➳ Tag 20
Los Angeles
[7.300 Wörter]
Gähnend reckte Louis alle Viere von sich, streckte sich bis an den äußersten Rand seiner Kapazitäten, so weit bis seine Knochen knackten und sackte dann wieder in sich zusammen. Erst dann öffnete er blinzelnd die Augen und blickte geradewegs in ein hellwaches Gesicht, welches ihn schmunzelnd beobachtete. "Guten Morgen, Sonnenschein."
"Guten Morgen", nuschelte er und ließ sich leicht nach vorne rollen, sodass sein Gesicht auf Harrys nackter Brust landete. "Wie spät ist es? Lohnt es sich, die Augen nochmal zuzumachen?" "8:30 Uhr." Sanfte Fingerspitzen fuhren ihm durch die Haare und kraulten seine Kopfhaut, ließen seine Augenlider doch nochmal für einen Moment zuflattern, obwohl die Uhrzeit leider dafür sprach, dass sie langsam aufstehen sollten.
Sie hatten sich vorgenommen, an ihrem letzten gemeinsamen Tag in Amerika, etwas früher in den Tag zu starten, um ihn voll und ganz zu genießen und ihn in vollen Zügen auszukosten. Ob es Louis dabei möglich war, seinen Kopf gänzlich von diesen Gedanken zu befreien, war eine andere Sache und blieb dahingestellt. Doch ein Versuch war es wert.
Er setzte drei kurze Küsschen auf Harrys Brust, ehe er sich seufzend zurück auf den Rücken rollte und sich durch die verwuschelten Haare fuhr. "Ich würde sagen, dann wird es Zeit, dass wir LA unsicher machen. Beverly Hills, wir kommen."
Ein Haus pompöser und prunkvoller als das nächste reihte sich aneinander. Straßen voller Villen, teure Sportwagen am Straßenrand, welche bestimmt über eine Million Dollar wert waren und nirgends war ein Krümelchen Müll zu sehen. Alles schien sauber und gepflegt, fast so als würden sie sich in einem dieser Hollywood-Streifen wiederfinden, in denen alles auf perfekte, heile Welt getrimmt wurde.
Sie fuhren mit ihrem Jeep eine von Palmen umsäumte Allee entlang – Harry saß natürlich am Steuer – und kamen aus dem Staunen beinahe gar nicht mehr heraus. "Stell dir vor, du wohnst hier", hauchte Louis, den Blick aus dem Fenster gerichtet, an dem er sich beinahe die Nase platt drückte. "Meinst du, die Menschen hier führen alle das perfekte Leben? Wie würde das wohl aussehen?"
"Ich würde abends von der Arbeit nach Hause kommen... natürlich parke ich den alten Oldtimer – ein seltenes Sammelstück versteht sich – in der Einfahrt, wo ihn jeder sehen kann und dann komme ich mit einem 'Schatz, ich bin Zuhause' durch die Tür, wo du natürlich schon das Abendessen vorbereitet hast und am gedeckten Esstisch auf mich wartest."
Louis' Herz machte bei dem Wort Schatz einen großen Hüpfer und sein Puls schnellte in die Höhe, da Harry sofort davon ausgegangen war, dass sie sich gemeinsam in diesem Traum-Szenario wiederfanden. "Moment mal!", sagte er dann, als auch die restlichen Worte richtig zu ihm durchgedrungen waren. "Wieso bin ich so selbstverständlich die Hausfrau in deiner Vorstellung?"
"Weil ich natürlich der renommierte Arzt bin, der nur die Top-Stars und Sternchen in Behandlung hat und der das Geld säckeweise nach Hause schleppt", sagte Harry wie selbstverständlich, ohne mit der Wimper zu zucken. "Natürlich, wie konnte ich das vergessen." Doch Louis spielte das Spiel gerne mit.
"Ich begrüße dich dann mit einem reichlich gedeckten Tisch und einem extra dicken Kuss, da ich dich den Tag über so vermisst habe. Wir stoßen bei einem Glas Rotwein an, essen das Essen, welches natürlich vorzüglich schmeckt und ich frage dich, wie dein Tag war. Und nachdem du mir den ganzen neuen Klatsch und Tratsch aus Hollywood berichtet hast - sowas wie, dass Orlando Bloom sich schon zum zweiten Mal neue Haare hat transplantieren lassen und dass Jonny Depp sich eine Gehirnerschütterung zugezogen hat, da er erneut ohne Helm Motorrad gefahren ist - führe ich dich hoch in unser Schlafzimmer, wo wir ganz schnell unsere Klamotten loswerden. Und den Rest kannst du dir in deinem kleinen fantasievollen Köpfchen zusammenspinnen", beendete er seine Erzählung, indem er tänzelnd mit seinen Fingern Harrys Oberschenkel hinauffuhr.
"Louis", flüsterte Harry mit warnendem Unterton, jedoch wirkte seine Stimme so zittrig, dass Louis dieser Ernsthaftigkeit keinen Glauben schenken konnte. "Ja, mein Schatz?", fragte er deshalb scheinheilig und drückte sein Bein. "Wenn du nicht willst, dass ich einen Unfall baue oder eine Vollbremsung hinlege, würde ich die Hand dort ganz schnell wegnehmen."
"Spielverderber." Grummelnd zog er seine Hand zurück und faltete sie mit seiner anderen in seinem Schoß, ehe er den Lockenkopf mit einem Seitenblick bedachte. "Aber denk bloß nicht, dass ich diese Fantasie nicht in meinem Kopf weiterführe. Ich schaffe das auch alleine", zuckte er möglichst beiläufig mit den Schultern und beobachtete fast augenblicklich, wie sich Harrys Lippen zu einem schmalen Strich zusammenpressten. Seine Finger, die sich um das Lenkrad schlossen, traten an den Knöcheln bereits weiß hervor und unbemerkt versuchte er auf dem Leder des Sitzes herumzurutschen, während er auf die Straße starrte. Doch Louis entging nichts.
Zufrieden grinste er in sich hinein. Sein Blick glitt erneut hinaus aus dem Fenster, erblickte die nächste Villa und katapultierte ihn zurück in ihren vorherigen Tagtraum voller Reichtum, Protz und viel nackter Haut.
Nachdem sie genug von der Wohngegend der Schönen und Reichen gesehen hatten, fuhren sie zum Rodeo Drive, wo sie den Wagen in einem Parkhaus abstellten, um die teuerste Einkaufsstraße der Welt zu Fuß abzugehen. Hier tummelten sich die Touristen, die Straße wimmelte wie ein Ameisenhaufen. Doch etwas kaufen taten die wenigsten. 'Nur schauen, nicht anfassen' wurde hier großgeschrieben, denn kaum einer konnte sich leisten, was in den überteuerten Läden angeboten wurde, in welchen dem Ottonormalverbraucher in manch einem nicht einmal der Zutritt gewährt wurde, wenn er nicht wohlhabend genug aussah.
