Kapitel 65 - Der Kampf im Wald
Damons Gesichtsausdruck war die pure Verwirrung, als er Ariadne erblickte, die mit ihrem Messer auf ihn zu rannte. Er starrte Ariadne fassungslos an, ehe er auch schon ihren Hieben ausweichen musste. "Ariadne!", rief er. Langsam schlich sich die Wut in seine Stimme. "Was tust du da?!" Ariadne antwortete nicht. Sie versuchte weiterhin verbissen, Damon mit ihrem Messer zu erwischen. Doch dieser war schneller und wendiger als ich es ihm zugetraut hätte. Seine Bewegungen wirkten mehr wie ein Tanz als ein Versuch, sein Leben zu retten. Fasziniert folgten meine Augen Damon. Er wollte Ariadne nicht angreifen. Er wich ihr bloß aus. Wieso wehrte er sich nicht? Wieso griff er nicht an? Auch Ariadne schien sich das zu fragen. "Jetzt weicht nicht aus! Greif mich an! Komm! Mach schon, Damon! Wehr dich!", zischte sie ihm zornig zu. "Wehr dich endlich!"
Ich konnte Damon ansehen, dass er nichts lieber täte, als Ariadne anzugreifen, doch er hielt sich zurück. Die anderen Jäger standen nur skeptisch herum und betrachteten Damon und Ariadne. "Ariadne, was soll das?", wollte die zierliche Jägerin wissen. "Was ist auf einmal los mit dir?"
Der Mann, der aussah wie ein Serienkiller, verschränkte seine Arme vor seiner breiten Brust. "Ja, genau? Und wieso hast du uns letztens nicht durch den Geheimgang reingelassen?", wollte er ungeduldig wissen. "Jeder von uns weiß, dass du da gewesen bis!"
"Halt die Klappe, Ben!", rief Ariadne, ohne ihre Augen von Damon zu lassen. Weshalb griff sie nur ihn an? Aus irgendeinem Grund war ich ganz nervös.
Nawin, Will, Desdemona, Liam und Theodor standen unsicher um das Lager der Jäger herum. Niemand von ihnen schien zu wissen, was er jetzt machen sollte. Auch ich wusste nicht was jetzt zu tun war. Tja, der Plan war zwar, dass wir die Jäger überrumpelten und angriffen, aber wir waren vollkommen planlos.
Damon duckte sich unter Ariandes erneuten Messerhieb. Er wich zur Seite aus, sodass er hinter ihr stand, packte sie so schnell, dass ich es kaum mitbekam und entwaffnete sie. Das Messer landete mit einem dumpfen Geräusch auf dem Waldboden und die Klinge funkelte zuckend im Schein des Feuers. Ariadne versuchte sich gegen Damons Schwitzkasten zu wehren, doch er war stärker als sie. Das gefiel ihr überhaupt nicht. Ich spürte die Kälte, die Ariadne auf einmal umgab. Jeder spürte sie. Dennoch wich Damon nicht zurück. Er schien überhaupt keine Angst zu haben, von Ariadne tiefgekühlt zu werden. Ich konnte das Eis sehen, das Damon an den Stellen zu überzog, die Ariadne berührten. Seine Arme, seine Hände, seine Brust. Das Eis suchte ungehindert seinen Weg um seinen gesamten Körper einzunehmen. Doch Damon blieb ruhig. Ich spürte Ariadnes Genugtuung, sah ihr siegessicheres Grinsen. Bemerkte sie denn nicht, dass Damon das Eis egal war?
Als sei das das Kommando gewesen, ging von Damons Körper plötzlich eine überwältigende Hitze aus. Ruckartig fiel Ariadnes Grinsen. "Nein!", rief sie. "Nein!" Hektisch versuchte sie sich aus Damons Griff zu befreien. Und auf einmal wirkte sie nicht mehr so professionell.
