69 | Freitag
Die Woche verging schneller als gedacht. Mittlerweile war Freitag. Der Tag, an dem Malino und ich unseren Plan durchsetzen würden. Ich ging die letzten Tage Madrisa komplett aus dem Weg, auch wenn sie jede Situation nutzte, um mich zu provozieren. Ich ging jedoch nicht darauf ein, denn ihr ganz persönliches Karma befand sich bereits auf dem Weg. Auch dem Rest meiner Familie wich ich aus. Der Grund dafür war einfach ...
Ich wollte nicht, dass sie dahinter kamen, welch Aktion wir planten. Keiner durfte davon erfahren. Alleine schon, weil ich es Malino versprochen hatte. Eigentlich hätte ich es auch selbst tun können. Ich hatte damit kein Problem. Nur ich wäre dir erste Verdächtige ...
"Die hier wirst du brauchen." Ich saß mit Malino auf meinem Bett und holte eine Pistole aus meiner Handtasche hervor. Malino sah sich die silberne Waffe genauer an, ehe er sie vorsichtig an sich nahm. Skeptisch betrachtete er mich.
"Woher-"
"Das ist nicht wichtig", unterbrach ich ihn, da ich mich schämte. Ich erinnerte mich an einen Tag zuvor. Den Abend hatte ich mit Ayaz in seinem Auto verbracht. Wir hörten Musik, aßen dabei Nüsse und Schokolade, während wir der Sonne beim untergehen zusahen. Bevor er mich nach Hause fuhr, bat ich ihn, mir an einer Tankstelle noch eine Flasche Wasser zu holen. Als er im Inneren verschwand, öffnete ich sein Handschuhfach und entwendete die Pistole, ohne das er davon etwas mitbekam. Tief durchatmend versuchte ich mein schlechtes Gewissen beiseite zu schieben und blickte herüber zu Malino. Dieser war immer noch damit beschäftigt, die Waffe in seiner Hand zu begutachten. "Wichtig ist nur, dass du sie mir danach wieder gibst. Hast du das verstanden?! Wenn du sie irgendwo verlierst oder scheiße baust, bringe ich dich persönlich um."
"Schon klar", erwiderte er mir und steckte sie anschließend in die Innentasche seiner Lederjacke. "Ich werd's heute Abend durchziehen. Sie kommt sicher erst spät von ihrer Freundin zurück. Ich fange sie ab."
"Kannst du mit der Waffe überhaupt umgehen, oder soll ich dir-"
"Ich kann es. Keine Sorge."
"Und hast du mittlerweile auch ein Alibi?"
"Ja, darüber brauchst du dir keine Gedanken zu machen."
"Sicher, dass du dem Typ vertrauen kannst?"
"Ich brauche kein Vertrauen, wenn ich Geld habe. Er wird sagen, dass ich den ganzen Abend bei ihm war."
Ich nickte zwar zufrieden, konnte aber nichts dagegen tun, dass mir ein unwohles Gefühl im Nacken haftete. Irgendwas schien ich nicht richtig bedacht zu haben. Meine Gedanken arbeiteten auf Hochtouren, doch ich kam immer wieder zu dem Entschluss, dass wir das Richtige taten.
Als es dann an meiner Tür klopfte, stand Malino nervös auf. Ich nahm ihn mahnend ins Visier und erhob mich ebenfalls.
"Bleib ruhig, okay?" Er atmete durch, während ich zur Tür lief. Mein Opa öffnete diese und lächelte uns freundlich entgegen.
"Wir sind fertig. Kommt ihr?"
"Ja, wir kommen sofort. Eine Sekunde noch", gab ich ihm mit einem liebevollen Ausdruck zurück, da verschwand er schon wieder in den Flur. Ich drehte mich daraufhin nochmal zu Malino. "Lass dir bloß nichts anmerken. Cecilio bemerkt innerhalb einer Sekunde, wenn etwas nicht stimmt."
"Cecilio?", hakte Malino nach und legte dabei ein dämliches Grinsen auf. "Bei dir vielleicht. Er ist mein Patenonkel, aber sein Interesse an meiner Person ist kaum existent."
"Ohhh", sprach ich theatralisch und legte ihm meine Hand auf seine Schulter. "Willst du eine Runde Mitleid?"
"Halt die Fresse, Nives." Er stieß mich leicht mit seiner Schulter und lief an mir vorbei aus dem Zimmer. Ich lächelte amüsiert und nahm mein neues Handy zur Hand. Für heute musste ich Ayaz leider absagen. Eigentlich wollte ich ihn abends ins Fitnessstudio begleiten, doch Malinos nervöses Verhalten brachte mich dazu, lieber bei ihm sein zu wollen.
