Storytime
ODELA
Die Vögel zwitscherten und während Dela ihnen zuhörte beobachtete sie ein Eichhörnchen, das sich geschickt über die Äste der Bäume hinweg bewegte. Das fröhliche Keckern des Tieres mischte sich mit dem Gesang des Waldes und die blonde junge Frau schloss träumerisch die Augen. Sie hatte einen Moment alleine gebraucht und sich in den großen Garten geschlichen, der an den Eifelwald grenzte.
Selbst ihre Wölfin war erstaunlich still. Zum ersten Mal seit Nico in ihr Leben getreten war, versuchte ihr Seelentier sie nicht mit allen Mitteln in seine Richtung zu steuern. Stattdessen lag sie friedlich zusammengerollt in den Tiefen von Odelas Seele und dachte nach.
„Hier bist du..."
Lautlos ließ sich Mila neben der Omega auf dem Baumstamm nieder.
„Er hat dir viel zum nachdenken gegeben, was?" Dela nickte und sagte leise: „Ich dachte immer, dass Alphas herrisch sind und wild und aggressiv... Ich dachte wirklich, dass er meine Mutter töten würde."
Die Delta Wölfin lehnte sich zurück und zupfte einen langen Grashalm aus. „Nico ist was besonderes," sagte sie. „Er ist außergewöhnlich stark und leidenschaftlich. Die Tatsache, dass er deine Mutter den Menschen übergeben hat, zeugt von seinen tiefen Gefühlen für dich. Denn normalerweise hätte er diese Gerichtsbarkeit nicht hergegeben. Adelheid hat dir geschadet. Sie hat dich verletzt und gequält und deine Seele in Gefahr gebracht. Der Alpha - sein Wolf wollte den Kopf deiner Mutter für dieses Verbrechen. Aber Nico war klar, dass wenn er sie töten würde, du ihm das wahrscheinlich niemals vergeben würdest. Und deswegen überlässt er das Urteil einem menschlichen Gericht. Damit du dich nicht zwischen deiner Mama und ihm entscheiden musst."
„Er ist ein guter Mann... Und ein noch besserer Wolf. Er wird ein großartiger, königlicher Alpha werden, wenn sein Vater irgendwann zurücktreten wird," gab Odela zu.
Mila drehte geistesabwesend den Grashalm zwischen den Fingern und fragte schließlich: „Was hält dich denn dann zurück? Wir alle wissen mittlerweile, dass es eine Anziehungskraft zwischen euch beiden gibt. Natürlich... auf der einen Seite hat sein Wolf dich längst als Gefährten erkannt. Aber auch du fühlst was für Nico.... Also, was hält dich zurück?" Dela lehnte sich jetzt ebenfalls zurück und beobachtete das Eichhörnchen wieder, welches sich nun die Backentaschen mit Eicheln vollstopfte.
„Ich hab Angst," gab sie zu. „Das einzige Mal, dass ich mit einem Mann ... Jungen zusammen war... er hat mich verarscht. Mir wehgetan und mich danach gedemütigt. Mir ist klar, dass ich Nico nicht mit ihm vergleichen kann. Aber damals hab ich mir geschworen, dass ich nie wieder einen Kerl an mich heran lassen werde."
Mila schmunzelte und knuffte ihr mit dem Ellbogen sanft in die Seite.
„Ich kann das verstehen. Glaub mir. Bevor Dean mich als Gefährtin erkannt hat, war er der größte Player, den du dir vorstellen kannst. Ich glaube, es gab in dem ehemaligen schwedischen Youngster Rudel nicht eine Wölfin die er nicht schon flachgelegt hatte. Manchmal auch mehrere auf einmal. Ich bin in ihn verliebt, seit ich acht Jahre alt war. Er war mein Babysitter früher und ich eine verrückte kleine Göre, die voll auf diese babyblauen Augen abgefahren ist. Aber ich hatte seinen Ruf während wir heranwuchsen immer im Hinterkopf. Ich hab mich einfach nicht getraut mich auf ihn einzulassen. Ich hab immer gedacht, er würde mit mir spielen - einmal über mich drüberrutschen und das war's dann. Aber ich wollte mehr. Ich wollte ihn! Ich wollte ihn für immer und exklusiv. Als er dann 18 wurde hat sein Wolf mich endlich erkannt. Doch selbst da war ich immer noch misstrauisch. Also, hab ich ihm gesagt, ich trete mit ihm den Gefährtenbund wenn er es schafft ein Jahr lang völlig abstinent zu sein. Oh, er war sehr, sehr motiviert!! Obwohl ich zugeben muss, dass es dann für mich ziemlich schwierig wurde. Denn im Gegenzug bestand Dean darauf, dass wir jede Nacht das Bett teilen. Und ganz ehrlich, wenn 100 Kilo Muskelmasse neben dir liegen, verpackt in dieses heiße Äußere ... Sagen wir, sowohl meine Wölfin wie auch meine Muschi waren echt sauer über meine Bedingung!" Odela lachte schallend. „Lass mich raten... Die beiden haben dich hinterher überzeugt, dass Jahr vorzeitig zu beenden!" Mila kicherte ebenfalls und nickte. „Ich habe genau 56 Tage, 11 Stunden und 34 Sekunden durchgehalten. Dann kam er vom Training mit Lex zurück, hatte nur eine Jogginghose an, war durch den strömenden Regen draußen klatschnass und ... was soll ich sagen... ich war es dann ebenfalls und hab ihn regelrecht zu Boden getakelt. Das Ende vom Lied war: wir haben zwei Tage lang wie die Karnickel gerammelt! Dann sind wir zum Alpha gegangen und haben bekannt gegeben, dass wir den Gefährtenbund treten möchten und nun ja... jetzt sind wir hier."
