Die ersten Tage in Vancouver und Cody
Vancouver ist eine wunderschöne Stadt.
Aber genauso wie sie schön ist, ist sie auch teuer.
Verdammt teuer.
Die ersten vier Nächte im Hostel waren schon von der Organisation eingebucht, sodass ich zumindest vier mal 24 Stunden lang in einer sicheren Seifenblase leben und mir erstmal keine Sorgen über meinen weiteren Verbleib machen musste.
In den ersten Tagen erledigte ich alles, was ich erledigen musste. Bankkonto eröffnen, Steuernummer beantragen, einen kanadischen Prepaid-Handyvertrag abschließen... Diese Schritte funktionierten zum Glück auch völlig ohne Probleme.
Ich habe noch andere von der Organisation kennengelernt und fleißig erkundigten wir Downtown Vancouver. Bei jedem Schild auf dem ‚Now hiring' stand, habe ich mein Handy gezückt und ein Foto gemacht; immerhin konnte das ja nicht schaden.
Mein Plan war es eigentlich, erstmal in Vancouver für eine längere Zeit zu bleiben, einen festen Job in z.B. einem Café zu bekommen und ein WG-Zimmer zu finden.
Von Zuhause aus habe ich bereits fleißig auf Craigslist den Wohnungsmarkt in Vancouver im Auge behalten. Und schon da ist mir aufgefallen, wie unfassbar schlecht er ist. Downtown darf man gar nicht erst in Betracht ziehen, wenn man nicht gerade 1000 CAD für einen Schlafplatz auf der Couch (oder fürs Solariumzimmer....; ja, dann hat man das Zimmer, wo eigentlich nur ein Solarium drinstehen würde; ja, da passt dann nur ein schmales Bett rein und ja, es hat keine Fenster) ausgeben möchte. Mein Budget, was ich mir vorgestellt habe, um auch noch Geld fürs Reisen zu sparen, wäre um die 500 CAD. Da findet man aber höchstens etwas in Surrey oder Burnaby; heißt etwas außerhalb. ‚Etwas' habe ich gedacht, als ich mir im Internet Fotos von Vancouver angesehen habe. Aber dann war ich selbst in Vancouver und mir ist bewusst geworden, wie riesig diese Stadt ist. Wenn ich so weit außerhalb wohnen würde, hätte ich einen Weg von über einer Stunde, wenn ich Downtown arbeiten würde. Nicht zu vergessen, dass ich dann auch ein Monatsticket für mehrere Zonen kaufen müsste.
Und dann muss man natürlich erstmal etwas seriös Klingendes finden, wo man bleiben möchte. Nicht zu vergessen, ob man sich erstmal um eine Wohnung bemüht, obwohl man nicht weiß, ob man einen Job findet und dann gleich mehrere Monatsmieten im Voraus bezahlen muss oder zuerst einen Job sucht und dann womöglicherweise keinen Wohnort findet und dadurch weiterhin Minus macht, da es um die 2500 CAD kosten würde, wenn man einen ganzen Monat im Hostel leben würde (nicht zu vergessen, dass diese oft ausgebucht sind). Ja, es wurde so langsam kompliziert für mich und meine vier Tage im Hostel neigten sich dem Ende zu.
Zuerst buchte ich eine weitere Nacht dazu. Für unglaubliche 68 CAD, das sind umgerechnet ca. 50 Euro.
Für ein Bett in einem Mehrbettzimmer und Gemeinschaftsbad. (Keine Frage, das Hostel war super cool und sauber, aber bei 68 CAD blutet einem schon das Herz).
Ich hielt weiterhin erstmal die Augen nach einem Job offen und sah mir weiter Vancouver an. Zusammen mit einem anderen Mädchen leihten wir uns Fahrräder aus und fuhren durch den Stanley Park. Am English Bay Beach passierte es schließlich.
Natürlich durfte so etwas nicht fehlen.
Der typische so-etwas-passiert-doch-nur-in-Filmen-Moment.
Ich erzähle euch jetzt von Cody, damit ihr etwas zum Lachen habt. Mehr oder weniger.
Es war so;
Ich saß mit dem anderen Mädchen am Strand und nur wenige Meter vor uns lag ein nicht ganz so schlecht aussehender Junge und sonnte sich. Er lag auf dem Bauch, hatte seinen Kopf auf die Arme abgestützt und sah in unsere Richtung. Wir fühlten uns von ihm beobachtet, wussten aber nicht, ob er uns wirklich ansah oder vielleicht die Augen geschlossen hatte, da er eine Sonnenbrille trug.
Dies war aber der Moment, in dem wir auf ihn aufmerksam wurden und anfingen über ihn zu sprechen.
Das erste, was ich meinte war: „Vielleicht kommt er ja aus Deutschland..." Das Mädchen, mit der ich unterwegs war – nennen wir sie einfach Mal M. – meinte daraufhin nur: „Ach Quatsch, als wenn, schau doch, er hat eine Tasche von der Uni von Vancouver, er ist bestimmt Student!"
