Erwachen
ODELA
Eigentlich sollte ihr doch kalt sein... Die letzten zwei Tage hatte sie fast durchgehend gefroren. In der Höhle war sie zwar vor den Elementen in Sicherheit gewesen, aber durch die entzündeten Wunden hatte Dela hohes Fieber bekommen. Zu schwach konnte sie sich nicht einmal aufraffen, um etwas zu trinken.. und da sie selbst im stärksten Hunger es nicht über sich bringen konnte ein Tier zu töten, hatte sie seit den köstlichen Cheeseburgern im Rudelhaus vor drei Tagen nichts mehr gefressen. Oh, verdammt... diese Cheeseburger!!! Die waren soooo gut gewesen. In ihren Fieberträumen fantasierte die junge Frau davon, in den wunderbaren Kalorienleckerchen zu versinken.
Das Reh, das da kurze Zeit später in die Schlucht gepurzelt war, war ein Geschenk des Himmels gewesen. Und ihre Wölfin war zu hungrig, um dieses zu ignorieren. Und so hatten die Wandler des Eifelrudels sie wieder gefunden.
Ok, ok... ihr Seelentier hatte sich geborgen gefühlt und erlaubt, dass die Männchen sie streicheln und der göttlich riechende Alpha sie die Schlucht hochtrug. Aber ein bisschen Stolz hatte Frau ja doch noch! Der Kerl sollte sich ja nicht einbilden, dass sie seine Hilfe brauchen würde. Solange sie sich irgendwie fortbewegen konnte, würde sie auf ihren eigenen Beinen...
Ach, Dreck!
Odela erinnerte sich wage, wie frustriert sie war, als ihre Pfoten sie nicht mehr trugen... dann an Schnurren, den betörenden Duft des Alphas... uuuuund wieder Dunkelheit....
Irgendwann hatte sich ihre Wölfin zurückgezogen und Dela dämmerte vor sich hin. Warme, starke Arme hielten sie fest und sicher an eine muskulöse Brust gedrückt. Sie spürte, wie ein leichter Druck in ihren Knien und Handgelenken sich bemerkbar machte - jemand spülte die Wunden dort mit einer kühlen Flüssigkeit aus...
„Sie hat doch keine Schmerzen, Adeline?!"
Ein sanftes Lachen erklang durch den Nebel in Odelas Kopf und die dazugehörige Stimme antwortete: „Nein. Ich hab ihr Morphin gespritzt. Sie bemerkt allenfalls einen leichten Druck..." Eine große Hand strich zärtlich über ihre Wange und eine weitere Stimme - etwas weiter entfernt - fragte: „Warum machst du das überhaupt? Mit dem Heilmittel sind ihre Verletzungen doch sowieso bald Geschichte..."
Das war der Gamma aus der Schlucht... der nette, der ihr beim letzten Mal seinen Cheeseburger gegeben hatte. Jepp, dieses Männchen mochte sie auch...
„Das stimmt schon, aber die Wunden haben Dreck abbekommen... damit dieser nicht im Körper bleibt und vielleicht später noch Probleme bereitet, wasche ich die Verletzungen lieber aus. Denn sind wir mal ehrlich.. das Heilmittel ist quasi noch in der Testphase. Odela ist erst die zweite Omega, die es bekommt und das Zeug wird mehr als genug damit zu tun haben, ihre Kniescheiben zu reparieren."
Das Schnurren des Alphas wurde lauter und er presste Dela fester an sich, während er seine Nase in ihren Haaren vergrub.
„Nico? Vielleicht solltest du dich einmal duschen gehen und dir was anziehen. Sie wird jetzt sowieso eine Weile schlafen... Mehr als sie zu halten könntest du so oder so nicht tun."
Nico knurrte: „Dann werde ich genau das machen! Mein Wolf weigert sich, sie zu verlassen. Ich kann einfach nicht.."
Odela schlief wieder ein, sicher und geborgen in den Armen des Alphas.
...
Als die Omega dieses Mal aufwachte, wusste sie, dass es endgültig war. Die bleierne Schwere, die Kälte und die Schmerzen waren verschwunden und ihre Wölfin, tief im Innern ihrer Seele hüpfte überglücklich darüber im Kreis herum. Dela blinzelte und richtete sich langsam auf. Sie lag in einem großen Bett. Kühle Bettlaken aus ägyptischen Leinen schmiegten sich an ihren Körper und ihr Seelentier dachte augenblicklich darüber nach, wie unsagbar gut sich diese Tücher in seinem Nest (Was zum Teufel meinte ihre Wölfin nur mit Nest???) anfühlen würden. Odela schwang die Beine aus dem Bett und betrachtete entgeistert ihre Knie. Dann schoß ihre Hand nach hinten und betastete den Teil ihres Rückens, den sie erreichen konnte. Die Haut war glatt und vollkommen verheilt!! Ein Lächeln breitete sich langsam über ihr Gesicht aus und sie erhob sich mit einer schnellen Bewegung.
Vielleicht zu schnell, ihre Knie waren wackelig und fühlten sich seltsam instabil an und so plumpste Dela sehr unelegant aufs Bett zurück.
Mit einem leisen Stöhnen massierte sie sich die Oberschenkelmuskeln und versuchte es erneut... langsamer dieses Mal.
Allmählich hangelte sie sich am Bett und schließlich an der Wand entlang in Richtung der Zimmertür. Das übergroße T-Shirt, welches ihr bis zu den Knien reichte, verbarg ihre nackte Gestalt ausreichend und dank der dicken flauschigen Teppiche waren Schuhe im Moment noch nicht von Nöten.
Als sie das Zimmer verließ, stand sie mit einem Male vor Mila. Die Delta Wölfin lächelte fröhlich als sie sie sah.
„Hallo, Sonnenschein! Da ist unser Dornröschen ja endlich wieder aufgewacht..."
Dela hob fragend die Augenbrauen. „Wie lange hab ich geschlafen?" krächzte sie. Mila hackte sich bei ihr ein und stützte die junge Frau unauffällig, während sie mit langsamen Schritten in Richtung Treppenhaus wankten.
„Du warst zwei Tage weg. Nico ist vor Sorge fast durchgedreht.. so wie wir anderen auch, aber Adeline, unsere Heilerin meinte, dass das wohl normal sei. Bei der anderen Omega - Mia - hat es ähnlich lang gedauert.."
Am obersten Treppenabsatz angekommen sah Odela skeptisch in die Tiefe und überlegte ernsthaft, sich auf den Hosenboden zu setzten um auf diese Weise ins Erdgeschoss zu gelangen. „Schaaaaatz..." rief Mila und nur Sekunden später stürmte der Anführer der Alphagarde die Treppe hoch. „Könntest du Dels wohl bitte helfen?" Dean lächelte warm und streckte die Hand in Richtung der Omega aus. „Klar doch... Wenn du willst, greif zu... oder ... ich kann dich auch runtertragen?!"
Odela schüttelte nachdrücklich den blonden Lockenkopf und ergriff mit beiden Händen das Treppengeländer. „Danke, aber ich schaff das schon! Es wird nur etwa ne Woche dauern, bis ich unten bin..." dann machte sie sich an den Abstieg. Und sie hatte recht... es dauerte lange. Sehr lange... und ihre Beine zitterten immer heftiger, ihre Atmung war schwer und gepresst. Dean war eine Stufe unter ihr und ging rückwärts, immer bereit zu zugreifen, sollte seine Luna den Halt verlieren. Mehr und mehr Gammakrieger sammelten sich im Flur und sahen besorgt aus golden glühenden Augen zu ihnen hinauf. Die Seelentiere unruhig und im Beschützermodus, die kleine Omega könnte fallen und sich wieder verletzen!!!
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam Dela endlich im Erdgeschoss an und sank mit rasendem Herzschlag und rasselndem Atem auf die unterste Treppenstufe.
„Siehst... du... ge.. schafft..." japste sie triumphierend in Deans Augen blickend.
Der grinste stolz und nickte. „Bin beeindruck, Kleines. Hat auch nur ne halbe Stunde gedauert!"
„Pfff!!... auf ... das ... Ergebnis... kommt ... es... an"
Nachdem sie wieder zu Atem gekommen war, strich Odela sich die blonden Haare aus dem verschwitzten Gesicht und fragte neugierig: „Ok... bevor ich es wieder vergesse...kann mir vielleicht einer von den hier versammelten Herrschaften verklickern, was ein Omega ist?"
Mila sah sie ungläubig an. „Ähm... Du weißt nicht, was ein Omega ist? Echt jetzt??"
Delta zog sich am Geländer hoch und eierte in Schlangenlinien in Richtung Wohnzimmer.
„Nö... sonst... würde ich... ja... nicht ... aua! .. fragen!"
Ächzend hatte die junge Frau es schließlich bis zum Sofa geschafft und setzte sich. Natürlich verfehlte sie die Sitzfläche und landete auf dem Boden. „Echt ... jetzt..?" maulte sie genervt und versuchte vergebens wieder hochzukommen.
Mit einem frustrierten Aufschrei schlug Dela auf den Boden und erdolchte Dean mit Blicken, als dieser sie ohne weiters hochhob und auf dem Sofa ansetzte.
Er hockte sich vor die junge Frau und sah ihr in die Augen. Ernst sagte er: „Es ist kein Zeichen von Schwäche um Hilfe zu fragen, wenn man sie braucht. Du bist noch nicht wieder vollständig hergestellt und dementsprechend wackelig. Also... nimm an, was dir angeboten wird. Keiner denkt, dass du deshalb schwach bist. Um auf deine Frage zurückzukommen: DU bist ein Omega. Äh...Wie gut kennst du dich mit der Rangfolge in einem Rudel aus?"
Odela wiegte eine Hand vor seinem Gesicht hin und her. „Geht so... ich weiß, was ein Alpha und ein Beta ist. Und Krieger kann ich auch zuordnen, dann hört es allerdings auf!"
Dean lächelte und zwinkerte kurz seiner Gefährtin zu, die gerade ein Tablett mit belegten Broten, Schokokeksen und einer großen Karaffe kühlen Wassers auf dem Beistelltischchen absetzte. Mila drückte Dela ein Glas in die Hand, welches diese gierig leerte. Dann sah Odela den Anführer der Alphagarde auffordernd an. Dieser reichte ihr ein Brot mit gekochtem Schinken und fuhr fort: „Im Prinzip hast du einen Großteil schon mitbekommen. Du hast recht, der Alpha steht an der Rudelspitze, der Beta ist sein Stellvertreter. Dann gibt es noch den so genannten TiC. Was ‚Third in Comand' bedeutet und den Dritten in der Befehlskette bezeichnet. Das wäre dann ich. Als Anführer der Alphagarde bin ich zudem auch der Heerführer, wenn es zu einem Krieg kommen sollte. Der Großteil eines Rudels wird von den Delta Wölfen gestellt. Mila zum Beispiel ist eine Delta Wölfin. Unser Rudel hat eine Besonderheit mit Lex. Er ist nicht nur der zweite Beta, sondern auch der erste Tracker des königlichen Rudels. Ein Tracker ist eine Art Fährtensucher. Alle Wandler haben gute Sinne, aber die eines Trackers sind um ein vielfaches schärfer. Und dann gibt es noch die Omegas.
Omegas sind extrem selten. So selten, dass auf etwa 10.000 Wölfe eine von ihnen kommt. Diese Wolfsart ist von unserer Göttin besonders gesegnet worden. Sie sind viel kleiner und schwächer als normale Wandler. Sie können nicht kämpfen und müssen daher immer beschützt werden. Verbindet sich aber ein Omega im Gefährtenbund mit einem Alpha kann sie einen Mindlink etablieren. Das ist eine gedankliche Verbindung zwischen den einzelnen Rudel-Mitgliedern. Deshalb seid ihr auch so unglaublich begehrt."
„Wow... ich hab mich schon gewundert, warum meine Wölfin so winzig ist. Jetzt kenn ich auch den Grund ..."
„Naja... Das hat leider nicht nur etwas mit dem Omega Dasein zu tun. Wie wir versucht haben, dir zu erklären, hat der Tee deiner Mutter deine Omega geschwächt. Deswegen ist dein Wolf noch ein Welpe. Jetzt, wo du das Zeug nicht mehr trinkst, wird dein Seelentier weiter wachsen." Mila füllte das Glas nach und Dela trank geistesabwesend.
Dann senkte sie traurig den Kopf und murmelte: „Mein Verhalten von neulich tut mir so leid... ihr wolltet mir nur die Wahrheit sagen, aber ich hab mich wie ein verzogenes Kleinkind verhalten. Was ich euch da an den Kopf geworfen hab, das habe ich nicht so gemeint.... Es tut mir leid...." zum Schluss flüsterte sie nur noch und kämpfte mit den Tränen, als die Erinnerungen wieder aufstiegen.
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