Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

11) Hilfe

Wie befürchtet war es hinter den Fenstern von Quinns Praxis längst dunkel, als ich auf den Parkplatz des Ärztehauses stolperte. Die Hoffnung, meinen Therapeuten heute noch anzutreffen, sank endgültig unter den Nullpunkt.

Schweratmend verlangsamte ich meine Schritte.

Rückblickend war es natürlich ohnehin vergeudete Liebensmüh gewesen, hierher zu kommen, immerhin konnte ich die Öffnungszeiten der Praxis im Schlaf herunterbeten. Ich wusste ohne jeden Zweifel, dass sie an Freitagen gegen Mittag schloss.

Und wieso zum Henker sollte Bernard Quinn ausgerechnet heute eine Ausnahme machen und bis zur Dämmerung in seinem Büro sitzen?

Dumm von mir, das auch nur ansatzweise anzunehmen.

Mich innerlich für meine Naivität scheltend, blies ich mir ein paar verirrte, feuchte Haarsträhnen aus der Stirn. Trotz der anfänglichen knapp zwanzig Grad und der strahlenden Sonne waren am späten Nachmittag dunkle Wolken aufgezogen, die nun feinen Nieselregen auf mich herabsandten.

Chaotisches Wetter passend zum Chaos in meinem Kopf.

Das Chaos, das mich heute schon dazu gebracht hatte, mich im Stadtpark zu verkriechen, um nicht allein mit meinen Gedanken in meiner Wohnung sitzen zu müssen.

Allein mit meinen Gedanken.

Ha. Wenn es doch nur so wäre.

Verzweifelt hatte ich nach Hinweisen gesucht, dass all die Bilder, Stimmen und Gefühle nicht von den Menschen um mich herum stammten. Dass ihr Ursprung doch bei mir lag, dass ich einfach durchdrehte.

Vergebens.

Inzwischen konnte ich die Eindrücke allesamt zuordnen. Die Joggerin mit ihrem Hund. Der alte Herr mit der Zeitung. Eine junge Frau, die direkt an mir vorbeiging und befürchtete, ich könnte ihr nachpfeifen. Eine Gruppe Kinder.

Schrecklich.

Also, nicht nur die Kinder, sondern einfach alles.

Im allerletzten Moment hatte ich mich bei der Heimfahrt dazu entschlossen, einen anderen Bus zu nehmen, der unter anderem das Ärztehaus ansteuerte – aus der kurzschlussartigen Erkenntnis heraus, dass Quinn so ziemlich der einzige Mensch auf Erden sein dürfte, der mir noch weiterhelfen konnte.

Er war schließlich derjenige, der meine Krankheit seit Jahren überwacht, der immer wusste, was in meinem Kopf vorging und was zu tun war. Wenn jemand verstand, was nun abging, dann er.

Trotz allem hielt ich auf die Eingangstür zu. Die Dunkelheiten hinter den entsprechenden Fenstern im zweiten Stock schien mich hämisch auszulachen, schien mir wieder und wieder unter die Nase zu reiben, dass ich doch eigentlich sofort wieder umkehren und heimfahren konnte.

Tat ich nicht.

Der nächste Bus zurück kam ohnehin erst in zwanzig Minuten, da konnte es nicht schaden, mich wirklich bis zum letzten ausgeräumten Zweifel von Quinns Abwesenheit zu überzeugen. Und wenn es nur dazu diente, die Zeit totzuschlagen.

Mit in den Hosentaschen vergrabenen Händen stieg ich die Stufen zum Eingang hinauf, schob die Tür mit der Schulter auf. Mein Glück, dass einige der anderen Praxen im Gebäude scheinbar noch geöffnet hatten. Das Treppenhaus lag hellerleuchtet vor mir, lud mich dazu ein, die Stufen zu erklimmen.

Mit einem tiefen Atemzug kam ich der Einladung nach.

Selbstverständlich gäbe es einen Aufzug, noch dazu einen recht modernen, aber da machte mir meine Klaustrophobie einen Strich durch die Rechnung. Zusammen mit der tief in mir verankerten Sorge, der Aufzug könnte steckenbleiben und mich auf unbestimmbare Zeit einschließen.

Etwas begann an meinem Gemüt zu zupfen. Eine Empfindung. Oder war es eine Stimme?

Ich konnte es immer noch nicht auseinanderhalten.

Ich spürte es nur. Ich spürte die Entspannung, die Fröhlichkeit, wie man sie empfand, wenn der Feierabend unmittelbar bevorstand.

Und dann war da noch etwas anderes. Etwas, das nicht so positiv war, sondern eher ... erschöpft. Müde. Jemand hier drin war völlig fertig mit der Welt.

Jemand.

Mein Puls begann zu rasen. Obwohl dem Kram keine nähere Aufmerksamkeit schenkte, wusste ich plötzlich mit einem Schlag, wie viele Menschen sich im Erdgeschoss des Ärztehauses aufhielten. Wo genau sie sich befanden, was sie gerade taten.

Zwar erfuhr ich weder Namen noch Geschlecht oder andere persönliche Informationen, aber ich war mir sehr sicher, dass ich es definitiv herausfinden könnte, würde ich es darauf anlegen.

Diese Sicherheit verstörte mich.

Sie verstörte mich sogar so sehr, dass ich instinktiv die Hände an die Schläfen presste, als könnte ich mich somit abschirmen. Ich wollte das alles doch gar nicht wissen. Ich wollte kein Eindringling sein, der in den Köpfen seiner Mitmenschen herumwühlte und Informationen sammelte, die nicht für Fremde bestimmt waren.

Wie konnte das sein? Verlor ich den Verstand? Oder bildete ich mir das alles nur ein? War ich reif für die geschlossene Psychiatrie?

Bernard Quinn war wohl der einzige Mensch, der mir all diese Fragen beantworten konnte.

Jedenfalls hoffte ich das.

Ächzend erreichte ich den Flur des zweiten Stockwerks, verzichtete darauf, das Licht einzuschalten, sondern tastete mich am hölzernen Handlauf entlang. Nach mehreren Jahren, in denen ich wöchentlich hier aufgetaucht war, fand ich den Weg zu Quinns Praxis mittlerweile blind.

Demnach kostete es mich keine zehn Sekunden, bis ich die entsprechende Tür gefunden hatte, einen Wimpernschlag später auch die Klingel daneben an der Wand.

Meine Hand bebte, als ich den Knopf betätigte. Angespannt lauschte ich auf das vertraute, schrille Geräusch, das daraufhin durch das Innere der Praxis schallte. Schwerfällig ließ ich den Kopf gegen die Wand sacken, genoss die Kälte, die davon ausging.

Vielleicht hatte ich ja doch Glück? Vielleicht war Bernard Quinn doch der Workaholic, für den ich ihn immer gehalten hatte, und hielt den Stuhl an seinem Schreibtisch länger warm, als er eigentlich müsste? Vielleicht-...

Lautes, vertrautes Summen ließ mich hochschrecken und reflexartig nach der Türklinke greifen – und eine Sekunde später stand ich schon im Eingangsbereich der Praxis.

Oh.

Offenbar war ich doch nicht ganz so naiv wie befürchtet.

Gemischte Gefühle brodelten in mir empor, als ich an den Rezeptionstresen herantrat. Genau hier hatte ich schon unzählige Male gestanden und mich für meine wöchentliche Session angemeldet oder ein Rezept abgeholt.

Mit dem Unterschied, dass das Areal am heutigen Abend nicht hellerleuchtet und mit umherlaufenden, telefonierenden und allgemein sehr gestressten Mitarbeitern der Praxis besetzt war. Heute lag es still und verlassen vor mir.

Die einzige Beleuchtung rührte von einem flimmernden Schild her, das den Notausgang anzeigte und dabei alles im Umkreis von zwei Metern in schummriges, grünliches Licht tauchte.

Der Teppichboden unter meinen Füßen sorgte dafür, dass die Sohlen meiner Sneakers keinen Laut von mir gaben, lediglich einmal erklang leises Knirschen, als ich auf etwas trat, das sich bei näherem Hinsehen als verirrter Kugelschreiber enttarnte.

Einer Eingebung folgend, bückte ich mich danach, um ihn auf die Rezeption zu legen – und wäre dann beinahe aus der Haut gefahren, als die Lichtröhren über meinem Kopf ohne Vorwarnung zum Leben erwachten. Der Eingangsbereich der Praxis wurde mit grellem Licht geflutet.

Mein für mich agierender Körper brachte es fertig, den Kugelschreiber dennoch ans Ziel zu bringen, ehe ich mich in Richtung Gang umwandte. Dort befand sich Quinns Büro. Wenn er sich noch in der Praxis aufhielt, dann ganz sicher dort.

„Schönen guten Abend", erklang da schon die Stimme meines Therapeuten. „Ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass die Praxis bereits seit-..." Bernard Quinn erstarrte auf halbem Wege zur Tür, die er seinem unerwünschten Besucher – mir – vermutlich aufhalten hatte wollen, um mich hochkant hinauszuwerfen. „Niall?"

„Ähm." Verlegen verknotete ich meine Finger ineinander, während ich mich an die Rezeption lehnte, unfähig dazu, meinen rasenden Puls zu entschleunigen. Plötzlich ging mir auf, dass eventuell auch mein Therapeut in meinem Kopf auftauchen könnte. Aber vielleicht wusste Quinn aufgrund seines Berufs ja, wie man sich mental abgrenzte? Im wahrsten Sinne des Wortes? Ich hoffte es sehr. Ich hatte keine Lust auf einen Ausflug in seine Gedankenwelt.

„Hallo." Ich räusperte mich. „Tut mir leid, dass ich ohne Termin und außerhalb der Öffnungszeiten einfach so reinplatze. Ich-..."

... wusste nicht, wohin ich mich sonst wenden sollte.

„Kein Problem."

Verwirrt hielt ich inne. Er schickte mich nicht sofort wieder hinaus, obwohl er sicherlich schon Feierabend hatte? Und obwohl er noch nicht einmal wusste, worum es ging?

Anscheinend.

Nun gut. Mir konnte es Recht sein.

„Komm." Er trat zur Seite und vollführte eine einladende Geste in Richtung seines Büros. Seine im Licht funkelnden Augen lagen nachdenklich auf mir. „Für dich habe ich immer Zeit, Niall, das weißt du doch."

Unsicher kam ich der Einladung nach. „Okay. Danke."

Merkwürdig unangenehme, drückende Stille hing zwischen uns, als ich auf einem der beiden Besucherstühle an der Türseite des Schreibtisches Platz nahm, während Quinn sich wie gewohnt mir gegenüber niederließ und die Hände vor sich auf dem Tisch faltete.

Noch immer musterte er mich eindringlich – noch viel eindringlicher, als er es normalerweise tat. Fast so, als wollte er mir am liebsten mit bloßen Blicken aus dem Kopf ziehen, was in mir den Entschluss geweckt hatte, an einem Freitagabend bei ihm auf der Matte zu stehen.

Vielleicht war ich ja sein Lieblingspatient?

Bei dieser Vorstellung hätte ich fast gelacht.

Viel eher war ich der hoffnungsloseste Fall, der ihm jemals untergekommen war.

„Nun gut." Er zog sich seinen obligatorischen Notizblock heran. „Schieß los."

Ich räusperte mich umständlich.

Obwohl ich aus freien Stücken hierhergekommen war, drohte mir nun die Nervosität die Luft abzuschnüren – zusammen mit dem Instinkt, dieses Gespräch nun doch besser sein zu lassen, aufzuspringen und die Flucht zu ergreifen.

Ich meine, mit dem, was ich Quinn jetzt auftischen wollte, musste er mich doch endgültig für verrückt erklären, oder?

Natürlich entging dem Mann meine Unruhe nicht. Dafür war er viel zu aufmerksam, seine Augen viel zu sehr auf kleinste Details geschult.

Seine Augenbrauen wanderten in Richtung seines Haaransatzes, als sein Blick einen Moment lang auf meinen weiß hervortretenden Fingerknöcheln zum Ruhen kam. Reflexartig lockerte ich den Griff meiner Hände ein wenig.

„Hat sich etwas verändert?", erkundigte Quinn sich schließlich. Leise und behutsam, nicht drängend. „Etwas in deinem Kopf?"

Ehe ich es mir anders überlegen konnte, nickte ich heftig.

Der Teil von mir, der nicht damit beschäftigt war, an meiner Furcht zu vergehen, war erleichtert. Erleichtert darüber, dass Quinns Kopf vor mir sicher zu sein schien. Zumindest hatte ich bis jetzt noch keine einzige Schwingung von ihm ausgefangen. Weder eine Stimme noch eine Emotion oder ein Bild.

Hoffentlich blieb das so. Auch wenn ich längst vermutete, dass er mich für einen unheilbaren Freak hielt, musste ich es nicht auch noch von ihm selbst hören.

„Es ist ... noch viel merkwürdiger als davor?" Es war dumm von mir, den Satz als Frage zu formulieren, aber es gelang mir nicht, den Sachverhalt mit Überzeugung zu schildern. Dafür war ich viel zu unsicher und beunruhigt. Quinns forschender Scannerblick tat den Rest. „Ich ... ähm ..." Hilflos rutschte ich auf meinem Stuhl herum. „Es klingt unrealistisch und verrückt und so, als würde ich endgültig den Verstand verlieren, aber heute Nachmittag, da ..."

Ich musste abbrechen, als es mir einfach nicht über die Lippen kommen wollte.

Frustriert knirschte ich mit den Zähnen. Es widerstrebte jeder einzelnen Faser meines Seins, mit einer solch ungeheuerlichen Neuigkeit herauszurücken, für die mich so ziemlich jeder rational denkende Mensch in die Nervenanstalt stecken würde.

Nun gut, Quinn zählte auch zu diesen Menschen, aber von ihm wusste ich, dass er mich nicht kurzerhand einweisen würde. Er kannte mich. Er wusste, wann ich bei Verstand war und wann nicht. Und jetzt gerade war ich eventuell sogar ein Stück zu gut bei Verstand, soweit ich selbst das beurteilen konnte.

„Immer mit der Ruhe." Quinns Lächeln war wie immer freundlich und verständnisvoll. „Heute Nachmittag ist etwas passiert, das du so noch nicht kanntest. Kannst du mir beschreiben, worum es sich gehandelt hat?"

Ich nickte zögerlich. „Ich saß mit Louis an der Uni zusammen an einem Tisch. Wir haben uns unterhalten und ich bin abgeschweift, weil ich wie üblich irgendwelche Dinge gehört habe. Und dann ..."

Ich holte tief Luft und entschloss mich dazu, einfach damit herauszuplatzen. „Dann habe ich auf einmal ihn in meinem Kopf gehört. Louis. Nicht wirklich gehört, sondern eher ... gefühlt. Verstehen Sie, was ich meine? Und danach im Gang auch noch andere Leute. Es war nicht nur dieses übliche Chaos, an das ich gewöhnt bin. Diesmal konnte ich die Dinge ganz exakt den zugehörigen Personen zuordnen."

Bei der bloßen Erinnerung daran spürte ich, wie sich meine Atmung beschleunigte. „Dr. Quinn, es waren nicht nur irgendwelche Stimmen, es waren die von realen Personen! Ich habe versucht, es auszublenden und zu kontrollieren, und ein bisschen hat es funktioniert, aber-..."

„Fängst du auch Schwingungen von mir auf?" Quinns Tonfall, mit dem er mich unterbrach, war weiterhin ruhig. Neutral. Als wäre das, was ich ihm gerade auftischte, das Normalste auf der Welt. Vielleicht war es das für ihn auch? Ich wusste es nicht. „Jetzt, in dieser Sekunde?"

Verwirrt starrte ich ihn an, bevor ich in mich hineinhorchte.

Machte mein Therapeut sich gerade Sorgen darum, dass ich in seinem Kopf herumstöbern könnte?

„Nein", antwortete ich schließlich. „Ein klein wenig sind da die anderen Leute, die noch im Gebäude sind, aber es sind schon weniger. Insgesamt drei, um genau zu sein. Zwei im Erdgeschoss, eine im zweiten Stock, aber ..." Ich runzelte die Stirn. „Von Ihnen spüre ich nichts."

Quinn nickte langsam und für einen Moment glaubte ich, etwas wie Erleichterung über sein Gesicht huschen zu sehen. Doch bevor ich nähere Interpretationen anstellen konnte, war die Empfindung schon wieder verschwunden und der üblichen, professionellen Neutralität gewichen.

„Gab es einen Anlass für diese Veränderung?" Ohne hinzusehen, kritzelte er hektisch etwas auf seinen Block. „Eine besonders starker Anfall? Eine Über- oder Unterdosierung des O-Nesciols? Eine Wechselwirkung mit einem anderen Medikament?"

Wieder zögerte ich.

Ihm gegenüber zuzugeben, dass ich es bewusst unterlassen hatte, die von ihm verschriebene Medikation einzunehmen, war gleich nach dem Ding an sich die größte Überwindung in diesem Gespräch. Dabei wollte ich doch nur ein paar Antworten. Darauf, was in meinem Kopf vorging, was dort schiefging.

„Nun ja. Es war so ..." Ich senkte den Blick auf die abgenutzte Schreibtischplatte hinab. „Gestern hatte ich meine Tabletten zu Hause vergessen."

Ich hörte, wie Quinn scharf einatmete – nun hatte ich es offenbar doch geschafft, ihn milde zu beunruhigen.

„Und dann kam ein Anfall."

Ich nickte zaghaft. „Ja. Der schlimmste, den ich je hatte. Ein Kommilitone hat mich nach Hause gebracht, aber bis dahin war es schon wieder ... gut. Irgendwie. Ich glaube, es war der Tee. Auf jeden Fall bin ich zu Hause eingeschlafen, ohne noch zusätzlich eine Tablette einzuwerfen. Was ich ja eigentlich hätte tun sollen. Und heute Morgen ..."

Leises Rascheln von Kleidung und ein Knarren erklang, als Quinn sich in seinem Schreibtischsessel zurücklehnte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie fest er seinen Kugelschreiber umklammert hielt. So fest, dass seine Finger förmlich bebten.

„... und heute Morgen ging es mir so gut, wie es nach einem solchen Ausfall gar nicht sein dürfte." Stirnrunzelnd versuchte ich, mich an die Morgenstunden zurückzuerinnern. „Rückblickend denke ich, dass auch zu dem Zeitpunkt schon ein paar Dinge waren, die ich gespürt habe, aber wahrscheinlich waren sie zu schwach, um sie wirklich zu bemerken. Und dann dachte ich mir ..."

Ich brach ab, doch natürlich musste ich meine Erklärung gar nicht zu Ende führen.

Quinn hatte längst verstanden, worauf ich hinauswollte.

„Du hast das O-Nesciol weggelassen." Es war eine Feststellung, nicht mehr und nicht weniger. „Du hast also seit gestern Morgen keine Medikation mehr genommen."

Stumm schüttelte ich den Kopf.

„Und seitdem hörst du nicht mehr diese lauten, chaotischen Stimmen, wie es normalerweise der Fall ist, sondern du ..." Er hielt inne, versuchte offenbar, sich an meine Aussagen zurückzuerinnern. „Du fängst Eindrücke auf. Reale Eindrücke von realen Menschen um dich herum."

Diesmal fiel mein Nicken sehr eifrig aus. Quinns Zusammenfassung traf den Nagel sehr zielgerecht auf den Kopf.

„Ja. Ja, genau so." Ich haderte mit mir. „Aber, Dr. Quinn, wie zur Hölle kann das sein? Das ist ... das ist doch der blanke Wahnsinn! Wie kann es möglich sein, dass ich spüren kann, was in den Köpfen anderer Leute vorgeht? Drehe ich komplett durch? Hab ich einen an der Waffel? Was-..."

Quinns warme, kräftige Hand fand an meinen Unterarm. Die andere hielt noch immer so kräftig den Kugelschreiber umfasst, als wollte sie diesen brechen.

„Immer mit der Ruhe", murmelte er mir zu. „Du drehst nicht durch." Er holte tief Luft, ehe er die Hand zurückzog. „Es ist gut, dass du sofort zu mir gekommen bist. Wir dürfen das nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber wir finden eine Lösung. Das verspreche ich dir. Vielleicht nicht heute, vielleicht nicht in der nächsten Woche, aber eher früher als später werden wir eine haben. In Ordnung?"

Sein ruhiger, einlullender Tonfall sorgte dafür, dass die Frequenz meines Pulses ein wenig nachließ. In einem Anflug von Entspannung erlaubte ich mir, die Schultern hinabsacken zu lassen und mich im Polster des Stuhls zurückzulehnen.

„In Ordnung." Meine Stimme klang merkwürdig hohl. „Aber was ... was soll ich jetzt tun? Jetzt sofort, meine ich? Ohne das O-Nesciol geht es mir besser. Die Stimmen sind nicht so aggressiv, ich habe keine Kopfschmerzen und die Nebenwirkungen sind natürlich auch weg. Es wäre doch Schwachsinn, die Tabletten wieder zu nehmen, oder?"

Quinns Nicken war langsam und auf seltsame Art und Weise unheilvoll. Seine Augen ruhten eindringlich auf mir, und plötzlich spürte ich, wie neue Nervosität in mir aufstieg.

Ein dumpfes Gefühl einer unguten Vorwarnung zupfte an meinem Gemüt, ließ meinen Magen rumoren und die neugewonnene Entspannung wieder verschwinden.

Plötzlich fühlte ich mich in Quinns Gegenwart unwohl.

„Du hast vollkommen recht, Niall", gab dieser gedehnt zurück. „Das wäre wirklich Schwachsinn. Ich schlage vor, du versuchst es über das Wochenende ohne das O-Nesciol, und dann treffen wir uns aber sofort am Montag wieder zu einer Sitzung. Bis dahin würde ich dich bitten, diese Vorfälle für dich zu behalten. Aber ich schätze, das muss ich dir gar nicht sagen." Er warf einen Blick auf seinen Terminkalender. „Passt dir am Montag um neun Uhr?"

Da hatte ich zwar Vorlesung, aber das war mir egal. Den verpassten Stoff würde ich in Kauf nehmen.

Lieber eine fehlerhafte Prüfung als ein fehlerhafter Kopf, richtig?

„Ja. Passt." Abrupt schob ich den Stuhl zurück, um mich zu erheben. Irgendetwas in mir trieb mich dazu an, diese Praxis so schnell wie möglich zu verlassen. „Vielen Dank für das spontane, späte Gespräch, Dr. Quinn. Ein schönes Wochenende."

„Gleichfalls, Niall." Seine Mimik war unlesbar. „Man sieht sich."

Und hätte ich es nicht so eilig gehabt, den Raum zu verlassen, hätte ich vielleicht noch mitbekommen, wie Bernard Quinn mit grimmigem Gesicht nach seinem Telefon griff, noch bevor sich die Tür gänzlich hinter mir geschlossen hatte.

Doch ich tat es nicht.

-------------------------------

👀

Quinn ist schon ein sehr sympathisches Kerlchen, right?

(👀)

Danke für alles und schöne Woche euch!

Andi❤


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro