Ohrenschmerz
Sie hatte gesagt: »Ich will, dass du mich ans Bett fesselst.«
Und bei Gott, er war kurz davor, ihre Arme zu nehmen und ihre Handgelenke an den beiden Bettpfosten aus Eichenholz zu befestigen; mit diesen verdammten Handschellen, die sie weiß der Teufel woher hatte, und die sie ihm just in diesem Moment in die Hand drücken wollte – mit ihren Zähnen.
Die Dinger baumelten aus ihrem Mund wie eine metallene Zunge. Ein angedeutetes Lächeln umspielte ihre Lippen, und ihre warme, glatte Haut glänzte weich im Licht der Stehlampe, die drüben in der Ecke stand. Es war die einzige Lichtquelle im Zimmer. Das Bett stand zwischen zwei Fenstern, von denen aus man in die nächtliche Häuserschluchten Manhattans schauen konnte. Dreizehn Stockwerke tiefer brummten Taxis über die 6th Avenue, irgendwo hörte er eine Sirene. Doch hier oben waren sie von all dem abgeschottet, waren in ihrer eigenen kleinen Welt.
Sie bewegte die Lippen. Die Handschellen klimperten.
Wie alt mochte sie sein? Neunzehn? Zwanzig? Vage erinnerte sich Neal daran, dass sie gesagt hatte, sie wäre neunzehn. Sie lag unter ihm, mit der Bettdecke zwischen sich und der samtigen Matratze, und hatte den Kopf etwas emporgestreckt, wie eine Sklavin, die um eine Traube bettelte. Ihr langes, honigblondes Haar ergoss sich über ihre Schultern und aalte sich über das Kopfkissen. Sie trug nur noch Unterwäsche und Rock. Es war ein sehr kurzer Rock, wie von einer Cheerleaderin. In der Bar heute am frühen Abend war er nicht der Einzige gewesen, dem das aufgefallen war. Bei Weitem nicht.
Sie reckte den Kopf und stieß mit zusammengebissenen Zähnen ein Kichern aus. Ihre haselnussbraunen Augen schimmerten vor Erregung. Als er noch immer nicht reagierte, winkelte sie die Beine an und schmiegte sie eng an seine Hüften, sodass sie ihn ein wenig einkesselte. Er schluckte.
Zögerlich streckte er die Hand aus und berührte das kalte, glatte Metall. Er streichelte es einen Moment, bevor er die Handschellen vorsichtig aus ihrem Mund nahm und dabei wie gebannt auf ihre Lippen starrte.
»Tu es«, hauchte sie, und ihr Lächeln war verschwunden – in ihrer Stimme lag der tiefe, kehlige Klang der Begierde, ein Klang, nach dem er sich so sehr gesehnt hatte und den er bei seiner Frau so sehr vermisste. Die quiekte höchstens, um ihn anzutörnen, wenn sie denn überhaupt mal darauf aus war, ihn anzutörnen. Warum dachte er eigentlich an sie? Er lag auf diesem jungen, wildfremden, aufregenden Ding, seine Frau war weit weg und schlief den Schlaf der Unwissenheit – und dennoch tat sich vor ihm nun der bewölkte Horizont eines schlechten Gewissens auf, ausgerechnet jetzt.
Mia legte den Kopf schief. »Worauf wartest du?«
Sie hob das rechte Bein, strich mit den Zehen über seinen Rücken. Er verkrampfte sich und schluckte noch einmal, konnte die feine Schweißschicht zwischen seinem Unterleib und ihren Oberschenkeln spüren. Über fünf Minuten saß er schon auf ihr, seit sie eng umschlungen aufs Zimmer getaumelt waren. Und er wusste, dass er sie wollte. Jetzt, sofort, so schnell wie möglich und heftig – aber er hatte das Gefühl, dass, sobald er ihr die Handschellen anlegte und sie richtig anfangen würden, es kein Zurück mehr davor gab, zuhause nur noch beschämt zu Boden schauen zu können und unaufhörlich mit seinen Gewissensbissen zu fechten. So lange, bis er es nicht mehr fertigbringen würde, seine Frau anzulügen.
Aber Mia.
Mia.
Das Mädchen unter ihm.
Sie war so wunderschön.
So wunderschön und heiß.