Louis hasste diese verkopfte, abgefuckte Welt.
Er hatte genug gesehen von diesem überheblichen Lebensstil, weswegen er Harry vorschlug, etwas außerhalb zu Mittag zu essen - wo es zudem auch kein halbes Vermögen kosten würde, um ihren Hunger zu stillen -, bevor sie im Anschluss doch noch einmal in die Hollywood-Welt eintauchen würden.
"Endlich mal wieder eine schön fettige Pizza", schmachtete Louis, nachdem er den großen Teller vor sich auf dem Tisch stehen hatte und nahm einen Schluck von seiner Cola. Sie saßen in einer Sitznische in einem Domino's und Louis' Magen grummelte so laut, dass er damit beinahe das Gespräch der jungen Famili am Nebentisch übertönen könnte.
"Huh. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich den Grizzlybären wieder aufgesammelt habe. Ich dachte eigentlich, den hätte ich vor ein paar Tagen an der Straße ausgesetzt." "Witzig, Curly." Louis streckte ihm die Zunge heraus und machte sich keine Sekunde später über das erste Stück seiner Pizza her.
Schmunzelnd beobachtete Harry ihn einen Moment, ließ den Anblick des Mannes, der seit zwei Jahren sein Herz zum schneller schlagen brachte, auf sich wirken und lachte leicht, als der Wuschelkopf mit ausgestreckter Zunge versuchte, die herunterhängenden Fäden des Käses einzufangen. Kopfschüttelnd verharrte er noch kurz auf seinen glänzenden Lippen, ehe auch er zu essen begann.
"Erzähl mir noch ein bisschen von deinen Geschwistern." Harry tupfte sich die fettigen Lippen an einer Serviette ab und trank den letzten Schluck seiner Sprite, seine Aufmerksam lag jedoch nach wie vor auf Louis, dessen Blick sich nun mit seinen kreuzte. Er schien zu zögern, Harry sah es ihm an, doch er lächelte freundlich und nickte.
"Es ist okay, Lou. Nur weil ich selber nicht das beste Verhältnis zu meiner Schwester habe, heißt das nicht, dass mich deine Familie nicht interessiert. Ich mag es, wie dein Gesicht anfängt zu strahlen, wenn du von ihnen sprichst", gab er mit vor Scham geröteten Wangen zu und senkte kurz den Blick, bis er einen Fuß spürte, der sein Bein anstupste. Neugierig sah er wieder auf.
"Fizzy ist die zweitälteste meiner Schwestern, sie ist gerade 15 geworden und ziemlich rebellisch. Ich fürchte, da wird noch einiges auf meine Mum zukommen, wenn sie älter wird. Gerade steckt sie in dieser Emo-Phase, wo sie nur schwarz trägt, sich die Augen ganz dunkel schminkt und diese 'Mir ist alles scheißegal'-Haltung an den Tag legt. Ganz schön anstrengend, sage ich dir."
"Ich wünschte, ich hätte diese Phase auch gehabt", merkte Harry an und sah, wie Louis' Augenbrauen unter seinem Haaransatz verschwanden. "Wieso das?" "Es gibt meistens einen Grund dafür, wenn man so eine 180 Grad Wandlung durchmacht, weißt du? Eigene Unzufriedenheit, ein unsicheres Umfeld, das Gefühl nicht dazuzugehören oder von anderen nicht gehört zu werden. Wenn die eigenen Worte und stummen Hilfeschreie nicht erhört werden, versucht man auf andere Weise nach außen zu tragen, dass etwas mit einem nicht stimmt. Ich habe es damals alles in mich hineingefressen."
"Meinst du, mit Fizzy stimmt etwas nicht?", fragte Louis panisch. Kopfschüttelnd beugte Harry sich über den Tisch und streckte seine Hand aus, bis Louis sie schließlich ergriff und Harry sie beruhigend drückte. "Nicht zwangsläufig. Ich wollte dir damit nur sagen, dass es meistens einen Grund für solch ein Verhalten gibt, der nicht immer etwas mit Mode und Trends zu tun hat. Vielleicht versuchen deine Mutter oder du mal in einem ruhigen Moment mit ihr zu sprechen und herauszufinden, ob sie etwas bedrückt. Ich hätte mich damals jedenfalls darüber gefreut, wenn mich jemand gefragt hätte, wie es mir wirklich geht."
Betreten blickte Louis auf ihre ineinander verschränkten Hände, ehe er in ein trauriges Grün blickte, welches Harrys Augen wie ein Schleier durchzog. Kopfnickend deutete er auf den freien Platz neben ihm und ließ sich nach einem "Rutsch mal rüber", neben ihm auf die gepolsterte Sitzbank gleiten.
"Es tut mir leid, dass du damals niemanden hattest, mit dem du reden konntest." "Ist schon okay." Kopfschüttelnd griff der Ältere auch nach seiner anderen Hand und drehte sich ihm mit dem Oberkörper so entgegen, dass er ihm in die Augen sehen konnte. "Wie geht es dir, Harry?"
Der Lockenkopf zögerte einen Moment. "Ganz gut, denke ich." Er zwang sich ein Lächeln auf die Lippen, welches Louis jedoch inzwischen aus hundert Metern Entfernung von einem echten unterscheiden konnte. Er drückte seine Hände.
"Und wie geht es dir wirklich?", fragte Louis sanft und konnte förmlich zusehen, wie die Fassade bröckelte, ehe Harry keine Sekunde später in Tränen ausbrach. Von Schluchzern und Schniefern erschüttert, begann sein Körper zu beben und das inmitten einer Fast-Food-Kette.
Stumm schloss Louis ihn in seine Arme, strich ihm über den Rücken und kraulte seinen Haaransatz, während Harry sich in die Umarmung fallen ließ und all den Schmerz seiner Kindheit in diese Tränen zu stecken schien. "Shh, es ist alles gut. Lass es raus, Love."
"Sorry", nuschelte Harry gebrochen und wollte sich aus Louis' Armen lösen, doch der Ältere verfestigte seinen Griff und hielt ihn nur noch fester. "Nein, hier wird sich nicht entschuldigt. Du musst dich für gar nichts entschuldigen." Ein weiteres Schluchzen kündigte die nächste Welle an Tränen an und Louis begann, sie leicht von links nach rechts zu wiegen, so wie er es von seiner Mutter kannte, wenn er als Kind traurig gewesen war.
Louis' Herz schmerzte mit dem gebrochenen Jungen in seinen Armen, der in seinem Leben schon so viel Leid ertragen musste und vor so viele verschlossene Türen gerannt war. Louis wusste glücklicherweise nicht, wie es war, wenn einen die Menschen in seinem nächsten Umfeld nicht akzeptierten, weswegen er den Schmerz nur ansatzweise nachempfinden konnte, doch er konnte sich anhand Harrys Reaktion ein ungefähres Bild machen.
