"Seid ihr verrückt?!"
Ich kam im Eingang der Villa an, wo ich meinen Vater erkannte, der seine Waffe genau auf Orlandos Gesicht richtete. Dieses war bereits von Blut ubersäht. Panisch sah ich zum Türrahmen des Wohnzimmers, in dem Cecilio, Enzo und Ayaz standen. Keiner tat etwas. Jeder sah nur zu.
"Padre!", sprach ich meinen Vater an und lief dabei direkt auf ihn zu. Er beachtete mich nicht und drückte den Lauf der Pistole an Orlandos Stirn. Sein gesamter Körper bebte vor Zorn.
"Ich gebe dir eine aller letzte Chance, mir sofort die Wahrheit zu sagen!", brüllte er. Ich wollte zwischen die beiden, da riss Cecilio mich aber zurück.
"Lass ihn", hauchte er, doch ich riss ungläubig meine Augen auf und schlug seine Hand von meinem Arm.
"Ganz sicher nicht!", gab ich ihm zurück und lief erneut zu meinem Vater. "Padre! Hör sofort auf!", forderte ich mit Nachdruck in der Stimme. Zu meiner Erleichterung blickte mein Vater zu mir. Die Waffe nahm er trotzdem nicht herunter.
"Wieso sollte ich aufhören?! Dieser Bastard hat dir etwas ins Trinken getan!"
"Das weißt du doch gar nicht!", wurde ich lauter und sah dabei zu Ayaz. "Nur weil dieser Nichtsnutz das erzählt, muss es nicht stimmen!"
Ich konnte an Ayaz Augen erkennen, wie sehr ihn diese Worte verletzten. Es tat gut, denn er hatte mir ebenfalls weh getan. Eine Grenze überschritten, der er nie zu nahe hätte kommen sollen.
"Sie hat Recht!" Orlando Stimme lenkte meine Aufmerksamkeit auf ihn. Er nahm die Hände hoch und sah meinem Vater direkt in die Augen. "Ich habe nichts getan! Ich war mit Stella unterwegs! Ich war es nicht!", erklärte er immer wieder, doch mein Vater drückte erneut die Pistole an seine Stirn.
"Und das soll ich dir glauben!", schrie er, da umfasste ich vorsichtig die Pistole und blickte meinen Vater flehend an.
"Ich glaube ihm! Ich würde mich ja wohl erinnern an ihn! Er war gar nicht hier!", versuchte ich ihn zu beruhigen. Es klappte auch, denn auch wenn mein Vater so zornig wirkte, atmete er mehrere Male tief durch.
"Gino. Bitte steck die Pistole weg", erklang dann auch die Stimme meiner Mutter hinter mir. Mein Vater suchte ihren Blick. Sofort entwich der Hass aus seinen Augen, sobald er sie ansah. Nur ganz langsam, nahm er die Waffe runter und steckte diese weg. Eine Last fiel von meinen Schultern, die mich zuvor noch vollkommen anspannte. Mein Vater lief zu Cecilio, während ich mich vor Orlando stellte.
"Geh einfach", wies ich ihn an, woraufhin er plötzlich ein dreckiges Grinsen auflegte. Ich verstand nicht, wie er so locker auf all das reagieren konnte.
"Nives...", flüsterte er ganz leise und kam mir dabei näher. "Falls deine Familie mir noch einmal zu nahe kommt, erzähle ich dem Mann mit der Waffe nur zu gerne von deiner Affäre mit dem Bodyguard."
Innerlich schockte mich seine Drohung. Würde mein Vater in diesem Zustand von Ayaz erfahren, würde er ihm ohne zu zögern etwas antun. Äußerlich blieb ich jedoch ruhig und ließ dabei nicht eine Sekunde Orlandos Augen aus dem Blick. Ein gespieltes Schmunzeln legte sich auf meine Lippen.
"Versuch es und du bist tot. Das verspreche ich dir...", erwiderte ich ihm und öffnete anschließend die Haustür, durch welche er rauslief. Natürlich drehte sich dieses Arschloch noch mal mit einem Lächeln zu mir herum. Diesen Blick würde ich nie vergessen. Das viele Blut in seinem Gesicht ... Hätte mein Vater ihn doch nur an diesem Tag erschossen ...
"Nives!", mahnte mein Vater mich im nächsten Moment und wollte an mir vorbei und Orlando folgen. Ich hielt ihn jedoch am Arm zurück.
"Lass es! Ich bitte dich!", sprach ich laut auf ihn ein und blickte dabei auch zu Cecilio, meiner Mutter, Enzo und Ayaz. "Ich will, dass ihr alle aufhört! Versteht ihr das endlich!"
Meine Augen suchten die meines Vaters, zu dem ich eindringlich aufsah.
"Ich bin erwachsen! Ich kann auf mich alleine aufpassen! Ich brauche niemanden, der meine Kämpfe austrägt! Das schaffe ich auch ohne euch!"
"Nives, es-"
"Gino!" Meine Mutter trat entschlossen an uns heran und stellte sich nah an meine Seite. Wütend blickte sie meinem Vater entgegen. "Wenn sie sagt, sie schafft es alleine, dann lass ihr endlich Freiraum!"
"Aber, Amore! Es-"
"Nichts aber!"
So hatte ich meine Mutter noch nie erlebt. Sie ließ ihn nicht zu Wort kommen und hob ihre Hand an. Als mein Vater daraufhin fest schluckte und endlich einen Schritt zurückwich, fühlte ich mich zum ersten Mal von ihr unterstützt und verstanden.
"Cecilio, sag meinen Termin ab", forderte meine Mutter und sah dann wieder zu meinem Vater auf. "Wir reden! Jetzt! Alleine!"
Sie lief ihm voraus die Treppe hoch, doch mein Vater drehte sich nochmal zu Ayaz herum, ehe er ihr folgte.
"Du passt auf! Sollte dieser Bastard noch ein einziges Mal in ihre Nähe kommen, schießt du ihm ohne Vorwarnung in die Hand! Verstanden?!"
"Ja", erwiderte Ayaz, woraufhin ich meine Augen verdrehte. Als mein Vater dann die Treppen rauf lief und Cecilio im Büro neben uns verschwand, blickte ich zu meinem Opa. Er schien etwas überfordert und suchte nach einem sanften Lächeln wieder das Wohnzimmer auf. Zurück blieben Ayaz und ich ...
"Danke nochmal. Danke, für dieses ganze unnötige Chaos!", warf ich ihm vor und lief dabei direkt auf ihn zu. "Stell dir vor, mein Vater hätte ihn erschossen! Was dann?! Hast du darüber auch nur eine einzige Sekunde nachgedacht?!"
"Ich wünschte, er hätte es getan!", gab Ayaz mir eiskalt zurück und wollte an mir vorbei zur Haustür. Ich stellte mich ihm jedoch in den Weg und begann überheblich zu grinsen.
"Weißt du, was für ein Mensch du bist?! Einer, der anscheinend kein bisschen Selbstbewusstsein hat und mit seiner scheiß Eifersucht etwas kompensieren muss!"
"Ich muss etwas kompensieren?!"
"Natürlich! Oder wieso lieferst du Orlando so aus?! Er hat dir rein gar nichts getan, außer dass er nackt mit mir im Pool war! Daraus schließe ich, dass er dir nur wegen mir ein Dorn im Auge ist!"
"Wenn du das sagst, wird es wohl so sein", erwiderte er mir gleichgültig. Ich war so wütend auf alles, dass ich es an ihm rauslassen wollte. Umso mehr ich ihn allerdings verletzte, umso mehr tat es mir selbst weh. Das hatte zur Folge, dass ich sogar noch zorniger wurde.
"Du-"
"Nives!" Mein Blick fiel zur Seite, wo ich Cecilio erkannte, der im Türrahmen des Büros stand. Er zeigte Ayaz mit der Hand eine Geste, uns alleine zu lassen. Es passte mir überhaupt nicht, denn ich war noch nicht fertig damit, ihm Vorwürfe zu machen. Nachdem Ayaz ohne noch etwas zu sagen zur Haustür herauslief, kam mein Onkel auf mich zu.
"Du weißt, dass du dich unfair gegenüber ihm verhältst?"
"Ja!", gab ich meinem Onkel patzig zurück.
"Warum tust du es dann?"
"Weil ich sauer bin! Ich bin verfickt nochmal sauer auf alles und jeden! Ich weiß nicht, wohin mit dieser Wut!"
"Du bist überfordert. Kein Wunder. Immerhin hast du deinen Bruder sein eigenes Kind beseitigen lassen und dazu, bist du zu blind, um zu erkennen, was Ayaz längst durchschaut hat."
Mit großen Augen starrte ich Cecilio an.
"Ich und blind?", wiederholte ich ihn fassungslos und versuchte die Sache mit Malino sofort wieder aus meinem Verstand zu verdrängen. Ja, Cecilio offenbarte die Wahrheit. Doch ich wollte sie nicht hören.
"Du bist genau nervig und laut wie dein Vater. Anscheinend aber auch naiv wie deine Mutter."
"Ich bin nicht naiv!", wurde ich lauter, da setzte er ein amüsiertes Grinsen auf.
"Oh, doch. Du bist naiv genug, Orlando zu glauben und auch naiv genug, zu denken, ein Mann wie Ayaz würde deine Launen lange mitmachen. Er ist kein Riziero. Kein Schuljunge, den du um den Finger wickeln kannst. Ich würde dir raten, anzufangen, ihm zu vertrauen."
"Orlando war es aber nicht!"
"Sicher?", setzte mein Onkel nach und kam mir einen Schritt näher. "Ich habe dir oben im Zimmer Mut zugesprochen. Habe dir gesagt, dass ich dir glaube! Aber ich bin nicht so blind wie du. Ich hab gesehen, wie er dich angesehen hat, als du die Treppe runter kamst. Dieses eiskalte in seinem Blick. Nicht mal Ginos Waffe hat ihm Angst gemacht und weißt du wieso? Weil seine Pupillen riesig waren und das Zeug ihm seine Sinne betäubt. So jemand hat sicher kein Problem damit, auch andere unter Drogen zu setzen."
"Du hast doch keine Ahnung!", warf ich ihm vor. "In meinem Zimmer auf verständnisvoll machen und jetzt bist du plötzlich ein ganz anderer! Ich will von diesem Thema nichts mehr hören, denn das schlimme daran ist nicht, dass mich jemand unter Drogen gesetzt hat - sondern dass ihr mich wahnsinnig macht, in dem ihr dieses Thema nicht ruhen lasst!"
"Weil du uns wichtig bist!"
"Euch sollten Malino und Elio wichtig sein! Sie machen eine schlimme Zeit durch! Nicht ich! Ich komme alleine klar, oder siehst du mich heulen oder zusammenbrechen?! Nein! Also, schönen Tag noch!"
Ich ließ meinen Onkel stehen und folgte Ayaz nach draußen. Unsere Diskussion war für mich noch nicht beendet. Kaum unter der Sonne stehend, blickte ich mich um - doch von ihm fehlte jede Spur.
"Wo ist mein Bodyguard?", wandte ich mich an einen der Wachmänner, doch dieser zuckte nur mit den Schultern.
"Er ist gefahren. Wohin weiß ich nicht."
"Verfluchte scheiße!"
Und da überkam mich ein schlechtes Gewissen, dass ich mehr als verdient hatte. Doch lange blieb es nicht, da in dem Moment mein Onkel Dario die Einfahrt hochgefahren kam.
Sofort lief ich auf seinen Wagen zu und riss die Beifahrertür auf.
"Was ist-"
"Fahr mich zum Krankenhaus."
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