Kapitel 30
Zwei geschlagene Stunden sitzen wir, ohne ein Wort zu wechseln in der Küche. Zwei Stunden lang streiche ich wortlos durch seine Haare, während seine Tränen mein Shirt durchnässen und Schluchzer sogar mich erschüttern. Es ist vieles, aber vor allem herzzerreißend. „Ich liebe dich, Harry", flüstere ich, weil es das Einzige ist, was ich gerade sagen kann. Er reagiert nicht und als ich ihn etwas von mir schiebe erkenne ich, dass er innerhalb der letzten Minuten eingeschlafen sein muss. Vorsichtig ziehe ich seinen Körper auf meinen Schoß und lege meine Hände so unter seine Oberschenkel, dass sie sein Körpergewicht unterstützen, während ich mich vorsichtig aufsetze. Es dauert einige Minuten, aber irgendwann stehe ich mit einem schlafenden Harry im Arm im Flur und mache mich auf den Weg ins Obergeschoss. Nicht, dass Harry zu viel wiegt, aber dadurch, dass er größer und muskulöser als ich ist, bringt er einiges mehr auf die Waage und ich habe einige Schwierigkeiten, ihn gefahrlos die Treppen hoch zu tragen – aber ich schaffe es. Mit zitternden Beinen lege ich Harry im Bett ab, lege die Decke über ihn und bleibe neben ihm stehen. Er wirkt so unfassbar erschöpft, sieht aber dennoch immer noch so so jung aus. Das hat er schon immer. Im Schlaf ist er ein kleines Baby und ich liebe es. Liebe ihn. Weil ich nicht für immer neben ihm stehen bleiben kann verlasse ich das Schlafzimmer und mache mich daran, das Chaos im Wohnzimmer ein wenig zu beseitigen, damit meine Wäsche und Decke nicht mehr überall verstreut herumliegt. Sogar das abgekühlte Frühstück findet seinen Weg in eine Tupperdose.
Als ich mich umdrehe fällt mein Blick erneut auf den Ofen und somit gleichzeitig auch auf die darauf angezeigte Uhr. Und das darauf angezeigte Datum. Sechsundzwanzigster März. Es trifft mich wie ein Faustschlag ins Auge. Den Gesamten Februar und März haben Harry und ich gestritten. Im Februar hatte Harry Geburtstag und es war Valentinstag. FUCK! In Windeseile renne ich in die Waschküche, ziehe die erstbeste Hose hervor, die mir gehört und schlüpfe in einen der Hoodies, die herumliegen. In der Küche ziehe ich mein Deo aus der Reisetasche, sprühe es auf mich und wende mich zum Gehen. Auf dem Weg aus der Tür schicke ich Harry eine WhatsApp in der steht, dass ich heute Abend wieder zurück bin. Zur Sicherheit. Es braucht eine ganze halbe Stunde, bis ich im Parkhaus ankomme und aus dem Auto aussteige. Nur mit Portemonnaie und Handy bewaffnet laufe ich durch das Einkaufszentrum, betrete Laden um Laden, nur um ohne irgendwas in den Händen herauszukommen. Wie konnte ich nur seinen Geburtstag vergessen, verdammt?! Und Valentinstag. So sehr ich es auch für einen Kommerziellen Feiertag halte, liebe ich es Harry an diesem Tag glücklich zu machen. Ich habe den Geburtstag meines Mannes vergessen. Wenn ich könnte, würde ich mich selbst Backpfeifen. Da es aber nicht funktioniert, lasse ich mich auf eine der Bänke fallen und ziehe mein Handy hervor. Fünfzehn Uhr. Mein Gott, wie soll ich denn jetzt ein Geschenk finden? Fast zwei Monate zu spät. Zwei Monate... fuck! So sauer ich auch auf Harry bin, seinen Geburtstag dachte ich, würde ich nie vergessen. Harry hat meine Nachricht noch immer nicht gelesen, weshalb ich mich wieder auf die Beine mache und zurück zum Ersten Laden laufe, der mir in den Sinn kommt.
