38 | Gebrochen
Nachdem ich in Gedanken nur bei Ayaz und seiner Art mich verrückt nach ihm zu machen war, suchte ich die Villa auf und wurde in der Küche sofort von meiner Mutter ins Visier genommen. Sie stand mit Cecilio an der Theke und trank Kaffe.
"Warum bist du schon wieder zu Hause?", wollte sie wissen, da zuckte ich mit den Schultern und stellte mich beiden gegenüber an die Kücheninsel.
"Bauchschmerzen. Wurde die nächsten 3 Tage freigestellt."
"Bauchschmerzen?", hakte mein Onkel mit einem dämlichen Grinsen nach, doch ich warf ihm nur einen mahnenden Blick zu und konzentrierte mich daraufhin wieder auf meine Mutter, die sofort ihre Hand auf meine legte.
"Mein Küken", hauchte sie umsorgend. "Soll ich dir einen Tee machen? Oder möchtest du eine Wärmflasche? Oder-"
"Ja, Mama. Ich bin ja auch noch 5 Jahre alt. Am besten du rufst sofort einen Notarzt", gab ich ihr zurück und fand wie immer ihre Fürsorge viel zu übertrieben. Sie zog auf meine Worte hin ihre Augenbraue hoch und legte ein sanftes Lächeln auf.
"Tee also?"
"Ja", erwiderte ich ihr und kaum hatte sie sich herumgedreht und kochte frisches Wasser auf, räusperte sich Cecilio, der mich immer noch amüsiert musterte.
"Türkischer Apfel soll gut für den Magen sein", sprach er mit einem dreckigen Grinsen. Als ich daraufhin große Augen machte und meine Mutter ihn fragend ins Visier nahm, lachte er auf. "Zumindest habe ich das gehört. Nives kann es ja ausprobieren und uns dann erzählen, wie er gemundet hat."
Am liebsten hätte ich ihm jetzt sofort ohne Rücksicht meine Meinung ins Gesicht gesprochen. Vor Cecilio hatte ich jedoch den meisten Respekt. Er durfte sich mehr erlauben, als alle anderen, denn er hatte oft genug schon zu mir gehalten, wo jeder gegen mich war.
Trotzdem überschritt er gerade eine Grenze.
"Ich würde lieber einen Kamillen Tee haben. Der soll ja angeblich beruhigen. Wir wollen ja nicht, dass ich noch durchdrehe und jemandem einen Ziegelstein an den Kopf werfe", gab ich ihm gespielt freundlich zurück.
"Willst du dich selbst beruhigen, oder aber die vielen Schmetterlinge in deinem Bauch? Vielleicht hast du wegen ihnen Schmerzen?"
Fassungslos fixierte ich ihn und wollte ihm erwidern, dass er doch einfach ins Poolhaus verschwinden sollte, da trat meine Mutter jedoch mit einer Tasse Tee wieder zu uns an die Kücheninsel und sah verwundert zwischen uns beiden hin und her.
"Okay. Was ist los bei euch?", wollte sie wissen, da schüttelte ich sofort meinen Kopf und nahm den heißen Tee entgegen. Alles roch nach Vanille und ich liebte meine Mutter dafür, dass sie immer genau das machte, was ich brauchte, auch wenn ich meistens selbst nicht wusste, was es war.
"Wir unterhalten uns nur", kam es von Cei, der daraufhin seine Tasse abstellte und an uns vorbei zur Terrassentür lief. "Bin trainieren!"
"Aber vergiss unseren Termin nicht!", rief meine Mutter ihm noch nach, da war die Tür aber schon geschlossen.
"Termin?", hakte ich nach, da lächelte sie erfreut.
"Da erfährst du früh genug", erklärte sie und stupste mir mit dem Finger auf die Nase.
Was war heute nur los? Ich musste mich im Haus geirrt haben...
"Jetzt trink deinen Tee. Ich lege mich noch eine Stunde auf die Couch und hoffe, ich kann etwas Schlaf nachholen."
"Mach das. Ruh dich aus."
Ich lief mit der Tasse Tee in den Flur und suchte auch gleich das Obergeschoss auf. Da ich aber dann die Stimme meines Vaters hörte, runzelte ich irritiert meine Stirn und hielt vor meinem Zimmer kurz inne. Er sollte eigentlich schlafen um diese Uhrzeit, doch es passte mir total gut, dass er anscheinend wach war.
Entschlossen klopfte ich an die Schlafzimmertür meiner Eltern und kaum hatte mein Vater herein gerufen, öffnete ich diese und trat hinein. Er lag im Bett und lehnte mit dem Rücken an der Rückwand des Bettes. Seine Haare standen in alle Richtungen und erst, als er mich mahnend anfunkelte und sein Handy auf den Nachttisch legte, schloss ich die Tür hinter mir und lief auf ihn zu.
"Wie viel Uhr haben wir?", wollte er schließlich mit dunkler Stimme von mir wissen, da zuckte ich mit den Schultern und zeigte auf sein Handy.
"Ai, woher soll ich das wissen? Guck doch auf dein Handy."
"Nives!", wurde er schlagartig lauter und riss seine Decke wütend beiseite, um auch gleich aufzustehen und sich vor mich zu stellen. "Ich versuche mich wirklich zurückzuhalten, aber wieso ruft mich dieser verfickte Wichser von Schulleiter an, während ich schlafe!"
"Dio Mio", hauchte ich entschuldigend und zog dabei meinen typischen Schmollmund. "Es tut mir so leid. Er ist verrückt! Er wollte mich gegen meinen Willen anfassen!"
Mein Vater verdrehte seine Augen und nahm anschließend mein Gesicht in seine Hände, um mich voller ernst anzublicken.
"Das würde er sich im Traum nicht erlauben und selbst wenn, dann würde er jetzt sicher mit einem Messer in den Eiern in Krankenhaus liegen und um sein Leben betteln", sprach er und musterte mich dabei weiterhin intensiv. "Aber wie kann es sein, dass du eine 6 in Sport hast? Schaffst du es nicht, eine beschissene Runde um einen Sportplatz zu laufen?!"
"Die alte Petze hat dir also alles erzählt", murmelte ich überfordert, da ließ mein Vater mit einem triumphierenden Ausdruck von mir ab und sah flüchtig herunter zu dem Tee. Fragend hob er eine Augenbraue, woraufhin ich nur ein dämliches Grinsen auflegte. "Gegen die Bauchschmerzen...."
"Ja... Die Bauchschmerzen", wiederholte mein Vater mich und lief dabei zum Bett zurück. Dort angekommen, setzte er sich auf die Kante und sah auffordernd zu mir auf. "Du wirst dich alleine um deine Noten kümmern und nicht die Stellung deiner Mutter ausnutzen."
"Aber-"
"Ruhe!", ermahnte er mich mit einem strengen Blick. "Kümmere dich darum! Außerdem wirst du kein Wort darüber zu deiner Mutter sagen! Du kannst die drei Tage zu Hause bleiben und danach gibst du Vollgas. Verstanden?!"
"Si", hauchte ich und nahm einen Schluck meines Tees, während mein Vater nachdenklich nickte. Es kehrte eine kurze Stille ein und ich hätte am liebsten doch noch mal widersprochen, doch mein Vater sprach als erster wieder, um die Stille zu unterbrechen.
"Die Angelegenheit mit Madrisa geklärt?"
Fragend starrte er mich an, da legte sich ein solch amüsiertes Lächeln auf meine Lippen, das mein Vater vollkommen verwirrt schien.
"Ai, Padre", entkam es mir gespielt freundlich. "Ich schaffe es nicht, gleichzeitig das mit der Sportnote und dann noch das mit Madrisa zu klären."
Der Ausdruck meines Vaters schien eine Warnung auszudrücken, jedoch auch einen Hauch von Stolz.
"Sehr gut, deine unterschwellige Drohung", grinste er. Als er daraufhin jedoch aufstand, verschwand sein Lächeln. "Aber du wirst diese Art und Weise deinen Willen durchzusetzen nie wieder gegen mich verwenden. Du regelst das mit deinem Abschluss und auch das mit Madrisa. Dieses Wochenende."
"Mein Gott", hauchte ich nachgiebig und nickte widerwillig. Das mit Madrisa wäre ein Kinderspiel... Aber Sport?! Ich hatte jetzt schon keinen Bock mit diesen Affen Basketball zu spielen! "Schon gut. Ich kläre das alles."
"Wenigstens eine, die mal auf mich hört", sprach mein Vater und kam auf mich zu, um mir einen Kuss auf meine Stirn zu hauchen. "Jetzt geh, Küken. Ich muss schlafen."
"Schlaf gut", erwiderte ich ihm und machte mich dann auf den Weg in mein Zimmer, um mir einen genauen Plan für Madrisa zurecht zu legen.
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Es verging der gesamte Morgen, während ich es mir in meinem Bett gemütlich gemacht hatte und alle möglichen Foltermethoden gegoogelt hatte. Irgendwie machte es mir schon ein klein wenig Angst, dass ich es faszinierend fand, wie viele verschiedene es gab. Doch ich akzeptierte meine verrückte Seite und hörte auch erst wieder auf, das Darknet zu durchstöbern, als ich eine Tür im Flur laut knallen hörte.
"Die Türen haben Klinken!", hörte ich meinen Vater brüllen und stand hastig auf, um sofort in den Flur zu laufen. Mein Vater stand im Türrahmen seines Schlafzimmers und sah mir aufgeregt entgegen. Als ich im nächsten Moment die Klänge der E Gitarre meines Bruders hörte, wusste ich, dass mein Bruder wohl wieder dafür gesorgt hatte, Unruhe zu stiften.
"Ich kümmere mich", sprach ich meinem Vater beruhigend zu, hörte aber im nächsten Moment meine Mutter, die gerade die Treppen hoch kam. Sie nahm mich mahnend ins Visier und fuchtelte dabei wild mit ihren Händen herum.
"Nives! Ich habe gerade mit der Schule telefoniert! Stimmt es-"
"Ich kümmere mich", flüsterte mein Vater in meine Richtung und bevor meine Mutter sich weiter aufregen konnte, schnappte mein Vater sich grinsend ihre Hüfte und zog sie mit sich ins Schlafzimmer. Ich legte ein amüsiertes Lächeln auf und lief direkt auf Elios Zimmer zu, vor dem mir mein Lächeln aber gleich wieder verging.
Die Musik, die er da spielte, zeigte zu gut, wie gebrochen er innerlich schien. Es schmerzte mich, denn sonst war er unser Sonnenschein. Immer, wenn Malino oder ich schlecht drauf waren, da war er da und baute uns alleine mit seiner herzlichen Art wieder auf. Jetzt lag es an mir, dass er wieder der Elio werden würde, den er in letzter Zeit verloren hatte...
"Elio?", rief ich also laut über die Musik hinweg und klopfte einige Male fest gegen die Tür. Die Klänge der Gitarre verstummten und es dauerte nicht lange, da hörte ich den Schlüssel der Tür, ehe sie sich vor meinen Augen öffnete. "Ai, dio Mio", hauchte ich überfordert und sah dabei schockiert in die von Tränen übersahten Augen meines Bruders.
Sofort trat ich ins Zimmer ein und stieß die Tür hinter mir zu, um ihn fest an mich zu ziehen.
"Willst du drüber reden?", flüsterte ich mitfühlend und während er seine Arme um mich legte und seinen Kopf seitlich auf meiner Schulter platzierte, streichelte ich sanft über seinen bebenden Rücken.
Ich spürte, wie er verneinend den Kopf schüttelte und umso trauriger er wirkte, umso mehr Hass kroch aus den Tiefen meines Bewusstseins meinen Rachen hinauf. Sein Schmerz war mein persönliches Gift... Meine Schwachstelle, was mich immer mehr in den Wahnsinn trieb, als er mich fester umklammerte und nach meiner Nähe zehrte.
"Ich würde dir so gerne alles erzählen", hörte ich ihn schluchzen und bemerkte dabei auch die ersten Tränen in meinen Augen. Ich unterdrückte sie jedoch schnell wieder und riss mich zusammen. Ich musste stark bleiben. Für ihn und dafür, dass er eine Schulter zum anlehnen hatte. "Aber ich kann einfach nicht."
"Schon gut", hauchte ich und löste mich gleichzeitig von ihm, um ihn mit einem aufmunternden Lächeln zu betrachten. "Wir schaffen alles zusammen, ganz egal was dich gerade bedrückt", erklärte ich voller Zuversicht, wobei es mir innerlich total beschissen ging ihn so zu sehen. Diese tieftraurigen Augen. "Ich kriege das wieder hin."
Behutsam fuhr ich mit meinen Fingern über seine erwärmten Wangen, um auch die letzte Träne aus seinem so schönen Gesicht zu entfernen. Dabei starrte er mich durchgehend hilfesuchend an. Ich würde ihm helfen und verstand, was er brauchte, ohne das er hätte ein Wort sagen müssen. Madrisa wagte es sich, ihn zu brechen... Dafür würde sie erleben, wie ich ihr jeden einzelnen, verfickten Knochen brechen würde.
"Hey, was-"
Malino kam hinter uns die Tür herein und auch wenn er das größte Arschloch war, das auf Gottes Erden existierte, so schien auch er mitgenommen von Elios Anblick und trat sofort an uns heran.
"Scheiße man. Was ist los?", wollte er neugierig wissen und legte seine Hand auf Elios Rücken, der sich aber gleich darauf von uns entfernte und auf der Kante seines Bettes Platz nahm.
"Warum spielst du uns nicht was vor?", sprach ich schließlich in die aufkommende Stille, da warf Malino mir sofort einen geschockten Ausdruck zu. Ich wusste, dass er Elios Gitarrenmusik hasste, doch noch mehr hasste er es, mich wütend zu machen. Ich warnte ihn also allein mit meinen Blicken und er wandte sich gleich wieder ergegend Elio zu.
"Ja, komm. Spiel uns was vor", gab er mit einem gequälten Lächeln von sich und während wir beide neben Elio auf dem Bett Platz nahmen, griff dieser tief durchatmend nach seiner Gitarre.
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