"Du brauchst mich nicht abzuholen. Habe besseres zu tun.", tippte ich ein und schickte die Nachricht ab. Natürlich dauerte es nicht lange, bis eine zurückkam.
"Besseres zu tun? Du brichst mir mein Herz!"
"Welches Herz?"
"Verwöhnte Prinzessin... Aber es ist alles in Ordnung? Falls du trotzdem etwas brauchst, melde dich."
"Alles klar, Mister Bodyguard."
Zurfrieden löschte ich den Verlauf und steckte mein Handy in die Tasche meiner Jeans, um mich anschließend auf den Weg nach unten zu machen. Im Flur traf ich allerdings auf Madrisa. Diese stand an der Wand gelehnt und hielt ihre Arme verschränkt.
"Nichts zu tun? Gibt es keinen Hexenzirkel, der eine Versammlung hat? Oder ne Art Schlampen Treff am Bahnhof?"
"Du hast ja keine Ahnung, wie sehr ich deine Provokationen genieße", gab sie mir überheblich zurück. Sie war wohl immer noch der Meinung, ihre Drohungen hätten mich in die Knie gezwungen. Das Lächeln würde ihr aber schon bald ein für alle mal vergehen.
"Genieße sie, solange du es noch kannst."
Zielstrebig wollte ich an ihr vorbei, da machte sie aber einen Schritt vor und stellte sich mir in den Weg. Ihre giftigen Augen fixierten mich und ich erkannte zum ersten Mal diesen reinen Wahnsinn in ihren Blicken.
"Du solltest mir nicht drohen, Nives", hauchte sie leise und nahm dabei eine Strähne meiner Haare zwischen ihre Finger. Ihre Nähe brachte mir unbändige Wut. Ruckartig umgriff ich ihr Handgelenk und verdrehte es, wodurch sie vor Schmerz zischte und einen Schritt zurückwich.
"Du verstehst da etwas falsch, kleines Miststück", flüsterte ich mit einem triumphierenden Grinsen. "Ich drohe nicht ... Ich sage lediglich die Zukunft voraus."
"Dir ist aber klar, dass deine Zukunft nur noch in meinen Händen liegt?" Sie entriss mir ihre Hand. "Also akzeptiere mich lieber!"
"Meine Zukunft kann nicht in deinen Händen liegen, wenn ich sie dir vorher abhacke!"
"Du bist zu süß, wenn du wütend bist. Genau wie damals in der Schule, wenn du mich grundlos gemobbt hast." Sie setzte ein irres Lächeln auf, ehe sie sich herumdrehte und die Treppen hinabstieg. Ich sah ihr nach, um mich anschließend mit meiner Schulter an die Wand neben mich zu lehnen. Mein Kopf dröhnte, während ich unbewusst damit anfing, mein Handgelenk zu kratzen. Es interessierte mich wirklich einen scheiß, welch Drohungen sie aussprach. Aber dass es dabei auch um Ayaz ging, machte alles kompliziert für mich.
"Liebling?" Ich sah zur Seite und erkannte meine Mutter, die ihre Hand vorsichtig auf meine Schulter legte. "Alles in Ordnung?"
"Ai, natürlich", gab ich ihr zurück und setzte ein gespieltes Lächeln auf. Da sie trotzdem noch besorgt wirkte, versuchte ich sie abzulenken. "Und bei dir? Alles okay?"
"Mir geht es gut, wenn es euch gut geht."
"Ich weiß", erwiderte ich ihr, da sie diesen Satz schon öfter zu mir und meinen Brüdern gesagt hatte. Nach einer kurzen Stille, liefen wir gemeinsam nach unten und suchten auch gleich den Garten auf. Mein anfälliger Blick fiel zu Madrisa. Wie selbstverständlich saß sie da, zwischen meinem Opa und Elio. Ein Virus, der sich fest setzte und den man nur schwer wieder los werden würde. Doch lange würde sie uns nicht mehr krank machen.
Ich wandte meine Augen von ihr ab und ließ mich Enzo gegenüber auf den Stuhl sinken. Die Sonne befand sich hinter hellen Wolken, doch es war trotzdem total heiß hier draußen.
"Hast du alles erledigt?" Mein Vater saß am Kopfende. Er betrachtete fragend Cecilio, der zustimmend nickte. Als sie daraufhin langweilige Gespräche über Weihnachten anfingen, beschäftigte ich mich mit Antonio. Er zeigte mir einige Spiele auf seinem Handy und ich half ihm bei den schweren Leveln. Zwischendrin aß ich etwas Salat und musterte immer wieder Malino. Er wirkte auf mich schon nervös, denn er spielte mit dem Essen auf seinem Teller und schien abwesend dabei.
Als ich ebenso Cecilios nachdenklichen Blick auf meinem Bruder bemerkte, nahm ich mir vor, ihn abzulenken. Er durchschaute Intrigen und Geheimnisse, bevor man sie überhaupt geplant hatte.
"Hast du morgen Zeit?", fragte ich also in seine Richtung, woraufhin er auch gleich meinen Blick erwiderte.
"Für was?"
"Für mich natürlich", gab ich ihm mit hochgezogener Augenbraue zurück. Das Problem war, dass er noch mal flüchtig zu Malino starrte. Er merkte, dass wir etwas im Schilde führten, doch ich blieb ruhig und trank mein kühles Glas Wasser langsam leer.
"Kommt darauf an, was du vorhast."
"Wir könnten-"
"Morgen brauche ich dich", mischte sich plötzlich Madrisa in unser Gespräch ein. Ich dachte, ich hätte mich verhört. Als ich jedoch mit großen Augen fassungslos zu ihr sah, erwiderte sie meinen Blick.
"Wie bitte?", hakte ich ungläubig und bereits wütend nach.
"Du hast mich schon verstanden."
Meine Finger umgriffen bereits wütend den Griff der Gabel neben meinem Teller. Ein Stich in ihren Hals würde genügen, um mir endlich Frieden zu bringen. Ich spürte aber die Blicke aller anderen auf mir. Nur einer war mir wichtig, deshalb sah ich als erstes zu meinem Vater. Dieser schüttelte kaum merklich den Kopf, während er mich fixierte. Ich wusste, er bat mich ruhig zu bleiben. Wenigstens solange, wie Antonio und Enzo mit am Tisch saßen. Ich schluckte meinen Zorn also herab und starrte ohne Ausdruck wieder zu Madrisa.
"Nein, ich glaube ich habe dich nicht verstanden", gab ich ihr mit bebender Stimme zurück, da grinste sie nur noch breiter.
"Doch, ich bin mir sicher, du hast mich verstanden. Wir wollten doch zusammen Kleider kaufen gehen. Das hast du mir doch am Strand versprochen, als wir das Pärchen in dem Auto beobachtet haben. Du weißt schon... Die rumgemacht haben."
Sprachlos lagen weiterhin meine Augen nur auf ihr. Ihre hässliche Visage! Ihr so gespieltes Grinsen. Meine Vorstellung davon, ihr die Gabel ins Gesicht zu rammen, wuchs ins Unermessliche!
"Welches Pärchen?", mischte sich meine Mutter plötzlich ein und ich erkannte, dass mein Vater ebenso neugierig von seinem Handy aufsah.
"Ach, ein alter Typ mit einem sehr jungen, naiven Mädchen. Ich meine, es war so offensichtlich, dass sie einen Vaterkomplex hat. Oder, Nives?"
Mir blieb der Atem weg, während Cecilios Augen auf meine trafen. Er wusste genau, wovon sie sprach und ich dankte Gott, dass er sich im selben Moment erhob.
"Wir sollten langsam los", erklärte er in die Richtung meines Vaters und als dieser ebenso aufstand, nahm ich wieder Madrisa ins Visier. Sie zwinkerte und da war es vorbei. Ruckartig sprang ich auf und lief mit der Gabel in der Hand um den Tisch. Weit kam ich jedoch nicht, da Malino mich aufhielt.
"Hast du nicht gesagt, wir sollen uns ruhig verhalten", flüsterte er und riss mich am Arm mit sich durch die Terassentür nach innen. Die anderen sahen uns irritiert nach, doch ich ignorierte alle und lief wütend zur Couch.
"Wie soll ich ruhig bleiben! Merkst du nicht, wie sie mich provoziert?!", wurde ich lauter, doch Malino runzelte seine Stirn.
"Wieso bist du überhaupt mit ihr zusammen am Strand unterwegs gewesen?"
Ich verdrehte meine Augen und ließ mich frustriert auf die Couch sinken.
"Ai, dio mio. Sie ist mir gefolgt nach der Gala. Keine Ahnung, was ihr Problem mit mir ist!"
Zu meiner Erleichterung, war Malino immer alles egal. Er hakte nicht weiter nach und setzte sich neben mich auf die Couch.
"Bald sind wir sie los", hauchte Malino, während ich immer wieder über meine Schulter nach draußen spähte. Cecilio und mein Vater standen etwas abseits. Sie unterhielten sich und rauchten dabei Zigaretten. Die anderen saßen am Tisch, doch keiner schien etwas zu sagen.
"Wir warten noch, bis Padre und Cecilio weg sind. Madrisa wird danach sicher auch abhauen. Du gehst vor ihr und folgst ihr, okay?"
"Alles klar."
Eine kurze Zeit verweilten wir schweigend auf der Couch. Malino schaltete zwischenzeitlich den Tv ein und Antonio gesellte sich zu uns. Er kuschelte sich zwischen uns und erzählte in einer Tour von seinem Spiel. Ich konnte ihn kaum folgen, bemühte mich jedoch trotzdem immer wieder so zu tun, als würde ich irgendwas davon verstehen.
"Ihr seid schön brav", lenkte mein Vater unsere Aufmerksamkeit auf sich und kam gemeinsam mit Cecilio auf uns zu.
"Wann sind wir denn mal nicht brav", gab Malino ihm zurück, woraufin mein Vater zu grinsen begann. Ich musterte Cecilio derweil, der seinen Kopf leicht schief legte und seine Augen zwischen mir und Malino hin und herschweifen ließ.
"Ich hab die Note von deinem Sozialverhalten gesehen. Brav sein, liegt dir nicht im Blut." Mein Vater beugte sich zu Malino, um ihm durch die Haare zu wuscheln, ehe er sich zu Antonio herunterbeugte. Er gab ihm einen Kuss auf seine Stirn und nahm anschließend mich ins Visier. "Pass auf die beiden auf."
"Immer", erwiderte ich ihm und nachdem er auch mir einen Kuss auf meine Wange gehaucht hatte, verschwand er mit Cecilio zum Hausflur heraus. Kaum hörte ich die Haustür ins Schloss fallen, suchte ich Malinos Blick. Ich machte ihm ohne Worte klar, dass es los gehen konnte. Er nickte und erhob sich von der Couch.
"Es gibt kein Zurück mehr, sobald ich aus der Tür bin."
"Das gibt es auch jetzt nicht mehr", erklärte ich tief durchatmend und drehte mich zur Fensterfront. Meine Augen fixierten Madrisa, die dabei war, ihr hässliches Gesicht der Sonne entgegen zu halten. "Lass dich nicht erwischen."
Malino wollte sich gerade herumdrehen, da stand ich aber ruckartig auf und zog ihn fest in meine Arme. Er erwiderte meine Umarmung nicht, sondern klopfte mir nur einige Male auf meinen Rücken.
"Pass bitte wirklich auf dich auf."
"Du machst dir doch keine Sorgen um mich, oder?"
"Niemals", hauchte ich und löste mich schnell wieder von ihm. Er grinste dämlich und nachdem auch er gegangen war, blieb ich alleine zurück. Zumindest dachte ich das, bis Antonio mir plötzlich von der Couch aus auf den Rücken sprang.
"Spielen wir verstecken?"
"Ai, Toni!", regte ich mich auf, da er mir mit seinem festen Griff um den Hals weh tat. "Geh runter du kleines Monster!"
"Nööö", kicherte er und ich ließ es mir nicht nehmen, mich seitlich mit ihm auf die Couch fallen zu lassen. Er quiekte vergnügt auf, als er mich losließ und ich ihn zu kitzeln begann. "Hör auf! Ich mache mir in die Hose!"
"Ist nicht mein Problem!", lachte ich und kitzelte ihn dabei weiter, bis er vollkommen fertig nach Luft rang und schon rot im Gesicht wurde. "Hör du lieber auf mich zu ärgern."
Wir alberten herum, bis die anderen ins Wohnzimmer kamen. Elio und Madrisa liefen direkt weiter in den Flur. Enzo setzte sich mit seinem Buch an den Esstisch. Meine Mutter machte sich in der Zeit daran, Kaffe zu kochen. Anschließend ließ sie sich neben Enzo nieder. Ich beschäftigte mich weiter mit Antonio. Einerseits, weil ich es viel zu selten tat und andererseits, weil ich mich ablenken wollte. Es verging eine ganze Weile, in der wir uns neckten und nebenher den Geschehnissen im Fernseher folgten. Irgendwann stand meine Mutter auf und kam auf uns zu.
"Ihr beide habt ja Spaß", erfreute sie sich an der ausgelassenen Stimmung, da klingelte das Telefon und sie drehte sich zur Küche, um den Anruf anzunehmen. Ich beobachtete sie, bis Antonio mir plötzlich in die Schulter biss. Sofort drehte ich mich zu ihm.
"Spinnst du?!", blaffte ich ihn wütend an, da streckte er mir die Zunge raus und rannte zu Enzo, um sich hinter ihm am Stuhl zu verstecken. Ich schnappte bereits eines der hellen Couch Kissen und nahm mir vor es ihm ins Gesicht zu schlagen, da hörte ich aber meine Mutter, die nach mir rief. Mein Blick schweifte von Antonio zu ihr herüber.
"Es ist für dich."
"Für mich?", hakte ich irritiert nach, da nie jemand bei mir zu Hause anrief. Nur zögerlich ließ ich das Kissen wieder los und lief zu meiner Mutter, um sie fragend anzusehen. "Wer ist es?"
"Rizieros Mutter."
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