Odelas Blick wurde sehnsüchtig und sie murmelte: „Na, vielleicht ist da dann noch Hoffnung für mich..." Die Delta Wandlerin musterte die blonde Frau nachdenklich von der Seite. Dann erhob sie sich und streckte Dela eine Hand hin. „ Komm... Ich denke, du solltest dir die Geschichten der anderen Omegas anhören. Jede einzelne dieser Frauen ist durch die Hölle gegangen, bei manch einer war schlimmer als bei den anderen, aber sie alle haben gelernt ihren Alphas hinterher zu vertrauen, sie zu lieben UND sie alle sind mittlerweile schwanger. Also komm schon... Wir haben sogar Schokoladenkuchen! Als kleine Bestechung..." „SCHOKOKUCHEN? Warum sagst du das nicht gleich?!"
Mit gierig leuchtenden Augen packte die kleine Omega die Hand Milas und stürmte gemeinsam mit ihr in Richtung Rudelhaus.
Mit einer eleganten - und leicht spöttischen Verbeugung öffnete Jace die Tür und in ihrer Hast die versprochene Leckerei zu bekommen rannte Dela ihn förmlich über den Haufen. Der angehende Gamma erhob sich und sah ihr kopfschüttelnd nach. „Ist alles in Ordnung mit Blondilein?" „Ach, du weißt schon... Frauen haben öfters mal Gelüste..." Ruckartig zog Jace die Augenbrauen hoch und drehte sich verwirrt um, so dass er der Omega mit den Blicken folgen konnte. „Gelüste?" fragte er leicht nervös. Doch Dela beantwortete die Frage selbst, indem sie aus der Küche kam - in jeder Hand ein dickes Stück schokoladiger Glückseligkeit.
„Alles klar... die Art von Gelüsten," murmelte der junge Mann und schloss die Haustür, während Mila die Omega ins Wohnzimmer dirigierte. Die versammelten Wandler hoben die Köpfe und lächelten den Ankömmlingen freundlich zu.
Nicos blaue Augen wurden golden, als sein Wolf aufstieg und zunächst voller Sorge seine Gefährtin musterte. Zufrieden sah das Seelentier zu, wie Odela den Schokokuchen verschlang und putzte sich das Brustfell. Seinem Weibchen ging es gut und es füllte seinen Bauch mit Essen! Weibchen war nicht mehr hungrig und der Wolf schnurrte voller Zustimmung wie eine Katze auf Speed. Ohne groß darüber nachzudenken schlängelte Dela sich zwischen den Wandlern hindurch und kuschelte sich an Nicos Seite. Während sie sich an ihn schmiegte leckte sich die Omega die schokoladigen Finger ab und summte vor Zufriedenheit. Der Alpha schmunzelte, mit einer sanften Berührung unter ihrem Kinn drehte er Odelas Gesicht zu sich und küsste ihr einen Schokokrümmel aus dem Mundwinkel.
Kurz danach betrat auch Mila das Wohnzimmer, in ihren Händen ein großes Tablett auf dem sich einige Teller mit Kuchen befanden. Sie hatte nämlich durchaus die neidischen und gierigen Blicke der beiden hochschwangeren Omegas bemerkt und kaum stand das Tablett auf dem Couchtisch, fielen Emma und Mia gierig über die Leckereien her.
Nur unwesentlich gemäßigter schnappte Alia nach ihrem Teller, stopfte sich die Zuckerbombe in den Mund und hatte erstaunliche Ähnlichkeit mit dem Eichhörnchen im Wald.
Mit einem nachsichtigen Lächeln warteten die Alphas geduldig bis die Omegas zufrieden die Teller zurückstellten, dann richteten sich die Blicke auf Alia. Die Ruhrgebiets Luna kraulte zärtlich ihre beiden Welpen, die wie Ying und Yang aneinander gekuschelt auf ihrem Schoß lagen. Lia sah mit einem liebevollen Blick zu Dela und sagte: „Als Omega hast du auch ein Recht auf unsere Geschichten. Deswegen gebe ich dir meine in Kurzfassung noch einmal, da der Rest der versammelten sie schon gehört hat.
In der Regel ist es ja so, dass ein Omega dem Rudel gehört und deswegen sind die Eltern verpflichtet, ihre Kinder der Gemeinschaft zu überlassen, sollte es sich herausstellen, dass sie tatsächlich Omega sind. Meine Eltern haben das nicht gemacht, stattdessen hat meine Mutter ihr Leben bei einer Kräuterhexe namens Lydia eingetauscht.." „Lydia? Das war auch der Name der Hexe, die meiner Mutter und diesem Schmierlappen die Kräuter verkauft haben, die sie benutzt hatten, um mich zu quälen...." unterbrach Dela ungläubig.
