Kapitel 60
„ Waaas?" das Wort kam völlig überrumpelt aus meinem Mund, Macaulay stand immer noch auf der Leiter, die in sein Cockpit führte.
Auf seinem Gesicht lag ein kleines Grinsen. Es war nur minimal, dennoch brachte es mich vollkommen aus dem Konzept.
„Komm schon Taylor. Am Himmel ist keine einzige Wolke und von da oben hat man eine unglaubliche Aussicht", in seinen Augen lag ein Ausdruck, den ich zuvor noch nie so gesehen hatte.
Sie schienen von innen zu strahlen, voller Aufregung. Es war, als ob der Schmerz der vergangenen Tage seinen Körper für den Moment, in dem er die Flugbahn betreten hatte, verlassen hatte.
„Aber, was ist wenn jemand mitbekommt, dass wir...", unterbrach ich ihn.
„Ella..", seine Stimme wurde nun weicher.
„Vertraust du mir?.", er streckte seine Hand nach mir aus, blickte mir fragend in die Augen.
Mein Blick wurde ebenfalls weicher, ich spürte wie ein merkwürdiges, warmes Gefühl in mir hochstieg. Ich vertraute ihm. Mehr als ich jemals einer anderen Person als meiner Familie vertraut hatte. Es machte mir Angst, denn es war ein Gefühl, das ich so nicht kannte. Macaulay hatte mich vollkommen in seiner Hand. I
ch stieß zitternd Luft aus, machte einen Schritt nach vorn und erklomm die Stufen zum Cockpit, auf der Hälfte der Stufen nahm ich seine Hand entgegen. Seine Augen hielten mich fest, schauten mich mit so einer Intensität an, dass ich fast keine Luft mehr bekam.
„Bei mir bist du sicher, Taylor. Immer. ", er drehte sich um und lief die Stufen zum Cockpit hoch.
Mit einer flüssigen Bewegung, kletterte er auf den Sitz des Cockpits, vor ihm ein Steuerknüppel und eine endlose Anzahl von Tasten. Erst jetzt fiel mir auf, dass es nur einen Sitz im Cockpit gab. Verwirrt blieb ich auf der oberen Stufe zum Cockpit stehen.
„Macau...", fing ich an, doch ich konnte seinen Namen nicht zu Ende sprechen, denn in einer raschen Bewegung hatte er seine Hände um meine Taille geschlungen und mich in das Cockpit gezogen.
Mit einer sanften Bewegung zog er mich auf seinen Schoß, seine warmen Hände hielten mich an meiner Taille fest. Mein Atem stockte in meiner Brust. Das Cockpit war nicht groß und die Tatsache, dass ich auf seinem Schoß saß, machte die Situation noch viel intimer. Ich hatte das Gefühl, dass wir den Atem des Anderen einatmeten. Macaulays Hand schoss nach vorn, er berührte irgendeine der Tasten, woraufhin ein Surren über mir ertönte und sich plötzlich das Cockpit über uns schloss.
„Du kannst doch unmöglich so fliegen.. ich bin viel zu schwer und du kannst nicht richtig sehen..", begann ich, versuchte mich von seinem Schoß zu lösen, doch er hielt mich mit seinem linken Arm, der sich blitzschnell um meine Taille schloss gefangen.
„Red nicht so einen Bullshit", gab er von sich.
„Eine richtige Frau hat Kurven, Taylor.", ich spürte seinen schottischen Atem an meinem Ohr vibrieren.
„Und zweitens: du bist winzig im Gegensatz zu mir.", meine Mundwinkel zogen sich nach oben und ich schüttelte den Kopf.
„Und drittens: du sitzt mit dem besten Flieger der britischen Air Force in einem Cockpit."
„Du bist ziemlich von dir selbst überzeugt, denkst du nicht?", meine Stimme drang leise durch das Cockpit, doch anstelle mir zu antworten, sah ich wie Macaulays Hand erneut hervorschoss und er auf einen Knopf drückte.
Ein erschrockener Laut drang aus meinem Mund, als plötzlich ein lautes Motorengeräusch durch das Cockpit drang und das Flugzeug zu rollen begann. Aufregung drang durch meinen Bauch, als ich durch die Glasluke des Flugzeuges blickte. Inzwischen waren wir aus der Lagerhalle herausgerollt, befanden uns am Anfang des Rollfeldes. Und dann auf einmal ging alles ganz schnell. Das Flugzeug wurde immer schneller, rollte über den Flugplatz und hob ab. Im Vergleich zu einem normalen Flugzeug ging alles viel schneller, da es nicht so schwer war wie ein riesiger Airbus.
Ich liebte Fliegen. Genauso wie meine Mutter. Es vermittelte einem ein Gefühl von Freiheit, von Unbeschwertheit, so hoch oben in der Luft, weit entfernt von aller Zivilisation. Ich sah zu, wie der Boden unter uns immer kleiner wurde, wir immer mehr in die Lüfte hoben. Es war ein komplett anderes Gefühl in so einem Flugzeug zu sitzen. Man spürte jede kleine Bewegung, es war ein bisschen so als ob man Achterbahn fahren würde. Um genauer zu sein, wie am Anfang einer Achterbahn, wenn der Wagen steil den Berg hinaufschoss, kurz bevor man nach unten stürzte.
Ein holpriges Gefühl breitete sich in meiner Magengrube aus, ich kniff meine Augen zusammen, wartete den Moment ab, in dem Macaulay mit dem Flugzeug nach unten sauste, doch er kam nicht. Stattdessen neigte sich das Flugzeug nun ein Stück nach vorn, pendelte sich langsam, Stück für Stück wieder in eine gerade Lage ein. Mein Blick fiel durch die gläsernen Scheiben nach draußen. Dunkelheit hatte sich inzwischen, wie ein schwarzes Gewand über den Himmel gelegt, die Nacht war so klar, dass man die Sterne am Himmel sehen konnte. Ich hatte noch nie Sterne aus einem Flugzeug gesehen. Es musste darin liegen, dass wir uns in einem Cockpit befanden, das komplett abgedunkelt war. Es musste mit dem Licht zusammenhängen, dass in einem normalen Flugzeug brannte. Irgendwie musste es das Licht der Sterne ausblenden, oder die Menschen davon abhalten, das Funkeln der Sterne aus dem Fenster zu beobachten. Während sich in meinem Kopf die physikalischen Gesetze eines Flugzeuges ausbreiteten, ich mir den Kopf darüber zerbrach, warum ich noch nie in einem Flugzeug die Sterne gesehen hatte, schoss das Flugzeug immer höher. Dabei machte es ohrenbetäubend laute Geräusche.
Mein Mund war leicht geöffnet, als wir immer höher schwebten, am Himmel war keine einzige Wolke. Ich schaute mit vollkommener Bewunderung auf den Himmel um mich herum. Überall schienen Sterne zu sein, ich hatte noch nie so etwas in meinem Leben gesehen.
„Das ist wunderschön" gab ich von mir.
Ich lehnte meinen Kopf ein Stück zurück, bis mein Hinterkopf seinen Bauch berührte. Ich spürte seine Körperwärme, das weiche Material seines Shirts. Ein leichter Hauch von Tannennadeln drang mir entgegen.
„Siehst du da drüben?", er deutete mit seinem Finger ein Stück in die Ferne.
„Der Polarstern", flüsterte ich, mein Blick klebte auf dem hellen Stern in der Ferne, ich spürte, wie Macaulays Atem meinen Kopf streifte.
Für eine ganze Weile war es vollkommen still im Cockpit, außer das Motorengeräusch des Flugzeugs hörte ich nichts.
„Es war der Lieblingsstern meiner Mutter.", seine Stimme war belegt.
„ Als sie ...", seine Stimme stockte für einen kurzen Moment, ich spürte, wie das Flugzeug sich ein wenig zur Seite neigte, Macaulay nun eine Linkskurve flog.
Ich hörte ihn stark ausatmen, als er erneut anfing zu sprechen.
„Ich hab mir immer vorgestellt, dass ... dass sie auf mich herunterschaut. Dass... Dass sie irgendwo da oben, auf dem Polarstern wohnt und auf mich herunterblickt."
Ich spürte, wie sich meine Kehle bei seinen Worten zusammenschnürte. Sein Atem drang nun schwer durch das Cockpit, es fiel ihm schwer die nächsten Worte auszusprechen, das spürte ich, denn sein Körper zitterte hinter mir. Mein Blick wanderte zu seinen Händen, die an der Steuerung des Flugzeuges lagen. Sie waren vollkommen ruhig, obwohl sein Körper merklich zu zittern schien.
„Jedes Mal... wenn wir ... wenn Ich ..", begann er, seine Stimme drang erstickt, so als ob er keine Luft mehr bekam.
Ich hörte, wie er sich hinter mir räusperte, für ein paar Sekunden erklang Stille zwischen uns. Eine Stille, die sich in mir anfühlte wie Minuten. Das Geräusch des Flugzeugs dröhnte konstant in meinen Ohren.
„Wenn Ich einen Auslandseinsatz habe und wir bei Nacht fliegen müssen... dann ... dann such ich ihn immer am Himmel." Die Worte waren kaum zu hören, so leise waren sie und über das Geräusch des Flugzeugmotors waren sie noch schwerer zu hören, aber aus irgendeinem Grund bekam ich jedes einzelne seiner Worte mit.
Es war als ob mein Gehör auf seine Stimme trainiert war, als ob all das was meine Ohren hören wollten, seine Stimme war.
„Denn ich weiß so lange wie er sichtbar ist, so lange ist sie auch bei mir.", die letzten seiner Worte, waren erstickt, seine Worte voller Schmerz, so als ob sich eine Messerklinge in meinen Magen rammte.
Tränen stiegen in mir hoch, drangen in meine Augen und liefen mein Gesicht herunter. Ich war froh, dass er mich nicht sehen konnte. Hätte er mich gesehen, hätte er sich vermutlich wieder verschlossen. Wir befanden uns gerade in einem dieser seltsamen Momente, in denen er sich ein wenig öffnete, in denen die Mauer, die immer um ihn herum zu sein schien, sich für mich öffnete. Mir einen Einblick in den wahren Macaulay gewährte.
„Sie wäre stolz auf dich. Da bin ich mir sicher."
Ich versuchte meine Tränen hinunterzuschlucken, ich wusste nicht wie, aber ich brachte die Worte gefasst über meine Lippen. Trotz dass die Stimmung im Cockpit bedrückt war.
„ Danke, Ella.", Seine Stimme klang heiser, sein schottischer Akzent rann mir wie Samt über den Rücken.
Ich schaute erneut nach draußen, beobachtete die Sterne, die wie funkelnde Juwelen am Himmel zu glitzern schienen. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich liebte die Sterne, denn sie erinnerten mich daran, dass wir Teil von etwas ganz Großem waren. Erinnerten mich daran, dass meine Probleme unbedeutend klein waren.
„Taylor?", seine Stimme durchdrang meine Gedanken, ich löste meinen Blick vom Himmel und legte meinen Kopf in den Nacken.
„Hm?"
„ Festhalten, okay?", seine Stimme klang nachdrücklich, ließ mich meine Stirn in Falten legen. Bevor ich jedoch etwas erwidern konnte, ihn fragen konnte warum ich mich festhalten sollte, schoss das Flugzeug auch schon nach unten. Ich schrie erschrocken auf, klammerte mich mit meinen Händen an Macaulays Oberschenkeln fest, als Macaulay in rasender Geschwindigkeit nach unten flog. Plötzlich drehte sich das Flugzeug ein paar Mal, bis wir schließlich für einen Bruchteil von einer Sekunde auf dem Kopf standen. Mein Mund klappte auf, es war ein irres und zu gleich beängstigendes Gefühl in Mitten der Luft kopfüber zu hängen. Ich fühlte mich, wie auf der Kirmes, oder wie in einem Freizeitpark.
So schnell wie der Moment gekommen war, umso schneller hatten wir uns wieder umgedreht, das Flugzeug befand sich wieder in seiner normalen Position.
„Oh mein Gott!", rief ich aus, ein Lachen drang aus meinem Mund.
„Wie abgefahren war das denn ?!", mein Atem kam unregelmäßig aus meinem Mund, mein Körper zitterte voller Adrenalin.
Ein tiefes Lachen erklang hinter mir.
„Glaubst du mir jetzt, dass ich ein der beste Flieger der Air Force bin?", ich nickte.
„Auf jeden Fall!", rief ich aus, gleichzeitig warf ich meine Faust in die Luft, als Macaulay das Flugzeug langsam wieder nach unten steuerte.
„Sergeant Macaulay zum Abflug bereit!"
„Demnächst kannst du mich ja nach Toronto fliegen", witzelte ich.
Ich sah ihn zwar nicht, aber ich spürte, wie er seinen Kopf langsam schüttelte.
„Nein, Taylor. Dein Platz ist hier in Schottland...", am Ende seines Satzes machte er eine Pause, so als ob er noch etwas hinzufügen wollte, in meinem Kopf formten sich Worte. Worte, die ich mir wünschte, die er sagen würde.
Dein Platz ist hier in Schottland bei mir.
Doch er schien sich anders zu entscheiden und ließ den Satz so stehen.
Als wir wieder am Boden angekommen waren, fuhr Macaulay das Flugzeug vorsichtig in die Lagerhalle. Mit einer Präzision, die man nur haben konnte, wenn man es fast täglich machte, lenkte er das Flugzeug in seine Parklücke zwischen zwei anderen Flugzeugen. Er parkte die Maschine und stellte den Motor langsam ab.
„Danke, dass du mich mitgenommen hast. Die Aussicht war echt atemberaubend", meine Stimme klang verträumt.
„Ich glaube nach dem Flug werde ich nie wieder mit einem normalen Flugzeug fliegen können", ich lachte, als sich die Luke langsam öffnete.
Ich trat auf die erste Stufe der Leiter, als ich Macaulay hinter mir lachen hörte. Er betrat ebenfalls die Stufen, das Geräusch unserer Fußschritte tönte über die eisernen Stufen.
„Es ist einfach viel cooler und der große Airbus kann auch nicht solche coolen Kunststücke. Ich hätte nie gedacht, dass man mit einem Flugzeug kopfüber fliegen kann..", ein endloser Wortschwall kam aus meinem Mund, das Adrenalin schien sich noch immer in meinem Körper zu befinden.
Meine Füße kamen nun am Ende der Stufen an, ich betrat den Boden und machte ein paar Schritte nach vorn. Ein erschrockener Aufschrei drang aus meinem Mund, als ich plötzlich spürte, wie sich eine Hand von hinten um mein Handgelenk schloss.
„Ella.", Macaulays Stimme drang warnend an mein Ohr, in seinem Unterton drang eine leichte Spur Panik mit, mein Blick war auf die Lagerhalle vor mir gerichtet.
„Hallo, Junge.", Erschrocken zuckte ich zusammen, als ich sah, wie plötzlich eine dunkle Gestalt, aus der hinteren Ecke der Lagerhalle hervordrang.
Mein Körper gefror augenblicklich, wurde zu einer Statue, als ich den großen Mann, der nun zum Vorschein kam, erblickte. Die Jahre hatten es ihm nicht gut getan. Einst, musste er mal ein schöner Mann gewesen sein. Das Gesicht, das nun eingesunken und schon mit einzelnen Falten durchzogen war, musste vor Jahren mal markant und glatt gewesen sein. Seine braunen Augen fahl und in sich gesunken, sein graumeliertes Haar, das braun gewesen zu sein schien, hatte er zu einem Zopf in seinem Nacken zusammengebunden. Ich wusste sofort, wem ich gegenüber stand. Musste dem Mann nur in die Augen blicken, um sofort zu wissen, dass es Buzz Macaulay war.
Finlays Vater.
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Hier ist ein neues Kapitel. Ich hoffe es macht euch ein bisschen Spaß es zu lesen und lenkt euch von dem ganzen Chaos momentan für eine Weile ab.
Ich hoffe ihr bleibt gesund und passt auf euch auf !:)
Schönes (hoffentlich sonniges ) Wochenende :)
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