- 4.10 - Ein kleiner Moment der Ewigkeit
Nebelschwaden zogen über die Straßen von Cardiff. Ein Regenschauer prasselte peitschend gegen die Hauswände. Das dunkle Loch im Himmel klaffte provozierend am Himmel und hatte sich bereits um ein vielfaches vergrößert. Wie ein riesiger Mund, ein leiser Schrei nach Hilfe offenbarte es sich über der Erde. Das fast schon undurchdringbare Dunkel machte einen mehr als beängstigenden Eindruck. Die Bewohner waren mehr als beunruhigt und viele rechneten bereits mit dem unmittelbaren Ende der Welt.
Zusammen mit Shawn wartete Laya unter einer überdachten Haltestelle in der Nähe der Rollschuhhalle. Es waren bereits zehn Minuten vergangen als sich der Himmel etwas lichtete. Eine kurze Zeit später erschien auch endlich Timothé mit eiligen Schritten auf sie zukommen. Schnaufend entschuldigte er sich für die Verspätung und nahm Laya etwas unbeholfen in den Arm. Auf Shawns Gesicht bildete sich ein leichtes Lächeln.
"So, da jetzt alle da sind, würde ich vorschlagen, wir können rein gehen", erklärte er und strich sich dabei sein Shirt glatt.
Laya nickte und zog beide Jungs an den Armen durch den leichten Regen mit sich. Sie hatte die beiden überredet etwas gemeinsam zu unternehmen und vorgeschlagen, dass sie zusammen zur Rollschuh Disco gehen könnten.
Shawn schien begeistert von der Idee und sagte sofort zu, um sich ein wenig von seinen Gedanken abzulenken. Im Gegensatz musste sie Timothé ein wenig dazu überreden. Sie selbst ist öfters mit ihrer Schwester zusammen gefahren, aber sie schätzte sich nicht besonders gut ein.
Nachdem sie sich die Schuhe ausgeliehen und angezogen haben betraten sie nacheinander die Skatefläche. Ohne zu zögern begann Shawn fast schon elegant seine Runden zu kreisen, jeder Schritt sah gekonnt aus, musste Laya zu ihrem Erstaunen feststellen.
"Woher kannst du so gut fahren?", fragte sie ihn, als er vor ihr hielt.
Lächelnd kratzte er sich am Kinn. "Ich habe tatsächlich als Kind zwei Jahre Eiskunstlauf gemacht, aber ich muss gestehen. Rollschuhfahren ist doch wieder etwas anders."
"Vielleicht kannst du Timo ein paar Tipps geben, wie er von der Stelle kommt", schlug Laya vor.
Neben Laya schnaufte Timothé sich an der Bande festklammernd, damit er nicht umfiel. Laya musste sich ein Lachen verkneifen, da er sein Gesicht so verzogen hatte.
Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute Shawn zwischen den beiden hin und her. "Ich warne dich Laya, wenn ich das mache, wird er am Ende um weiten besser fahren als du", erklärte Shawn mit einem verschmitzten Grinsen. Was Laya mit einem leichten Schlag gegen Shawns Schulter quittierte.
Ein gedämpfter Plumps ertönte und sie erblickten Timo mit den Beinen weit von sich gestreckt auf dem Boden sitzen. "Wisst ihr was, so ist es doch eh am gemütlichsten."
Daraufhin begannen alle lauthals loszulachen. Schließlich half Laya ihren Freund wieder auf die Beine und Shawn kam ihr zur Hilfe. So fuhren sie zusammen, außen jeweils Laya und Shawn, welche Timothé Hilfestellungen zum fahren gaben.
Später versuchten sie im Takt der Musik mitzuwippen, welche den Raum erfüllte. Mit geschlossenen Augen lauschte Laya dem Beat und probierte ihn in ihren Körper aufzunehmen und zu Tanzen. Sie wusste, dass sie keine gute Tänzerin war, aber sie wusste auch, dass es ihr in diesem Moment gerade absolut egal war, ob sie es konnte oder nicht.
Jedes mal, wenn sie ihre Augen wieder öffnete trafen sie die braunen von Timothé und jedes mal, machte ihr Herz einen Sprung. Glücksgefühle breiteten sich in ihrem Körper aus und man sah es ihr an. Das Lächeln stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Mit einer Geste der Hand, deutete sie Timothé an mit ihr zu tanzen. Sanft legte er seine Hände an ihre Taille und versuchte nicht wieder umzufallen. Langsam beugte er sich zu ihrem Ohr herunter und flüsterte: "Du bist so wunderschön."
