23 | Gala
Nur zögerlich folgte ich Ayaz nach draußen. Die Sonne schien noch auf uns herab und während Ayaz zielstrebig auf sein Motorrad zulief, beobachtete ich ihn dabei. Er schien nicht viel reden zu wollen und tippte auf seinem Handy herum.
"Ist dir klar, dass der Helm wieder meine Frisur zerstören wird?", fing ich also ein Gespräch an und er reichte mir daraufhin auch schon den Helm. Das ganze, ohne mich auch nur einmal anzusehen.
"Wird schon gehen."
Er beachtete mich nicht und von seiner Art irrtiert, starrte ich den Helm in meinen Händen an. Was war jetzt los mit ihm? Wieso ignorierte er mich so? Vor allem stellte ich mir die Frage, wieso es mich überhaupt interessierte. Sollte mir scheiß egal sein. Trotzdem nagte es an mir.
"Wie findest du mein Kleid?", wollte ich also mit provokanter Stimme wissen, da steckte er sein Handy ein, warf einen flüchtigen Blick an mir herab und zog unbeeindruckt eine Augenbraue hoch.
"Es ist ein schönes Kleid."
Mehr sagte er nicht dazu und wandte sich zu seinem Motorrad. Ich wünschte, ich hätte das schwarze Kleid angelassen. Da hätte er sicher etwas anderes über seine Lippen gebracht, als ein gelangweiltes schönes Kleid.
Ich machte mir aber nichts weiter draus, setzte meinen Helm auf und wartete, bis Ayaz auf seinem Motorrad saß und dieses gestartet hatte. Vorsichtig ließ ich mich hinter ihm nieder und wusste mal wieder nicht, wo ich meine Hände platzieren sollte. Da ich sie letztes Mal um seinen Unterbauch gelegt hatte, wollte ich es auch dieses Mal tun. Ayaz rutschte aber sofort etwas nach vorne und nahm meine Hände, um sie an seinen Seiten zu platzieren.
Arschloch! Was hatte der für ein scheiß Problem?!
Wir fuhren los und obwohl ich die gesamte Fahrt über meine Gedanken ausschalten wollte, drehten sie sich die gesamte Zeit über nur um ihn. Ich spürte seine Nähe. Bekam eine Gänsehaut, als ich mich in den Kurven enger an ihn schmiegte und es störte mich, dass er so kalt mit mir umging. War er etwa eingeschnappt, weil ich ihn in der Schule stehen gelassen hatte? Oder war er sauer, dass Stella die Nachrichten geschickt hatte? Vielleicht glaubte er mir aber auch nicht und dachte jetzt, ich wäre nach den versauten Texten eine vollkommen Gestörte.
Es dämmerte, als wir an einem prachtvoll beleuchteten Gebäude ankamen und ich sah schon von Weitem die vielen gut gekleideten Leute, die sich allesamt auf diesen Abend freuten. Nur ich nicht! Ich hasste es - und noch mehr hasste ich es, dass meine Gedanken mich erneut über Ayaz Verhalten nachdenken ließen.
Noch nie hatte ein Mann mich so behandelt! Sonst mussten sie um meine Aufmerksamkeit kämpfen! Manche Jungs aus meiner Schule gaben sich solche Mühe, doch Ayaz nicht. Überhaupt nicht! Er half mir nicht mal von dem Motorrad, sondern wartete nur darauf, dass ich als erste absteigen würde.
Das tat ich auch und zog vor ihm stehend diesen dämlichen Helm ab, um Ayaz ohne Ausdruck ins Visier zu nehmen.
"Siehst unglücklich aus", meinte er auf mein Starren hin, da reichte ich ihm etwas zu grob den Helm, sodass dieser an seinen Brustkorb knallte. Er legte nur ein kaum merkliches Grinsen auf und schien auch noch amüsiert darüber zu sein, wie böse ich ihn anfunkelte.
"Bin glücklicher denn je, seit du beschlossen hast, nicht mehr mit mir zu reden!"
Schnellen Schrittes lief ich an ihm vorbei und zwischen einigen Leuten durch den breiten Eingang hindurch nach innen. Die Gerüche der Menschen vermischten sich in diesem großen Saal und alles roch nach teuren Parfüms und Essen.
Ich schritt über den hellen Marmorboden und hielt Ausschau nach meiner Familie, erkannte sie jedoch zwischen der Menge nicht. Mein Blick fiel an den Rand, wo ich eines Buffet entdeckte, an dem sich schon einige bedienten. Die großen Kronleuchter warfen ein warmes Licht herab und beleuchteten perfekt die vielen runden Tische und die kleine Bühne, die sich ganz hinten befand.
"Du hast also nachgegeben?"
Ich drehte mich herum und sah auf zu Cecilio, der ein Weinglas in seiner Hand hielt und mich musterte.
"Was hätte ich sonst tun sollen? Das Schwarze anziehen und darauf hoffen, dass Padre mich nicht umbringt?"
"Nein, du hast richtig gehandelt", gab er mir zurück und ich begutachte kurz seinen Anzug und die Tattoos an seinem Hals, bis eine Frau plötzlich neben uns auftauchte.
"Signor Mancini", sprach sie meinen Onkel an und zupfte dabei nervös in ihren Haaren herum. Ihr billiges Parfum brachte mich dazu, so flach wie möglich zu atmen, während ich mir ihr viel zu pompöses pinkes Kleid ansah. "Sie hatten wohl vergessen, mich anzurufen. Sie wissen schon."
Sie wollte wohl verführerisch klingen, klang aber eher so, als würde sie Whisky trinken und Kette rauchen.
"Er hat es nicht vergessen", mischte ich mich ein, da nahm sie mich feindseelig ins Visier. Sie betrachtete mich von oben bis unten, doch schnell lenkte mein Onkel ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.
"Wüsste nicht, dass wir uns kennen, also hatten wir wohl ein Vergnügen, dass nicht so besonders war, als das ich mich dran erinnern könnte", erklärte er ihr seelenruhig und nahm einen Schluck seines Weines. Mit einem dämlichen Grinsen sah ich zu ihr und erkannte, wie feuerrot ihre Wangen wurden. Gleich würde sie sicher explodieren. Bevor sie allerdings hätte etwas sagen können, führte mein Onkel mich an meinem Arm weg und wir liefen gemeinsam auf einen der runden Tische am Rand zu. Elio und meine Mutter saßen dort bereits und unterhielten sich, während auch wir Platz nahmen.
"Wo ward ihr?", wollte meine Mutter wissen und sah an meiner Schulter vorbei zu der Frau, die wir gerade stehen gelassen hatten. "Woher kennst du Frau Amato?"
"Ich kenne sie nur flüchtig", gab Cecilio meiner Mutter zurück und fing dabei dreckig an zu grinsen. "Zumindest kenne ich das, was sich unter dem Kleid versteckt."
"Cei!", wurde meine Mutter lauter und errötete, während ich zu Elio sah und ihm ein sanftes Lächeln schenkte. Er erwiderte es und wir saßen eine Weile einfach nur zusammen und ließen und den Wein schmecken.
Da mein Onkel dabei war, war es wirklich erträglich. Er erzählte mir viel von der Mimik der Leute und ich konnte wieder mal etwas dazulernen, bis er aber irgendwann einen Anruf von meinem Vater bekam.
"Es tut mir leid - obwohl, nein. Ich bin sogar froh darüber. Ich muss in den Club."
"Ist was passiert?"
Meine Mutter wurde nervös und sah neugierig zu ihm auf, da schüttelte er aber den Kopf.
"Keine Sorge, topolina. Gino hat nur Lust, eine Runde spazieren zu gehen."
"Dio Mio", gab meine Mutter ihm zurück und schenkte sich dabei Wein in ihr Glas. Irritiert starrte ich zu Elio, der genauso verwirrt unseren Onkel im Visier hatte. "Ruf an, falls was sein sollte."
"Was sollte den sein?", hakte ich nach, da lagen plötzlich alle Augen auf mir.
"Nichts."
Typisch! Immer hieß es nichts oder mach dir keine Gedanken.
Cecilio stand auf und auch Elio erhob sich.
"Wohin gehst du?", wollte ich wissen, da kam er auf mich zu und gab mir einen Kuss auf meine Stirn. Das hatte nichts Gutes zu bedeuten, denn das tat er nur, wenn er mich beruhigen wollte. "Du gehst du Madrisa, oder?"
"Ja, aber wir sehen uns später zu Hause."
"Sicher?"
"Versprochen", erklärte er und verschwand anschließend mit Cecilio Richtung Ausgang. Ich sah ihnen nach und wäre auch zu gerne gegangen. Egal wohin, Hauptsache weg. Doch ich wollte meine Mutter nicht alleine lassen.
"Mama, soll-"
Ich drehte mich herum und bemerkte, dass auch sie weg war. Einige Tische weiter entdeckte ich sie, wie sie sich mit einigen Frauen unterhielt und dabei strahlte. Es lag ihr, solch eine Position zu haben und es machte sie glücklich. Das wiederum ließ auch mich lächeln, bis ich jemanden neben mir bemerkte. Ich hoffte nur, dass sich kein notgeiler, alter Sack neben mich gesetzt hätte und drehte mich zögerlich um.
Zu früh gefreut...
"Du siehst gelangweilt aus", entkam es Ayaz, der die Flasche Wein nahm und noch etwas in mein Glas schüttete.
"Willst du mich betrunken machen?"
"Willst du denn, dass ich es tue?"
"Lieber betrunken, als dich nüchtern zu ertragen."