Tu es, erklang ihre Stimme in seinem Kopf. Tu es, worauf wartest du?
Ein drittes Schlucken.
»Komm schon«, wisperte Mia, jetzt wieder mit einem knappen Lächeln. »Tu's, Neal, es ist okay.« Sie strich über seine nackte Brust. »Ich will das.«
Heilige Scheiße, kann sie das nicht mal lassen?, dachte er, und für eine Sekunde überkam ihn der Gedanke, einfach von ihr zu steigen, seine Klamotten zusammenzusuchen und sich davonzumachen; einfach aus dem Zimmer und tschüssikowski. Mit dem Taxi zurück nach Queens, dem netten Fahrer mit der Cappy ein großzügiges Trinkgeld geben, die Wohnungstür aufschließen und sich dann zu seiner Frau ins Bett schleichen; sie an sich drücken, ihr einen Kuss in den Nacken hauchen und andeuten, dass der Abend heute doch nicht so entspannt verlaufen war, wie er es sich nach einem harten Arbeitstag angeblich erwünscht hatte. Vielleicht würde sie sich daraufhin sogar an ihn schmiegen, und dann morgens, vielleicht würden sie es da wie gewohnt tun, so wie sonst auch, wie so üblich in einer vollständig intakten Ehe, die nach außen hin doch nahezu perfekt zu sein schien.
Oh, aber dieser Frust. Diese Redundanz, diese Eintönigkeit. Das hier – dieser Ausflug, der Barbesuch, Mia, die am anderen Tresenende in ihrem Minirock dagesessen und ihn angelächelt hatte – das alles pulsierte förmlich vor knisternder Abwechslung und Freiheit, und um Gottes willen, wenn sein Unterleib doch vor Erregung schmerzte, dann musste er diesem Drang doch nachgeben, oder nicht?
Mia weckte ihn aus seinen Gedanken, als sie sich auf ihre Ellenbogen stützte und ihn stirnrunzelnd ansah. »Alles Okay mit dir?«
Schlucken Nummer vier. »Ja. Ja, ich glaub' schon. Es ist nur ...«
»Noch nie mit Handschellen?« Wieder das Lächeln. »Ich vertrau dir doch – und es ist genüsslich. Glaub mir.«
Sie strich ihm über die Brust, bis rauf an den Hals, über sein Kinn und über seine Unterlippe. Dann verschwanden ihr Zeige- und Mittelfinger in seinem Mund und sie zog ihn zu sich heran, als hinge sein Kiefer an einem Haken. Er kam mit ihren Brüsten in Kontakt, konnte das herrliche weiche Fleisch und die harten, aufgerichteten Nippel unter dem BH-Stoff spüren, bevor sie ihn küsste. Innig. Tief. Zu innig und zu tief.
Es ist doch schon zu spät, sagte Neal sich.
»Los«, wisperte sie wieder und mit ihren Lippen noch halb auf seinen, sodass ihr süßlicher, warmer Atem in seinen Mund drang. »Tu es. Ich gebe mich dir hin. Voll und ganz.« Sie küsste ihn noch einmal. »Voll und ganz, Neal. Los.«
Sie lehnte sich wieder zurück, zog ihn aber mit sich, sodass er vollends auf ihr lag und sich ihre Nasenspitzen berührten. Aus dem Augenwinkel sah er, wie sie ihren linken Arm ausstreckte und das Handgelenk an den Bettpfosten drückte. Einem Impuls folgend – einem Impuls, der jeglichen Gedanken und jegliche Bedenken in einen entlegenen Teil seines Gehirns verdrängte – legte er seine Stirn auf ihre, sah ihr tief in die Augen und beförderte das Paar Handschellen an der Innenseite ihres Arms entlang, sodass sie ein bisschen zusammenfuhr. Behutsam ließ er das Metall über ihre Haut gleiten, bis über ihre Fingerknöchel. Und schließlich ließ er sich hingeben. Er rastete den einen Metallriemen um den Bettpfosten, den anderen beförderte er ganz langsam um ihr Handgelenk.
Klick.
»Das andere Paar«, sagte Mia und schluckte nun selbst, die Lippen halb geöffnet.