Und dann fing es an. Aus Langeweile suchten wir einen passenden Namen für ihn – wir tauften ihn Cody, da er wie so ein Surferboy aussah – sprachen im Spaß darüber, dass er intellektuell wirken will, weil er für drei Minuten ein kleines Buch herausgekramt hatte, diskutierten über seine Haare und, und, und...
Und dann kam plötzlich ein Mädchen auf ihn zu, kniete sich vor ihm hin und gab ihn einen Zettel. Innerhalb einer Sekunde stand sie wieder auf und ging. Und M. und ich waren geschockt („Nein, das glaub ich jetzt nicht!" „Hat sie ihm gerade ihre Nummer gegrben?" „Ach, deswegen ist Cody so lange am Strang geblieben." , „Ach und jetzt geht er wohl direkt, kaum hat er die Nummer?", „Er ist eh nicht mein Typ, etwas zu klein.").
Nach zwei weiteren Minuten stand er wirklich auf und packte seine Sachen zusammen.
Ein letztes Mal wollte ich ihn anschauen und betont gleichgültig dann meinen Blick schweifen lassen. Aber womit wir beide nicht gerechnet haben, war, dass Cody uns die ganze Zeit ansah, während er sich den Weg zur Promenade machte.
Und dann bei uns stehen blieb.
Und dann den Mund öffnete.
Und auf deutsch sprach: „Ach, ihr kommt also auch aus Deutschland?"
In diesem Moment bin ich innerlich gestorben. Ich konnte ihn nicht ansehen. Denn wenn er mitbekommen hat, dass wir deutsch reden, dann auch, dass wir über ihn geredet haben. Denn er war das einzige Gesprächsthema der ganzen letzten Stunde gewesen. M. war genauso geschockt wie ich, bekam es aber noch auf die Reihe etwas zu antworten, bevor er uns mit einem Grinsen noch viel Spaß wünschte.
Kaum war er weg, lachten und weinten wir zugleich. So viel dazu, dass er auf jeden Fall nicht aus Deutschland sein konnte, weil er eine kanadische Tasche hatte. Und so viel dazu, dass nur solche Szenen in Filmen passieren...
Auf dem Rückweg ins Hostel kam es sogar zu meinem ersten ungezwungenen Gespräch mit einem Barkeeper über einen möglichen Job, da er gesehen hatte, wie ich das ‚Now hiring'-Schild fotografiert habe, aber noch am gleichen Abend wurde mir endgültig bewusst, dass das keine mögliche Option war und ich eigentlich so schnell wie möglich aus Vancouver raus musste. Ich buchte noch zwei weitere Nächte in einem anderen Hostel, das ein paar Dollar günstiger war und beschloss, mich erstmal beim WWOOFing anzumelden, um Zeit und Geld zu sparen.
WWOOF ist eine Plattform, auf der man sich anmelden und dann nach z.B. Ranch und Farmen suchen kann, die Unterstützung brauchen. Man arbeitet für sie dann im Durchschnitt vier Stunden am Tag und bekommt dafür Kost und Logis (gut, wenn man daran denkt, dass eine Nacht im Hostel 68 CAD kostet und ich nur zweimal am Tag in meiner Zeit in Vancouver gegessen habe: Einmal das kostenlose Frühstück und dann Abends meine billig gekauften Nudeln ohne Salz mit Ketchup, da ich es nicht eingesehen habe für eine Portion Arabiata 10 CAD zu bezahlen. Klingt vielleicht etwas geizig, aber ich weiß, dass ich noch einige Monate in Kanada überleben muss, also wollte ich nicht gleich zu Beginn so viel ausgeben).
Ich schrieb mehrere Farmen am Montag an und bereits am Dienstag hatte ich von zwei eine Antwort. Einmal hätte ich Knoblauch in der Nähe von Kelowna ernten können und die zweite Bestätigung war von einer kleinen Privatranch mit Pferden auf Vancouver Island.
Die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Immerhin würde Letzteres bedeuten, dass ich wieder mit Pferden arbeiten konnte, etwas, was ich Zuhause jeden Tag machte und mir bereits nach dieser einen Woche in Kanada gefehlt hatte.
Am nächsten Tag kam dann die endgültige Bestätigung und nach einem kurzen letzten Besuch am English Bay Beach zum Sonnenuntergang buchte ich spät abends meine Busverbindung zu dem kleinen Ort auf Vancouver Island. Denn keine 12 Stunden später sollte es bereits losgehen.
Daran sieht man mal wieder die Spontanität von Work and Travel. Aber irgendwie hat genau das auch seinen gewissen Reiz.
Ein paar Fotos.
Der English Bay Beach ist beim Sonnenuntergang echt unglaublich schön.
Schreibe bald weiter, denn Vancouver habe ich am 11.7 in Richtung Vancouver Island verlassen. Heißt, ich habe noch so einiges nachzuholen ;)
Bis bald,
eure Merle
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