Sarah und Adeline tauschen einen traurigen, langen Blick. „Mama..."
Adeline Weston seufzte bedrückt. „Ja, ich weiß. Wir müssen meiner Schwester das Handwerk legen. Das sollte als Nächstes auf dem Programm stehen..." Die Blackford Drillinge nickten ernst und auch Jackson Boldren knurrte zustimmend.
Alia atmete tief ein und sagte: „Familie in die man hinein geboren wird, kann man sich halt nicht aussuchen. Wie dem auch sei... Meine Mutter hat also ihr Leben für ein Kräuterrezept eingetauscht, damit ich meinen Omegaduft verbergen und in Freiheit groß werden konnte. Ich wusste zwar, dass ich ein Wandler war, hab aber mit Unterdrückern meine Wölfin im Tiefschlaf gehalten, um mich nicht zu verraten.... Ace hat mich irgendwann in der Mittelstufe, so zu sagen als Schwester adoptiert. Und von da an..."
„...Hattest du unsere Aufmerksamkeit," fiel Grayson ihr ins Wort und grinste frech. Die weißhaarige Omega schüttelte lachend den Kopf und sagte:
„Leute... Wenn ihr mich alle Nase lang unterbrecht, sitzen wir noch in drei Jahren hier und haben die Geschichten nicht zu Ende gehört. Also: irgendwann kam halt raus, dass ich eine Omega bin und ich bin abgehauen. Ich hatte schreckliche Angst um meinen Vater, weil er halt das Rudel um ein Omega betrogen hatte und ich dachte, dass sie ihn töten würden. Also wollten wir uns an der Grenze zum Eifelrudel absetzen. Aber Alpha Arschgesicht, so habe ich Clayton Manning damals getauft, hatte ein paar Gammas über die Grenzen geschickt und die haben meinen Vater getötet. Ich bin geflohen und diesem Psychopathen direkt in die Arme gelaufen. Da meine Wölfin sich bereits emotional an die Blackford Jungs gebunden hatte, hat der Paarungsbiss von Manning nicht funktioniert und er wollte dann mein Geist brechen, indem er mich gefoltert hat. Er hat mich eine ganze Weile hungern lassen und dann hat er mich ausgepeitscht und mich mehrfach fast ertrinken lassen. Stille, Lärm... Ich will gar nicht weiter drauf eingehen sagen wir nur, es war der schlimmste Monat meines Lebens. Aber ich habe es geschafft zu entkommen und dann hat Arschgesicht mir eine Falle gestellt, in die ich Dummtüte dann auch noch sehenden Auges hineingestiefelt bin und ich wurde schwerst verletzt, konnte aber mit Hilfe von Emma und Sarah gerettet werden. Mir ist klar gewesen, dass ich nicht mehr wegrennen möchte, dass ich mein Leben an der Seite dieser drei wundervollen Männer verbringen wollte, ganz egal was dieses Arschgesicht mir angetan hatte. Mir war auch klar, dass ich nicht alle Alphas in eine Schublade packen kann. Gray, Lucan und Konstantin und meine beiden kleinen süßen Flausch-Köpfchen hier sind meine ganze Welt. Und ich würde 100 mal diese ganze Scheiße noch mal durchmachen, wenn ich hinterher dann wieder so glücklich bin wie jetzt gerade..."
Odelas Blick senkte sich auf die beiden leise schnarchenden Welpen, Tränen des Sehnsucht glitzerten in ihren Augen...
Das Sofa senkte sich neben ihr und eine kleine, warme Hand legte sich sachte auf ihren Arm.
Dela wandte den Kopf und sah in Emmas smaragdgrüne Augen. Die hochschwangere Frau lächelte sie verständnisvoll an und sagte leise: „Keine unsere Geschichten – keiner unserer Wege ist einfach gewesen. Wir alle hatten viele Momente, in denen es leichter erschien aufzugeben. Aber... wir Omegas sind zäher, als wir aussehen. Wir sind stärker, als wir selbst glauben. Und ganz egal, wie grauenvoll unsere Erlebnisse waren, sie haben uns immer zu diesem einen Augenblick geführt, in dem es sich alles gelohnt hat. Die nächste Geschichte ist meine..." Emma sah zu ihrem Gefährten hinüber. Jax lächelte zärtlich, breitete die Arme aus und Emma schmiegte sich mit einem glücklichen Ausdruck im Gesicht an seine starke Brust.
Henry Ellesedil richtete sich auf und sah sie abwartend an. Auch wenn die Lebenspfade der Omegas sich miteinander verwoben hatten, so war es speziell Emmas und Mias Schicksal, welches der königliche Alpha erfahren wollte. Denn bei diesem beiden Frauen lagen die Verfehlungen seiner Hamburger Verwandtschaft, über die er schon so bald ein Urteil würde sprechen müssen...
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