Es war herzzerreißend mit anzusehen und unfair, da diese Leute andere Leben manipulierten und das Ausmaß an Schaden, den sie anrichteten, überhaupt nicht kannten. Und vor allem nie wieder gut machen konnten. Niemand würde Harry eine glückliche, unbeschwerte Kindheit zurückgeben können.
Auf dem Weg zurück in den Trubel Hollywoods übernahm Louis freiwillig das Steuer, auch wenn er etliche Tode starb und befürchtete das Auto zu fluten, mit all dem Angstschweiß, den er produzierte. Harry hatte, erschöpft von seinem Gefühlsausbruch, den Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Fensterscheibe gelehnt und bekam von all den stummen Flüchen und Verzweiflungen glücklicherweise nichts mit. Ansonsten hätte er ihn bestimmt davon überzeugen wollen, dass es ok war, wenn er fuhr.
Louis hatte gar keine Zeit, sich auf die teuren Villen und vermeintlichen Anwesen der A-Prominenz Los Angeles' zu konzentrieren. Auch, dass auf der anderen Straßenseite der Gehweg für einen Filmdreh abgesperrt zu sein schien, bekam er nur am Rande mit, als er kurz an einer Ampel hielt und das ganze Equipment und die Kameraleute sah. Aufgeregt wollte er Harry wecken und ihn darauf aufmerksam machen, doch als er zu ihm sah und der Lockenkopf noch immer friedlich schlummerte, entschied er sich dagegen.
Erst als er den Jeep auf einem wahrscheinlich viel zu überteuerten Parkplatz geparkt und den Motor erleichtert ausgestellt hatte, strich er ihm sanft über die Wange. "Hey Schlafmütze, wir sind da. Wir leben noch, das Auto ist kein Schrotthaufen und ich habe nur ein T-Shirt durchgeschwitzt", verkündete er stolz und entlockte Harry ein müdes Grinsen.
"Wahnsinn. Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele Sterne sind", staunte Louis, als sie den Walk of Fame entlangliefen, der sich über mehrere Häuserblocks entlang des Hollywood Boulevard erstreckte. "Ich muss unbedingt ein Foto mit dem Stern von Audrey Hepburn machen, meine Nan ist ein Riesenfan und Breakfast at Tiffany's lief mindestens einmal jede Ferien, die wir zu Besuch waren."
Harry nickte, den Blick weiterhin gen Boden gerichtet, um die verschiedenen Namen der Unterhaltungs-, Film- und Musikszene zu überfliegen, während sie über die in den Gehweg eingelassenen Platten schritten. "Verliert es nicht irgendwie an Besonderheit, wenn es so viele von ihnen gibt? Ich habe gehört, dass es über 2.700 Sterne sein sollten."
Louis zuckte mit den Schultern und drückte sich die Sonnenbrille dichter auf die Nase, da sie ihm ständig nach unten rutschte, wenn er den Kopf senkte. Das Wetter zeigte sich heute von seiner besten Seite, die Sonne hatte bereits am Morgen hoch am wolkenlosen Himmel gestanden und brachte ihnen Temperaturen von bis zu 30 Grad. "Schon möglich. Aber wahrscheinlich wäre er nicht als der Walk of Fame von heute bekannt, wenn bloß alle 100 Meter mal ein Stern am Boden zu finden wäre."
Der Hollywood Boulevard war jedoch nicht nur für diese Attraktion bekannt, sondern auch für die etlichen kostümierten Menschen, die in Gestalt von Spiderman, Mickey Mouse und zig weiteren Elvis-Verschnitten über die Gehwege liefen, ähnlich, wie sie es am Venice Beach gestern bereits beobachtet hatten.
"Hier! Hier ist er, Lou. Ich habe ihn gefunden!" Es war laut auf den Straßen, die vielen Menschen und die Motorengeräusche der Autos machten LA sicherlich zu einer der lautesten Städte Kaliforniens, doch trotzdem stach Harrys Stimme deutlich unter alldem hervor. Lächelnd hob Louis den Kopf, da er gerade damit beschäftigt war, das Reisetagebuch seines Großvaters aus seinem Rucksack zu kramen, welches er fast immer bei sich trug, und erblickte Harry kaum mehr als zehn Meter vor sich. Grinsend deutete der Lockenkopf mit wiederholten Gesten zum Boden.
Louis ging zu ihm, blätterte parallel in dem kleinen Büchlein, um die Seite aufzuschlagen, auf welcher er vor ihrer Ankunft in Los Angeles ein Foto entdeckt hatte, welches seinen Grandad an genau selber Stelle zeigte. Als hätte er damals geahnt, dass seine zukünftige Ehefrau eine besondere Liebe zu Audrey Hepburn hegte.
"Soll ich ein Foto von dir und dem Stern machen? Du könntest es nachstellen, so wie das deines Opas", schlug Harry vor und deute auf das Foto, welches mehrere Jahrzehnte alt war. Louis' Herz schwoll an vor Zuneigung und lächelnd nickte er, prägte sich das Foto noch einmal genau ein, bevor er Harry das Tagebuch anvertraute.
Er ging hinter dem Stern in die Hocke, damit der Name der Schauspielerin von ihm lesbar war, stützte sich mit einer Hand auf der obersten Zacke des Sterns am Boden ab und grinste dann, mit in die Haare geschobener Sonnenbrille, breit lächelnd in die Kamera. Die Sonne blendete ihn, weswegen er die Augen leicht zusammenkneifen musste, doch trotzdem strahlte er mit ihr um die Wette.
Er fragte sich, wer das Bild von seinem Großvater damals geschossen hatte. Ob es ein vorbeilaufender Passant war, den er um einen Gefallen gebeten hatte? Es konnte wohl nicht jeder das Glück besitzen, seinen persönlichen Reisefotografen mit dabei zu haben.
"Perfekt", verkündete Harry und ließ die Kamera wieder um seinen Hals baumeln, ehe er Louis die Hand hinstreckte, um ihm aufzuhelfen. "Es ist verrückt zu wissen, dass mein Großvater vor rund 50 Jahren am genau selben Ort gewesen ist", sagte Louis andächtig und Harry drückte ihm einen Kuss gegen die Schläfe. Er spürte eine feine Gänsehaut unter seinen Fingerspitzen, als er den Kleineren gegen sich drückte und ließ seine Hand sanft auf seiner Hüfte ruhen, als sie zurück zum Parkplatz gingen.
Mittlerweile begann sich die Sonne schon wieder zu senken, der Himmel schien sich am Horizont, dort wo sie das Hollywood Sign in der Ferne ausmachen konnten, von einem intensiven Blau in ein warmes Orange zu wandeln. Das war ihr nächster Stopp. Wenn sie schon in Los Angeles waren, mussten sie das mitunter bekannteste Wahrzeichen der Stadt auch aus nächster Nähe betrachten.