Ich nahm das Glas zur Hand und nahm einen Schluck, um ihn dabei aber durchgehend zu mustern. Er sah auch gelangweilt aus. Das erkannte ich daran, dass er mit einer Serviette herumspielte und sie immer wieder auf und zu faltete. Zeit, um ihn etwas zu provozieren, damit etwas Aktion beginnen würde.
"Wahrheit oder Pflicht."
"Ich spiele solche Spiele nicht."
"Warum?"
Neugierig wartete ich auf seine Antwort. Er lächelte und wich meinem Blick dabei nicht eine Sekunde aus.
"Weißt du, warum junge Leute dieses Spiel spielen?"
Ich schüttelte kaum merklich meinen Kopf, denn ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht. Man spielte es eben, wenn man getrunken hatte. Da war doch nichts dabei. Als Ayaz sich plötzlich nah zu mir herüber lehnte, stockte mir der Atem. Seine Augen fixierten mich und so nah, wie seine Lippen plötzlich den meinen waren, war er mir noch nie zuvor. Diese wechselhafte Art, machte mich verrückt - doch sie war auch aufregend. Mein Herz fing schneller an zu schlagen und ich hatte das Gefühl, die Gänsehaut von meinen Armen würde meinen gesamten Körper einnehmen.
"Sie spielen es, um anderen nah zu kommen, ohne selbst etwas dafür tun zu müssen", hauchte er an meine Lippen und obwohl ich mich wirklich von ihm losreißen wollte, gelang es mir nicht. Meine Augen schweiften immer wieder von seinen dunklen Augen zu seinem Mund herab. "Wenn du also etwas von mir willst, dann verlange danach. Du brauchst dazu keine Spielchen spielen, Prinzessin."
Mit einem amüsierten Grinsen im Gesicht lehnte er sich auf seinem Stuhl wieder zurück. Ich zog den Sauerstoff tief in meine Lungen und brauchte einen Augenblick, um mich zu sammeln. Es war nur eine Unterhaltung und doch, um einiges intensiver, als jeder Kuss, den ich bis dahin erlebt hatte. Ich wandte mich ab von ihm und trank einen Schluck erneut einen Schluck, ehe ich ihn erneut ins Visier nahm.
"Und was, wenn mir einfach nur langweilig ist und ich deswegen dieses Spiel vorgeschlagen habe?"
"Dann würde ich Wahrheit nehmen."
"Warum Wahrheit?"
Erneut trafen sich unsere Augen.
"Weil ich dich kenne und bei Pflicht sicher etwas passieren würde, wonach dein Vater mich in die Hölle schickt."
"Du hast ja Angst", amüsierte ich mich über seine Worte. "Bist du deswegen so abweisend? Weil du denkst, mein Vater könnte ausrasten?"
"Nein", lachte er. "Ich bin abweisend, weil es genau das war, was du wolltest. Du hast mir ja quasi verboten, die Fragen zu stellen und dir näher zu kommen. Dann wiederum schickst du mir aber solche Nachrichten."
"Das war Stella!", warf ich sofort wieder ein und verdrehte dabei meine Augen. "Und ja! Natürlich will ich, dass du dich von mir fern hälst. Also, wovor hast du dann Angst?"
Ein provokantes Lächeln zierte meine Lippen, während er wohl zu überlegen schien. Ich würde es nicht offen zugeben, aber dieses Gespräch hier mit ihm, war unterhaltsamer, als jede Party der letzten Wochen.
"Gut, dann nehme ich Pflicht. Immerhin habe ich bei dir ja nichts zu befürchten."
Ich dachte kurz, er würde das sagen, weil ich ihm ja mitgeteilt hatte, nichts von ihm zu wollen. Sein Grinsen offenbarte mir aber, dass mehr hinter seiner Aussage steckte.
"Wie meinst du das, dass du nichts zu befürchten hast?"
"Für eine Jungfrau für dich ist dieses Spiel eben nur ein Kinderspiel. Was soll da schon passieren?"
"Ich bin keine Jungfrau!", entkam es mir wütend und etwas zu laut, sodass zwei ältere Damen vom Tisch nebenan sofort zu mir sahen. Ich ignorierte ihre Blicke und nahm erneut Ayaz ins Visier. "Gut! Du denkst ich bin ein Kind, weil ich erst 18 bin?", setzte ich mach und nahm dabei mein Weinglas zur Hand, während meine Augen aber weiterhin Ayaz fixierten. "Pflicht hast du ja genommen und jetzt werden wir sehen, wer das Kind ist! Zieh mir meinen Slip aus und steck ihn in deine Hosentasche, ohne das es jemand mitkriegt."
Ich wusste, er würde so weit nicht gehen.. zumindest war ich mir darüber sicher, bis er sich plötzlich vorlehnte und seine Hand unter dem Tisch verschwand.
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😁😁😚
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