Daraufhin schlang sie ihre Arme fester um ihn und bettete ihren Kopf an seine Schulter. Ihr Herz raste und sie hörte, wie es ihm genauso erging. Mit jeder Sekunde die verstrich, mit jedem Herzschlag wünschte sie sich, dass dieser Moment nie aufhören würde. Sie wollte ihn in sich aufnehmen, nie vergessen und sich in diesem Moment wälzen solange es noch ging.
Plötzlich umschlangen zwei starke Arme die beiden.
"Ich finde es so toll, dass wir zu dritt hier sind und Zeit miteinander verbringen. Wir drei. Zusammen", sagte Shawn sarkastisch.
Layas Kopf schnellte herum und sah in ein ihr viel zu nahes Gesicht. Nah. Zu nah. Auf Shawns Lippen breitete sich ein gepresstes Grinsen aus. Daraufhin stieß Laya ihn leicht von sich und fand sich kurze Zeit später auf dem Boden der Halle wieder. Shawn und Timo prusteten laut los.
Ihre Lippen zusammenpressend und mit verschränkten Armen sah sie die beiden bockig an. "Ihr Knallköpfe könnt mir auch gerne wieder aufhelfen, wenn es keine zu großen Umstände für euch wären."
"Kein Problem, Tramaqueen", Timo streckte ihr seine Hand hin. Vorsichtig legte sie die ihre in seine. Während Shawn um sie herum gefahren war und ihr unter die Arme griff.
"Was haltet ihr von einer kurzen Pause?", fragte Shawn und schob sich samt Timo und Laya zur Bandentür. Er nickte in Richtung der Sitze von denen aus, man einen guten Blick auf die Bahn hatte.
"Ich nehme an, du hast für uns entschieden", meldete sich Timo erleichterter zu Wort, als er klingen wollte.
Sie setzten sich in die vorderste Sitzreihe. Endlich bekam Laya die Gelegenheit, ihre Schuhe auszuziehen und ihre Füße wieder in ihre eigenen Schuhe zu stecken. Dabei hörte sie einige Gesprächsfetzen der Rollschuhfahrer, die an ihnen vorbeizogen.
"... habe gehört, dass D-Labs Implantate entwickelt zur Dedektion, ob die Begabt bist oder nicht."
"Scheiße, wenn die das wirklich durchziehen, dann sind ..."
Irritiert schaute sie auf und erblickte Timothé, welcher mit hochgezogenen Augenbrauen, den beiden hinterher starrte. Er hatte das also auch gehört, stellte sie nüchtern fest.
D-Labs sagte ihr etwas und wenn sie genauer darüber nachdachte, sogar sehr viel. Je mehr sie herausfinden wollte, woher sie es kannte, desto mehr verschwammen ihre Erinnerungen daran.
"Dèchanter Labs", laß Shawn, als hätte er ihre Gedanken gehört, von seinem Handy vor, "gegründet 2057 von Enael Dèchanter. Befasst sich hauptsächlich mit Genforschung und arbeitet dabei eng mit Regierungsorganisationen zusammen. Bis auf einen Vorfall vor ungefähr 25 Jahren in einer der Tochtergesellschaften scheint das Unternehmen eine weiße Weste zu haben."
Laya schluckte schwer und sank in sich zusammen. Enael. Lucs missbrauchender Vater. Ein Mann, der sich immer für die wichtigste und intelligenteste Person im Raum hielt. Sie hatte gehofft, dass sie diesem Namen nie mehr begegnete.
"Sag mal, heißt Isaacs... Freund... nicht auch Dèchanter?", Shawn richtete seine Frage direkt an Laya. Sie war nur imstande kurz zu nicken.
Nach ein paar Sekunden richtete sie sich auf und sah Shawn wissbegierig an: "Welche Tochtergesellschaft war denn in diesen Skandal verwickelt, den du vorhin erwähnt hattest?"
Er gab etwas auf seinem Handy ein und schien ein bisschen suchen zu müssen, bis er endlich antwortete. "Die Tochtergesellschaft heißt D-Adoptions und der Vorwurf war, dass sie die Kinder missbraucht wurden. In einem Gerichtsverfahren wurden jedoch diese Personen ermittelt und Dèchanter hat wohl persönlich dafür gesorgt, dass sie dann auch die Höchststrafe bekamen. Deswegen saßen drei Männer und eine Frau für 10 Jahre im Gefängnis."
Er sah zwischen Timo und Laya hin und her: "Also wenn ihr mich fragt, ist das kein Wunder, dass der Vorfall verschwiegen wurde, schließlich arbeiten sie mit der Regierung zusammen..." Wütend starrte er auf das Handy in seiner Hand.
Laya sank noch mehr im Sitz zusammen und nuschelte kaum hörbar. "Enael ist doch fast die Regierung."
Timo räusperte sich. Unsicher kratzte er seinen Hinterkopf und murmelte beschämt: "D-Adoptions war meine Adoptionsagentur."
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