7 | Mit dem Kopf durch die Wand
Ehe ich an Ayaz vorbei konnte, stellte er sich mir plötzlich so in den Weg, dass ich direkt an seine harte Brust donnerte. Das brachte allmählich das Fass zum überlaufen - wobei ich aber zugeben musste, dass sein Aftershave angenehm auf mich wirkte.
"Wohin des Weges, Prinzessin?"
"Geht dich wohl kaum etwas an", gab ich zischend von mir und sah dabei entschlossen zu ihm auf. "Und wenn du mich noch ein einziges Mal so nennst, zeige ich dir nur zu gerne, wie weit entfernt ich von dem Verhalten einer Prinzessin bin!"
Erneut wollte ich an ihm vorbei, doch er machte einen gekonnten Schritt zur Seite und stand mir wieder im Weg.
"Weiß deine Mutter, dass du schon gehst?"
Fassungslos starrte ich auf in seine dunklen Augen und presste meine Zähne fest aufeinander. Dachte er wirklich, ich müsste mich an- und abmelden?!
"Nein - und es ist auch egal, denn ich bin 18 und keine 12 mehr!"
"Dein Verhalten sagt mir aber etwas anderes."
"Interessiert mich einen scheiß. Also mach's gut", erwiderte ich ihm an der Grenze meines Geduldsfaden und drängte mich extra so nah an ihm vorbei, dass ich ihn mit meiner Schulter anstieß. "Idiota..."
Erhobenen Hauptes lief ich an einigen Leuten vorbei und direkt die Einfahrt entlang zur Straße, wo ich zu meiner Erleichterung bereits Cecilio erkannte. Er parkte gerade seinen schwarzen Audi direkt vor dem Tor, während ich bemerkte, dass Ayaz mir hinterher lief.
"Du kannst hier bleiben!", erklärte ich mit bissigem Unterton, ohne mich dabei zu ihm herumzudrehen oder stehen zu bleiben.
"Nein, kann ich nicht", hörte ich ihn hinter mir und verdrehte daraufhin frustriert meine Augen. Wieso tat mein Vater mir so etwas an!
"Hör mir zu", fing ich an und drehte mich zu Ayaz herum, der daraufhin stehen blieb und mich ohne Ausdruck musterte. "Ich fahre nach Hause - mit meinem Onkel! Es ist überhaupt nicht nötig, dass du mich begleitest!"
Er gab mir überhaupt keine Reaktion auf meine Aussage. Stand einfach reglos da und sah mich an, als würde er nur darauf warten, dass wir weiterlaufen würden.
"Nives?!"
Mein Onkel rief hinter uns nach mir und nur dadurch, wandte ich mich wieder zur Straße und lief zielstrebig weiter.
"Ich hab nicht lange Zeit", gab er mir durchs offene Fenster zu verstehen und gerade, als ich mir die Tür aufmachen wollte, legte aber Ayaz seine Hand um den Griff, sodass unsere Finger sich kurz berührten.
Irritiert darüber sah ich zu ihm auf und zog ruckartig meine Hand wider zurück, während er mir in aller Ruhe die Tür öffnete und mich abwartend musterte.
Diese dunklen Augen... wie sehr ich sie jetzt schon verabscheute!
"Pass gefälligst auf, wo du deine Finger dran legst, sonst tue ich dir das nächste Mal weh!", mahnte ich selbstbewusst, doch dieser Idiota legte auf meine Aussage hin plötzlich ein dämliches Grinsen auf.
"Steig ein. Ich passe schon auf, wo ich meine Finger dran lege. Keine Sorge", flüsterte er so leise, dass nur ich ihn hören konnte und da ich keine Lust hatte, mich noch eine Sekunde länger mit ihm aufzuhalten, ließ ich mich auf den Sitz fallen und konzentrierte mich voll und ganz auf Cecilio. Ich blendete sogar aus, dass Ayaz hinten einstieg.
"Keine Lust mehr auf Blümchen und Champagner?", hakte mein Onkel mit hochgezogener Augenbraue nach, wonach ich nur flüchtig nach hinten zu Ayaz starrte.
"Wäre zu schön, wenn ich wenigstens Champagner bekommen hätte."
Ayaz legte ein triumphierendes Lächeln auf, was ich nur mit einer Grimasse erwiderte, ehe wir los fuhren und ich mich schon freute, gleich zu Hause zu sein. Diesen Abend würde mir niemand kaputt machen, egal was noch kommen würde.
"Weißt du", fing Cecilio kurz nach unserer Abfahrt ein Gespräch an und lenkte den Wagen dabei lässig durch die Straßen. "Du musst schlauer sein, Nives."
"Was willst du mir damit sagen?", hakte ich verwirrt nach und fühlte mich ein klein wenig von ihm beleidigt deswegen. Er nickte kaum merklich nach hinten, sodass ich meinen Kopf nur leicht zur Seite lehnte und Ayaz erneut ins Visier nahm. Dieser bekam aber kaum etwas mit, da er mit seinem Handy beschäftigt war.
"Du bist deinem Vater so ähnlich, Küken. Immer mit dem Kopf durch die Wand", erklärte Cecilio und zündete sich dabei lässig eine Zigarette an, um mir diese zu reichen. Ich nahm sie entgegen und zog einmal daran, um sie ihm aber gleich wieder zurück zu geben.