Der Juwelier, in dem ich damals den Promise Ring gekauft habe. Freundlich werde ich begrüßt und auch wenn ich es unter normalen Umständen hasse, nehme ich dieses Mal die Hilfe dankbar an. „Uhm, ich brauche einen Ring für meinen Partner. Ich", seufzend kratze mich am Hinterkopf, „Ich muss wieder was gutmachen" – „Wie sehr denn was gut machen?", fragt die Verkäuferin freundlich, während sie mich aufmerksam mustert. „Sehr stark wieder etwas gut machen?", murmle ich mit einem verlegenen Lächeln auf den Lippen. Ich hasse, wie sehr ich es erzwingen muss. Ich hasse, dass ich seinen Geburtstag vergessen habe, aber vor allem Hasse ich mich. So sehr. „Haben sie schon mal an eine Verlobung gedacht?" Stumm halte ich meine Hand hoch, an welcher bereits mein Ehering prangt. „Oh" – „Er trägt gerne viele Ringe. Silbern. Definitiv nicht schlicht. Er mag ausgefallene Schmuckstücke." Nach meinen Worten erhellt sich ihr Gesicht und sie lotst mich hinter sich her durch den Verkaufsraum, bis wir vor einer der Vitrinen stehen bleiben. Ein Blick auf die Preisschilder verrät, dass es keine Günstigen Ringe sind, aber vor allem jetzt werde ich keine Kosten und Mühen scheuen. Viele der Stücke sind zu schlicht, oder zu wenig Harry. Andere jedoch sind zu... männlich, ohne, dass ich meinem Mann damit seine Maskulinität rauben will. Es ist einfach zu viel – bis mir ein bestimmter Ring in die Augen fällt. Es ist ein Silbernes Stück, natürlich, welches eine schlichte aber dennoch außergewöhnliche Rose formt. Er ist perfekt. Ohne auch nur einen Blick auf das Preisschild zu werfen, drehe ich mich zu der Verkäuferin und deute auf den Ring. „Der Ring. Der mit der Rose. Er ist perfekt." – „Sind sie sich sicher? Er ist aus der Damen Kollektion, ich weiß nicht, ob es für einen Mann-" – „Er ist perfekt.", unterbreche ich sie und deute erneut auf den Ring. „Okay, ich wollte sie das nur wissen lassen" – „Und mir ist es genau so egal, wie meinem Mann. Der Ring ist es." Sie nickt eilig, öffnet einige Schubladen und wenig später ist meine Tasche um einige hundert Pfund leichter, dafür aber um einen Ring schwerer. Obwohl ich weiß, dass der Ring perfekt ist, ist es nicht genug. Bei dem Blumenladen, an dem ich auf dem Weg ins Auto vorbeikomme, kaufe ich einen Riesigen Blumenstrauß aus weißen und pinken Rosen, hell rosane Tulpen, pinke Orchideen, und violette Prärie-Enziane. Ich finde es immer noch verrückt, dass Blumen eine solch tiefe Bedeutung haben, aber so komisch ich es auch finde, wird Harry sicherlich verstehen, was die einzelnen Blumen bedeuten.
Mir tut alles weh, als ich schließlich wieder bei meinem Auto ankomme und den Blumenstrauß vorsichtig auf der Rückbank ablege. Begleitet von einem seufzen lasse ich mich auf den Fahrersitz fallen, fahre mir durch die Haare und lehne meinen Kopf an die Stütze. Ich will nicht nach Hause. Wie zur Hölle soll ich ihm beibringen, das ich seinen Geburtstag vergessen habe? Wenn ich es mir schon nicht selbst verzeihen kann, wie soll er es mir dann verzeihen? Fuck.Ich kann jetzt nicht nach Hause fahren, denke ich mir, während ich meine Parkkarte in den Automaten tue und aus dem Parkhaus fahre. Dennoch komme ich wieder nach Hause. Zwar warte ich geschlagene zwanzig Minuten im Auto vor der Tür, aber das Ignorieren wir einfach. Tief atme ich ein und aus, tänzle mit meinen Fingern übers Lenkrad und schließe meine Augen.
Leise verlasse ich das Auto, hole alle meine Einkäufe von der Rückbank und schließe möglichst geräuschlos die Haustür auf. Einen Moment bleibe ich stehen, aber es bleibt gespenstig still. Harrys Schuhe im Schuhregal lassen vermuten, dass er hier ist und auch sein am Haken hängender Mantel lässt mich dasselbe denken. In der Küche platziere ich die Blumen in einer Vase und zupfe einige Male daran rum, bis der für meine Verhältnisse ordentlich genug aussieht. Auf leisen Sohlen mache ich mich dann auf den Weg in die obere Etage, öffne die Tür des Schlafzimmers und entdecke Harry noch immer im Bett liegend. Im Gegensatz zu heute Morgen trägt er keine Hose mehr, sondern hat die Decke zwischen seine an die Brust gezogenen nackten Beine gezogen. Leise betrete ich den Raum, schließe die Tür hinter mir und ziehe die Decke vorsichtig zu mir. Ich denke nicht darüber nach, als ich hinter ihm ins Bett schlüpfe, seinen Körper zu mir ziehe und meine Nase in seinen Haaren vergrabe. „Lou?" Erschrocken zucke ich zusammen. Ich dachte er schläft, verdammt. „Du bist wach?" Er brummt zustimmend und kurz habe ich Angst, dass er sich aus meinem Griff entfernt, aber anstatt von mir weg zu rutschen, kuschelt er sich mit dem Rücken an meine Brust. Seufzend drücke ich meine Lippen an seinen Hinterkopf, schließe meine Augen und genieße, wie normal es sich anfühlt, mit ihm so in unserem Bett zu liegen. Der Ring wiegt immer schwerer in meiner Hosentasche, weshalb ich umständlich danach greife und das Kästchen außerhalb von Harrys Sichtfeld in meiner Hand drehe. Alles oder nichts. Vorsichtig lege ich das Kästchen mit etwas Abstand vor Harrys Gesicht, bevor ich mein Gesicht wieder in seinem Nacken verstecke.
„Louis?" Ich gebe ein Brummen von mir. Er wiederholt meinen Namen, aber ich erwidere nichts daraufhin, woraufhin er sich aufsetzt und sich zu mir umdreht. „Was ist das?", fragt er, mit das Kästchen in der Hand haltend. Vorsichtig nehme ich ihm den Ring wieder ab, senke meinen Kopf und beiße mir beschämt auf die Unterlippe. Alles oder nichts. „Ich hasse es", beginne ich, halte ihm das Kästchen wieder hin und sehe ihn bittend an, „auch wenn es zu spät ist, alles Gute zum Geburtstag. Nachträglich." Verunsichert sieht er mich an, nimmt mir das Kästchen aus der Hand und legt es in seinen Schoß. „Du hast ihn vergessen." Es ist keine Frage, viel mehr eine Aussage, die mein Herz in tausend kleine Teile zerfetzt, was ich bestmöglich versuche zu ignorieren. Ich nicke ergeben, fahre mir durchs Gesicht und seufze lautstark: „Fuck, ja. Es tut mir leid. Bitte, ich würde nie absichtlich deinen Geburtstag vergessen. Egal wie es zwischen uns steht, das musst du mir glauben Harry. Ich- ich fühle mich schrecklich!" – „Aber dein Weglaufen tut dir nicht leid?" Autsch. „Harry-" – „Ich will nicht drüber reden. Ich dachte, du wärst wieder weg, als ich alleine aufgewacht bin." – „Ich habe dir eine Nachricht geschickt...", flüstere ich, lege meine Hände an seine Wangen und drehe seinen Kopf in meine Richtung. „Ich wollte nicht, dass du das wieder denkst, hast du dein Handy nicht gescheckt?" Leicht schüttelt er den Kopf, lehnt sich zu mir und schließt seine Augen. „Du hast mich ins Bett getragen." – „Ich habe dich ins Bett getragen" – „Ich dachte du wärst weg" – „Nicht nochmal", wiederhole ich meine Worte von heute morgen. Er bricht nicht wieder in Tränen aus, eine einzelne jedoch findet ihren Weg über seine Wange. „Ich liebe dich, Harry. Und ich hasse, dass ich deinen Geburtstag vergessen habe. Noch mehr hasse ich, dass ich dir nicht einfach schreiben konnte, dass ich bei Liam bin, okay? Ich habe verstanden, dass es ein Fehler war. Aber ich liebe dich, Harry."
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Hi, Freunde der Sonne
habt ihr Harrys Geburtstag genau so vergessen, wie Louis? Oder habt (/hättet) ihr daran gedacht? Wie könnten die beiden seinen Geburtstag feiern? Und die Tatsache, dass Lou sich entschuldigt ist ein Fortschritt, nicht?
love, j x
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