: "Mia? Wer ist Mia?" Er sah mich an. "Meine Tochter."
Überrascht wiederholte meine Mutter "Deine Tochter?", während ich nur den Kopf schütteln konnte. Louis wandte sich nur noch an meine Mum. "Ja, ich habe eine Tochter. Ich bin schwul und habe sie damals mit meinem Verlobten adoptiert, aber jetzt bin ich alleinerziehend." Ich legte eine Hand an meine Schläfe. "Nein, Mum, das stimmt nicht, er ist nicht alleinerziehend-" "Aber bald!", warf Louis mir an den Kopf und stürmte aus dem Haus. Dann flog die Tür hinter ihm zu.
Ich stieß die Luft aus und rieb meine Schläfen. Dann ging ich in die Küche. "Harry? Kannst du mir erklären, was hier vor sich geht?" Ich hatte gefunden, was ich gesucht hatte, und kehrte ins Wohnzimmer zurück, um meine Schuhe anzuziehen und die Autoschlüssel von meinem Geschäftswagen aus meiner Jackentasche zu graben. "Wir fahren ins Krankenhaus zu meiner Tochter, Mum.", sagte ich dann und zog sie mit mir aus dem Haus. "Deiner Tochter? Harry, was-"
"Ich erkläre dir alles auf dem Weg. Los, beeil dich." Sonst hat Louis die Scheidungspapiere aufgesetzt, bevor wir überhaupt geheiratet haben...
~~
Im Krankenhaus eingetroffen folgte meine Mutter mir schweigsam, wie schon die ganze Fahrt über, zur Kinderstation. Ich hatte keine Zeit, mir Gedanken zu machen, was meine Mutter wohl empfand, aber ich nahm die Tatsache, dass sie mir ins Krankenhaus gefolgt war als gutes Zeichen auf. Wenn auch ohne einen weiteren Kommentar nachdem ich ihr alles gebeichtet hatte, as ich die letzten fünf Jahre verschwiegen hatte.
Ich sah Louis' Mutter vor einem Zimmer auf und ab gehen und beschleunigte meine Schritte. "Jay!" Sie sah auf und kam mir ein Stück entgegen "Harry, endlich! Louis ist schon drin, Mia schläft, ich warte auf den Arzt." Ich nickte und umarmte sie eilig. "Danke." Ich drehte mich zu meiner Mutter um. "Mum, das ist Johannah Deakin, Louis' Mutter." Doch sie blieb still. Ich schob diese Tatsache weit weg von mir und eilte so schnell und leise als möglich in den Raum.
Louis stand neben dem Krankenbett, kaute auf seiner Lippe und beobachtete mit springenden Blicken unsere Tochter. Eine Infusion war an einem Kateter in ihrem Handrücken angebracht, sie schwitzte und ihre Wangen waren stark gerötet. "Sie vermuten eine Lungenentzündung oder einen Virusinfekt. Ist dir das Husten aufgefallen?" Ich kam etwas näher. "Natürlich. Aber ich dachte, es wäre wie früher: Sie macht nach, was sie hört. Und mit deinem Raucherhusten..." Sein Blick schoss zu mir. "Was soll das denn heißen?" Ich zog den Kopf ein.
"Das soll heißen, dass ich mit ihr zum Arzt hätte sollen. Und dass du aufhören solltest zu rauchen." Erst sah er so aus, als wollte er etwas entgegnen, dann drehte er den Kopf wieder zu Mia zurück und ließ einen Moment lang Stille einkehren. "Ich bin immer noch sauer auf dich.", sagte er dann. Ich seufzte und ging zu ihm. "Ich weiß. Und du hast alles recht dazu. Ich hätte es meiner Mutter sagen sollen. Aber vor allem hätte ich dir sagen sollen, dass ich es ihr nicht gesagt habe. Das war egoistisch. Ich wollte nicht, dass die erfährst, was für ein Schisser ich in Wirklichkeit bin. Das war aber viel feiger und es tut mir leid." Er verdrehte die Augen, sah mich aber nicht an. "Du weißt, dass nichts schlimmes dabei ist, Angst vor einem Outing zu haben." Ich nickte. "Aber trotzdem habe ich mich geschämt."
Wieder kehrte Stille ein und wir lauschten den regelmäßigen Atemzügen von Mia. "Hast du es ihr gesagt?"
"Ja."
"Und?"
"Hat nichts geantwortet."
"Gar nichts?"
"Kein Wort."
Eine kurze Pause.
"Nicht mal zu deiner Mum."
Er löste den Blick von unserer Tochter und nahm meine Hand. "Tut mir leid, was ich gesagt habe." Ich lächelte und kramte den Verlobungsring aus meiner Hosentasche hervor. Ich hatte geahnt, dass er ihn zu den anderen Dingen in die Schublade in der Küche gelegt haben würde. Ich gab ihn ihm zurück und er lächelte. "Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch." Ich lehnte mich nach vorne zu einem Kuss.
"Ist sie das? Meine... Enkektochter?"
Erschrocken drehten wir uns zur Zimmertüre um, wo meine Mutter gerade den Raum betreten hatte. Ich nickte und drückte Louis' Hand. "Ja, das ist Mia." Sie nickte distanziert und trat neben mich. Eine schwere Stille legte sich über uns.
"Sie ist sehr hübsch. Ein hübsches Mädchen.", sagte sie dann.
"Und klug.", ergänzte Louis. "Sie ist... fantastisch." Dann sah er mich an. "Wir sind Väter." Selbst nach einem Jahr hörte sich das so unwirklich an, als würden wir über ein anderes Paar reden.
"Ja, oder?", antwortete ich ihm. Er lächelte.
Auch meine Mutter begann zu lächeln. "Das wird schon.", sagte sie dann und tätschelte unbeholfen meinen Handrücken. Und ich spürte, dass sie nicht nur Mias Krankheit meinte.
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Meinungen, Ideen und Anregungen wie immer in die Kommetare :)
Wie immer unkontrolliert :/
Leute, ich bin 18. WHOOOOO!
Nachdem ich heute endlich erwachsen geworden bin, habe ich gedacht, dass ich, anstatt auf meine Deutschklausur zu lernen, doch auch einfach schreiben kann. Ist ja fast das selbe, oder? Oder??
AOF
(PS: kann mir jemand den Steppenwolf erklären? Ja? Nein? Danke?)
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