"Tja, manche Situationen lassen einem nichts anderes übrig, als mit dem Kopf durch die Wand zu gehen."
Er lachte kurz und schüttelte seinen Kopf, während er nun seine Zigarette genoss. Seine schwarzen Haare fielen leicht über seine Stirn und ich musterte flüchtig die Narbe auf seiner Wange, ehe ich wieder in seine Augen sah.
"Das ist nur deine Sichtweise. Diese Situation mit dem Russen... Du hättest einfach ein Lächeln auflegen und mit deinem Bruder Problemen aus dem Weg gehen können."
"Ja, genau... Damit dieser Russe dann noch gedacht hätte, wir wären feige. Das ist nicht meine Art, Onkel Cei."
"Mit dieser Art hättest du jetzt aber keinen Schatten, der dich rund um die Uhr bewacht."
"Den bräuchte ich auch so nicht! Du weißt am besten, dass ich mich selbst verteidigen kann!"
Meine Stimme wurde vor Aufregung schon wieder lauter, woraufhin Cecilio mich mahnend ansah. Ich kannte ihn und wusste, dass ich runterfahren musste.
"Versuch doch einfach nächstes Mal Ruhe zu bewahren. Weißt du, was die größte Strafe für Menschen ist - egal ob in der Liebe, oder in der Freundschaft?"
"Betrug?"
"No", widersprach er mir. "Betrug tut weh, jedoch ist es ein Gefühl, dass man verarbeiten kann. Ignoranz ist der Schlüssel, jemanden zu brechen. Stell dir vor, da ist eine Freundin, die dich durch Verrat betrügt. Du wärst sauer und würdest sie verfluchen. Doch irgendwann hättest du es verarbeitet. Was aber, wenn sie dich ohne es zu begründen ignoriert und keine Nachricht mehr von ihr zurück kommt?"
Ich dachte kurz über das nach, was er mir zu erklären versuchte, ehe ich zu einem Entschluss kam.
"Dann würde ich mich immer wieder fragen, was ich falsch gemacht habe."
"Genau", sprach er mit einem Zwinkern und schnippste dabei seine Zigarette lässig aus dem Fenster, um anschließend durch das Tor zu unserer Villa hochzufahren. "Hättest du diesem Russen also dein schönstes Lächeln geschenkt, um ihn lächerlich zu machen und ihn dann auch noch ignoriert, wäre er womöglich jetzt noch damit beschäftigt, über diese Situation nachzudenken. Durch deine Aggression hast du aber nichts bei ihm erreicht. Er denkt sich womöglich nur, dass du eine kleine Psychopathin bist."
"Das ist doch etwas Gutes. So hat er wenigstens Respekt vor mir."
"Glaub mir, dass ist nichts Gutes und Respekt bekommst du nicht dadurch, dass du laut wirst. Menschen, die es verdient haben, respektiert zu werden, die müssen kein Wort sagen, um diesen Respekt einzufordern. Er ist selbst in der Stille da."
Er parkte den Wagen genau vor der Haustür, woraufhin Ayaz der erste war, der ausstieg. Ich hatte ihn durch das Gespräch mit Cecilio schon vollkommen vergessen.
"Also meinst du, dass ich Menschen, die mich bedrohen, einfach ignorieren soll?"
"Du bist ein kluges Mädchen. Jetzt solltest du aber eine Frau werden, die gar nicht erst in eine Situation kommt, in der die bedroht wird."
"Du bist ja lustig", erwiderte ich ihm ironisch. "Du hast ja keine Ahnung, wie die Leute heutzutage drauf sein."
"Und du hast keine Ahnung, wie die Menschen früher drauf waren", schmunzelte er. "Also, anstatt mit dem Kopf durch die Wand, denk vorher nach und schon kannst du dir einiges an Ärger ersparen. Igrnoriere die, die deine Gefühle gar nicht erst verdient haben und belächel diejenigen, die du nicht einmal ernst nimmst. Verstanden?"
Ich nickte ihm zu und war dankbar, dass er immer so offen mit mir über alles sprach. Er war zwar oft unterwegs und auch viel mit seiner Arbeit beschäftigt, aber bei ihm war es trotzdem so, dass jedes Gespräch einem etwas bei brachte. Hielt man sich also an ihn, konnte man viel lernen.
"Wann bist du wieder zu Hause?"
"In zwei Stunden", antwortete er und bevor ich allerdings aussteigen konnte, umfasste er mein Handgelenk und sah mich noch mal eindringlich an. "Und wenn doch eine Situation entsteht, in der du keinen Ausweg mehr siehst, als mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, dann sorg wenigstens dafür, dass deine Eltern davon keinen Wind bekommen."
"Ich werd's versuchen", lächelte ich und stieg nach einem letzten dankbaren Blick anschließend aus dem Wagen, um Cecilio noch kurz hinterher zu sehen, wie der die Einfahrt herunterfuhr.
"Mit dem Kopf durch die Wand?", hörte ich plötzlich Ayaz hinter mir und drehte mich jetzt wieder genervt zu ihm herum.
"Was dagegen?"
"Nein... Ganz und gar nicht. So wird mir wenigstens nicht langweilig", sprach er und lehnte dabei an der Wand neben der Haustür, um mich neugierig zu mustern. Ich ignorierte ihn allerdings und lief an ihm vorbei ins Haus - erleichtert darüber, dass er mir nicht folgte.
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