Die Temperatur um Damon stieg und stieg. Das Eis schmolz. Nicht mehr lange und er würde in Flammen stehen. Ich beschloss, die Sache nun selbst in die Hand zu nehmen und gab Desdemona und den anderen ein kurzes Zeichen in Form eines knappen Kopfnickens. Während Desdemona zurück nickte, stürmten die anderen auch schon los. Bloß Theodor nicht. Der schien aufmerksam auf den richtigen Moment zu warten.
Schatten schoben sich unter die Füße einer der Männer und bevor dieser überhaupt bemerkte was geschah, hatten die Schatten ihn auch schon gepackt. Erschrocken schrie er auf als er bemerkte, dass er sich nicht von der Stelle bewegen konnte und riss somit die Aufmerksamkeit der anderen Jäger auf sich. Ich konnte in Ariadnes Gesicht Erleichterung ausmachen.
Verzweifelt versuchte der Jäger seine Füße vom Boden zu lösen, doch die Schatten hielten ihn fest umklammert. "Firelight! Mach etwas!", schrie er als nun auch noch der Schmerz hinzukam.
Damon sah seinen Jäger desinteressiert an. "Sehe ich aus wie ein Ghost Elementary?", fragte er trocken und wollte sich wieder Ariadne zuwenden, als mein Bruder ihn auch schon grob an der Schulter packte und Damon zu sich herum riss. Wie war Will auf einmal mitten auf die Lichtung gekommen? Ich hatte ihn gar nicht hinlaufen sehen.
Damons Miene erstarrte als er meinen Bruder erkannte. "Will ...!", rief er erschrocken aus.
"Ja, ich!", knurrte mein Bruder. In seinen grauen Augen tobte der Sturm. "Und ich habe noch eine Rechnung mit dir offen, Firelight!" Damon starrte meinen Bruder einfach nur schockiert an. Er hatte definitiv nicht damit gerechnet, Will je wieder zu sehen. Wills Griff wurde fester, doch Damon verzog seine Miene nicht. "Meine Familie hat dir vertraut. Das hättest du schätzen sollen, anstatt zurück zu diesem Abschaum zu gehen!" Mit diesen Worten ballte Will seine rechte Hand zu einer Faust, holte aus und schlug mit viel Kraft zu. Damon taumelte nach hinten und rieb sich vorsichtig mit der Hand über das Gesicht. Will hatte zwar nicht seine Nase getroffen, dabei aber einen schönen, roten Abdruck hinterlassen. Das musste ziemlich weh tun. Obwohl ich mich eigentlich jetzt gut fühlen müsste, tat Damon mir leid.
"Es tut mir leid! Okay?", rief Damon und hob abwehrend seine Hände, als mein Bruder mit wütender Miene auf ihn zuging. Es schien mir mehr wie ein persönlicher Racheakt, als nach einem Plan.
Während Damon mit Will beschäftigt war, hatten Desdemona und Liam begonnen alle anderen Jäger am Boden fest zu ketten. Nawin dagegen war dabei,den Jäger, namens Ben, unter seiner Kontrolle zu halten. In Bens Augen konnte ich erkennen, wie sehr dieser gegen Nawins Zwang ankämpfte, doch kläglich verlor. Nawin, der anscheinend kein so mächtiger Elementary war wie Will oder ich, kam leicht ins Schwitzen.
Theodor befand sich noch immer in seiner Deckung. Wartete immer noch. Ebenso wie ich. Aber worauf wartete ich? Oder hatte ich einfach nur Angst, Damon unter die Augen zu treten?
Ariadne schlich sich von hinten an Damon heran, doch Will gab ihr zu verstehen, dass das hier seine Sache war. Wütend zog Ariadne sich zurück. Es war ein Wunder, dass sie tatsächlich auf Will hörte.
"Ist Mika auch hier?", vernahm ich Damon auf einmal leise flüstern. Sofort schenkte ich meine Aufmerksamkeit wieder Will und Damon. Damons Miene war wie eingefroren. Keinerlei Emotionen waren zu sehen. Was ich jetzt nicht alles dafür geben würde, irgendeine Emotion an ihm auszumachen! Wills Gesicht war hart wie stein. Der Sturm in seinen Augen war einem wilden Hurricane gewichen.
"Was wäre, wenn?", fragte Will provozierend, während er Damon herablassend musterte. Irgendetwas regte sich in Damon. "Also ist sie hier.", stellte er tonlos fest. Sein Blick wanderte über Desdemona, Liam und Nawin. Kurz blieb sein Blick an Desdemona hängen. Immerhin hatte er sie schon einmal gesehen. Desdemona, die das kurze Gespräch mitbekommen hatte, grinste Damon provozierend an. Ihre Augen funkelten giftig. Momentan wirkte sie wie eine böse Hexe.
Durch das Geschehen abgelenkt, befreiten sich die anderen Jäger aus den Griffen der Schatten Elementary und die zierliche Frau hob plötzlich ihre Hände. Erst geschah überhaupt nichts. Desdemona begann die Frau auszulachen. Bis auf einmal der Boden zu erzittern begann. Die Erde begann zu beben. Erst schwächer, dann immer stärker und stärker. Desdemonas Lachen erstarb schlagartig. Ein leises "Scheiße!" entflog ihr und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Die Schatten zogen sich von den Bäumen über den Boden blitzschnell zu Desdemona und verdammt schnell hatte sich um Desdemona eine schwarze Masse gesammelt. So viele Schatten hatte Desdemona bisher noch nie geschafft zu sich zu ziehen. Das fiel auch Liam auf, der überrascht seine Augenbrauen hochzog. Wie viel ihrer wahren Stärke hatte Desdemona bisher vor uns geheim gehalten?
Jedoch versuchte Liam sich keine Gedanken darüber zu machen und rief nun selbst die Schatten. Genauso schnell wie die von Desdemona kamen sie auf ihn zugeschossen und vor seinen Füßen waberte eine dunkle, beunruhigende Masse. Nawin spannte sich an und versuchte das Erdbeben unter seine Kontrolle zu bekommen. Er und die Jägerfrau kämpften um die Macht der Erde.
Der Beben zitterte und bebte unter unseren Füßen. Ich griff nach einem tief hängendem Ast und klammerte mich an ihm, um nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Der Wind begann zu heulen. Die Erde knirschte und knarzte. Wir wurden durchgeschüttelt. Will verlor sein Gleichgewicht und riss Damon mit zu Boden. Ihren Aufprall höre man nicht. Dazu war das aufkommende Grollen zu lauf.
Ariadne taumelte auf ihr Messer zu, doch Ben war schneller und riss es von ihr weg. Allerdings wollte Ariadne nicht so schnell aufgeben. Sie formte ein Messer aus Eis und schmiss es nach Ben. Schreiend ließ er Ariadnes Messer fallen, während er entsetzt auf das Eis blickte, das sich in seine Schulter gebohrt hatte. "Du miese Verräterin!", schrie er sie an. "Dafür wirst du sterben!"
"Versuch es doch!", höhnte Ariadne und stieß Ben mit ihrem Fuß zu Boden. Sie drehte sich zu der zierlichen Jägerin. "Ist das alles was du kannst, Laurel?", schrie sie ihr über das Grollen hinweg zu. "Das kannst du doch besser!" Ariadne war verrückt geworden. Sonst würde sie Laurel nicht so provozieren.
"Ariadne, lass das!", rief Liam ihr zu und schickte verzweifelt seine Schatten auf Laurel. Doch diese riss augenblicklich ihre linke Hand hoch und riss somit einen großen Haufen Erde aus dem Boden, der sich zu einem Schild zusammentat und Liams Schatten abwehrte. Entgeistert starrte ich Laurel an. Und da sagte Hanne, dass Erde das schwächste Element sei! Doch ich hatte keine Zeit, mich über Hannes Aussage zu wundern, denn übler Weise begann die Erde unter uns zusammen zu brechen.
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