Er griff zum Nachttisch, nahm das zweite Paar Handschellen und wiederholte die Prozedur an ihrem rechten Handgelenk. Nach zehn Sekunden langsamen Herantastens war Mia mit beiden Armen ans Bett gefesselt. Ihr Atem ging schwer, und sie sah ihn mit dunkel verschleierten Augen an, die Pupillen zu zwei matten Kugeln geformt. Neals Herz pochte schon jetzt hemmungslos, und das Blut pumpte wie verrückt zwischen seine Beine.
Mia strich mit den Zehen über seinen Rücken und an seinem Oberschenkel entlang, bis ihre straffen Wadenmuskeln die seinen berührten. Eine wabernde Wolke aus Lavendel und Seife umgab ihren Körper, gemischt mit einer feinen Note Schweiß.
»Ich bin dein«, flüsterte sie, und stemmte ihre Füße gegen seine Fersen.
Mein lieber Scholli, die weiß, was sie tut, ging es Neal durch den Kopf. Alles an ihr war aufregend und exotisch und ungewohnt – ein schimmernder heller Juwel. Warum sollte er sich ihr nicht hingeben? Gewiss, seine Frau besaß noch immer ihre Reize, und in ihrem Bett herrschte keine tote Hose – noch nicht, zumindest –, aber sie taten es immer seltener, immer eintöniger, immer routinierter. Ohne Feuer, ohne Leidenschaft, ohne Abwechslung.
Ohne Handschellen, natürlich.
Mia regte sich unter ihm, ein Zeichen ihrer Ungeduld. Neal schüttelte seine Gedanken fort, drückte seine Stirn fester an die ihre und strich mit der linken Hand ihren Arm hinauf. Langsam. Er wollte langsam anfangen, sie ein bisschen zappeln lassen und mit ihrer Beherrschung spielen. Sie kicherte unter der Berührung, bevor sich ihre Lippen erneut fanden und er ihren Arm wieder nach unten strich, mit beiden Händen ihre Taille umschloss. Langsam ließ er seine Finger an ihrem Körper emporwandern, während er zugleich ihren Hals liebkoste und sie ihren Kopf in den Nacken legte, um ihm Platz zu gewähren. Als er ihre Brüste umschloss und zu kneten begann, stieß Mia ein Keuchen aus und strampelte mit den Beinen. Gut so.
Seine Zunge wurde unbändiger, leckte über ihren Kehlkopf. Mia winkelte das rechte Bein an, und Neal drückte es an sich und hielt es am Oberschenkel umklammert, während er mit der Zunge zwischen ihre Brüste glitt und ihren Bauch zu küssen begann. Sie schlang die Wade um seinen Nacken, rüttelte an den Handschellen, und Neal drückte Daumen und Zeigefinger zusammen und kniff ihr in die Brustwarzen.
Mia stöhnte.
Neal dachte an seine Frau.
Ich kann das nicht machen, dachte er und hob das Gesicht.
»Weiter«, flehte das Mädchen unter ihm. »Weiter, mach weiter.«
Mach's ihr schnell mit der Hand, dann verzieh dich, sagte er sich, aber die Art, wie sie die Worte sagte – winselnd, sich ihm voll und ganz ergeben –, erregte ihn nur noch mehr, überschwemmte ihn mit einem mächtigen Gefühl der Kontrolle, das das Bildnis seiner Frau erneut vollständig auslöschte. Er nahm Mias Bein hinter seinem Kopf hervor und fuhr mit der Zunge darüber entlang, vom Fuß bis zum Knie. Mia streckte das Bein, sodass er bis an ihren Oberschenkel gelangte, dann winkelte sie es wieder neben ihn an und ließ sich überall von ihm liebkosen – auf ihrem Bauch, ihren Brüsten, ihrem Hals.
Sie hat Schuld, dachte er dabei. Mia hat Schuld, dieses Flittchen einer Studentin hat Schuld. Dann, nach kurzer Pause: Gott hat Schuld, dass ich das hier mache. Die Evolution. Wir sind nicht für Monogamie konzipiert, verflucht nochmal.
Neal kroch etwas zurück, umkreiste mit der Zunge Mias Bauchnabel, und sah nach ein paar Sekunden zu ihr auf. Sie nickte, schwer atmend und mit vor Schweiß glänzender Stirn.
Gemächlich zog er den Reißverschluss ihres Minirocks auf.
Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt, dachte er dabei belustigt und leckte sich über die Lippen.
Er zerrte ihr den Rock über die Schenkel, doch Mia drückte die Knie zusammen und lächelte auf ihn hinab. Sie wollte ihn herausfordern. Aber jetzt war er dran. Er allein.
»Gehorchst du mir?«, fragte er mit kehliger Stimme.
Die neunzehnjährige Mia nickte.
»Dann sag es.«
»Ich gehorche dir.«
Ja. So gefiel ihm das. So war es richtig. Langsam begann er, den Rock über ihre Knie zu ziehen, hielt dann aber erneut inne.
»Und du tust, was ich dir sage?«
»Ja«, antwortete Mia mit keuchender Stimme. »Ja, bitte, ich tue, was du sagst.«
Neal nickte, dann zog er ihr den Rock endgültig über die Beine und fiel sofort wieder über sie her, versank mit ihr in einem wilden, stürmischen Rausch. Irgendwo in seinem Verstand geisterte ihm dabei die Frage durch den Kopf, ob er sich sich heute Abend auch dann hierzu entschieden hätte, wenn solche Spielchen mit seiner Frau an der Tagesordnung wären. Hätte er sich dann dazu entschlossen, in der Bar zu jenem jungen Ding rüber zu gehen, nachdem sie sich eine Viertelstunde lang mit intensiven Blicken betrachtet und einander angelächelt hatten – wissentlich, was ihnen im Kopf rumschwebte? Hätte er sich dann von Mias Reizen beeinflussen lassen, von ihrem knappen Top und dem Minirock und den Halbstiefeln, von ihrem süffisanten, herausfordernden Grinsen, mit dem sie seinen Ehering betrachtet hatte? Er wusste es nicht, doch jetzt spielte es auch keine Rolle mehr. Jetzt war er hier, seine Frau war Zuhause, und er betrog sie, und er fand das, nüchtern gesagt, in Ordnung. Fand es aufregend. Er und Mia teilten sich ein dunkles, anrüchiges Geheimnis, hatte sich zu einem verschwörerischen Bund vereinigt. Beide wussten sie, was sie taten, und beide ließen sie sich davon beflügeln.
»Du bist meins«, flüsterte Neal, und abrupt grub er eine Hand in ihre Mähne und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Sie verstand den Befehl und begann mit der Zungenspitze seine Brustwarzen zu umspielen, sie sanft zu beißen. Gleichzeitig strich sie mit ihrem Fuß erneut seinen Rücken hinab und machte Anstalten, ihm mit den Zehen seine Boxershorts vom Leib zu zerren. Neal jedoch packte ihr Bein und drückte es grob wieder nach vorn. Noch nicht. Er bestimmte hier, nicht sie.
»Weiter«, raunte er, mit einer Stimme, die ihm fremd war, ihm jedoch auch außerordentlich gefiel. Und Mia gehorchte. Oh, sie war ganz allein seins. Während sie ergeben seine Brust liebkoste, schmiegte er zufrieden die Stirn ans Kopfende vom Bett, sah einmal auf die rechte Handschelle, dann auf die linke, und im selben Augenblick bemerkte er auch etwas auf dem Boden. Etwas, das ihn ganz kurz, für den Hauch einer Sekunde, ablenkte. Es war ein schwarzer Schemen, nicht größer als ein Nadelkopf, doch so länglich wie eine Gabel, und auf dem ersten Blick sah es so aus, als pule er sich aus einem Loch im Boden, als kräuselte er sich zwischen den Laminatbrettern hervor. Neal musste an einen Tausendfüßler denken, an einen haarigen Tausendfüßler, vergaß das Ding aber wieder, als Mia ihm auf einmal in die Brustwarze biss und er aufschrie.
Neckisch grinste sie ihn an und leckte sich über die Zähne. Eine Schweißperle rann an ihrer Schläfe hinab.
Mit einem bösen Funkeln erwiderte Neal ihren Blick. Langsam richtete er sich über sie, und tatsächlich sank sie mit dem Kopf etwas ins Kissen zurück, so als fürchtete sie sich plötzlich vor ihm.
»Dafür muss ich dich bestrafen«, sagte er.