Harry setzte sich auf den Fahrersitz, um Louis eine erneute Schweißattacke zu ersparen und folgte den Anweisungen des Navis, welches sie zum Canyon Lake Drive führte, wo er den Jeep am Straßenrand parkte. Hinter einer langen Schlange an Autos reihte er sich ein, da sie scheinbar nicht die einzigen waren, die auf die Idee gekommen waren, der Sonne beim Verschwinden hinter den Hills zuzugucken.
"Gehen wir noch näher ran?", fragte Harry, als sie ausstiegen, doch Louis schüttelte den Kopf. "Ich glaube, viel dichter geht es nicht, ohne Regeln und Gesetze zu brechen. Lass uns den Moment hier genießen." Er holte die Decke aus dem Kofferraum, auf der sie schon einmal gemeinsam gesessen hatten – vor einer Woche am Artist's Drive, als die Stimmung zwischen ihnen noch um einiges angespannter war – und breitete sie auf der Motorhaube aus.
"Romantisch" säuselte Harry und zwickte Louis in den Po, als dieser ihm die Zunge herausstreckte, dann folgte er ihm mühselig mit seinen langen Beinen auf die Motorhaube. Louis lachte. "Na, Daddy Long Legs, sind doch nicht für alles gut diese meterlangen Beine, was?" Harry boxte ihm gegen den Oberarm und streckte seine Beine demonstrativ der Länge nach vor sich aus.
"Bisher sehe ich dich sie immer nur anstarren, wenn sie, ich zitiere, in diesen unverschämt engen Jeans stecken", neckte er weiter und ertappt sammelte sich die Hitze in Louis' Wangen. "Klappe, Curly und Sonnenuntergang genießen."
Es war ein surrealer Moment. Zu beobachten, wie der grelle Gasball hinter den weißen Buchstaben des Hollywood Signs verschwand, große Schatten des Schriftzuges auf die davorliegenden Hills warf, bis sich der Himmel schließlich von blau, zu orange, zu schwarz wandelte. Die ersten Sterne wurden sichtbar, funkelten hell am Himmelszelt und der Mond bedeckte die Hügel mit einem sanften hellgelben Schimmer.
"Der letzte Sonnenuntergang in Amerika", seufzte Louis gedankenverloren. Sein Blick kehrte sich nach innen. Von außen betrachtet könnte man meinen, er starre bloß ins Nichts, doch in ihm drin spielte sich ein Film der vergangenen drei Wochen ab. VomTag seiner Ankunft, an welchem ihn das Pech regelrecht verfolgt hatte bishin zu diesem Moment, in dem er zusammen mit Harry auf der Motorhaube des weißen Jeeps saß – den er damals beinahe nicht bekommen hätte – war so viel passiert.
Dinge, mit denen er nie gerechnet hätte. Unvorhersehbare, spontane, doch allen voran Dinge, die diese Reise überhaupt erst zu dem Abenteuer gemacht hatten, welches es heute war. Ein Abenteuer, welches er nie vergessen würde und welches er, genauso wie es sein Großvater bei ihm getan hatte, später einmal seinen Enkeln erzählen würde. Louis freute sich schon jetzt darauf.
"Nicht darüber nachdenken." Harrys Stimme und eine Hand, die nach seiner griff, um diese fest zu drücken, rissen ihn aus seinen Gedanken. Ein glückliches Lächeln bildete sich auf Louis' Lippen. "Komm her", winkte er den Lockenkopf zu sich heran und streckte einen Arm nach ihm aus. Ohne zu Zögern kam Harry seiner Aufforderung nach und schmiegte sich der Länge nach an Louis' Seite.
"Diesen Moment möchte ich für immer festhalten", flüsterte er in Harrys Locken und setzte ihm einen Kuss auf den Scheitel. "Ich auch."
Als auch die letzten orangen Strahlen erloschen waren und die Großstadt in den Lichtern ihres Nachtlebens erstrahlte, packten sie die Decke zusammen und fuhren zurück zum Motel. "Zum Observatorium können wir zu Fuß gehen", sagte Louis, welcher gerade im Kofferraum kramte und eine der Weinflaschen herausholte, die noch von San Francisco darin herumflogen. Gut durchgeschüttelt und brühwarm.
"Das Observatorium muss warten, zuerst habe ich etwas anderes mit dir vor." Verdutzt blieb er auf dem Gehweg stehen, als ihm von Harry die Flasche aus der Hand genommen, ehe er zum Eingang vormarschierte. "Kommst du? Ich möchte nicht in Tanktop und Jeansshorts ins 3-Sterne-Restaurant."
Harry war verrückt. Einfach nur verrückt. Louis wusste nicht, wie lange er es schon geplant hatte, doch da er seinen Nachnamen am Empfang angab und sie der Kellner zu einem hübsch geschmückten Zweiertisch führte, musste er definitiv vorher reserviert haben.
"Wann, Harry? Wie und warum?" Unzählige Fragezeichen ploppten in seinem Kopf auf, doch er erhielt bloß ein schelmisches Grinsen seines Gegenüber, dessen Gesicht von tänzelnden Figuren erhellt wurde, die der Schein der Kerze auf seine Haut zeichnete.
"Manchmal ist es schöner nicht alles zu hinterfragen, sondern einfach zu genießen." Über den Tisch hinweg griff er nach seiner Hand und verschränkte ihre Finger miteinander. "Sieh es als Dankeschön für einen Roadtrip, von dem ich geglaubt habe, ihn so nie zu erleben, doch welchen ich keinesfalls missen möchte und- stop, bevor du etwas dagegen sagen kannst, Lou. Das werde ich nie vergessen und ich dafür möchte ich mich hiermit bei dir bedanken. Das kannst du mir jetzt nicht ausreden."
"Du bist verrückt", sprach Louis seinen vorherigen Gedanken aus und schüttelte mit dem Kopf. Und ich bin verrückt nach dir.
Sie speisten im gedimmten Schein der Kerze. Harry hatte der Empfehlung des Hauses nachgegeben und ihnen vom Kellner beiden eine Portion Zanderfilet mit Salzkartoffeln und grünem Beilagensalat bringen lassen. Dazu bestellte er eine edel aussehende Flasche Rotwein, von deren bloßem Anblick Louis bereits ein schlechtes Gewissen bekam, da Harry darauf bestanden hatte, ihn einzuladen.
Doch der Lockenkopf wehrte jegliche Proteste seinerseits ab und bestand darauf, die Rechnung komplett zu begleichen, nachdem sie sich zum Nachtisch noch ein Schokoladen-Soufflé hatten schmecken lassen.
Die Sterne funkelten hell am Himmel, als sie im Anschluss Hand in Hand über die Straßen LA's liefen. "Du bist ein Lügner, Curly", lachte Louis und stieß ihn an seinem Oberkörper ein Stück zurück, sodass Harry vor Verwunderung einen Schritt zurückstolperte. "Was?" "Du hast gelogen, als du damals gesagt hast, dass du dir keinen neuen Leihwagen leisten kannst. Du hast Geld... genug davon."
"Falsch", protestierte der Größere und streckte die Arme über dem Kopf aus, bis sie knackten und ließ sie dann wieder neben seinem Oberkörper baumeln. "Meine Mutter hat Geld, das ist ein Unterschied." Rückwärtslaufend musterte Louis ihn. "Wir hätten uns nie ein Motelzimmer teilen müssen."
Überrascht zog Harry eine Augenbraue in die Höhe, machte dann einen Satz nach vorne, griff nach Louis' Hand und zog ihn schwungvoll gegen sich. Dicht an dicht gepresst standen sie inmitten der leeren Seitenstraße, an dessen Ende das Griffith Observatorium auf sie wartete. "Tu nicht so, als hättest du etwas dagegen gehabt. Ich weiß, dass du dein Geld nicht zum Fenster herauswerfen kannst und ich mache das auch nur, weil es mich einen Scheiß interessiert, was mit dem Vermögen meiner Mutter passiert. Wenn sie versucht, sich unsere Beziehung mit Geld zu erkaufen, dann kann ich es auch für etwas ausgeben, was anderen eine kleine Freude bereitet. Oder eben, um meinem eigenen Glück etwas auf die Sprünge zu helfen."
"Etwas auf die Sprünge helfen nennst du das also, ja?" Ein breites Grinsen hob Louis' Mundwinkel mitsamt seiner Augen nach oben und ertappt zog Harry sich die Unterlippe zwischen die Zähne. "Möchtest du den wahren Grund wissen?" Plötzlich schwang die Stimmung um und eine gewisse Ernsthaftigkeit löste ihr neckisches Verhalten ab.
Louis nickte. "Eigentlich hatte ich mit gemeinsam Niall geplant, nach unserem Auslandssemester noch etwas die Umgebung zu erkunden, bevor wir zurück nach London fliegen, doch da er April kennengelernt hat und lieber so viel Zeit wie möglich mit ihr verbringen wollte – was ich auch absolut nachvollziehen kann -, war ich trotzdem plötzlich auf mich alleine gestellt.
Ich habe mich einsam gefühlt und ich bin nicht gerne alleine. Ich habe einen Großteil meiner Kindheit in Einsamkeit verbracht und als uns dieser Unfall dann zusammengebracht hat, da... ich habe deine Gesellschaft einfach von Anfang an genossen und ich habe versucht alles daranzusetzen, dass du mich mit auf deine Reise nimmst.
Vielleicht war es egoistisch von mir, weil ich deine Geschichte nicht kannte und weil ich vielleicht ein bisschen zu sehr in dich verschossen bin", lachte er und musste kurz unterbrechen, da Louis ihm in die Seite zwickte, "aber es hat so gutgetan, jemanden um mich herum zu haben. Gerade nachts, wenn die Einsamkeit am präsentesten ist."
"Oh, Curly", seufzte Louis und legte beide Hände an Harrys Wangen, starrte ihm für einen kurzen Moment tief in die Augen, bis er ihn in eine feste Umarmung zog. "Du bist nicht alleine, wir sind beide nicht alleine. Und selbst wenn, dann sind wir einfach zusammen ein Stückchen weniger alleine, okay?"
"Okay", nickte Harry und schmiegte sich noch ein wenig enger gegen den Kleineren. Das Gefühl, welches sich dabei in seinem Inneren breit machte, trieb ihm die Tränen in die Augen, die hinter seinen geschlossenen Lidern brannten. Mit willkommenem Herzen sog er jeden kleinen Funken davon in sich auf und speicherte ihn ab. Er war nicht alleine.
Der Besuch des Griffith Observatorium war tatsächlich Harrys Idee gewesen. Er hatte am gestrigen Tag ein Werbeplakat davon gesehen, als sie am Santa Monica Pier waren und Louis war direkt einverstanden gewesen. Die Sterne und der Nachthimmel hatten ihn schon immer fasziniert.
Er liebte es, Ewigkeiten nach oben in die unendlichen Weiten ihres Universums zu schauen und sich auszumalen, wie es dort oben wohl aussehen könnte. Ob es ein Leben in dieser entfernten Welt gab und ob es vielleicht sogar anderen Wesen gab, die von dort oben auf sie herabschauten, so wie sie zu ihnen hinauf.
Das große weiße Gebäude mit der runden Kuppel erinnerte Louis etwas an das weiße Haus in Washington, welches er schon öfter im Fernsehen gesehen hatte und fast fühlte er sich etwas Fehl am Platz vor diesem pompösen Gebilde. Doch sie würden sich an diesem späten Abend nicht mehr im Inneren aufhalten, das Museum hatte bereits geschlossen. Eine Aussichtsplattform jedoch offenbarte ihnen einen fantastischen Blick über Los Angeles und die Hills.
Sie blickten hinaus auf ein Lichtermeer, welches dem leuchtenden Spektakel über ihnen, auf der Erde wohl am nächsten kam.
"Wie schön", schwärmte Louis fasziniert und beugte sich mit seinen Armen auf dem Geländer vor. Seine Kamera hatte er bewusst in ihrem Motelzimmer gelassen, diesen Moment wollte er voll und ganz genießen. Ihn in seinem Gedächtnis speichern und nicht auf einer SD-Karte.
"Wie hell die Stadt selbst mitten in der Nacht ist." "Los Angeles schläft nie", seufzte Louis. "Genauso wenig wie London. Das Großstadtleben ist nichts für mich. Zumindest nicht für immer. Ich glaube, wenn ich einmal alt bin, möchte ich auch aufs Land ziehen, so wie meine Großeltern. Meine Kinder sollen inmitten von Natur aufwachsen und nicht umgeben von grauen Gebäuderiesen, Smog und Verkehrslärm."
"Du denkst schon über's Kinder kriegen nach?" Harry lehnte sich neben ihn auf die Metallstäbe und blickte ihm neugierig entgegen. Louis schüttelte mit dem Kopf. "Nein, nicht jetzt. Es ist noch zu früh. Aber irgendwann hätte ich schon gerne eine eigene Familie. Ich bin in einer Großfamilie aufgewachsen, komplett ohne Menschen um mich herum zu sein, bin ich nicht gewohnt."
Louis' letzter Satz entlockte dem Lockenkopf tatsächlich ein lautes Lachen, welches ihm schnell die Hand vor den Mund pressen ließ, da es ihm versehentlich herausgerutscht war und es vielleicht falsch aufgefasst werden könnte. "Was ist daran so witzig, Curly?"
"Vor drei Wochen kamst du noch wie der größte Menschenhasser dahergelaufen, der am liebsten 24/7 seine Ruhe gehabt hätte und jetzt redest du von einer Großfamilie. Ich fand den Gegensatz gerade etwas lustig."
Louis stupste mit seiner Schulter gegen Harrys und rollte schmunzelnd mit den Augen. "Es hat niemand etwas von fünf eigenen Kindern gesagt, übertreiben muss ich es dann auch nicht", lachte er "aber so eins, zwei. Momentan wäre es wie gesagt auch noch nichts für mich, dafür bin ich eigentlich viel zu sehr der Einzelgänger. Versteh mich nicht falsch, ich liebe meine Familie und meine Freunde, aber am Ende des Tages bin ich auch froh, wieder meine Ruhe zu haben."
Harry brummte. Schnell griff Louis nach seiner Hand. Er wusste, nicht zuletzt von ihrem Gespräch vorhin, dass der Lockenkopf das genaue Gegenteil war, doch so waren sie beide von den Ereignissen ihrer Vergangenheit geprägt. "Ich bin niemand, der ständig unter Leuten sein kann, deshalb ist es mir anfangs auch so schwergefallen, dich ständig um mich zu haben."
Louis ließ den Blick nicht von Harry ab, auch als dieser sein Gesicht abwendete und gedankenverloren in die Ferne starrte. "Danke für deine Ehrlichkeit." Fast wäre Louis ein Schnauben entwischt, doch er schaffte es, es in letzter Sekunde herunterzuschlucken und stattdessen erneut seine Hand zu drücken. "Du warst genauso ehrlich zu mir. Und ich denke, wenn wir eins auf diesem Roadtrip gelernt haben, dann wohl, dass Kommunikation der Schlüssel zu einem gesunden Miteinander ist."
Nickend drehte Harry seinen Kopf wieder zu ihm und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln. "Da hast du wohl recht." Schnell klaute Louis sich einen Kuss von seinen Lippen, er konnte nicht widerstehen. "Und soll ich noch viel ehrlicher zu dir sein?" Erneut nickte Harry und Louis war froh, dass sie die Dunkelheit umgab, denn seine nächsten Worte brachten seine Wangen mit Sicherheit knallrot zum Glühen.
"Du bist mein größtes Abenteuer auf dieser Reise."
Ungelenkt stolperten sie durch die engen Flure des Motels, ihre Gliedmaßen ein einziges Wirrwarr an Körperteilen. Dass sie auf dem Weg zu ihrem Zimmer noch nicht gestolpert und sich sämtliche Knochen gebrochen hatten, grenzte beinahe an ein Wunder. Doch irgendetwas hatte dieser Abend in ihnen ausgelöst. Die Offenbarung von Geheimnissen erleichterte ihre Gemüter und hatte dem jeweils anderen eine weitere Seite ihrer stets stark behüteten Leben gezeigt.
Zwei unabhängige Leben überlappten sich immer weiter miteinander und verschmolzen in der Mitte zu einem. Louis hatte das Gefühl, Harry nicht erst seit drei Wochen zu können. Rund um die Uhr mit jemandem auf engstem Raum aufeinander zu hocken, machte es schier unmöglich sich nicht gegenseitig kennenzulernen und die ein oder anderen Marotten und Macken, Geheimnisse und Wahrheiten übereinander zu erfahren. Doch er würde es beim zweiten Mal nicht anders machen. Vielleicht höchstens seinen Dickschädel etwas früher ablegen, damit Harry nicht immer wieder auf Granit biss.
Er hatte Louis auf die harte Tour kennengelernt, doch diese hatte sie nun genau dort hingeführt, wo sie jetzt waren.
"Schlüssel", nuschelte Louis gegen Harrys Lippen. Sie schmeckten noch etwas nach Schokolade und Louis wollte jedes letzte Bisschen davon kosten. Mit der Zunge fuhr er seine Unterlippe nach, Harrys Körper hatte er mit dem Rücken neben die Wand ihrer Zimmertür gedrückt und als der Lockenkopf keine Anstalten machte, den Schlüssel aus seiner Tasche zu kramen, griff Louis selber hinein.
"Lou", keuchte Harry und schlug sich vor lauter Überraschung den Hinterkopf an der Wand an. "Wenn du nicht reagierst", antwortete er schulterzuckend und zog die kleine Scheckkarte durch den Türschlitz, ehe er nach Harrys Arm griff und ihn ins Zimmer zog. "Die Wände sind dünn genug, es reicht also, wenn die Zimmer links und rechts neben uns mitbekommen, was hier drin passiert und nicht die komplette Etage."
Eine tiefe Röte legte sich über Harrys Wangen und brachte Louis aufgrund dieser plötzlichen Schüchternheit zum Schmunzeln. "Jetzt stört es dich?", neckte er und zog den Größeren der Länge nach gegen sich, ihre Körper von den Zehenspitzen bis zur Brust aneinandergepresst. Harry zog die Unterlippe zwischen die Zähne, schien zu überlegen und abzuwägen, doch dann schüttelte er mit dem Kopf und griff in Louis' Nacken. "Es kennt uns niemand."
"Richtig. Es kennt uns niemand", grinste Louis breit. "Noch nicht."
Hastig trafen ihre Münder erneut aufeinander, erkundeten sich nicht nur mit ihren Zungen, sondern auch mit ihren Händen, die auf dem Körper des jeweils anderen auf Erkundungstour gingen. Harrys Körper war wie ein Erlebnis, jeden Tag entdeckte Louis etwas Neues an ihm.
Louis wusste, dass er es liebte, wenn er ihm in die Haare griff, leicht an ihnen zog und seine Kopfhaut massierte. Er wusste, dass er seine Finger fest in seine Haut krallte, wenn er ihm in den Hintern kniff und nochmal fester, wenn er mit beiden Händen zupackte. Er wusste, dass er eine Gänsehaut am ganzen Körper bekam, wenn er mit seinen Fingern über seine nackte Haut fuhr und die Linien seiner Tattoos, allen voran denen des Schmetterlings nachzeichnete.
Doch was er am allermeisten wusste war, dass er sich nach all diesen Dingen mit jeder Faser seines Körpers verzehrte.
"Louis", brummte Harry tief, als der Kleinere sich an seinem Hals festsaugte und mit seiner Zunge über die pulsierende Haut fuhr. Inzwischen lagen sie auf dem Bett, ihre Schuhe und Oberteile hatten sie beide bereits verloren und Harrys Hose stand offen von Louis' erstem Versuch, sie ihm auszuziehen, welcher jedoch kläglich gescheitert war. Verdammte Skinny Jeans.
"Lou, ich- ich", stotterte Harry und drehte seinen Kopf beschämt zur Seite, als die Worte, die ihm auf der Zunge brannten, seinen Mund nicht verlassen wollten. Verwundert ließ Louis von ihm ab und sah zu ihm auf. Sachte drehte er seinen Kopf wieder zu sich, damit er ihm in die Augen sehen konnte. "Was möchtest du sagen, Love?", fragte er sanft und strich ihm eine Locke aus der Stirn.
