46 | Club
Der Parkplatz war voller Autos und einige Männer standen an dem breiten Eingang des Clubs herum. Sie umgaben sich ihresgleichen und unterhielten sich amüsiert. Die roten Lichter, die an die Fassade schienen, brachten diesem sonst so düsteren Ort einen gewissen Glanz.
"23,56 Euro."
Mein Blick fiel zum Taxifahrer nach vorne und er sah mir auffordernd im Rückspiegel entgegen. Natürlich wusste er nicht, dass ich kein Geld dabei hatte.
"Ich bin sofort wieder da", erklärte ich und stieg anschließend aus, woraufhin auch er plötzlich seine Tür öffnete und sich aus dem Taxi erhob. Ungläubig starrte er mich an, als wäre ich eine Aufsässige. Was hatte der für ein Problem?! Ich wollte lediglich Geld von meinem Vater holen.
"Ich kenne euch Frauen hier!", blaffte er mich unfreundlich an und umfasste im nächsten Moment grob meinen Arm. "Ich will sofort mein Geld, du kleine Hure."
"Wie bitte?!", entkam es mir, weil ich überhaupt nicht verstand, was dieser verfickte Bastard von mir wollte. Er fixierte mich und ich nickte kaum merklich zu meinem Arm herunter. "Ich habe keine Ahnung, wer du bist - aber lässt du mich nicht innerhalb von 3 Sekunden los, wirst du ein wirkliches Problem haben! Das schwöre ich dir!"
"Mit dir?", lachte er und sofort riss ich mein Knie hoch, um ihm gleichzeitig mit meiner freien Faust direkt in seinen Kehlkopf zu schlagen. Er prustete los und verkrampfte sich, wobei er meinen Arm freigab und einige Schritte rückwärts taumelte.
"Wichser! Was für ein kranker Soziopath bist du überhaupt!? Ich wollte nur Geld holen und bin sicher keine Nutte oder so ein scheiß!", brüllte ich ihn an und während er sich in den Schritt griff und sich mit einem schmerzerfüllten Stöhnen an sein Auto lehnte, schüttelte ich meinen Kopf und lief an ihm vorbei zum Eingang des Clubs. Wenigstens hatte ich es mir so erspart, meinen Vater nach Geld zu fragen.
Kaum am Eingang angekommen, starrten mich einige Männer freundlich an. Sie schienen betrunken und tuschelten, doch ich konzentrierte mich auf den einzigen, den ich erkannte.
"Ibo", sprach ich den Riesen an, der daraufhin zu mir herab blickte. Er legte einen besorgten Ausdruck auf und schien überhaupt nicht begeistert über mein Auftauchen.
"Nives. Was machst du dir?", wollte er nervös wissen, dabei ging es ihn doch überhaupt nichts an. Er war nur ein Arbeiter meines Vaters. Sein Türsteher, der ab und zu bei uns zu Hause aufkreuzte und kaum sprach.
"Ich will zu meinem Vater", erklärte ich knapp und wollte neben ihm zur Tür, da stellte er sich aber direkt in meinen Weg, sodass ich fassungslos zu ihm aufsah.
"Du darfst nicht. Das weißt du."
"Dio Mio", entkam es mir. "Ist das jetzt dein ernst?"
Er nickte, was mich unbeeindruckt meine Augenbraue anheben ließ.
"Gut. Dann eben nicht. Sag ihm aber, dass ich kurz hier war. Ich fahre mit dem Taxi nach Hause."
Ich tat so, als würde ich es gut sein lassen und drehte mich herum, woraufhin er sich wieder den Männern neben sich widmete. Langsam setzte ich einen Fuß vor der anderen und spähte über meine Schulter. Als er mit dem Rücken zu mir stand, ergriff ich meine Gelegenheit und huschte so schnell an ihm vorbei und durch die Tür, dass er gar nicht die Möglichkeit hatte, darauf zu reagieren.
"Nives!", hörte ich ihn hinter mir, da fiel jedoch die breite Doppeltür ins Schloss und ich lief durch eine weitere schwarze Tür hindurch. Dieser Idiota dachte nicht ernsthaft, ich würde es mir verbieten lassen, meinen Vater zu sehen. Was sollte schon so schlimm an einem Club sein...
In Gedanken versunken lief ich in einen großen Raum hinein und hörte dabei der lauten Musik zu, während bunte Lichter immer wieder die Umgebung erhellten. Erst, als ich dann zu meiner Seite sah, erstarrte ich und hielt den Atem tief in meiner Lunge.
Frauen ... Splitterfaser nackte Frauen - sie räkelten sich an Stangen, während einige Männer ihnen immer wieder an die Brüste fassten und Geld vor ihre Füße warfen.
"Fuck", hauchte ich vollkommen davon eingenommen und lief wie in einer Trance gefangen weiter zur Theke. Dort angekommen erkannte ich, dass einige Männer nackte Frauen auf ihrem Schoß sitzen hatten und sich auch Schüsseln mit Kondomen überall auf dem Tresen befanden.
"Süße. Die Umkleide ist hinten."
Die Barfrau sprach mich an, als ich jedoch meinen geschockten Blick zu ihr auf schweifen ließ, machte sie sofort große Augen und kam um die Bar herum auf mich zu.
"Du siehst ja haargenau aus wie er", flüsterte sie und wurde zeitgleich leichenblass. "Komm! Ich bringe dich schnell zu ihm."
Sie legte mir ihre Hand um meine Hüfte und führte mich mitten durch diesen schwarzen, großen Raum, an dessen Ende wir an einer Wendeltreppe ankamen.
"Das ist kein einfacher Club", gab ich leise von mir und sah mich weiterhin neugierig um, was die Frau neben mir wohl bemerkte.
"Nein, aber dein Vater sollte es dir erklären", meinte sie und zeigte dabei die Treppe hinauf. "Er ist oben in seinem Büro."
Ich nickte und sie ließ von mir ab, um sich wieder zum Raum herumzudrehen. Ich hielt sie jedoch am Arm fest und sah sie fragend an.
"Woher wusstest du, wer ich bin?"
"Ich bin eine alte Freundin deiner Mama. Cami", lächelte sie freundlich. "Sie hat mir so oft Fotos von dir gezeigt. Ich hab dich sofort erkannt, auch weil du das Ebenbild deines Vaters bist."
Erneut nickte ich und nachdem sie wieder durch einige Männer hindurch zurück zur Bar verschwand, starrte ich mit einem mulmigen Gefühl die Treppe hinauf.
Stufe für Stufe nahm ich nach oben, um vor einer dunklen Tür angekommen noch mal inne zu halten. Immer mehr Chaos schwirrte mir im Kopf herum und die Annahme, dass mein Vater ein Zuhälter war, brachte mir augenblicklich Kopfschmerzen. Das konnte doch nicht wahr sein! Allein meine Mutter hätte sowas doch niemals akzeptiert. Das Alles musste eine logische Erklärung haben!
Entschlossen, ihn zur Rede zu stellen, umfasste ich die Klinke und drückte sie herunter. Die dunkle Tür ging langsam auf und mein Blick fiel auf eine schwarze Couch am Rand, bis ich ein dunkles Stöhnen hörte und erschrocken meinen Blick zur Seite schweifen ließ.
"Oh Gott", hauchte ich leise und erkannte schlagartig, dass mein Vater wohl gerade dabei war, eine blonde Frau auf seinem Schreibtisch zu ficken. Er stand mit dem Rücken zu mir, trug wie immer sein schwarzes Hemd und bewegte sich immer schneller in die Frau, die breitbeinig vor ihm auf dem Tisch lag.
Da sie mich wohl nicht bemerkt hatten, drehte ich mich blitzschnell herum und atmete hektisch durch, um auch gleich die Treppen wieder nach unten zu stürmen.
Das durfte definitiv niemand jemals erfahren! Weder meine Familie, noch meine Mutter! Es war sicherlich ein Ausrutscher!
Ich redete mir ein, meinen Vater schützen zu müssen und vor lauter Chaos, verfehlt ich eine der unteren Stufen und fiel vorne über - direkt in die Arme eines Mannes. Er umfasste meine Hüften und half mir mein Gleichgewicht zu halten, ehe er sich anspannte und mich wieder von sich drückte.
"Lass gefälligst auf! Wieso bist du nicht am arbeiten!"
"Padre?!", entkam es mir und mit großen Augen sah ich zu ihm auf, wobei auch er mich erschrocken anstarrte. "Ai, Padre! Oh Gott sei Dank!", erfreute ich mich seines Anblicks und war so erleichtert, dass er nicht da oben der Typ im Büro war, dass ich mich erneut in seine Arme warf.
Er erwiderte die Umarmung, jedoch nur kurz und stieß mich anschließend wieder leicht von sich, um mich mahnend zu betrachten.
"Was tust du hier!?", wollte er mit strenger Stimme wissen, da holte ich tief Luft und versuchte einigermaßen alles zu erklären, was sich in meinem wirren Verstand befand.
"Ich konnte nach allem, was da passiert ist, nicht nach Hause. Ich wollte nur zu dir, verstehst du das?!"
Er schien zwiegespalten. Einerseits sah er aus, als würde er sich freuen mich zu sehen. Anderseits war da auch so etwas wie Sorge in seinen dunklen Augen, als er sich flüchtig umsah. Ich folgte seinem Blick und erkannte wieder die Frauen und Männer, die mir wirklich ein unwohles Gefühl bescherten.
"Nives, ich-"
"Ich weiß", unterbrach ich ihn. "Für mich bleibt es weiterhin ein normaler Club. Anders will ich dich nicht sehen."
Er legte ein sanftes Lächeln auf, platzierte seine Hand auf meinem Rücken und wollte mich gerade die Treppe rauf schieben, da riss ich meine Augen aber auf und drehte mich ruckartig wieder zu ihm herum.
"No! Da oben ficken welche!"
"Was?!", hakte er irritiert nach und sah die Treppe dabei hoch. "Adamo... Dieser dumme Wichser."
"Ihhhhgitt!", entkam es mir, denn ich hatte nie vor, einen meiner Onkel beim Sex zu erwischen. Trotzdem war ich immer noch heilfroh, dass es nicht mein Vater war.
"Lass uns raus an die frische Luft", schlug mein Vater dann vor und ich folgte ihm durch den dunklen Saal bis zum Ausgang. Ich verkniff es mir die nackten Frauen noch mal anzusehen und blickte starr auf den Rücken meines Vaters, bis wir endlich draußen ankamen und die frische Luft mich durchatmen ließ.
"Ich konnte sie nicht aufhalten!", erklärte sich Ibo nervös, als mein Vater ihn böse ihn böse ins Visier nahm, da empfand ich es als meine Aufgabe, ihn zu verteidigen.
"Er konnte wirklich nichts machen. Ich bin einfach zu schnell."
"Zu schnell?", meinte mein Vater und wollte erneut auf Ibo zu, da umgriff ich jedoch seinen Arm und zog ihn mit mir zur Seite.
Er ließ sich von mir führen und wir blieben etwas weiter weg zusammen stehen. Mein Vater machte sich eine Zigarette an und bot mir ebenfalls eine an. Ich verzichtete jedoch. In diesem Club hatte ich mehr Rauch eingeatmet, als ein Mensch im ganzen Leben ertragen konnte.
"Irgendwann musst du wieder nach Hause", unterbrach mein Vater die Stille, während ich mich in der Dunkelheit umsah. Ich musterte einige Autos, Ehe ich meinen Blick zu ihm aufwandte.
"Ja, morgen früh mit dir zusammen."
"Das geht leider nicht", widersprach er mir. "Ich muss hier schlafen."
Mama hatte ihn also raus geworfen...
"Warum lässt du dir das gefallen? Du kannst dich doch nicht aus deinem eigenen Haus werfen lassen!"
"Ach, Küken. Deine Mutter hat genug durchgemacht. Außerdem kenne ich sie. Spätestens morgen Mittag wird sie mich bitten nach Hause zu kommen. Sie ist traurig, wegen Elio und sie kann es ruhig an mir auslassen. Ich ertrage es."
"Sie sollte vielleicht einfach einsehen, dass Elio ein Idiota ist", sprach ich zu ihm auf. "Und wir sollten uns einen Plan überlegen, der Madrisa ein für alle mal vertreibt."
"Ich habe schon mit Cecilio gesprochen."
"Und was sagt er?"
"Das wir abwarten sollen. Wir haben Madrisas Frauenarzt ausfindig gemacht und ihm Geld zu gesteckt. Bei ihrem nächsten Termin wissen wir, ob sie wirklich schwanger ist und hoffentlich auch, wer der Vater ist."
"Kann man so früh schon einen Vaterschaftstest machen?"
"Ich weiß es nicht. Ich hoffe es einfach."
Er inhalierte den Rauch seiner Zigarette, bis ich hinter mir einen Wagen hörte und mein Vater mich eindringlich ins Visier nahm.
"Fahr nach Hause und sei für deine Mutter da. Sie hat es nicht leicht."
"Du auch nicht", gab ich ihm zurück und drehte mich herum, wo ich plötzlich Yavuz und Ayaz erkannte. Sofort riss ich meine Augen auf und wurde nervös, jedoch versuchte ich es mir vor meinem Vater nicht anmerken zu lassen.
"Ihr kommt spät", rief mein Vater ihnen zu.
"Hatte noch zu tun", erklärte Yavuz und blieb dabei genau neben mir stehen, um lächelnd zu mir herabzusehen. "Es gibt im Moment Menschen, die einfach nicht auf mich hören wollen."
"Diesen Menschen solltest du vielleicht klar machen, wer du bist", entgegente mein Vater ihm, wobei ich wirklich anfing mich unwohl zu fühlen. Bevor diese Unterhaltung jedoch noch wieder gehen konnte, nahm mein Vater Ayaz ins Visier. "Fahr Nives nach Hause."
"Ich fahre sie", meinte Yavuz sofort. "Ich muss sowieso-"
"No, no, No", unterbrach mein Vater ihn und schnippste dabei seine Zigarette weg. "Dich brauche ich drinnen."
Er gab mir einen Kuss auf meine Stirn, während ich zu Yavuz blickte, der mich allein mit seinen Augen warnte, diese Situation hier auszunutzen.
Die beiden verschwanden und ließen nur Ayaz und mich zurück, der mich aber keines Blickes würdigte. Wird sicher ne super Autofahrt...
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