Kapitel 43 - Besuch bei den Glacials
Ich hatte mir Harvey Glacial ganz anders vorgestellt. Klein, dick, mit Glatze und Bierbauch. Aber dem war überhaupt nicht so. Ganz im Gegenteil. Harvey Glacial war ein großer Mann im Anzug. Seine grauen Augen sahen finster und kalt auf uns hinab. Er war ein ernster Mann, mit hellem, gestylten Haar.
"Was wollt ihr? Wer seid ihr?" Seine Stimme war kalt und vollkommen unsympathisch. Er wirkte wie ein eiserner Geschäftsmann, der auf sein Ansehen achtete.
Ich räusperte mich und trat vor. Mr Glacials Augen schwenkten zu mir. "Und du bist ...?", fragte er gelangweilt.
"Mein Name ist nicht von Bedeutung, Mr Glacial. Es geht bei unserer Angelegenheit nicht um mich, oder Sie." Ich beobachtete jede von Mr Glacials Reaktionen. "Es geht um Ihre Kinder Dylan, Grace und Imogen." Ich machte eine kurze Pause. Mr Glacials Miene war wie aus Eis. "Es ist eine wichtige Angelegenheit, deshalb möchte ich Sie bitte, uns zu sagen, wo wir Ihre Kinder finden könnten." Ich hob noch mein Kinn an, um ein wenig respekteinflößender zu wirken.
Harvey Glacial starrte uns an, dann lachte er ein kaltes Lachen, als seien wir nur kleine Kinder, die so taten, als seien sie Erwachsene. "Ich kenne euch nicht im geringsten und ihr wollt von mir, dass ich euch sage, wo meine Kinder sind?" Er schüttelte über uns den Kopf.
Ich spürte, wie Liam und Desdemona wütend wurden. Liam ballte seine Hände zu Fäusten, sodass seine Knöchel knackten und Desdemona tötete Ariadnes Vater mit ihren Blicken. Sie hatte wie Liam die Lippen fest zusammen gepresst, um jetzt ja keinen ungünstigen Kommentar abzugeben. Ich konnte mir in etwa vorstellen, wie diese Kommentare aussehen würden. Und das würde nicht gut enden.
Nun sprach ich wieder, um Liam und Desdemona davon abzuhalten etwas zu tun, was uns alles andere als weiterhelfen würde. "Ich verstehe Ihre Bedenken, Mr Glacial. Aber wie ich vorhin schon erwähnte, ist es eine wirklich bedeutsame Angelegenheit, weswegen wir nach London gekommen sind. Wäre sie weniger von Bedeutung, wären wir nicht hier. Deshalb bitte ich Sie noch ein einziges mal, uns zu sagen, wo wir Ihre Kinder finden können. Sonst muss ich leider zugeben, dass ich auch noch andere Maßnahmen kenne, von denen Sie sicherlich noch weniger angetan wären."
Ich bemerkte, wie Desdemona die Kinnlade hinter mir herunter klappte, da ich so ruhig und sachlich sprach. Auch, wenn ich selbst gerne den unausstehlichen Mann vor uns anschreien wollte, aufgrund seines Verhaltens. Er sprach mit uns, als seien wir Kinder, die so unbedeutend waren, um mit dem ach so großen Harvey Glacial zu sprechen.
Ich konnte die Wut sehen, die in Mr Glacials Augen aufblitzte, da ich so mit ihm sprach wie ich nun einmal sprach und dann auch noch mit einer angedeuteten Drohung.
"Willst du mir etwa drohen, Kleine?" Seine Stimme war leise und bebte bedrohlich. Er presste seine Zähne fest aufeinander, sodass es schon leise knirschte. "Du wagst es, mir, Harvey Glacial zu drohen?!"
Liam und Desdemona warteten gespannt auf meine Antwort. Ich blickte Mr Glacial in die Augen und sagte ruhig: "Das war eine rhetorische Frage, die Sie da gestellt haben, Mr Glacial. Sie wissen die Antwort bereits."
Liam und Desdemona starrten mich aus großen Augen heraus an. Ich konnte förmlich sehen, wie Mr Glacials Alder auf der Stirn vor Wut anschwoll, da ein 17-jähriges Mädchen es wagte ihm zu drohen.
"Was willst du schon groß gegen mich ausrichten können, Kleine?", sprach er verächtlich und versteckte seine Wut hinter einem unheimlichen Grinsen.
"An Ihrer Stelle würde ich es nicht darauf anlegen, es herauszufinden.", sagte ich trocken.
Mr Glacial ballte seine Hände zu Fäusten und sah so aus, als würde er gleich auf mich losgehen wollen. "Du wagst es- ...!"
Doch ehe er seinen Satz beenden konnte, ertönte eine Frauenstimme aus dem Haus. "Harvey? Wer ist denn da an der Tür?" Eine schlanke, elegant gekleidete Frau erschien im Türrahmen. Das helle Haar fiel ihr seicht wie Wasser über die Schultern. Ihre blauen Augen sahen uns fragend an. "Harvey, wer ist das?" Ihre Stimme war im Gegensatz zu der von Harvey Glacial sanft und seicht wie Wasser in einem Flussbett. Sie musste Erin Glacial sein, Ariadnes Mutter. Sie wirkte nicht so, als würde sie streng sein. Doch der Schein konnte trügen.
"Geh wieder rein, Erin.", sagte Harvey und massierte seine Stirn, als würde er seine Frau in diesem Moment überhaupt nicht hier gebrauchen können. Doch ich ergriff meine Chance.
"Mrs Glacial, ich bin wegen Ihrer Kinder hier. Es geht um eine wirklich wichtige Angelegenheit und wir können uns nicht erlauben, zu viel Zeit zu verlieren. Deshalb bitte ich Sie, mir zu sagen, wo ich Ihre Kinder finden kann."
Mrs Glacial sah mich leicht verwirrt an. "Meine Kinder? Seid ihr Freunde von ihnen? Haben sie etwas angestellt?"
"Erin ...", stöhnte Mr Glacial genervt und versuchte seine Frau wieder zurück ins Haus zu ziehen, doch Mrs Glacial schlug seine Hand weg.
"Können Sie uns sagen, wo wir Dylan, Grace und Imogen finden könnten? Kennen Sie ihre Adresse?", fuhr ich fort, ohne auf ihre Fragen zu antworten.
Etwas verwirrt sah mich Erin Glacial an. Harvey versuchte sie wieder zurück ins Haus zu schieben, doch erneut schlug sie seine Hand weg. "Lass es, Harvey!", zischte sie ihm plötzlich vollkommen unerwartet zu. Ihre Stimme klang so überhaupt nicht mehr sanft und auch ihre blauen Augen funkelten zornig. Nun konnte ich es mir doch tatsächlich vorstellen, dass sie ziemlich streng sein konnte.
Sie wandte sich wieder an uns. "So, so. Ihr wollt also zu meinen Kindern. Aber soll ich euch etwas sagen?" Sie lachte kühl auf. "Sie haben uns verlassen und auch keine Adresse hinterlassen!" Sie stemmte ihre Hände in ihre Hüfte und musterte uns abschätzend. "So, was wollt ihr jetzt tun?" Ihre Augen funkelten herausfordernd und die Maske der sanften Frau war gefallen. Ich fragte mich, ob Mrs Glacial nicht sogar noch mehr auf das Ansehen achtete. Immerhin hatte sie versucht ihre Tochter Ariadne zu etwas zu machen, das sie nicht war.
Ich seufzte. "Dann lassen Sie mir beide keine andere Wahl." Nun gab ich es vollständig auf, vernünftig mit den beiden reden zu wollen. Ich sah mich um. Niemand war in der Straße zu sehen. Wie von Geisterhand wurden Harvey und Erin Glacial in ihr Haus zurück geschoben.
"Kommt.", sagte ich an Liam und Desdemona gewandt und betrat das Haus. Harvey und Erin Glacial sahen mich mit geweiteten Augen an. Sie versuchten sich zu bewegen, doch sie waren wie erstarrt und auch die Fähigkeit zu sprechen schien ihnen genommen worden zu sein.
Liam und Desdemona folgten mir in das Haus.
"Schließt die Tür.", sagte ich und Liam tat, was ich sagte. Ich sah zu dem Ehepaar vor mir. Harveys Augen lagen wie erstarrt vor Angst auf mir, während Erins hektisch umherwanderten.
"Ihr habt es selbst zu verantworten. Ich habe euch die Gelegenheit gegeben, mir freiwillig zu sagen, wo sie sind.", sagte ich und auf einmal war meine Stimme kalt und gleichgültig. Selbst Liam zuckte bei diesem Umschwung zusammen.
Ich schritt ruhig auf die Glacials zu, die immer noch versuchten sich aus meinem Bann zu befreien. Oder war es eher ein Zwang? Ich vermochte es noch nicht zu sagen. Fakt war bloß, dass es die beiden selbst schuld waren.
"Wer von euch beiden lässt mich in seine Gedanken eintauchen?", fragte ich gespielt ratlos und setzte einen nachdenklichen Blick auf. Beide waren nicht besser, als der jeweils andere. Beide verdienten es, dass ich in ihre Köpfe eindrang. Doch ich brauchte bloß einen um das zu bekommen, weswegen ich hier war.
Grinsend wandte ich mich Desdemona und Liam zu. "Wen soll ich nehmen?"
Liam sah sichtlich eingeschüchtert von mir aus und er brachte keinen Ton heraus. Doch da Desdemona ja vertrauter mit so etwas war, deutete sie auf Harvey.
"Okay, die Entscheidung ist getroffen!" Grinsend wandte ich mich Harvey zu. Dieser wollte zurückzuckten, seine Augen lagen ängstlich auf mir und machten es mir somit ironischer Weise leichter in seinen Kopf zu kommen. Ohne eine große Vorwarnung drang ich in seinen Kopf ein. Harvey wehrte sich, doch er war zu schwach um gegen mich anzukommen. Das schien er auch zu bemerken und es gefiel ihm ganz und gar nicht, keine Macht gegen mich zu haben. Schnell fand ich wonach ich suchte.
Grinsend ließ ich von ihm ab. "Vielen Dank. Ich freue mich, wenn ich wieder einmal herkommen werde. Wir sehen uns garantiert wieder!" Ich wandte mich ab und öffnete die Tür. Desdemona und Liam folgten mir hastig. Als die Tür hinter uns ins Schloss fiel, ließ ich auch Harvey und Erin wieder frei. Ich würde allein wieder her kommen, um mich für das Verhalten der beiden zu rächen und dafür, was sie ihren Kindern angetan hatten. Sie verdienten es nicht anders. Sollten sie doch in der Angst leben, dass ich jeden Moment wieder vor ihrer Türschwelle stehen könnte.
"Und?", fragte Desdemona. "Was hast du herausgefunden?" Sie sah mich aufgeregt an.
Liam verdrehte seine Augen. Anscheinend hatte er sich wieder beruhigt. "Bitte sag jetzt nicht, dass sie am anderen Ende Englands leben!", flehte er förmlich.
Ich grinste. "Nein, keine Sorge. Sie leben hier in London!"
Liam wirkte zum ersten mal seit wir hier angekommen waren erleichtert. "Das ist gut und wo?"
"In der Nähe des Hyde Parks, wir brauchen nur ein Taxi zu nehmen.", erklärte ich und wir verließen die Straße, wo das Haus der Glacials lag. Sogleich waren wir wieder mitten zwischen Menschen, im normalen Londoner Alltag.
"Da ist ein Taxi!", rief Desdemona und deutete auf das schwarze Auto. Wir brachten es dazu stehen zu bleiben und setzten uns hinten rein.
"Guten Tag. Wo soll's hingehen?", begrüßte uns der Taxifahrer. Schnell nannten wir ihm die Adresse und er fuhr los.
Liam blickte aus dem Fenster, während Desdemona ihn die ganze Zeit über böse grinsend mit ihrem Finger in die Seite stach. Liam ignorierte das ziemlich lange, bis auch er irgendwann wieder ziemlich genervt war und Desdemona anschrie, sie solle das doch lassen.
"Leute, bitte! Seid doch einmal ruhig! Im Flugzeugt habt ihr euch doch auch nicht gegenseitig die Köpfe abgerissen!", ging ich genervt dazwischen. Sofort waren die beiden ruhig und wandten sich beschämt von einander ab. Beide starrten stur auf den Boden. Ich schüttelte grinsend den Kopf. Sie sollten endlich zugeben, dass sie den jeweils anderen doch nicht so verdammt scheiße fanden, wie sie es vorgaben!
Das Taxi rollte weiter und die Häuser zogen an uns vorbei, wie auch die ein oder andere Ampel. Die Fahrt verging ziemlich ruhig, da Desdemona und Liam jetzt beide damit beschäftigt waren, den jeweils anderen nicht mehr anzusehen und nicht einmal mehr bei einer Kurve zu berühren.
"Wir sind gleich da.", ließ und der Taxifahrer nach einiger Zeit wissen und ich nickte nur als Zeichen, dass ich verstanden hatte. Er nahm es jedoch durch seinen Rückspiegel wahr. Ich widmete mich wieder meinem Fenster. Autos, Busse, Taxen, Menschen, alles zog an uns vorbei. Häuser, Straßen, Damon, Ampeln ... WARTE, WAS?! Ich riss meine Augen auf und blickte zurück. Da stand er. Am Straßenrand und hatte seinen finsteren Blick genau auf unser Taxi gerichtet.
"D-Desdemona!", flüsterte ich und begann, sie zu rütteln. Alarmiert sah sie zu mir, als sie bemerkte, wie aufgelöst ich war. Ich blickte wieder durch das Fenster hinten und Desdemona folgte meinem Blick. Als sie bemerkte, wen ich da anstarrte, weiteten sich auch ihre Augen.
"Scheiße!", entfuhr es ihr.
Was tat er hier? Woher wusste er, dass wir hier waren? Oder wusste er es überhaupt nicht? Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. Das alles schien schwieriger und komplizierter zu werden, als anfangs erwartet.
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