Kapitel 82
Präsens
Macaulay
Wut, gleißende unbändige Wut, wie ich sie noch nie verspürt hatte, wütet unkontrolliert in meinem Körper. Raubt mir beinahe den Verstand.Doch sie ist nicht das einzige verdammte Gefühl, das sich in mir hochtürmt.Verzweiflung geballt mit Sorge schießt gleichzeitig wie ein schmerzender Pfeil durch mein Herz, als ich realisiere, dass etwas Schlimmes mit ihr passiert sein musste.
Fuck!
Ich verfluche meine Blindheit.
Mein Gedächtnis spielt mir verdammte Streiche, lässt die schlimmsten Horrorszenarien durch meinen Kopf laufen. Und nicht zum ersten Mal verfluche ich meinen verfickten Kopf. Meine Hände wandern vor Verzweiflung in meine Haare, ziehen an Ihnen, als wieder einmal die Stimme ihres Ehemanns ertönt
Die Stimme meines besten Freundes.
FUCK!
Ich hatte diesem Arschloch gesagt, dass er draußen warten sollte, dass er von dem Haus fern bleiben sollte. Verdammt! Ich musste aufhören ihn so zu bezeichnen. Er war mein bester Freund, seit ich ein dürrer Teenager war. Aber ich kann einfach nicht anders. Dabei war ich auch selbst schuld daran, dass sie mit ihm zusammengekommen war. Ich hatte sie quasi in seine Arme getrieben. Galle steigt in mir auf, wenn ich mich daran erinnere, wo wir uns befinden. Wäre ich nicht so sehr darauf fokussiert gewesen sie zu retten, wäre ich verdammt noch mal zusammengebrochen. Alles an diesem Ort schreit nach ihr. Schreit nach meiner Mutter.
Ich hatte nur eins und eins zusammenzählen müssen um zu wissen, wo er sie hingebracht hatte. Es war kein Zufall, dass er die einzige andere Person, die ich je geliebt hatte, genau an diesen Ort brachte. Genau an den Ort, an dem jegliche Liebe jemals zerstört wurde. An dem er meine Mutter kalt und herzlos umgebracht hatte.
Er war ein verdammtes Monster.
„Ella Liebling, verdammt! Oh Gott!" Seine Stimme trägt das Spiegelbild meiner inneren Verzweiflung, als ich plötzlich ein paar Fußschritte näher kommen höre.
„Halt durch Liebling, ich komme. Bald bist du da raus."
Ein wutschnaubender Laut verlässt mich, als ich einen großen Schritt nach vorne mache, mein Kopf nun in den Nacken gelegt, in der Hoffnung, dass Aiden meine Augen sehen kann.
„Stopp!", zische ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Ich höre, wie er innehält. „Was glaubst du, wie du hier wieder rauskommst, wenn du ihr hochgeholfen hast?!"Meine Stimme klingt schneidend.
„Huh?", füge ich noch hinzu um meinen Punkt klarzumachen.
Ich höre wie Aiden langsam ausatmet, während ich mich ihr wieder zuwende. In den ganzen letzten zehn Minuten hat sie keinen Ton von sich gegeben. Obwohl ich sie nicht komplett sehen kann, umfassen meine Hände, wie von selbst ihr Gesicht. Ich musste sie nicht sehen können, um sie zu fühlen. Wir waren wie zwei verfickte Planeten, die im gleichen Orbit kreisten. Verdammt dazu immer wieder aufeinander zu treffen. Ihre Haut ist kalt unter meinen Fingern, als plötzlich ein leises Wimmern ihren Mund verlässt. Es ist ein weiterer Auslöser für eine Welle Wut, die sich in meinem Körper breit macht. Niemand und verdammt niemand hatte das Recht ihr so wehzutun! Doch es ist nicht nur ein Auslöser für meine Wut, sondern auch für Aiden's Stimme, die erneut von oben zu uns herabdringt.
„Baby..."
„Bleib verdammt noch mal stehen!", knurre ich nun laut, gleichzeitig spüre ich, wie Ellas Körper unter mir zusammenzuckt. „Sorry..", flüstere ich ihr zu, wiege ihr Gesicht nun in meine Hände. „Du musst mir ganz genau zuhören Ella, okay?"
Gott! Ich erkenne meine Stimme selbst nicht, als ich nun mit ihr spreche. Ich war zu einem verdammten Weichling mutiert! Aber es war mir alles vollkommen egal, solange ich ihr Weichling war.
„Ich werde dir hier raushelfen. Aber du musst mir vertrauen, okay?", meine Daumen kreisen bei den Worte an ihren Wangen. „Ich weiß..."Meine Stimme klingt gepresst, voller Schmerz, mein Gehirn nun ein einziges Schlachtfeld von Szenarien, Worten die wirr umherkreisen ohne jeglichen Sinn zu machen. Und in Mitten von diesem Chaos ihr tränenüberströmtes Gesicht, immer und immer wieder.
Ich schließe die Augen, stoße leise die Luft zwischen meinen Zähnen aus.
„Ich weiß, dass es in den letzten Jahren schwer zwischen uns war, dass ich dir verdammt noch mal immer wieder wehgetan habe, dein Vertrauen nicht verdient habe, dass mein Gehirn zu abgefuckt ist, um mir das zu verdienen, aber Ella, ich bitte dich, schenk es mir nur einmal. Nur fünf Minuten. Fünf Minuten, bitte..."Die Worte verlassen leise meinen Mund, mit jedem einzelnen von ihnen versuche ich sie davon zu überzeugen. Ich lege ihr einfach mein verficktes Herz auf den Präsentierteller.
Als ich schließlich unter meinen Fingern merke, wie sich ihr Gesicht langsam nach vorne bewegt, habe ich das Gefühl, als ob ich den verdammten Jackpot geknackt habe. Alles in mir schreit danach, meinen Mund auf ihren zu pressen und sie nie wieder loszulassen. Sie in mich aufzusaugen, so dass sie für immer ein Teil von mir sein würde.
Fuck!
Was war ich eigentlich für ein behinderter Fucker? Was ging eigentlich in meinem kranken Kopf vor sich ? Noch armseliger konnte ich nicht mehr werden !
Sie in meinen Körper aufsaugen...
Ich schüttele den Kopf und schlucke das aufkommende Bedürfnis herunter, bevor erneute Worte über meine Lippen kommen.
„Ich zähle bis drei und dann hältst du dich an meinen Schultern fest und steigst mit deinen Füßen in meine Hände. Ich stemme dich nach oben bis zu Aiden."Ich streiche kurz über ihre Schultern, bevor ich mich in Position stelle, meine Hände vor ihr ineinander verknotet, bereit für eine Räuberleiter. „Hast du das verstanden?", füge ich noch anschließend hinzu, während ich auf eine Antwort warte. Irgendein Wort, das sie von sich gibt, denn in den letzten Minuten war sie unendlich still geworden.
Doch statt irgendwelcher Worte, spüre ich nun ihre zittrigen, kraftlosen Hände, die sich an meinen Schultern abstützen.Ich würde ihn umbringen!
Wut keimt erneut in mir auf, geballt mit einem Gefühl, das ich nicht einordnen konnte. Das war schon immer meine Schwierigkeit gewesen.Meine Therapeutin hatte fast drei Jahre dafür gebraucht irgendetwas aus mir herauszubekommen, mich dazu zu bewegen, darüber zu sprechen, was in meinem Inneren vor sich ging. Die meiste Zeit, waren meine Gefühle einfach wie ein riesiger Hurricane, der in mir herumwirbelte.Die einzigen Momente, in denen ich mich jemals öffnete, waren die Momente mit ihr. Es war als ob sie ein Auslöser für alles war, wie ein Schlüssel, der mich wie ein Schloss aufschloss.
Ich schlucke meine aufkeimende Wut herunter, versuche mich stattdessen auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Mit meinen Händen umfasse ich ihre schwachen Hände und halte sie fest, so dass sie nicht vor Schwäche wieder umkippt.Mein abgefucktes Herz schrie danach, sie an mich zu drücken und sie nie wieder loszulassen. Mich auf die Knie zu werfen und ihr zu sagen, dass ich auf sie aufpassen würde, bis ich meinen letzten Atemzug tat. Dass sie bei mir immer sicher sein würde und das ich alles tun würde, dass mein verfickter Vater leiden würde.
Doch als sie mit zittrigen Füßen auf meine Hände steigt, realisiere ich, dass es nicht meine Aufgabe ist, dass sie schon jemanden hatte, der auf sie aufpasste. Ein Stich gräbt sich in mich, als ich höre, wie mein bester Freund ihr aufmunternde Worte zuruft.
„Liebling, ich hab dich. Nur noch ein letzter Stoß."
Der Stich vertieft sich noch mehr, als ich die Emotionen in seiner Stimme höre. Emotionen, die ich nur allzu gut kannte, obwohl es mir schwer fiel diese in Worte zu fassen. Ein Gefühl der Leere überkommt mich schlagartig, als ich sie nicht mehr berühre, als sie aus dem Loch verschwindet und nicht mehr länger in meiner Nähe ist. Es ist, als ob ich sie wieder aufs Neue verloren hätte. Wie das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte. Ich schlucke, versuche das Bild von kalten blauen Augen, das sich nun vor meinem inneren Auge kristallisiert, auszublenden, versuche es zu verdrängen.
Dumpf höre ich Boyds besorgte Stimme an mein Ohr dringen.
„...so viel Blut... Baby... oh mein Gott."Die Worte reißen mich schlagartig aus meinen Gedanken. Es ist wie ein unerwarteter Schlag in meinen Magen.
Gott...
Auf einmal setzen sich alle Teilen in mir zu einem Puzzle zusammen.
Verdammt, das konnte nicht wahr sein. Wenn das wahr war...
Ein Knurren dringt aus meinem Mund, während ich meine Fäuste an meinem Körper zusammenballe. Vor meinem inneren Auge, bilden sich rote Punkte.
Fuck!
Ich schließe meine Augen und versuche abwechselnd ein und auszuatmen, während ich in meinem Kopf bis zehn zähle, so wie meine Therapeutin es mir beigebracht hatte. Als ich mich ein wenig beruhigt habe, öffne ich schließlich meinen Mund.
„Boyd, bring sie sofort zum Wagen und fahr sie in ein Krankenhaus. Sie muss unbedingt zu einem Arzt"
Meine Stimme klingt standhafter als ich mich fühle, obwohl in meinem Inneren ein verfickter, dunkler Sturm wütet.
„Bist du dir sicher?"Boyd's Stimme klingt zögerlich.
Ich schließe meine Augen und versuche den Drang ihm zu sagen, dass ich sie lieber ins Krankenhaus fahren würde, dass sie nur bei mir sicher war, zu unterdrücken.Verdammt, sie musste solch einen Schmerz durchleiden. Stattdessen, öffne ich meine Augen und antworte ihm all das, wogegen sich mein Körper wehrt.
„Ay, bin ich mir. Mach dir keine Sorgen, ich hab bereits einen Plan wie ich hier rauskomme." Meine Stimme klingt fremd, als sie an meine Ohren dringt, während eine Alarmglocke laut in meinem Kopf läutet.
Ich hatte keinen Plan, wie ich hier rauskam, aber Ellas Sicherheit war wichtiger, als die Tatsache, dass ich hier in diesem verdammten Loch festsaß.
„Sei vorsichtig." Aiden's Stimme klingt eher beiläufig, als ich höre, wie er sanft auf Ella einredet. „Ella Schatz wir müssen dich in ein Krankenhaus bringen. Du brauchst nicht laufen, ich übernehme das..."
Ihre Schritte entfernen sich immer mehr und nach ein paar Minuten sind sie vollkommen verschwunden. Nachdem sie nicht mehr in unmittelbarer Nähe sind, fährt ein lauter, qualvoller Fluch über meine Lippen. Mit einer meiner Hände schlage ich wütend gegen die gegenüberliegende Wand des Lochs. Plötzlich bröckelt etwas ab. Ich halte für einen kurzen Moment inne, bevor ich erneut auf die gleiche Stelle schlage. Ein weiteres Stück Erde bröckelt von der Wand ab. Meine Hand tastet nun langsam an der Wand vorbei, fühlt die Stelle ab, an der die Erde abgebröckelt ist. Meine Hand wie eine Art Schaufel geformt, fasse ich nun in das kleine Loch, das entstanden ist und grabe ein ganzes Stück Erde heraus. Dann hebe ich mein Bein und versuche mit meinem Schuh in das Loch zu steigen. Eine Welle von Triumph überkommt mich, als mein Schuh Boden fasst, ich mich im Loch abstütze und mich plötzlich in der Höhe vom Rand des Loches befinde. Mit meinem stärkeren, rechten Arm stütze ich mich am Rand ab, schwinge mich mit meinem anderen Bein nach oben und drücke mich an dem Rand hoch bis mein halber Oberkörper aus dem Loch ragt.
„Elllaaaaaa!"Boyd's laute Stimme lässt mich zusammenzucken.
„Boyd?!" Meine Stimme kommt in einer Frage aus meinem Mund, während sich in meinem Körper plötzlich Panik breitmacht. Mein Körper hängt immer noch halb aus dem Loch raus.
Plötzlich, als ob mich unmenschliche Kräfte überkommen würde, stemme ich mich innerhalb der nächsten zwei Sekunden aus dem Loch.
„Was ist passiert? WO ist Ella?!" Es ist mir vollkommen egal, ob Panik nun in meiner Stimme mitschwingt, als ich mich nun aufrichte.
Durch meine Blindheit ist wie immer alles wieder dunkel.
„Ich hab sie nur für einen kurzen Moment ins Auto gesetzt und bin an den Kofferraum um den Arzneikoffer rauszuholen... dann... dann war sie plötzlich weg.."
Mein Herz bleibt in meiner Brust stehen, mein Atem kommt stoßweise, als ich nun laut fluche.
„FUCK!"Meine Stimme hallt von den Wänden zu mir zurück, als ich mir nun mit der Hand durch die Haare fahre.
Ein lautes, hohes Lachen lässt mich plötzlich zusammenzucken. Gänsehaut breitet sich auf meiner Haut aus, gekoppelt mit einem Rauschen in meinem Ohr.
„Sieh an, Sieh an! Der verlorene Sohn ist zurückgekommen." Seine Stimme klingt nur noch dumpf an meinen Ohren, während rot lodernder Hass sich durch meinen Körper frisst. Das Schrillen in meinem Kopf nun so laut, dass ich das Gefühl habe, dass jeden Moment etwas in meinem Kopf explodieren könnte.
Es würde nicht mehr lange dauern.
„Ich wusste gar nicht, dass du so fluchen kannst, Junge! Du machts deinem alten Herrn ja beinahe Konkurrenz."Seine Worte sind wie ein letzter Stoß. Ich höre die Bombe in meinem Kopf explodieren, gekoppelt mit einem lauten, fast schon animalischen Knurren, das aus meinem Mund dringt. Ich mache einen Satz nach vorne, bereit ihn zu töten.
„STOPP!"
Boyds voller Panik durchzogene Stimme dringt nun durch den Nebel um mich herum.
„Er hat Ella, Macaulay!"
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro