
Kapitel 28
Aiden griff erneut nach meiner Hand und schaute mir in die Augen.
„Bist du dir sicher?" sein Blick huschte kurz zu Macaulay und ich sah die Sorge in seinem Blick aufkommen.
„Du musst nicht mit Macaulay fahren, wenn du nicht willst."
Seine Stimme war sanft, doch in ihr lag ein besitzergreifender Unterton.
„Du weißt in meinem Range Rover ist ne Menge Platz und du kannst deine Beine problemlos ausstrecken. Wenn du willst, klapp ich sogar die Rückbank für dich herunter, damit du einen kleinen Schönheitsschlaf machen kannst", sagte er gespielt.
„Nicht dass du es nötig hättest", fügte er zwinkernd hinzu.
Mein Blick fiel auf Macaulay, dessen Blick abwesend durch das Steels wanderte, aber irgendetwas sagte mir, dass er jedes einzelne Wort mithörte.
„Aiden...", begann ich, in meinem Kopf schwirrten die Gedanken, weil ich keinen von Beiden vor den Kopf stoßen wollte.
Doch im Grunde genommen, hatte ich meine Entscheidung längst gefällt. Ab dem Moment, in dem Macaulay mir angeboten hatte, mich nach Hause zu fahren. Erschrocken hielt ich inne. Nach Hause? Zum ersten Mal hatte ich mich dabei ertappt, dass ich Macaulays Wohnung auch als mein Zuhause betitelt hatte...
„Ich weiß dein Angebot echt zu schätzen, aber...", meine Stimme stockte, als ich sah, dass Macaulay seine dunklen Augen nun auf mich richtete.
Meine Fingerspitzen fingen an zu kribbeln und ich schluckte.
„... du hattest einen anstrengenden Tag hinter dir und für dich wäre es nur ein unnötiger Umweg."
Ich versuchte meine Stimme rational klingen zu lassen, doch mein Körper und vorallem mein Brustkorb schienen alles andere als rational zu handeln.
„Ella, es macht mir echt nichts aus. Ich fahr dich liebend gern nach Hause."
Aidens Stimme überschlug sich.
„Und ich würde niemanden lieber nach Hause fahren als dich", fügte er hinzu und schenkte mir nun ein strahlendes Lächeln.
Seine Hand zog ein weiteres Stück an mir. Mein Kopf war jedoch auf Macaulay gerichtet, dessen dunkle Augen mich, wie Magnete zu sich zogen. Ich war in einem Zwiespalt. Auf der einen Seite wollte ich mit Aiden mitfahren, denn er war auf jeden Fall die sichere Alternative. Er war zuvorkommend, lieb und er schien mich echt zu mögen. Und wenn seine Hand so wie jetzt in meiner lag, hatte ich das Gefühl, als ob wir uns schon jahrelang kennen würden. Es war vertraut zwischen uns. Auf der anderen Seite zog mich ein unsichtbarer, nicht rationaler Teil zu Macaulay. Ich wusste nicht, was es war.. ob es die dunklen Augen waren, die eine Gänsehaut auf meiner Haut auslösten oder die Art und Weise, wie seine Stimme durch meinen Körper vibrierte.
„Und ein weiterer Pluspunkt, wenn du mit mir fährst: Mein Wagen hat eine Sitzheiz..."
Aiden's Worte wurden von dem lauten Schrillen seines Mobiltelefons unterbrochen. Er ließ meine Hand los und kramte in seiner Jackentasche nach seinem Handy. Nachdem er es aus seiner Jackentasche gefischt hatte, warf er einen kurzen Blick auf den Display und antwortete mit einem:
„Ivera? Alles okay bei dir? Alles okay mit Mom?", die Worte kamen, aus ihm herausgeschossen, wie die Munition eines Gewehrs.
„Hmm. Hmm. Achso, ja klar. Okay. Ich bin in zehn Minuten bei dir."
Mit diesen letzten Worten legte er auf und stopfte sich das Handy wieder in die Jackentasche. Sein Blick war nun etwas betrübt auf mich gerichtet, mit seinen Zähnen kaute er nervös auf seiner Unterlippe.
„Ella...", begann er vorsichtig, seine Hand wanderte nun zu seinem Nacken und er fuhr sich an der Stelle über die Haare.
„Ich weiß, dass sich das jetzt ziemlich doof anhört. Vorallem nachdem ich gerade dabei war dich mit meiner Sitzheizung zu locken", er lachte auf, aber ich merkte, dass ihm eigentlich nicht so wirklich nach Lachen zumute war.
„Aber Ivera ist mit ihrem Wagen liegenblieben. Sie hat irgendetwas von weißem Rauch erzählt, der aus ihrer Motorhaube steigt."
Seine Miene wurde nachdenklich.
„Die Zylinderkopfdichtung", hörte ich plötzlich Macaulays tiefe Stimme hinter mir erklingen, woraufhin Aiden seinen Kopf hob und Macaulay für einen kurzen Moment nachdenklich anschaute, bevor sich seine Miene ein klein wenig erhellte und er mit seiner Hand auf seine Stirn schlug.
„Verdammt Alter, natürlich! Dass ich da nicht früher drauf gekommen bin!"
Sichtlich verwirrt zog ich meine Augenbrauen zusammen und beobachtete Aiden, der seinen Blick nun erneut auf Macaulay richtete.
„Hast du noch das meterlange Abschleppkabel in deinem Wagen?"
Ich hörte Macaulays Stimme nicht, aber Aidens Blick sagte mir, dass er wohl genickt haben musste.
„Klasse! Kannst du mir das Kabel mal eben leihen?"
„Ay"
Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus und ich erschauderte, als ich Aiden dabei beobachtete, wie er sich über den Ring schwang
„Super! Dann kannst du Ella auch gleich nach Hause fahren. Dein Wagen ist zwar nicht so komfortabel wie meiner aber das wird die kleine Prinzessin schon aushalten", er zwinkerte mir locker von der anderen Seite des Rings zu und hielt mir ausgestreckt seine Arme entgegen.
„Los, hopsen Sie in meine Arme, Hoheit"
Ein schelmisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht, woraufhin ich die Augen verdrehte. Als ich einen Schritt nach vorne machte, spürte ich plötzlich wie Macaulays dunkle Augen jede einzelne meiner Bewegungen beobachteten. Ich schluckte, als ich mich vor die Seile des Rings stellte und kurze Zeit später, Aidens Hände meine Taille umfassten und er mich aus dem Ring hob. Ich kam keine fünf Zentimeter vor seinem Gesicht entfernt zum Stehen. Aidens dunkelgrüne Augen bohrten sich in meine und ich spürte, wie sein Atem sich beschleunigte. Schlagartig wurde ich mir bewusst, dass meine Haut anfing zu prickeln. Aus den Augenwinkel sah ich, dass Macaulays Augen immer noch auf mich geheftet waren. Leicht räuspernd machte ich einen Schritt zurück und strich mir eine Haarsträhne hinters Ohr.
„Ähm, wir sollten uns beeilen, wenn du deine Schwester nicht zu lange warten lassen möchtest."
Ich sah förmlich, wie Aiden bei meinen Worten aus einer Art Traum zu erwachen schien.
„Ähhm ja, natürlich", seine Stimme klang ein bisschen belegt, bevor er sich mit der Hand durchs Haar fuhr und einen Schritt zurück tat.
Mein Herz pochte laut in meiner Brust und ich traute mich nicht zur Seite zu schauen, vor lauter Angst, dass Macaulays Blick sich vermutlich noch auf meinem befinden würde.
Schweigend liefen wir drei nebeneinander her in Richtung Ausgang vom Steels. An der Rezeption fischte ich meine Tasche und meine Jacke hervor und hing mir beides gleichermaßen um. Kurz bevor wir die Tür erreicht hatten, überholte Aiden mich jedoch und hielt die Tür für mich auf. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln und verließ an ihm vorbei das Steels.
Als ich meinen Blick über den Parkplatz schweifen ließ, erkannte ich zuerst den schwarzen Camaro. Ein merkwürdiges Kribbeln lief über meinen Arm, als mein Blick über die schwarze Motorhaube glitt. Macaulay umrundete den Wagen, öffnete den Kofferraum, holte ein langes rotes Kabel heraus und reichte es Aiden. Meine Augen waren noch auf Macaulay gerichtet, als ich ihn dabei beobachtete, wie er den Kofferaum schloss.
„Da drüben ist mein Wagen!", hörte ich plötzlich Aiden neben meinem Ohr ausrufen.
„Kommst du noch mal kurz mit, Ella? Ich möchte dir was geben?"
Leicht überrascht weitete ich die Augen. Er wollte mir was geben ?
„Ähmm ja klar", presste ich hervor, leichte Nervosität kroch in mir hoch.
Während wir zu Aidens Wagen liefen, ermahnte ich mich meinen Blick starr geradeaus zu halten und mich ja nicht zu Macaulay umzudrehen, doch als wir fast an seinem Wagen angekommen waren, warf ich meinen Kopf doch leicht über meine Schulter. Ganz minimal. Dennoch minimal genug, um zu bemerken, dass Macaulay uns hinterherschaute.
Aiden riss inzwischen die Autotür auf und bedeutete mir in seinen Geländewagen zu steigen. Ich riss meinen Kopf schlagartig zurück und blickte auf die offenstehende Tür vor mir
„Nur für einen ganz kurzen Moment", sagte er, gleichzeitig schaute er mich mit sanften Augen an.
„Okay", presste ich hervor und zwang mich zu einem Lächeln.
Ich wusste nicht, warum mir aufeinmal so flau zumute war, aber als ich nun auf die gepolsterten Sitze von Aidens Wagen aufkam, fühlte ich mich sichtlich unwohl.
Ich schloss die Tür neben mir und Aiden tat das Selbe. Danach ließ er die Zündung des Wagens an.
„Das kommt jetzt vielleicht ein bisschen merkwürdig rüber aber ..."
Aidens Worte tönten durch den Wagen, als er plötzlich nach meiner Hand griff.
„Ich möchte, dass du weißt, dass ich immer für dich da bin"
Mir musste leichte Verwirrung aufs Gesicht geschrieben sein, da ich nicht wirklich wusste, wohin Aiden mit seinem Gespräch hin wollte.
„Ich meine Macaulay kann manchmal ziemlich einschüchternd sein. Und manchmal.. Ich weiß, dass hört sich jetzt ziemlich hart an, aber ja manchmal da kann er ziemlich hart sein"
Er holte einmal tief Luft, bevor er erneut anfing zu sprechen.
„Ich weiß, dass er das nicht bewusst tut und Gott Ella ich kenne ihn schon mein halbes Leben, aber besonders in letzter Zeit ist er ziemlich...", er stockte
„Ich will einfach nicht, dass du dich alleine fühlst. Deshalb...", er tastete um mich herum und griff nach meiner Tasche.
Ich beobachtete ihn dabei, wie er mein Handy aus der Tasche zog und anfing seine Nummer einzutippen.
„Möchte ich, dass du mich wann immer anrufst"
Ein mulmiges Gefühl stieg in mir hoch, während Aiden die Nummer in mein Handy zu Ende tippte. Ich wusste nicht wirklich, was ich ihm sagen sollte.
„Ähm danke Aiden, ich weiß das echt zu schätzen"
Ich schenkte ihm ein leicht gezwungenes Lächeln, als er mir das Handy wiedergab. Ich wusste, dass ich hätte dankbar sein sollen. Das sagte mir zumindest der rationale Teil meines Kopfes. Der irrationale Teil fragte sich jedoch, warum Aiden das Bedürfnis hatte mich vor Macaulay zu beschützen.
„Ella?", drang seine Stimme ein letztes Mal durch den kleinen Raum des Autos, als meine Hand die Beifahrertür bereits geöffnet hatte.
Ich drehte mich um und schaute ihm ins Gesicht.
" Ich bin froh, dass wir uns kennengelernt haben."
Er lächelte mich an und plötzlich war es wieder da. Dieses kribbelnde Gefühl, das sich in mir hochdrückte. Ich schenkte ihm ein Lächeln.
„Ich bin auch froh, dich kennengelernt zu haben, Aiden."
Fünf Minuten später, stand ich auf dem Parkplatz und schaute Aiden hinterher, der seinen Range Rover, über den staubigen Asphalt manövrierte. Das Handy in meiner Tasche fühlte sich schwer an. Es war fast so, als ob es ein Loch in den Stoff brannte. Ich sah dabei zu, wie Aiden's Range Rover den Parkplatz verließ und mich alleine zurückließ. Nur dass ich nicht alleine war. Vorsichtig drehte ich mich um, meine Augen kreuzten Macaulays Blick. Während ich über den Parkplatz zu ihm gelaufen kam, beobachtete er mich, wie ein Jaguar seine Beute. Als ich vor ihm zum Stehen kam, schluckte ich. Sein Gesicht war kein bisschen verzogen, seine Augen immer noch auf mich gerichtet. Die Dämmerung thronte über unseren Köpfen und ließ ihn, wie einen einsamen Rächer erscheinen. Ohne den Blick von mir zu wenden, griff er hinter sich und öffnete die Beifahrertür.
Die schwarze Einrichtung seines Wagens verschmolz fast mit der Dunkelheit, als ich mich mit zittrigen Beinen in die Sportsitze seines Camaros fallen ließ. Er schloss die Tür hinter mir und ich beobachtete durch die getönten Scheiben, wie er leichtfüßig um den Wagen herumlief und wenige Sekunden später die Fahrertür neben mir geöffnet wurde. Ich schluckte, als sein riesiger Körper den Camaro erfüllte. Heute war er wieder komplett in schwarz gehüllt. Doch das war es nicht, was meinen Atem leicht zum Flattern brachte. Vielleicht war es die Tatsache, dass ich noch nie einem Mann begegnet war, der so etwas trug, aber ich hatte das Gefühl, dass ich meinen Blick nicht von dem schwarzen Objekt in seinem Ohr losreißen konnte. Zuvor im Steels war es noch nicht in seinem Ohr gewesen und auch vor ein paar Minuten hatte ich es nicht wirklich wahrgenommen. Ich fragte mich, warum es mir nicht aufgefallen war, wenn es doch jetzt das Einzige war, das ich anstarren konnte. Er trug einen schwarzen Tunnel in seinem Ohr. Dabei handelte sich aber nicht um die Art, die das halbe Ohrläppchen besetzte, wie es bei vielen Männern der Fall war, sonder eher um ein kleineres Objekt. Er musste es sich neu stechen gelassen haben. Es verschmolz derart mit seinem Halstattoo, dass ich das Gefühl hatte, dass Tunnel nur dafür kreiirt wurden, damit er sie tragen konnte.
Macaulay ließ den Motor an und legte den Rückwärtsgang ein. Laute Rapmusik dröhnte mir entgegen, als ich meinen Blick von ihm losriss. Er manövrierte den Camaro aus der Parklücke und fuhr auf die nächstgelegene Straße. Plötzlich beobachtete ich, wie seine Hand hervorschoss und er den Radiosender wechselte.
Erstaunt riss ich die Augen auf, als mir nun die sanften Töne von „ Everything has changed" von Taylor Swift und Ed Sheeran entgegendrangen. Es war, wie eine Art Friedensangebot von ihm. Ich ließ mich in den Sportsitz fallen und fing leise an mitzusummen, während mein Blick aus dem Fenster glitt.
Als Macaulay nach zwanzig Minuten den Camaro vor der Tür parkte, war es bereits nach Sieben. Die Laternen tauchten die dunkle Straße in schummeriges Licht, als wir unseren Weg zu der Haustür machten. Im Hausflur war es stockdunkel und als ich versuchte das Licht anzuschalten, blieb es dunkel.
„Sind wohl wieder die Birnen kaputt", hörte ich Macaulays tiefe Stimme an mein Ohr dringen.
Sein Atem streifte meinen Nacken, so nah stand er nun bei mir. Ich schluckte und nickte.
„Sieht ganz danach aus", presste ich mit leicht belegter Stimme hervor, als ich mit meinen Fingern nach dem Treppengeländer suchte.
Als ich es endlich gefunden hatte, versuchte ich im Dunkeln die Treppenstufen zu finden.
"Ein Schritt nach dem Anderen, Ella", ermahnte ich mich im Kopf und lief gefühlt im Tempo einer Schildkröte die Treppe hinauf.
Macaulay befand sich dicht hinter mir und schien mit dem Aufstieg im Dunkeln keine Probleme zu haben. Ich hob meinen Fuß ein wenig schneller, doch bevor er die Treppenstufe erreichen konnte, spürte ich plötzlich, wie mein anderer Fuß unter mir wegrutschte und mein Oberkörper nach hinten kippte. Ein kleiner Schrei drang aus meinem Mund, doch anstelle, dass ich mir meinen Kopf an der Treppenstufe aufschlug, kam ich auf etwas Weichem auf. Ein moschusartiger Geruch durchdrang meine Sinne und ich spürte einen warmen Atem an meinem Nacken.
„Aufpassen" , hörte ich seine tiefe, heisere Stimme durch den dunklen Flur, an mein Ohr dringen. Mein Herz pochte laut in meinen Ohren, als ich mich von ihm loslöste und wieder nach dem Treppengeländer griff.
„Danke", presste ich leise hervor und machte einen erneuten Schritt nach vorn.
Als wir endlich oben angekommen waren, öffnete Macaulay im Dunkeln die Haustür. Ich war unendlich froh, dass ich endlich etwas sehen konnte, auch wenn es nur seine Wohnung war, die durch den Mond ein wenig heller erleuchtet war, als der Flur. Bevor ich meine Schuhe jedoch von den Füßen stülpte, lief ich zum Lichtschalter und betätigte diesen.
Licht durchflutete die Wohnung, wie Sonnenstrahlen an einem warmen Tag in Toronto den High Park durchfluteten. Ich sah schon fast die weißen Kirschbäume vor mir, wie sie sich sanft im Wind bewegten. Doch das leise Zuziehen einer Tür unterbrach meine Gedanken.
Verwirrt blinzelte ich und schaute auf die Schlafzimmertür von Macaulay, die nun zugezogen war. Ich seufzte leise auf und stülpte meine Schuhe von meinem Füßen. Danach entledigte ich mich meiner Jacke und hing sie auf den spärlichen Kleiderständer, der in der Ecke stand auf. Just in diesem Moment wurde die Tür wieder geöffnet und Macaulay kam heraus. Er trug das selbe hellgraue Hemd, dessen Kragen ordentlich auf seinem Halstattoo aufkam. Dazu eine schwarze Krawatte und die schwarze Lederjacke, die ich erst einmal gesehen hatte. Er huschte so schnell an mir vorbei, dass ich nicht mehr die Chance hatte einen weiteren Blick auf ihn zu werfen. Er zog seine schwarzen Boots über und ehe ich mich versehen konnte, war er bei der Tür angekommen. Doch dieses Mal warf er mir, bevor er die Tür öffnete, über seine Schulter einen letzten Blick zu. Ich erwiderte ihn und in diesem Moment sah ich etwas in seinen Augen, was anders war. Ich konnte es nicht einordnen, aber irgendetwas war anders. Seine Augen hatten für einen kurzen Moment nicht mehr diese Kälte in ihnen und ich sah etwas in diesen, was ich nicht beschreiben konnte. Doch bevor ich den Ausdruck weiter analysieren konnte, schloss er die Tür hinter sich und ließ mich alleine zurück.
In der letzten Stunde war ich zu dem Kiosk in unserer Straße gelaufen, den ich entdeckt hatte, als Aiden mich bei Macaulay abgesetzt hatte, und hatte mir ein Schokoladeneis gekauft. Ich wollte es mir für den späteren Abend aufbewahren, weshalb ich es in die Gefriertruhe gesteckt hatte. Nun saß ich auf dem Sofa und zippte mit der Fernbedienung durch den Fernsehkanal. Mein Blick blieb bei Project Runway hängen. Ich liebte Mode einfach zu sehr, um wegzuschalten. Jedes Mal, wenn ich die Sendung schaute, juckte es in meinen Fingern und ich wurde von einer Welle der Inspiration heimgesucht, die mich entweder dazu brachte, mich den ganzen Tag vor die Nähmaschine zu setzen oder mich die halbe Nacht wach ließ.
In den nächsten anderthalb Stunden schaute ich mir aufstrebende Jungdesigner an, die gegeneinander antraten. Ich hatte mir schon immer vorgestellt, wie es sein würde, wenn ich meine Kleidung Heidi Klum oder Michael Kors vorstellen würde.
Was wäre wohl, wenn Ihnen meine Mode gefallen würde?
Würde ich dann berühmt werden und Models wie Karlie Kloss oder Doutzen Kroes würden meine Kleidung tragen?
Ich war fast am Ende der dritten Episode angekommen, als ich plötzlich einen Schlüssel sich im Schloss umdrehen hörte. Erschrocken zuckte ich zusammen und richtete mich auf dem Sofa auf. Dann ermahnte ich mich aber selbst und ließ mich wieder ins Sofa sinken. Ich wohnte jetzt hier ebenso wie Macaulay. Ich war zwar noch nicht dazu gekommen die Hälfte von der Miete zu bezahlen, aber ich kaufte mir schon immer mein eigenes Essen und ich wusste nicht, ob Macaulay es schon entdeckt hatte, aber ich steckte heimlich ein paar Pfundscheine in die Schublade von seiner Komode, die neben dem Sofa stand. Inzwischen mussten sich mindestens 100 Pfund in der Schublade befinden.
Ich beobachtete, wie Macaulay durch den Raum lief, seine Schlafzimmertür öffnete und ohne ein Wort zu verlieren hinter ihr verschwand. Das hätte ich mir denken können...
Ich ließ mich weiter in das Sofa sinken, während der Abspann von Project Runway über den Fernseher flackerte. Im Geist wog ich ab, ob ich bereits mein Eis anfangen sollte, als ich plötzlich hörte, wie sich die Tür hinter mir öffnete. Ich drehte mich nicht um, sondern schaute weiterhin auf den Fernseher, so als ob die nun laufende Werbung das Spannenste war, was ich in den letzten zehn Jahren gesehen hatte. Die Couch sank neben mir ein und aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass Macaulay sich am anderen Ende der Couch niedergelassen hatte. Dieses Mal trug er eine dunkle Jogginghose und ein khakigrünes Shirt. Ich schluckte und warf meinen Blick wieder auf den Fernseher, in dem nun die Werbung zu Ende war.
Meine Augen waren auf den Fernseher geklebt, als nun die Anfangsmelodie von dem nächsten Film ertönte. Ein Stich durchfuhr mich und mein Körper erstarrte, als ich den Film erkannte. „Eine wie Keine". Der Film, den ich immer zusammen mit Drew geschaut hatte. Freddie Prinz Junior, den ich immer mit Drew verglichen hatte. Und ich war seine Laney gewesen.
Ich schluckte, damit mir nicht die Tränen kamen, als mein Blick auf Freddie Prinz Juniors Schuhe fielen, die nun durch die Highschool liefen. Doch bevor er komplett eingeblendet werden konnte, sah ich wie das Bild im Fernseher plötzlich wechselte und stattdessen Brad Pitt über den Bildschirm flackerte. Erstaunt wanderte mein Blick zu Macaulay, der nun die Fernbedienung in der Hand hatte und auf den Fernseher schaute.
„ Was .. was ist das?", presste ich hervor und starrte ihn weiterhin erstaunt von der Seite an.
„ Fight Club", war seine einsilbige Antwort, ohne mich dabei anzuschauen. Ich kannte den Film nicht, aber mir war jede Gelegenheit recht, die mich davon abhielt, Laney die Treppe herunter kommen zu sehen, nachdem sie einer riesigen Typveränderung unterzogen worden war. Ich wand meinen Blick ebenfalls auf den Fernseher und schaute auf das schöne Gesicht von Brad Pitt.
Wir hatten den Film ganze zwanzig Minuten geschaut, als plötzlich seine tiefe Stimme durch das schwach erleuchtete Wohnzimmer drang. Irgendwann in den letzten zehn Minuten, war Macaulay aufgestanden und hatte das Licht ausgeknipst, sodass nur noch das Licht des Fernsehers das Zimmer erleuchtete.
„Hast du Hunger?"
Ich war dermaßen erschrocken von der vollkommen normalen Frage, dass ich mich für ein paar Sekunden sammeln musste, um mit ihm zu sprechen.
„ J..ja..", presste ich leicht zittrig hervor und sah dabei zu, wie Macaulay sein Handy zückte.
„Hast du was gegen chinesisch?", ich schüttelte mit dem Kopf.
Ich liebte chinesisch. Als ich klein gewesen war, hatten mein Vater, zwar gegen den Willen meiner Mutter- die lieber italienisch aß- ständig chinesisch bestellt. Und auch noch, als ich längst schon über 20 war, hatten mein Dad und ich mindestens einmal im Monat chinesisch bestellt. Ich war quasi ein Profi was chinesische Spezialitäten anging. Plötzlich kam mir eine Idee. Es war eine riskante Idee und ich wusste nicht, ob Macaulay mitmachen wollte, aber zwischen mir und meinem Dad war es noch bis heute Tradition.
„Wie wärs, wenn ich dein Essen bestelle und... ähhm du meins?", presste ich leise hervor und biss mir dabei auf die Unterlippe. Zum ersten Mal, seit zwanzig Minuten sah ich Macaulay seinen Blick wieder auf mich richten.
„ Du willst was?"
Es war zu dunkel zwischen uns, um sein Gesicht zu erkennen, aber ich hatte das Gefühl, als ob ein ganz leichtes Grinsen auf seinem Gesicht erschien.
„Ich bestell für dich und du für mich. Das machen mein Dad und ich ständig."
Ich wusste nicht warum ich das komische Bedürfnis hatte nun meinen Dad zu erwähnen. Ich biss mir auf die Lippe und wartete auf eine Antwort. #
„Ay."
Seine tiefe, dunkle Stimme drang durch das Wohnzimmer und erst als er sein Handy zückte, realisierte ich, dass er mir zugestimmt hatte.
Das Licht seines Handys drang grell durch das Wohnzimmer, während ich ihn dabei beobachtete, wie er etwas in sein Handy eintippte. Nach ein paar Minuten hob er seinen Kopf und streckte mir sein Handy entgegen.
„Okay, Taylor. Ich hab für dich bestellt. Jetzt bist du an der Reihe."
Unsere Finger streiften sich, als er mir sein Handy in die Hand legte. Ein Kribbeln durchzuckte meine Finger und ich zog kaum hörbar die Luft ein. Es war zwar dunkel, aber ich konnte trotzdem sehen, dass seine Augen auf mich gerichtet waren.
„Mhhmm, lass mal sehen..." , presste ich mit leicht erstickter Stimme hervor und tat so, als ob ich nachdenken würde. Dabei wusste ich bereits, was ich ihm bestellen würde, musste mich jedoch von dem kribbeligen Gefühl, das nun in mir hochdrang ablenken. Meine Finger scrollten über seinen Handybildschirm, während ich so tat, als ob ich überlegte. Dann setzte ich ein Häkchen neben das „ Hühnchen Kung Pao". Es war mein Lieblingsgericht und wenn ich könnte würde ich es neben Schokoladeneis mein ganzes Leben lang essen. Als ich die Bestellung ebenfalls verschickt hatte, gab ich Macaulay das Handy zurück.
Kam es mir nur so vor, oder war er in den letzten fünf Minuten, näher an mich herangerutscht?
Ich wand meinen Blick ruckartig wieder ab und schaute weiter auf den Fernseher.
Eine weitere halbe Stunde später, hatte der Film mich so dermaßen absorbiert, dass ich nicht einmal mitbekam, dass es geklingelt hatte. Erst als Macaulay sich plötzlich von dem Sofa erhob, riss ich meinen Blick vom Fernseher. Ich hörte, wie Macaulay leise mit dem Boten an der Tür sprach und keine Minute später kam er mit zwei Tüten wieder zurück ans Sofa. Er ließ sich fast neben mir nieder und reichte mir die rechte von beiden Tüten. Ich konnte nicht anders, aber ein aufgeregtes Kribbeln stieg in mir hoch. Ich wusste, dass es ziemlich kindisch war, aber immer wenn jemand anders für mich bestellte, konnte ich vor lauter Aufregung garnicht mehr an mich halten.
Mit klopfendem Herzen öffnete ich die Tüte und nahm die kleine Schachtel entgegen. Der Geruch des Essens drang mir sofort entgegen und ich riss die Augen auf.
„Hühnchen Kung Pao?", fragte ich verdutzt, während Macaulay nun ebenfalls seine Tüte öffnete.
„ Ay. Mein Lieblingsgericht." , war seine knappe Antwort, als er genau die selbe Box aus seiner Tüte holte, die ich in meiner Hand hielt.
Er hob seinen Kopf und zum ersten Mal seit ich ihn kannte, zogen sich seine Lippen zu einem leichten Lächeln nach oben.
Ein Lächeln war ansteckend.
Das hatte mein Dad zumindestens immer zu mir gesagt.
Doch Macaulays Lächeln schien nicht nur ansteckend zu sein, es schien viel mehr wie eine Droge zu sein. Und ich jemand, der das erste Mal in seinem Leben eine Droge probiert hatte. Es war ein völlig berauschendes Gefühl.
„Hühnchen Kung Pao", gab Macaulay lächelnd von sich und ich beobachtete, wie er seine Box ebenfalls öffnete.
„Das nenne ich mal eine gute Auswahl"
Erstaunt riss ich die Augen auf.
Hatte er etwa eine Art Witz gerissen?
Ich griff nach meinen Stäbchen und öffnete meine Box ebenfalls. Der warme Duft des Hühnchens drang mir entgegen, als ich meine Stäbchen mit meinen Fingern zusammendrückte und nach einem Stück Fleisch griff. Macaulay schien mich für eine kurze Weile mit seinen dunklen Augen eindringlich anzuschauen, bevor er ebenfalls nach seinen Stäbchen griff und sie etwas merkwürdig zusammendrückte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er immer wieder versuchte, mit seinen Stäbchen nach etwas Reis zu greifen. Ich ließ mir nichts anmerken und versuchte mich auf mein Essen zu konzentrieren
„ Verdammt! Scheiß was drauf!", hörte ich seine tiefe Stimme ausrufen, mein Kopf schoss nach oben und ich schaute amüsiert auf Macaulay, der seine Stäbchen nun auf den Tisch geschmissen hatte.
„Ich hol mir ne Gabel."
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Hier ist mein neues Kapitel :)
Ich hoffe es gefällt euch !
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