Mia sagte nichts. Schwer atmend lehnte er sich etwas zurück und strich mit den Fingerspitzen von ihrem Bauch bis rauf an ihren Kehlkopf. Langsam schloss er seine Hand um ihren Hals, und fraglich sah er sie an. Sein Blick war aufrichtig.
Mia nickte.
Neal drückte zu. Er spürte, wie ihr Adamsapfel zuckte, wie sie zu schlucken versuchte und nur ein Röcheln zustande brachte. Die Sehnen an ihrem Hals traten hervor. Er drückte noch fester zu, beugte sich mit gebanntem Blick vor und beobachtete erregt, wie sie sich wand und mit den Beinen strampelte. Ihr Gesicht lief bläulich an, und Neal zögerte und lockerte den Griff ein wenig, doch als Mia sich seiner Hand sogleich wieder entgegenreckte, ließ er alle Vorsicht fahren und drückte mit aller Kraft zu, die er aufbringen konnte. Die Handschellen rasselten, während Mia sich mit kehligen, krächzenden Lauten wand und ihren Rücken durchbog. Verzweifelt stieß sie Neal ihr Becken entgegen. Und das gab ihm den Rest. Hektisch ließ er von ihrem Hals ab – erleichtert schnappte sie nach Luft –, tastete nach ihrem Höschen und wollte es ihr über die Beine zerren. Wieder drückte sie die Knie aneinander, wieder grinste sie ihn dabei an. Zugleich stieß sie weiter zu, sehnte sich mit ihrem Becken nach dem seinen.
Neal lächelte.
Sie stöhnte auf, als er sich auf sie warf und ihr den BH vom Körper riss. Wie wilde Pinselstriche rieb er sein Gesicht über ihre Brüste, saugte an ihnen, biss hinein, leckte sie. Mia stöhnte immer lauter. Neal steigerte sich in einen ungehaltenen Rausch, und als er zwischenzeitlich aufsah, um nach Luft zu ringen, sah er aus dem Augenwinkel wieder diesen Schemen. Einen Augenblick lang verharrte er mit gerunzelter Stirn, ignorierte Mias Betteln, weiterzumachen.
Diesmal war dieser Schemen näher am Bett.
Vermutlich ein haariger, langer Fussel. Nichts Wichtiges. Teufel, im Moment gab es nichts wichtigeres als das Mädchen unter ihm. Neal wandte sich wieder von dieser Sinnestäuschung ab und tauchte mit seinen Lippen zwischen Mias Brüste. So bekam er nicht mit, wie jener schwarze Schemen unterm Bett verschwand. Sich dem Pfosten am Fußende näherte.
Inzwischen klebten ihre Leiber vor Schweiß beinahe aneinander. Mia zerrte und bäumte sich immer weiter auf, tat immer noch so, als wolle sie sich ihm widersetzen. Neal biss in ihre rechte Brustwarze, und als sie schmerzvoll aufstöhnte, presste er eine Hand auf ihr Gesicht, um ihr die Stimme abzuschneiden. Sie stieß noch immer gegen ihn, und gleichzeitig leckte sie den Schweiß von seiner Handfläche. Neal verkrampfte die Finger, kratzte dabei über ihre Stirn, und dann endlich spreizte sie die Beine. Ungelenk zerrte er ihr das Höschen über die Füße, strampelte sich die Boxershorts bis über die Knie, warf sich wieder auf sie und drang mit einem kräftigen Stoß in sie ein. Die Matratze quietschte, das Kopfteil stieß rhythmisch gegen die Wand. Er keuchte hektisch, während Mia den Kopf in den Nacken legte und das klatschnasse, honigblonde Haar an ihren Wangen kleben blieb. Selbstvergessen schlang sie die Beine um ihn und rüttelte wild an ihren Handschellen, und bei dem Gedanken, dass sie mit ihrem lauten, animalischen Gestöhne womöglich sämtliche Zimmernachbarn aus dem Schlaf riss, grinste er.
Mehr und mehr hetzten sie in die Besinnungslosigkeit.
Und auf einmal bemerkte Neal, dass da etwas Buschiges an seinem Fußballen rieb. Es glitt an seiner Wade hinauf, und benebelt fragte er sich, ob das vielleicht Mias Höschen war, das sie da mit ihren Zehen über sein Bein tänzeln ließ. Doch dann konnte er vage spüren, wie etwas über seine Boxershorts glitt, die noch immer zwischen seinen Knien hing, etwas, das sich wie ein Wattebausch anfühlte. Im nächsten Moment war es auf seiner Hüfte, und dann kitzelte es ihn auf seinem Rücken. Es kitzelte ihn und es wurde schneller – und dann erreichte es seine Schulter.
In dem Moment, in dem sich Mia nicht mehr halten konnte und ihre Hüften wie unter Stromstoß zuckten, kroch da etwas seitlich an seinem Nacken hoch, und er dachte noch, dass es eine Fliege oder so etwas war, bevor etwas Buschiges an seinem Ohr kitzelte und dann mit einem Ruck – wie eine Feder, die man durch einen Strohhalm zog – in diesem Ohr verschwand und so brachialer Schmerz über sein Trommelfeld hereinfiel, dass er schrie.
Mia schrie nach Gott.
Neal schrie nach Hilfe.
Er hielt sich die Hände vors Gesicht, brüllte hinein, warf unkontrolliert den Kopf hin und her. Es kriecht, dachte er. Es kriecht hinter meine Augen, o Gott –
Plötzlich knirschte da etwas irgendwo hinter seiner Nase, direkt mittig in seinem Schädel, und vor seinen Augen blitzen weiße Punkte auf. Er verschluckte sich und schmeckte Blut, und es war, als stecke plötzlich ein Küchenmesser in seinem Rachen. Vor lauter Benommenheit und Schmerz bemerkte er nicht, dass er sich noch immer in Mia bewegte, heftig vor und zurück stieß und schrie, und dass Mia von einem Höhepunkt zum nächsten flog und ihre Augen vor Sinnesrausch inzwischen flatterten. Das alles bemerkte Neal nicht, er bemerkte nur Schmerz, und dann rutschte da was in seinen Magen.
Ich kotze, dachte er, doch das tat er nicht. Eine neue Schmerzenswelle raste durch seinen Körper, und irgendwas Haariges flutschte in seinen Darm. Seine Eingeweide fühlten sich an, als würden sie brennen, und als er bemerkte, dass sich dieses Etwas in seinem Darm bewegte, sich bewegte wie ein Bandwurm, überfiel ihn nicht nur mehr der Schmerz – jetzt war es Panik, und er begann so laut zu schreien, dass seine Stimme heiser wurde, dass er kam, dass er sich in Mia entleerte, und dass Mia sich gleichermaßen unter ihm aufbäumte, heftig zuckte, und so kräftig an den Handschellen rüttelte, dass ihre Haut anschwoll. Noch während Neal selbst erschauderte und sich Panik und Schmerz mit der Intensität seines Höhepunkts vereinten, dachte er, in einem letzten Moment, in dem er bemächtigt war, noch zu denken, dass sich all das gut anfühlte, dass es sich gelohnt hatte, und dann dachte er nichts mehr. Der Schmerz schoss zwischen seine Beine und wurde unerträglich, und ihm entging, wie Mia von Neuem schrie, jetzt aber nicht mehr vor Lust, sondern vor Qual.
»Du tust mir weh!«, kreischte sie Neal ins Gesicht, während die Matratze immer noch unter ihnen quietschte. »Hör auf! Hör auf! Du tust mir weh! Runter! Runter, du Drecksschwein!«
Brennender Schmerz loderte zwischen ihren Beinen auf, wie glühendes Eisen, und nur für den Bruchteil einer Sekunde schaffte es ihr von Orgasmen und Erschöpfung und Schmerz erschütterter Körper, zu registrieren, dass Neal nicht einfach nur kam, sondern dass da etwas mit ihm kam. Sie schrie auf, bevor er auf ihr zusammensackte und ihren Körper ins schweißnasse Lacken drückte, sodass ihre Stimme mit einem letzten Quieken erstickte und ihr die Luft wegblieb. Jetzt kotzte er, mitten auf ihre Brust und in ihr Gesicht, doch sie registrierte es kaum noch. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und in ihrem Kopf, der vor Gefühlswallung kaum noch des Denkens bemächtigt war, spannten sich ihre Gedanken um eine letzte glimmernde Kugel aus Zorn und Angst und Abscheu ... und auch ein wenig Hoffnung: Er hat mich vergewaltigt. Er hat mich vergewaltigt, deswegen tut es so weh. Ich wurde vergewaltigt, deswegen brennt es so. Daran liegt es, allein daran.
Bevor sie ohnmächtig wurde, zuckte etwas durch ihren Unterleib – mit einem haarigen, buschigen Gefühl, so als würden Vogelfedern an ihren Eingeweiden kitzeln –, und die Wahrheit manifestierte sich für einen winzigen, erschreckenden Moment am Rande ihrer Wahrnehmung ... dann wurde ihr schwarz vor Augen, und alles Fürchten und Hoffen hörte auf. Sie bekam nicht mehr mit, wie Neal ein letztes Mal zuckte, seinen säuerlichen Atem in ihr Gesicht stieß, und sich dann nicht mehr bewegte.
Sie sah nicht das Blut, das aus seinem linken Ohr tröpfelte.
***
Am nächsten Morgen parkte vor dem Haus eines fremdgegangenen Ehemannes in der 173rd Street im Stadtteil Queens ein Zivilwagen des NYPD. In der Küche dieses Einfamilienhauses war es, abgesehen vom Kühlschrankrumoren und dem Ticken der Wanduhr still, und die Frau, die Detective Raymond gegenübersaß, machte einen sehr stummen, nachdenklichen Eindruck. Sie starrte in die Kaffeetasse, die sie seit fünf Minuten mit beiden Händen umschlossen hielt, als suche sie darin nach etwas. Die Tasse von Detective Raymond war inzwischen lauwarm.
»Hat er verhütet?«, fragte die Frau irgendwann mit leiser, zurückhaltender Stimme.
»Nun, äh ... nein.« Dann, etwas hilflos: »Tut mir leid.«
Sie schenkte ihm ein trauriges, fahles Lächeln. »Jetzt ist es sowieso egal.«
Detective Raymond schwieg.
Die Frau stemmte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich etwas vor. »Und dieses ... Mädchen? Hat er sie ...?«
»Nein.« Raymond korrigierte seine Sitzhaltung. »Nein, es war ... freiwillig; zumindest sieht es im Moment danach aus. Sie war zwar angekettet, aber mit Handschellen, und wir gehen davon aus, dass das eher zu ihrem Vergnü ... also, es war wohl alles freiwillig. Sobald sich der Zustand der Dame gebessert hat, werden wir uns mit ihr unterhalten.«
»Sagen Sie, Detective – wie alt war sie?«
»Neunzehn, Ma'am.«
Neals Frau sah aus dem Fenster und nahm einen Schluck Kaffee. Das Lächeln, das um ihre Lippen spielte, wirkte irgendwie von Hass und Trauer zugleich erfüllt. Sie schwieg sehr lange, und Detective Raymond wurde die Sache mit jeder Sekunde unangenehmer. Dampf stieg aus den Tassen, an der Wand tickte der Sekundenzeiger, und irgendwo draußen mähte jemand seinen Rasen. Obwohl Raymond der Frau ansah, dass sie mit der Fassung rang, wirkte sie doch ziemlich gefasst.
»Immerhin«, sagte sie schließlich.
Raymond stutzte. »Wie bitte?«
»Immerhin haben sie schutzlos gevögelt, jetzt, wo ich es mir überlege. Wenn schon, dann hoffentlich mit Folgen für dieses Miststück.«
»Inwiefern? War Ihr Mann ... war er etwa geschlechtskrank?«
»Wo denken Sie hin? Wir haben stets verhütet, weil Kinder ... nie wirklich in unserem Interesse lagen. Aber wer weiß, ob er sich in den letzten Tagen nicht bereits anderswo etwas zugezogen hat.« Sie seufzte. »Wer weiß, ob dieses Flittchen die Erste war.«
Nach kurzem Schweigen räusperte sich der Detective. »Die Tests werden noch etwas auf sich warten lassen, bevor wir Genaueres bei der Dame feststellen können.«
»Und wenn schon«, sagte Neals Frau, und als sie erneut am Kaffee nippte, hatte Raymond den Eindruck, dass sie irgendwie zufrieden wirkte. »Sie sollte das nächste Mal aufpassen, die Kleine. Man weiß nie, was man sich einfängt.«
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