➳ Tag 5
Page, Arizona
[4.427 Wörter]
Louis' Fingerspitzen kribbelten, als er langsam aus seinem Schlummerzustand erwachte. Das Gefühl etlicher kleiner Ameisen, die über seine Haut wanderten, zog hinauf bis in seinen Arm und breitete sich auf seinem ganzen Körper aus. Er hatte beinahe das Gefühl, er stünde unter Strom.
Blinzelnd öffnete er die Augen und wurde sogleich geblendet von der Sonne, die ihre Strahlen begrüßend durch das Fenster streckte, welches noch immer sperrangelweit offen stand. Scheinbar hatte Louis es gestern Nacht vergessen wieder zuzumachen, doch die Temperaturen im Raum waren sowieso unerträglich und eine Klimaanlage gab es nicht. Mit einem Mal wurde ihm bewusst, dass ihm ziemlich warm war und als er seine Augen mit einem letzten Flattern gänzlich öffnete und sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, merkte er auch warum.
Er lag von hinten gegen Harrys Rücken gepresst, den einen Arm um dessen Mitte geschlungen, die Hand auf seiner Brust, sodass er den ruhigen Herzschlag des Lockenkopfs unter seinen Fingerkuppen spürte und die andere Hand in dessen voller Haarpracht vergraben. Erschrocken hielt Louis die Luft an, bemüht darum keine ruckartigen Bewegungen auszulösen, um Harry nicht zu wecken. Es reichte, wenn einer von ihnen mitbekam, in welcher Position sie geschlafen hatten.
Doch jetzt dämmerte ihm auch, wieso sie in dieser Löffelchenstellung lagen. Denn Harry war die halbe Nacht unruhig auf der Matratze herumgerutscht, hatte keine ruhige Minute und scheinbar keine bequeme Position auf dem harten Gestell gefunden, in der seine zu lang geratenen Gliedmaßen entspannt liegen konnten. Irgendwann hatte es Louis gereicht, er war in seinem halbtrunkenen Schlafzustand an den Größeren herangerutscht, hatte ihn gegriffen und endlich still gehalten. Von da an war Harry ruhig gewesen.
Vorsichtig und mit wahrscheinlich glühenden Wangen, die glücklicherweise niemand bemerkte, löste er seinen Arm von dem Lockenkopf und drehte sich gekonnt beiläufig auf die andere Seite. Für einen Moment blieb er noch reglos liegen, bis er sich schnell frische Klamotten aus seiner Tasche zusammensuchte und damit im Bad verschwand. Doch ein letzter Blick zu dem Lockenkopf ließ ihn stutzen, ob dieses Grinsen in dessen Gesicht eben auch schon dagewesen war.
Als Louis angezogen aus dem Bad kam, war Harry bereits wach und trug selber frische Kleidung. Sie murmelten sich ein "Guten Morgen" entgegen, bis Harry kurz daraufhin seinen Erste-Hilfe-Kasten aufs Bett warf und Louis erwartungsvoll ansah. Dieser stöhnte bloß und kramte weiter in seinem Rucksack herum, nach was genau er suchte, wusste er selber nicht.
"Komm schon Lou, ich habe dir gestern gesagt, dass ich deinen Verband wechsele und dann haben wir es vergessen. Deshalb machen wir das jetzt." "Und ich habe dir gestern gesagt, dass du mich nicht Lou nennen sollst und siehe da, das hast du scheinbar auch vergessen." Harry rollte mit den Augen und krabbelte quer über das Bett auf dessen rechter Seite er bis eben noch gesessen hatte, bis er nach Louis' Arm greifen konnte. "Jetzt sei keine Mimose und komm her."
Er zog an Louis' Arm, bis dieser rückwärts gegen das Bett stolperte und der Länge nach auf die Matratze fiel. "Eyy, gehts noch?!" "Klappe, Tomlinson", zwinkerte Harry mit einem Grinsen auf den Lippen und machte sich daran den alten Verband von Louis' Knie zu wickeln, um ihn nach einer erneuten Säuberung der Wunde, durch einen neuen zu ersetzen. "Fick dich, Styles."
"Wie sieht dein Plan für heute aus?", fragte Harry, als er das Ende der Mullbinde mit einem Klebestreifen fixierte. "Eigentlich habe ich keinen", antwortete Louis, der sich nach kurzem Prostest schließlich mit vor der Brust verschränkten Armen seinem Schicksal ergeben und Harry einfach hatte machen lassen. "Gegen Abend wollte ich zum Waterholes Canyon, der soll bei Sonnenuntergang ziemlich beeindruckend aussehen. Ansonsten vielleicht an den See, etwas entspannen."
Da sie ihr Roadtrip heute nicht zur nächsten Stadt weiterführte und sie den komplettenTag in Page verbrachten - was leider auch bedeutete, dass sie sich die nächste Nacht ebenfalls ein Zimmer teilen mussten -, hatte Louis beschlossen, den Tag ruhig anzugehen. Seine Füße konnten eine Pause gebrauchen, da sie wahrscheinlich in den letzten Tagen so viel Arbeit leisten mussten, wie die vergangenen Jahre zusammen.
"Klingt gut", meinte Harry und ließ Louis' Bein wieder frei, nachdem er fertig war, machte jedoch keine Anstalten wieder auf seine Betthälfte zurück zu rutschen. "Du weißt, dass du tun und lassen kannst was du willst oder? Keiner sagt, dass du alles mitmachen musst, was ich für die Reise geplant habe." "Stört es dich?" Harry schlug seine Beine in einen Schneidersitz und vergrub seine Hände in seinem Schoß, wo er mit leicht gesenktem Blick begann an den Ringen an seinen Fingern zu drehen.
"Ich-", Louis dachte einen Moment nach und musterte den Lockenkopf nachdenklich. Störte es ihn? Anfangs schon, er war sogar mehr als genervt davon gewesen nun auch noch zusätzlichen Ballast mit sich herumzuschleppen, der ihm wohlmöglich den Reiz und die Freiheit seiner Reise nahm. Doch Harry war erstaunlicherweise ziemlich anpassungsfähig und irgendwie hatte Louis sich mittlerweile mit dem Gedanken abgefunden, dass sie den Roadtrip zu zweit weiterführten. Auch wenn er ihn gerne deswegen neckte. "nein, ich denke nicht."
Harrys Mundwinkel verzogen sich zu einem breiten Lächeln, als er seinen Kopf hob und sich ihre Blicke kreuzten, was die tiefen Grübchen in seinen Wangen zum Vorschein brachte. Verdammte Grübchen, da waren sie wieder. Schnell wandte Louis den Blick ab und schwang sich mit den Beinen voran aus dem Bett. "Lass uns unterwegs etwas Frühstücken gehen, ich bin am verhungern."
Sie hielten auf dem Weg zum Lake Powell, einem Stausee, der laut der netten Rezeptionistin vom Vorabend perfekt zum Baden geeignet war, bei Denny's. Mittlerweile glich Louis' leerer Magen einem grummelnden Grizzlybären und würde er Harry nicht jedes Mal mit einem bösen Blick strafen, wenn dieser ihm einen belustigten Blick zuwarf, wäre er dem Lockenkopf bei den schrecklichen Witzen, die ihm auf der Zunge brannten, längst an die Gurgel gesprungen.
Louis bestellte gefühlt die halbe Speisekarte des Frühstücksangebots, ließ Harry gar keine Zeit sich sein eigenes Menü zusammenzustellen, ehe er die Bedienung des Diners mit seiner Bestellung zurück in die Küche schickte. "Danke, dass du auf mich gewartet hast", säuselte Harry mit zu einer Dankesgeste gefalteten Händen und einem süßlichen Lächeln auf den Lippen, als er die Speisekarte zur Seite legte, die er nicht einmal zur Hälfte geschafft hatte durchzublättern.
"Ich habe genug für uns beide bestellt." "Bist du immer so forsch?" Louis musterte den Lockenkopf mit hochgezogenen Augenbrauen und lehnte sich auf der für ein amerikanisches Diner typischen, roten Sitzbank zurück. "Ich bin mit einer Handvoll Geschwister aufgewachsen, da musste man gucken wo man bleibt." Scheinbar hatte er damit Harrys Interesse geweckt, denn dieser lehnte sich nun neugierig über den Tisch und sah Louis erwartungsvoll an. "Wirklich? Erzähl mir etwas von ihnen."
Der Gedanke an seine Geschwister Zuhause in England machte ihn wehmütig. Er hatte schon immer ein sehr gutes Verhältnis zu ihnen gehabt, doch seitdem Louis zum Studieren ins Wohnheim der Universität in London gezogen war, sahen sie sich nicht mehr so oft wie ihnen lieb war. Die Umstellung sie nicht mehr täglich um sich zu haben war schwer gewesen, doch inzwischen hielten sie ihren Kontakt durch regelmäßige Nachrichten, Telefonate oder Skype-Calls aufrecht. Wenn er denn nicht gerade in Amerika war.
"Wir sind ein bunt gemixter Haufen, wirklich. Man sollte meinen, dass meine Mum bei sieben Kindern am durchdrehen wäre, aber da jeder sein Ding macht, funktioniert es irgendwie einfach und es ist nicht so chaotisch, wie es vielleicht klingt." "Sieben Kinder, wow. Deine Mum muss starke Nerven haben", nickte Harry anerkennend und erntete ein schiefes Lächeln von Louis. "Nerven aus Stahl. Bis auf die Sommerferien, da hat sie uns immer zu unseren Großeltern aufs Dorf abgeschoben, damit sie wenigstens ein paar Wochen Ruhe im Jahr vor uns hatte."
Der Kellner von vorhin brachte ihre Bestellung mit vollbeladenen Armen und musste bestimmt noch zwei weitere Male in der Küche verschwinden, um wirklich alle Teller vor ihnen auf dem Tisch abzustellen. Teller voller Pancakes, Spiegeleier, Rührei, Bacon, Hashbrowns und Toastbroat sowie reichlich Kaffee und zwei Vanille-Milkshakes lachten ihnen entgegen und entlockten dem Wuschelkopf ein promptes lautes Bauchknurren. "Dann hau mal rein, Brummbär", lachte Harry und griff nach einem Teller voller Speck und Eier und schien es plötzlich gar nicht mehr so schlimm zu finden, dass Louis über seinen Kopf hinweg bestellt hatte.
"Und was machen deine Geschwister so? Sind sie älter oder jünger?", nuschelte der Lockenkopf zwischen zwei Bissen Toastbrot und nahm dann einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse, um das trockene Brot leichter herunterzuspülen. "Alle jünger", antwortete Louis, der ihr Frühstück förmlich einatmete und immer wieder verblüffte Blicke seines Gegenüber kassierte.
"Ich bin mit einigen Jahren Abstand der Älteste. Lottie ist siebzehn und bald fertig mit der Schule. Sie macht sich einen ziemlichen Kopf, weil sie immer noch nicht weiß, was sie danach machen soll, aber ich versuche ihr den Druck ein wenig zu nehmen. Ich meine, sie ist jung und hat noch so viele Möglichkeiten sich auszuprobieren. Irgendwann wird sie hoffentlich ihre Leidenschaft finden und selbst wenn es fünf, zehn oder zwanzig Jahre dauert, stehe ich immer hinter ihr und würde sie nie verurteilen, wenn sie eine Fehlentscheidung trifft. Und davon wird sie mit Sicherheit viele treffen. Das machen wir doch alle oder?"
Louis hatte auch schon einige falsche Entscheidungen im Leben getroffen, die er im Nachhinein bereute. Zum Beispiel, dass er mit acht Jahren nicht den Sportverein gewechselt hatte, damit er seine Freunde nicht zurückließ, als sein Trainer meinte er solle in einem fortgeschritteneren Team Fußball spielen. Denn nach nur zwei Jahren hatten seine Kumpels dieses Hobby aufgegeben und Louis den Spaß an der Sache verloren. Oder dass er nach der zehnten Klasse beinahe die Schule geschmissen hätte, weil er stur, faul und ein bockiger Teenager mit keiner Lust zu irgendwas war.
Seine Mum wäre beinahe an ihm verzweifelt, doch letztendlich war es sein Großvater, der ihm ins Gewissen redete und das letzte verbliebende Fünkchen Ehrgeiz in ihm erneut entfachte, sodass er nach einem Jahr Auszeit nicht nur sein Abitur in der Tasche, sondern nun auch sein Studium begonnen hatte. All das hatte ihn zu dem Punkt geführt, an dem er jetzt war, denn die Vergangenheit ändern zu wollen war sowieso zwecklos.
"Das klingt als wärst du ein ziemlich toller Bruder, Louis", lächelte Harry, welcher inzwischen seine Gabel niedergelegt und mit dem Essen fertig war. Er hatte sich voll und ganz auf Louis' Erzählungen konzentriert. "Ich wünschte ich hätte auch so jemanden gehabt, der mich in allem was ich tue unterstützt. Das muss wirklich toll sein." Das traurige Lächeln auf Harrys Lippen war nicht zu übersehen und versetzte Louis' Herzen einen Stich Mitgefühl. Plötzlich fühlte er sich schlecht, dass er so viel von sich und seiner Familie erzählt hatte, da der Lockenkopf sich scheinbar nicht damit identifizieren konnte.
"Ich wollte nicht, dass du dich deswegen schlecht fühlst. Was ist mit deiner Familie, magst du mir auch von ihr erzählen?" "Da gibts nichts zu erzählen", schüttelte Harry mit dem Kopf und hatte, bevor Louis weiter nachfragen konnte, schon den Kellner herangerufen und die Rechnung angefordert. "Harry-", setzte er erneut an, doch wurde von einem weiteren Kopfschütteln und einem intensiven Blick des Lockenkopfs zum Schweigen gebracht. "Irgendwann musst mir von dem Rest deiner Familie erzählen, ich würde gerne noch mehr von ihnen hören."
Harry beglich ihre gesamte Rechnung, als sie zu ihnen an den Tisch gebracht wurde, ignorierte dabei gekonnt Louis' Proteste, welcher aufgrund seines enormen Bestellwahnsinns schon ein schlechtes Gewissen hatte und stand dann ohne ein weiteres Wort vom Tisch auf, als er den letzten Rest seines Milkshakes durch den Strohhalm gesaugt hatte.
Für einen Moment starrte Louis ihm überfordert hinterher, ehe er schnell aufstand und ihm nacheilte, in der Angst, dass Harry wohlmöglich noch ohne ihn losfahren würde, obwohl es sein Jeep war.
Betretenes Schweigen erfüllte den Wagen, als sie in Richtung des Sees weiterfuhren. Selbst die Musik des Radios dudelte nur leise im Hintergrund, da Louis sich seltsamerweise nicht traute sie lauter zu stellen. Er hatte den Eindruck, dass Harry mit seinem Kopf tief in Gedanken steckte und diese Blase wollte er nicht zerstören. Vielleicht würde er irgendwann darüber sprechen was ihn bedrückte, denn "Nichts", wie er es eben im Diner betitelt hatte, war es sicherlich nicht.
"Also... Schwimmen?", sprach Louis schließlich doch, als er den Wagen ein wenig später auf einem Parkplatz in der Nähe des Lake Powell parkte. Harrys erschrockenes Keuchen war unverkennbar, genauso wie das orientierungslose Herumblicken und das darauffolgende aufgesetzte Lächeln, als er erkannte, dass sie angekommen waren. "Schwimmen." Es dauerte einen Moment, bis das Lächeln seine Augen erreichte, doch dann waren da plötzlich wieder diese zwei altbekannten Krater in seinen Wangen und Louis konnte beruhigt aufatmen.
"Ich habe übrigens die Bedienung vorhin gefragt, welches die beste Stelle zum Baden ist", sprach Harry laut von der Seite des Jeeps, wo Louis gerade im Kofferraum in seiner Tasche herumwühlte und alle überschüssigen Kleidungsstücke loswurde. Die Badehose hatte er am morgen direkt unten drunter gezogen. "Ach ja?" Er schielte an der Kofferraumklappe vorbei und keuchte laut auf, als er mit Harrys nacktem Hintern begrüßt wurde. Scheinbar hatte dieser das nicht.
"W-Was... was hat sie gesagt?", stotterte er und drehte sich schnell herum, sah überall hin nur nicht zurück, um nicht noch einmal in Versuchung zu kommen. "Überall da, wo man runterklettern kann." Louis lachte. "Klingt logisch." "Nein, klingt es nicht", sagte Harry, der plötzlich hinter ihm auftauchte und Louis eine kurze Schrecksekunde verpasste. Einen kurzen Blick auf den Lockenkopf warf er dann doch. Aber wirklich nur kurz. Nur um sicher zu gehen, dass er nicht mehr nackt war. Das wäre mehr als unangebracht.
"Wir finden sicher eine flachere Stelle, um ins Wasser zu gehen. Ein aufgeschürftes Knie reicht für diese Reise, meinst du nicht?" Louis schnaubte und rollte mit den Augen, widersprach jedoch nicht. "Und du Mr. Crabs, hast du dich auch schön ordentlich eingecremt?", flötete Louis und grinste dem Lockenkopf kurz zu, ehe er seinen Rucksack mit den Badetüchern schulterte und den Jeep verriegelte. Harrys Arme, sein Schulterbereich und sein Gesicht waren noch immer recht rot und langsam deutete sich zumindest im Nacken eine leichte Schälung der obersten Hautschicht an.
"Na, aber natürlich", säuselte er zurück und wedelte mit der Flasche Sonnencreme in der Hand umher. "Bis auf den Rücken, da müsstest du nochmal ran." Mit einem Zwinkern drückte er Louis die Flasche gegen die Brust. Dann schob er sich die Sonnenbrille aus den Haaren auf die Nase und schlenderte nur in kurzer schwarzer Badeshorts und einem braunen Sonnenhut bekleidet, an dem Kleineren vorbei. Perplex und mit entgleisten Gesichtszügen starrte Louis ihm hinterher.
Sie fanden tatsächlich eine Stelle, an der sie ohne groß klettern zu müssen, hinab zum Strand und zum See kamen. Scheinbar waren sie nicht die einzigen, die heute auf die Idee gekommen waren, baden zu gehen, denn einige Menschen tummelten sich bereits in näherer Umgebung, sonnten sich auf ihren Badehandtüchern und plantschten im Wasser.
Sie blieben etwas abseits, stürzten sich nicht mitten ins Getümmel. Ein wohliges Seufzen entfuhr Louis' Lippen, als sein Rücken den wärmenden Sand berührte und er seinen Kopf auf dem Handtuch bettete. "So fühlt sich Urlaub an oder?" Harry neben ihm stieß bloß ein Brummen aus, weswegen Louis mit einem Auge zu ihm herüber blinzelte und dann in Gelächter ausbrach. "Du kannst einem schon ein wenig leid tun."
Der Lockenkopf hatte sich halb unter seinem Handtuch vergraben, sodass nur seine Beine unter dem Stück Stoff hervorlugten, der Rest war lichtgeschützt vor der Sonne versteckt. "Lass mich", grummelte Harry, musste aber selber lachen. Louis wusste nur noch, dass er ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen trug, ehe er mit dem beruhigenden Plätschern des Wassers im Hintergrund, wegdöste.
Er wachte wieder auf, weil ihm die Sonne glühend heiß ins Gesicht brutzelte oder waren es doch die Stimmen neben ihm? Was war das überhaupt für eine Sprache? "Ovviamente potete partecipare. Anche il tuo amico o sta dormendo?" "Anche lui, grazie. Arriviamo subito."
Er spürte einen sanften Stupser an seinem Oberarm und dann noch einen. "Hey Lou, bist du wach?" "Mhh, jetzt schon", brummte er und öffnete seine Augen mit verschleiertem Blick, welcher sofort auf Harry zum Ruhen kam, der sich leicht zu ihm herüberbeugte. "Ich habe uns für eine Runde Volleyball angemeldet. Die italienische Truppe Jungs und Mädels da hinten lässt uns mitspielen."
Noch immer in einem schlaftrunkenen Zustand, stemmte Louis sich auf die Ellenbogen hinauf und rieb sich müde die Augen. "Volleyball? Wie kommt's denn dazu?" "Ich habe ihnen eben den Ball zurückgebracht, nachdem er hierher gerollt ist und sie scheinen echt nett zu sein. Da dachte ich frage ich mal, ob sie noch zwei Spieler gebrauchen können." "So so", gähnte Louis und raffte sich schließlich seufzend auf, als er Harrys begeisterten Blick sah.
"Natürlich nur, wenn du Lust hast und das mit deinem Knie geht. Die schnellen Bewegungen kannst du natürlich mir überlassen, ich versuche alle weiten Pässe abzufangen und äh... könntest du mir tatsächlich den Rücken eincremen? Der brennt schon ein wenig", plapperte Harry und sah dann mit einem unschuldigen Lächeln zu Louis, welcher ihm bloß mit großen Augen zugehört hatte. Sein Gehirn war noch nicht ganz auf der Höhe und brauchte nach dem Schlafen immer einen Moment, bis es funktionstüchtig war.
"Gib schon her", gab er sich schließlich geschlagen und streckte seine Hand nach der Flasche mit der Sonnenmilch aus, die Harry ihm sogleich reichte. "Danke, Lou."
Harrys Haut am Rücken war warm, weich und glatt, aber trotzdem rau durch die Sandkörner, die aufgrund der hohen Temperaturen daran klebten. Er spürte die feste Muskulatur unter seinen Fingern und die Verkrampfungen seiner Schulterblätter, die damit einhergingen. So schnell es ihm möglich war, verteilte er die schützende Creme auf Harrys Rücken. Das kleine Stöhnen, welches dabei dessen Kehle entwich, versuchte er zu ignorieren, doch es hallte wie ein Echo in seinem Kopf wider. Schnell zog er die Hände zurück. "So, fertig", sagte er und stand blitzschnell auf, um ohne einen weiteren Blick auf den Lockenkopf in Richtung der italienischen Truppe zu marschieren.
Louis schwitzte. Wenn er ehrlich war, hatte er noch nie gerne Volleyball gespielt, denn jeder Sportlehrer, den er während seiner gesamten Schullaufbahn gehabt hatte - und das waren einige gewesen - meinte Volleyball in den Stundenplan aufnehmen zu müssen. Louis hatte es gehasst. Alles was es ihm damals brachte, waren schmerzende Handballen, Gelenke und Finger sowie den ein oder anderen Ball gegen den Kopf.
"Ich brauche eine Pause", schnaufte Louis und zog sich von dem Spielfeld zurück, wo ein Netz zwischen den beiden Teams im Sand gespannt war. Sofort sprang ein anderer Junge für ihn ein. "Abbiamo finito per oggi, ragazzi. Grazie per la partita, ci vediamo." Harry verabschiedete sich von den Anderen in perfektem Italienisch und mit einem Winken, ehe er sich ebenfalls aus dem Spiel zurückzog.
"Lust auf eine Abkühlung?", fragte er an Louis gewandt, welcher bereits an dem Verband an seinem Knie zuppelte, um ihn loszuwerden. Damit würde er sicherlich nicht schwimmen gehen. "Ich muss nur noch dieses Ding loswerden." "Warte, ich habe was für dich." Harry joggte zu ihrem Platz, um etwas aus seiner Tasche zu ziehen und hielt keine zehn Sekunden später ein wasserfestes Pflaster in die Höhe. "Tada!" "Du bist wirklich ein wandelnder Verbandskasten oder?" "Stets zu ihren Diensten", grinste der Lockenkopf und klebte Louis sorgfältig das Pflaster aufs Knie, nachdem er die Mullbinde gelöst hatte.
Das hätte er auch alleine gekonnt.
Sie rannten ins Wasser, da sie sich mittlerweile beide nach einer dringenden Abkühlung sehnten und ließen sich schon bald auf dem ruhigen See treiben. "Eine Wohltat für meinen Rücken", seufzte Harry und paddelte leicht mit dem Armen, damit er auf dem Rücken badend nicht unterging.
"Woher kannst du eigentlich so gut italienisch?", fragte Louis plötzlich, die Frage brannte ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge. Überrumpelt davon, fiel Harry aus seinem Gleichgewicht und ruderte wild mit den Armen umher, bis er wieder bis zum Hals im Wasser versank und begann vorwärts zu schwimmen. Louis folgte ihm. Sein Knie spannte leicht bei jeder Beinbewegung, doch die Schwerelosigkeit des Wassers machte es erträglicher.
"Ich hatte eine italienische Nanny als Kind", antworte Harry schließlich und Louis hätte ihn beinahe nicht verstanden, weil er so weit vorausschwamm. "Eine Nanny?" "Meine Mutter hat schon immer viel gearbeitet, da hatte sie nicht viel Zeit für meine Schwester und mich." "Und dein Dad?" "Gibt es nicht." Harry tauchte unter Wasser und ließ einen perplexen Louis zurück. Er hätte gerne noch so viele weitere Fragen gestellt, doch er hatte nicht den Eindruck als würde Harry sie ihm beantworten wollen. Dieser Mann war das reinste Mysterium und es kamen immer neue Rätsel hinzu.
Sie holten sich an einer kleinen Imbissbude, die hier im Hochsommer wahrscheinlich das Geschäft ihres Lebens machte, jeder eine Portion Fritten und verschlangen sie bereits auf dem Weg zurück zu ihren Handtüchern. "Lass uns zusammenpacken. Es ist bereits Nachmittag und ich würde gerne bald beim Waterholes Canyon sein", sagte Louis, der direkt begann sein mit Sand beladenes Handtuch auszuschütteln und anschließend im Rucksack zu verstauen.
"Okay", meinte Harry nur und tat es ihm gleich. Nicht viel später waren sie wieder am Auto angekommen und Louis war fast schon enttäuscht, als sich der Lockenkopf sein lockeres Hemd überwarf und somit seinen gut gebauten Oberkörper verdeckte. Aber nur fast.
Sie fuhren zurück zum Hotel, wo sie sich abwechselnd unter die Dusche begaben, um den Sand und die Seeluft von ihren Körpern zu waschen. Danach ging es beinahe postwendend zurück zum Wagen und zum nächsten Nationalpark. "Du hast nie erzählt, wieso du hier in Amerika bist", stellte Louis plötzlich fest, als er die Umgebung an sich vorbeirauschen sah. Er hatte Harry für die kurze Fahrt das Steuer überlassen.
"Nun, du hast nie gefragt. Und ich hatte nicht den Eindruck, als würde es dich interessieren", antwortete Harry schulterzuckend und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. "Das tut es jetzt. Also, verrätst du es mir?" Er drehte sich leicht zu dem Lockenkopf, damit er dessen Seitenprofil besser mustern konnte. Harry hatte eine perfekt gerade Nase, das war ihm vorher noch gar nicht aufgefallen.
"Mein Studiengang ermöglicht ein Auslandssemester und diese Chance wollte ich unbedingt ergreifen. Ich meine, wann bekommt man schon mal die Möglichkeit ein halbes Jahr in einem fremden Land zu leben, neue Kulturen und Leute kennenzulernen." "Und wo hast du gelebt?" "In einem kleinen Ort in Nevada bei einer Gastfamilie. Wir durften umsonst bei ihnen übernachten, wenn wir die Wochenenden auf ihre Kinder aufpassten."
Irritiert runzelte Louis die Stirn. "Wir?" "Ja, Niall und ich." "Niall ist auch hier?" Harry lachte und nickte anschließend. "Ja, er hängt noch irgendwo in Las Vegas rum. Er hat dieses Mädchen kennengelernt und verbringt jetzt noch so viel Zeit mit ihr wie er kann, bevor wir zurück nach London fliegen." Louis wollte fragen, wann ihr Flieger zurück ging, doch da waren sie schon angekommen und das Thema wortwörtlich im Sande verlaufen.
Der Waterholes Canyon mit seinen roten Felswänden und Maserungen war atemberaubend schön und ließ Louis aus seinem überwältigenden Staunen und dem endlosen Fotografieren gar nicht mehr herauskommen. Dunkelrot und gold-gelb schimmerten die Farben um sie herum soweit das Auge reichte und als dann auch noch die Sonne über ihnen langsam unterging, erreichte die Färbung eine ganz neue Intensität und erweckte den Canyon beinahe zum Leben.
Der Nationalpark war aufgrund seiner Größe in nur ein bis zwei Stunden durchlaufen, doch diese Zeit nutzen sie in vollen Zügen. Louis wollte jeden noch so kleinen Winkel erkunden, kletterte in die engsten Felsspalten und auf die verschiedensten Höhenebenen. Der Untergrund war nicht sonderlich stabil, da er aus nicht sehr widerstandsfähigem Sandstein bestand, doch er bemühte sich aufzupassen, wo er hintrat, um nicht- "Woah! Achtung, Lou", stieß Harry erschrocken aus, als dem Wuschelkopf der Sand unter den Füßen wegbrach und er den halben Meter zu Harry hinabrutschte, den er über ihm gelaufen war.
"Alles gut? Hast du dir wehgetan?", fragte er besorgt, sobald er Louis aufgefangen hatte und umklammerte ihn mit festem Griff um seiner Schulter. Louis fühlte sich plötzlich ganz klein, doch irgendetwas beschützendes hatte diese Nähe zu Harry. "Ja, nein. Danke." Schnell wandte er sich aus Harry Griff und ging eiligen Schrittes den direkten Weg zurück zum Parkplatz, welcher bereits in Sichtweite war.
Verdammt, wieso passierte ihm das immer wieder und wieso um alles in der Welt war er so tollpatschig?
Der Duft von frisch gegrilltem Fleisch wehte ihnen entgegen, als sie den Innenhof des Motels passierten, um zu ihrem Zimmer zu gelangen. "Ciao bello, ciao Louis!", rief Matteo, einer der italienischen Typen, die sie vorhin am Strand beim Volleyball spielen kennengelernt hatten. Anscheinend waren sie im gleichen Motel untergekommen. "Hai fame? Sedetevi con noi, ce n'è abbastanza per tutti."
"Was sagt er?", flüsterte Louis zu dem Lockenkopf, da er kein Wort verstand. Er bemühte sich bloß um ein freundliches Lächeln und ein kurzes Kopfnicken. "Er fragt, ob wir mit ihnen grillen wollen. Hast du Lust?", übersetzte Harry mit geröteten Wangen, die Louis für einen Moment stutzen ließen. Er überlegte kurz. Eigentlich war er ziemlich geschafft und großen Hunger hatte er auch nicht. Der Grill roch zwar verführerisch, aber er hatte zur Not noch ein paar Snacks auf dem Zimmer.
Er schüttelte mit dem Kopf. "Ich bin müde", antworte er schließlich und bei dem liebevollen Blick den Harry im schenkte, drehte sich beinahe sein Magen herum. Denn alles an was er gerade denken konnte war, dass er Abstand brauchte. Abstand und Zeit für sich alleine.
"Aber geh du ruhig hin, das klingt nach Spaß!", bemühte er sich gekonnt euphorisch zu sagen. "Bist du sicher?" Harry zögerte, das sah Louis ihm ganz genau an, doch dafür gab es überhaupt keinen Grund. Wieso auch? "Natürlich! Harry, du bist ein freier Mann. Wir teilen uns lediglich ein Auto. Du kannst tun und lassen was du willst, das habe ich dir doch heute Morgen schon erklärt." Ein kurzer undefinierbarer Schatten huschte über Harrys Gesicht, ehe er sich mit einem "Du hast recht, gute Nacht" zum Gehen wendete.
Irgendwie versetzte es Louis' Herz einen Stich. Er beobachtete noch einen kurzen Moment, wie Harry freudig von den Italienern empfangen wurde und sofort ein breites Lachen seine Mundwinkel umspielte, ehe er mit einem schweren Gefühl im Magen in Richtung des Motelzimmers ging.
Wieso beschäftigte es ihn plötzlich so sehr was Harry ohne ihn tat, obwohl sie sich gerade einmal knapp drei Tage richtig kannten? Und wieso hatte sein Verstand die Flucht ergriffen, nur um nicht noch mehr Zeit mit dem Lockenkopf zu verbringen als sowieso schon? Er hatte Angst, was das alles zu bedeuten hatte, doch bisher fand er noch keine Erklärung dafür.
Louis seufzte, was machte er sich eigentlich selber vor? Es beschäftigte ihn schon lange, was Harry tat und das einzige was er zu diesem Zeitpunkt sicher sagen konnte war, dass es noch schwieriger werden würde ihm nicht komplett zu verfallen, wie vor zwei Jahren.
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Hello lovely people! Erst einmal möchte ich ein fettes Dankeschön an @highwxys aussprechen, die mir netterweise ihre Italienischkentnisse zur Verfügung gestellt hat und mir ein paar Sätze übersetzt hat. Danke dir nochmal 🤍
Louis hat ein wenig von seiner Familie erzählt, wohingegen Harry leider verschlossen geblieben ist. Was ist da los? :c Sie waren Frühstücken, am Strand und dann noch ein wenig die Umgeben erkunden. Scheinbar hat Harry auch neue Freunde gefunden 👀 irgendwelche Vermutungen, was er mit dem letzten Abschnitt auf sich haben könnte? Ich hoffe es ist nicht allzu verwirrend.
Vergesst bitte nicht ein Sternchen/Vote dazulassen und dann sehen wir uns hoffentlich im nächsten Kapitel! Ganz viel Liebe an euch ♥️ -Sarah
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