Harrys Wangen glühten und kichernd legte Louis seine Handfläche auf eine seiner roten Bäckchen. "Ich... ich möchte, dass du mein Erster bist." Die Worte waren so leise, dass Louis sie fast nicht hörte, doch da sein Herz ihm mit einem Schlag beinahe aus der Brust zu springen drohte, sprach dafür, dass sein Hirn sie sehr wohl verarbeitet hatte.
"Bist du sicher, H?" Mit plötzlich entschlossenem Blick, suchte Harry den Augenkontakt zu Louis und nickte bekräftigend. "Ich bin mir seit zwei Jahren sicher." "Sei nicht albern", lachte Louis. "Das wäre verrückt."
"Ich bin mir aber sicher, Lou", protestierte Harry, bis ein Grinsen über sein Gesicht huschte. Blitzschnell drehte er sie herum, sodass er nun derjenige war, der Louis gegen die Matratze pinnen konnte und setzte sich auf seine Hüften. "Sehr, sehr sicher", betonte er seine Worte und ließ sein Becken leicht kreisen.
Louis' Augen wurden groß und sein Mund öffnete sich zu einem stummen Aufstöhnen. "Okay. Okay, fuck, ja." Hastig zog er den Lockenkopf an seinen Oberarmen zu sich nach unten und fing seine plumpen Lippen mit seinen ein. "Wir haben nur noch heute Abend und-" "Shh", Louis presste ihre Münder fester aufeinander, um Harrys Worte zu verschlucken, von denen er nichts hören wollte, denn er wollte gar nicht darüber nachdenken, doch der Jüngere quetschte sie doch irgendwie heraus. "Ich will nicht, dass es schon vorbei ist."
Louis drehte sie erneut herum und hielt Harrys Gesicht in den Händen, welcher sich mit seiner Wange dagegen schmiegte. "Es ist noch nicht vorbei. Ich werde dafür sorgen, dass dieser Moment noch ganz lange anhält, das verspreche ich dir."
Und Louis brach seine Versprechen nicht.
In aller Seelenruhe widmete er sich dem Kunstwerk von Harrys Körper. Erkundete jede freie Stelle, jeden kleinen Winkel und jedes Detail. Er wollte ihn sich einprägen. Einprägen, damit er diesen Moment nicht vergaß.
Irgendwann wurde der Lockenkopf jedoch ungeduldig. Harry sorgte dafür, dass auch er seine letzten beiden Kleidungsstücke verlor, nachdem er die letzte halbe Stunde der Einzige von ihnen beiden war, der entblößt auf dem Bett lag.
"Ich bin wirklich bereit", versicherte er erneut, als hätte er Louis' Zögern gespürt. Die Gedanken in Louis' Kopf kreisten, doch Harry wollte es, er selber wollte es und wenn er ehrlich war, raubte es ihm seit einigen Tagen sein letztes Fünkchen Selbstbeherrschung, nicht über Harry herzufallen. Jetzt hatte er die Erlaubnis.
Er nickte, küsste Harry verlangend und fuhr mit seiner Zunge in seinen Mund. Sein lautes Aufkeuchen, als der Lockenkopf seine Hand um ihn schloss, wurde verschluckt von dem festen Griff, mit dem Harry ihre Münder beieinander hielt. In gleichmäßigen Bewegungen fuhr er seine Länge auf und ab und wenn er nicht aufpasste, wäre das hier schneller vorbei, als es ihnen beiden lieb war.
"Curly, stopp, nicht so schnell", unterbrach er und legte sachte eine Hand auf Harrys, um ihn in seinem Eifer zu bremsen. "Ich- sorry", schnell zog er seine Hand weg und sein Kopf wendete sich erneut beschämt ab. "Wie war das mit dem ständigen Entschuldigen?" lächelte Louis und setzte ihm einen Kuss gegen seinen Kieferknochen. "Ich möchte nur nicht, dass es vorbei ist, bevor wir richtig angefangen haben, okay? Du hast nichts falsch gemacht. Aber ich möchte in erster Linie, dass du es genießt."
Harry nickte und begegnete Louis' Blick, welcher ihm mit purer Fürsorge entgegensah und lächelnd strich er ihm durch die Haare. Louis erwiderte sein Lächeln und küsste Harry erneut. Langsam und gefühlvoll, doch es brachte sein Herz zum Pochen. Lautstark hämmerte es in seiner Brust und schickte eine Welle an Glücksgefühlen durch seinen Körper.
Seine warmen Hände benetzten Harrys Körper, fuhren in mit jeder seiner Erhebungen entlang und bescherten dem Größeren eine Gänsehaut, die diesen leise seufzen ließ. Schnell sprang er vom Bett, kramte in seinem Koffer nach Gleitgel und Kondomen und sprintete dann fast schon wieder zurück zu Harry, welcher ihn erwartungsvoll ansah. "Schleppst du das schon die ganze Zeit mit dir herum? Hast du das geplant für deine Reise?"
Louis sah die tiefe Falte zwischen Harrys Augenbrauen, die durch dessen verzogene Miene entstand, sachte strich der Wuschelkopf sie ihm glatt. "Nein, habe ich nicht. Doch ich wollte lieber auf Nummer sicher gehen, falls sich etwas ergeben hätte und siehe da", triumphierend hielt er die beiden eben geholten Gegenstände in die Höhe. "Immer auf alles vorbereitet", rollte Harry schmunzelnd mit den Augen. "Du spontaner Mensch."
Neckend streckte Louis ihm die Zunge raus, als er wieder über Harry geklettert war und dieser nutzte die Gelegenheit, packte den Kleineren im Nacken und saugte seine Zunge so direkt in seinen Mund. Louis' Keuchen blieb tonlos, doch seine Mitte zuckte vor Erregung. Verdammt, das war heiß.
Blind griff er nach der Tube Gleitgel und drückte sich davon etwas auf seine Finger, ehe er mit der anderen Hand zu Harrys Erektion wanderte, sie leicht auf und ab fuhr, bis er von ihm abließ und in die grünen Augen blickte. "Bist du bereit?" Stumm nickte der Lockenkopf, Louis setzte ihm noch einen Kuss auf die Lippen, bevor er das Bett nach unten rutschte. Er legte Harry eins der Kissen unter seinen Hintern und dann begann er ihn vorsichtig mit dem Gleitgel zu bedecken.
Behutsam und sanft bereitete er ihn vor, achtete auf jede kleine Bewegung des Lockenkopfs und auf jedes Geräusch, als er einen Finger nach dem anderen in ihn einführte. Er wollte dem Jüngeren nicht wehtun, Harry sollte dieses Erlebnis in guter Erinnerung behalten und Louis würde alles dafür tun, damit dies so war. "Ist alles okay? Hast du Schmerzen, Love?"
Die Lippen zu einem schmalen Strich fest zusammengepresst, schüttelte Harry mit dem Kopf. Er hatte die Beine breit gewinkelt auf dem Bett abgestellt und wölbte seinen Oberkörper mit jeder von Louis' Bewegungen nach oben. "N-Nein", keuchte er und riss plötzlich die Augen auf, ein lautes Stöhnen entfloh seinen Lippen und sein verschleierter Blick traf auf Louis' zufriedenes Grinsen. "Fuck, was war das?"
"Das, mein Lieber, war deine Prostata", sagte er mit vor Stolz triefender Stimme und fuhr erneut mit seiner Fingerspitze über das Nervenbündel. "Verdammt", keuchte Harry atemlos und wand sich unter Louis' Griff, seine Erektion lag schwer auf seinem Bauch und bettelte förmlich nach Erlösung, die der Wuschelkopf ihm allerdings noch nicht geben wollte.
"Tue etwas, Louis." "Shh Love, ich habe alles im Griff. Ich kümmere mich um dich", versicherte er und rutschte zu Harry nach oben, welcher ihn mit einer Mischung aus Verzweiflung, Lust und Flehen ansah. "Okay... okay", flüsterte er und fing hastig Louis' Lippen ein. Louis wusste nicht, ob er jemals sinnlichere Lippen geküsst hatte, doch er wusste, dass Harrys wie eine Sucht waren.
Erneut drang er mit einem Finger in Harry ein, nur zur Sicherheit, ob Harry auch wirklich bereit war, doch als der Lockenkopf erneut zu protestieren beginnen wollte, griff er schnell nach dem Kondom und reckte es ihm hin. "Ich mache ja schon." "Ich auch", meinte Harry, griff nach der Packung und streifte Louis das Gummi kurzerhand selber über. Leise stöhnend krallte er sich in Harrys Oberarm fest, sein Penis schrie nach Erlösung, doch er würde sich weiter zusammenreißen. Für Harry.
"Wenn es dir zu schnell geht, sag Bescheid, ich versuche langsam zu machen, okay?" "Louis", warnte Harry und dirigierte Louis an seinem Hintern näher zu sich, sodass seine Spitze Harry streifte. Vorfreudig keuchte er auf. "Ich vergewissere mich lieber öfter, bevor ich etwas tue, was du nicht möchtest." "Machst du das immer so?"
Louis beugte sich dichter zu Harry herunter, ihre Münder nur wenige Millimeter voneinander entfernt. Vorsichtig drückte sich die Spitze seiner Erektion gegen Harrys Muskel, bis er den Widerstand durchbrach und sich die ersten wenigen Zentimeter in ihm versenkte. "Nein", flüsterte er gegen seine Lippen. "Nur bei Menschen, die mir wirklich wichtig sind."
Mit glasigen Blicken überwanden sie die Distanz zwischen ihnen, verwickelten sich in eine Reihe von lustvollen Küssen, während Louis immer tiefer in ihn glitt, bis er sich schließlich komplett in Harry versenkt hatte. Einen Moment gab er ihm noch Zeit, sich an das ungewohnte Gefühl zu gewöhnen, doch der Lockenkopf war ungeduldig und so begann er schon nach einer Weile von alleine abwartend auf der Matratze hin und her zu rutschen, bis Louis seine Aufforderung nachkam und einen angenehmen Rhythmus für sie fand.
Es war intensiv. Berauschend und überwältigend. Harry fühlte sich so gut an und die süßlichen Töne, die sein Mund dabei ausspuckte, brannten sich tief in Louis' Gedächtnis. Sie würden ihn sicherlich bis in seine süßesten Träume verfolgen. Harry in seiner Ekstase verfallen zu sehen, war unglaublich und ein warmes Gefühl durchströmte seinen Körper, da er die erste und bisher einzige Person war, die Harry so zu Gesicht bekam.
Seine vor Lust getränkten Augen verließen ihn keinen Moment, das Grün so intensiv und dunkel wie saftiges Moos und jedes Mal, wenn sein Mund sich vor Stöhnen oder Keuchen verzog, verließen auch Louis' Lippen leise Laute, die sein Gefallen ausdrückten. "Du siehst so hübsch aus", rutschte es ihm ungefiltert heraus, doch die Grübchen, die sich daraufhin tief in Harrys Wangen gruben, ließen ihm keine Zeit, sich für diese Worte zu schämen.
"Gleich", flüsterte Harry und aufmerksam sah Louis ihn an. "Ja?" "Ja." Seine Stöße wurden noch einmal intensiver. Mit jeder Bewegung stieß Louis tiefer in ihn, ließ sich für einen Moment in seine eigene Erregung fallen. Flackernd schlossen sich seine Lieder, Harrys Stöhnen, die schönste Melodie in seinen Ohren und seine Fingernägel, die sich tief in seinen Rücken krallten, der schönste Schmerz.
"Harry", stöhnte er, zog sich beinahe der Länge nach aus ihm heraus und drang dann wieder in ihn ein. Ein gepresstes "Louis" ließ ihn seine Augen wieder öffnen, gerade rechtzeitig, um mit anzusehen, wie der Lockenkopf sich seinem Höhepunkt hingab. Lächelnd beobachtete er ihn dabei, während er versucht, ihm dieses Erlebnis so schön wie möglich zu machen und ihn mit sanften Stößen zu begleiten, bis auch er tief in Harry in das Kondom kam.
"Danke", flüsterte Harry, nachdem Louis sie sauber gemacht und die Decke wärmend, in dem durch die Klimaanlage heruntergekühlten Raum, über sie gezogen hatte. "Wofür?" "Ich hätte mir niemanden lieber für mein erstes Mal gewünscht." Liebevoll drückte er dem Jüngeren einen Kuss auf die Stirn, ehe er nach der Nachttischlampe griff und sie in Dunkelheit hüllte. "Schlaf gut, Love, du hast es dir verdient."
"Lou?" Ein Flüstern durchbrach die Stille, in der sie die letzten Minuten schweigend gelegen hatten. "Hm?", brummte er und kuschelte sich tiefer zwischen die Kissen und Harrys Lockenpracht. "Wir haben den Wein vergessen." "Doofkopf", lachte Louis und schnippte dem Lockenkopf, welcher mit dem Kopf auf seiner Brust lag, gegen die Stirn, zog ihn jedoch gleichzeitig näher zu sich. Mit einem glücklichen Pochen in der Brust schloss er die Augen.
"Dein Doofkopf."
➳
Hello my loves ♡ Tag 20, wow. Es folgt tatsächlich nur noch der Tag der Abreise und dann ist der Roadtrip vorbei. Was ein Abenteuer!
Danke an alle, die noch dabei sind. Es macht mir so eine Freude, diese Reise mit euch gemeinsam zu gehen. Auch wenn ich mich mit diesem Kapitel hier ziemlich schwer getan habe. Ich bin nicht sonderlich zufrieden damit, aber ich hoffe es hat euch trotzdem gefallen.
Bis zum nächsten Mal, wenn es heißt, bye bye Amerika...
Ganz viel Liebe an euch! ♥️ - Sarah
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro