6 | Blumen
Gemeinsam mit meiner Mutter stieg ich aus dem Auto und setzte ein gespieltes Lächeln auf, als einige Kameras auf uns gerichtet wurden. Sie machten mehrere Fotos und ich versuchte mich natürlich von meiner besten Seite zu zeigen.
"Signora Mancini. Es ist eine Freude, sie hier begrüßen zu dürfen."
Meine Mutter wurde gleich in Gespräche verwickelt, während ich mich zu Elio flüchtete, der etwas abseits an einem der Tische stand und sich amüsiert umsah.
"Denkst du, dass wir einfach heimlich abhauen können?", scherzte ich neben ihm angekommen und sah flüchtig herab auf das Glas in seiner Hand. Er trank Orangensaft und mein Blick schweifte daraufhin neben uns zum Tisch.
"Könnten sicher - aber das machen wir nicht", erwiderte er mir trocken und irgendwie war mir schon klar, dass er sicher auch irgendwann in die Politik gehen würde. Er konnte sich diesen Spießern viel zu gut anpassen, als das es anders wäre. Genau wie mein Onkel Dario, zu dem ich aber so gut wie gar kein Verhältnis hatte. Dafür war er mir zu verklemmt - als hätte er einen Stock im Arsch mit seiner inneren Ruhe und Gelassenheit. Außerdem verstand mein Vater sich auch nicht gut mit ihm, was mir Grund genug war ihn ebenso zu ignorieren.
"Ja, das machen wir nicht", gab ich Elio nachdenklich zurück und griff dabei nach einem Glas, um mir anschließend noch die Flasche Champagner zur Hand zu nehmen.
"Ernsthaft?"
Elios verurteilender Blick traf genau auf meinen, sodass ich nur die Augen verdrehte und kurz zu meiner Mutter sah. Diese war so in ihre Gespräche vertieft, dass sie sowieso kaum etwas mitbekam.
"Ein Glas - hab Spaß", entkam es mir dann und ich wollte gerade mit einem Grinsen die Flasche öffnen, da wurde sie mir aber plötzlich aus der Hand gerissen. "Was zum Teufel soll das?!", regte ich mich auf und drehte mich herum, woraufhin ich gleich meinen Kopf in den Nacken legen musste. Wütend starrte ich auf zu Ayaz, der die Flasche ohne Ausdruck wieder neben mir auf dem Tisch abstellte.
"Kein Alkohol - keine Männer - keine Drogen", erklärte er mit tiefer Stimme und legte schlagartig ein provokantes Grinsen auf, was mich vor Wut dazu veranlasste, erneut nach der Flasche zu greifen.
"Wie gut, dass ich alt genug bin, meine eigenen Regeln zu machen", gab ich ihm triumphierend zurück, doch sofort nahm er mir wieder die Flasche ab und trieb mich fast dazu, vor all diesen Spießern hier meine Beherrschung zu verlieren. Allein sein scheiß Grinsen ließ mich meine Hände bereits zu Fäusten ballen.
"Sehe ich genauso", stimmte er mir leise zu und lehnte sich anschließend etwas zu mir herunter, um sein Gesicht genau neben meinem zu platzieren. Ich spürte seinen Atem auf meinem Hals und hoffte, davon würde jemand ein Foto machen. Padre würde ihn sofort feuern und ich hätte wieder meine Ruhe. "Nur sieht dein Vater das anders, Prinzessin. Also sei ein liebes Mädchen."
Wütend über seine Art mit mir zu sprechen, funkelte ich ihn mit einem vernichtenden Ausdruck an und wollte ihm auf italienisch schon die schlimmsten Beschimpfungen an den Kopf werfen, da kam er mir jedoch zuvor.
"Ich wünsche dir einen schönen Tag. Willkommen in der Hölle, Prinzessin."
Verblüfft darüber, dass er anscheinend doch unsere Sprache verstand, starrte ich ihn für einen kurzen Moment einfach nur an, bis Elio sich plötzlich hinter mir räusperte.
"Wir sollten los", meinte er, doch ich wollte das Blickduell, was ich mir gerade mit diesem Arschloch lieferte, keinesfalls verlieren. Weiterhin fixierte ich ihn und wären wir nicht in der Öffentlichkeit, hätte ich ihm spätestens jetzt gezeigt, dass ich alles andere als eine Prinzessin war. "Nives!"
"Dein Bruder wartet", amüsierte sich Ayaz und gerade, als ich ihn als Arschloch betiteln wollte, riss Elio mich an meiner Hand mit sich mit.
"Was soll das?!", platzte es aus mir heraus, doch Elio zog mich weiter hinter sich her über die große Wiese, die das kleine Schloß umgab.
"Lass dich nicht provozieren", kam es nur gelassen von ihm und als er plötzlich vor einigen Säcken und einer Schubkarre stehen blieb, sah ich nur irritiert zu ihm herüber.
"Ich dachte, dass mit den Blumen pflanzen war nur so daher gesagt."
"Wie kommst du auf sowas?", entgegnete er mir mit einem schiefen Grinsen und ich wusste da bereits, dass dieser Tag gar nicht mehr schlimmer werden könnte...
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"Ich kann nicht mehr!"
Meine Hose war bereits voller Erde und auch meine Hände schmerzten. Gefühlte Stunden saß ich hier in der beschissenen Sonne und half Elio beim pflanzen, während ich immer wieder flüchtig zu Ayaz starrte.
Er stand seelenruhig ein Stück weiter weg von mir und holte öfters sein Handy hervor. Lange sah er jedoch nicht auf den Display, denn auch er wandte seinen Blick immer wieder zu mir herüber. Natürlich wich ich ihm aus und tat so, als hätte ich nur an ihm vorbei gesehen.
"So schlimm ist es nicht", meinte Elio vor mir und ungläubig über seine Aussage, sah ich an mir herunter. Ich kniete auf dieser Wiese, während um mich herum die Spießer damit ihre Zeit verbrachten, Champagner zu trinken und das Wetter zu genießen.
"Für was machen wir das überhaupt?", wollte ich von ihm wissen, da tauchte meine Mutter plötzlich neben mir auf und ging elegant in die Hocke.
"Hier wird eine Zufluchtsstelle für Frauen eröffnet, die mit häuslicher Gewalt oder sexuellen Missbrauch konfrontiert wurden", erklärte sie mit sanfter Stimme und nahm mir dabei die kleine Schaufel aus der Hand, um selbst in der Erde herumzuwühlen.
Ich erkannte die Trauer in ihren Augen und wusste ja bereits, dass meine Mutter schon immer so war, dass andere Schicksale ihr sehr am Herzen lagen. Nicht umsonst spendete sie so viel für Missbrauchsopfer und hatte sogar dafür gesorgt, dass mein Onkel Felice einen zweiten Boxclub für Frauen und Kinder aufmachen konnte.
"Geht es dir gut?"
Elios Stimme riss mich aus meinen Gedanken und als ich zu ihm herübersah, hatte dieser meine Mutter im Blick.
"Si. Alles in Ordnung", lächelte sie ihm zu. "Und bei euch? Geht es noch oder soll ich euch ein Taxi rufen?"
Am liebsten hätte ich das Taxi schon vor einer Stunde angerufen, jedoch wollte ich mich heute mal nicht wie der letzte Arsch benehmen. Ich schüttelte also verneinend den Kopf und setzte ein gespieltes Lächeln auf.
"Ich bleibe gerne noch", log ich und sah flüchtig an meiner Mutter ihrer Schulter vorbei, wobei mein Blick sich erneut mit dem von Ayaz kreuzte. Er sah mich nur an, ohne mir auch nur im geringsten Ausblick darauf zu geben, was er wohl dachte. Eigentlich war ich ziemlich gut darin Menschen zu lesen - doch bei ihm schien es schwieriger.
"Nives?"
"Was?!", brachte ich ertappt hervor und starrte mit großen Augen zu meiner Mutter, die mich nur verwirrt musterte. Sie drehte sich kurz herum in die Richtung von Ayaz und nahm anschließend wieder mich mitfühlend ins Visier.
"Du wirst dich dran gewöhnen", meinte sie lächelnd und holte anschließend tief Luft. "Also - ich habe noch einiges zu klären und ich bin wirklich froh, dass ihr bis jetzt so toll mitgemacht habt. Wenn ihr nach Hause wollt, ruft euch ein Taxi oder ruft Cecilio an. Der müsste zu Hause sein."
"Und wo gehst du hin?", hakte Elio nach, woraufhin meine Mutter sich erhob.
"Ich treffe gleich einige Frauen, die heute Abend schon hier einziehen."
"Warum du? Du bist doch keine Therapeutin?", fragte ich geradeheraus, da wirkte sie jedoch für einen Moment vollkommen in sich gekehrt. Sie sammelte sich allerdings schnell wieder und legte ein aufmunterndes Lächeln auf.
"Diese Frauen brauchen keine Therapeuten. Es reicht manchmal, wenn sie einfach jemanden haben, dem sie sich öffnen können", erklärte sie und legte dabei ihre Hand auf meine Schulter. "Also, wir sehen uns zum Abendessen zu Hause. Habt Spaß."
"Bis später", meinten Elio und ich gleichzeitig und kaum war meine Mutter wieder nach vorne verschwunden, stand ich hastig auf und klopfte mir die Erde von meiner Hose.
"Ich fahre nach Hause. Kommst du mit?"
"Was?! Du meinstet doch eben-"
"Ja, aber jetzt ist Mama nicht mehr da - also kann ich gehen, ohne dass es sie verärgert."
"Was ist so schlimm daran, einmal was für das Allgemeinwohl zu tun? Du-"
"Elio!", unterbrach ich ihn und zeigte dabei auf die Blumen zwischen uns herunter. "Denkst du, dass sich Frauen, die vergewaltigt wurden, durch beschissene Blumen besser fühlen?!"
Er schüttelte den Kopf nur über mich und stand ebenfalls auf.
"Nein, aber es sieht einladender aus, wenn sie-"
"Hallo", unterbrach uns eine Stimme und verwundert blickte ich zu meiner Seite, an der ein älterer Herr plötzlich stand, der offensichtlich für eine Zeitung arbeitete. "Dürfte ich ein Foto von ihnen beiden neben den Blumen machen?"
"No!"
"Selbstverständlich!"
Mit großen Augen sah ich zu Elio, der ein Lächeln auflegte und zu mir herüber kam. Ich hörte jetzt schon meine Mitschüler darüber lachen, dass ich am Wochenende nichts besseres zu tun hatte, als in Erde zu wühlen.
"Sag Cheese", entkam es Elio neben mir und ihm zuliebe setzte ich freundliches Gesicht auf, bis der Herr endlich das Foto gemacht hatte.
"Dankeschön."
"Sehr gerne", erwiderte Elio ihm und ich holte sofort mein Handy aus meiner Hosentasche, um Onkel Cecilios Nummer zu wählen. Umso länger ich noch hier bleiben würde, umso mehr würde mich das alles aufregen. Außerdem entdeckte ich auch eine Nachricht von Stella, die mir mitteilte, dass heute Abend eine Party im Haus meines Crushs stattfand.
"Perfekt", flüsterte ich und legte ein dreckiges Grinsen auf.
"Cecilio ist in 20 Minuten hier. Fährst du mit oder bleibst du noch?"
"Ich bleibe", erklärte Elio mir und ich gab ihm noch einen Kuss auf jede Wange, um dann über die Wiese auf Ayaz zuzulaufen.
"So, ich fahre jetzt nach Hause und du kannst endlich Feuerabend machen", grinste ich überheblich, doch er dachte wohl nicht daran, mich alleine vom Grundstück zu lassen....
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