
zwanzig.
Harry || „Mister Styles, wenn Sie bitte die Tür hinter sich schließen könnten?"
Ungläubig sehe ich Liz an. So schnell kann sich ein Traum in einen Alptraum verwandeln. Zehn Sekunden, elf Wörter, alles auf Anfang.
„Letzte Nacht muss wirklich sehr schlimm gewesen sein für dich, wenn du einfach abhaust und nun nicht einmal mehr vernünftig mit mir reden kannst", entgegne ich, wobei ich es tunlichst vermeide, die Tür zu schließen.
Als ich heute Morgen aufgewacht bin, habe ich eine leere Wohnung gefunden. Auf dem Kopfkissen neben meinem war nichts als ein Zettel zurückgelassen worden. Abgesehen von dieser Notiz, die mich um Punkt zwölf Uhr in ihr Büro zitierte, ließ nichts darauf schließen, dass Liz überhaupt bei mir gewesen ist. Während ich mich angezogen habe, habe ich mich gefragt, ob Liz eventuell einfach einen Termin gehabt hatte und deswegen so schnell verschwunden ist. Aber anscheinend konnte sie meine Nähe einfach nicht länger ertragen.
„Nicht so laut", zischt Liz, eilt an mir vorbei und schließt die Tür ihres Büros.
In jeder anderen Situation hätte ich wohl nun einen Witz darüber gemacht, dass sie meine Lautstärke gestern Nacht auch nicht gestört hatte. Aber es war nicht mehr gestern, sondern ganze zwölf Stunden später. Und das Mädchen vor mir war nicht mehr diejenige, die mein Blut in Wallung gebracht hatte, sondern eine völlig Fremde.
„Setz dich bitte einfach, Harry. Wir müssen das weitere Vorgehen deiner Suche besprechen, denn uns läuft die Zeit davon", murmelt Liz, ohne mir in die Augen zu sehen.
Ich lasse mich in den Stuhl fallen, auf dem ihre Problemklienten anscheinend andauernd Platz nehmen müssen und verschränke die Arme vor der Brust.
„Wir werden also noch nicht einmal darüber reden, was gestern passiert ist?", will ich wissen.
Liz schüttelt den Kopf. „Es gibt nichts zu bereden. Wir haben miteinander geschlafen, es war ein großer Fehler, hat nichts zu bedeuten und es wird nicht noch einmal passieren."
Ein Stich in meinem Herzen. „Es hat also nichts zu bedeuten? Wie wäre es, wenn du dies nächstes Mal vielleicht vorher erwähnen könntest?"
Zum ersten Mal heute sieht sie mir direkt ins Gesicht. „Du warst derjenige, der über mich hergefallen ist, Harry. Du hast mir keine Gelegenheit gelassen, irgendetwas vorher zu besprechen."
Ihre Augen bohren sich in meine. Ich bin der erste, der wegsieht.
„Du warst jedenfalls auch nicht abgeneigt, soweit ich mich erinnere", entgegne ich schnippisch. „Und was jetzt? Tun wir wieder einfach so, als wäre es nicht passiert?"
Liz nickt entschlossen und zieht eine Arbeitsmappe hervor, auf dessen Deckblatt mein Name prangt.
„Das ist genau das, was wir tun werden", erwidert sie und streicht sich eine ihrer Haarsträhnen aus den Augen, die sich wieder einmal den Weg dahin verirrt hat. Sie bleibt nicht hinter den Ohren hängen und am liebsten würde ich meine Hand ausstrecken und sie ihr wieder zurückstreichen. Doch obwohl uns nur ein halber Meter voneinander trennt, reißt Liz gerade einen Abstand von Kilometern zwischen uns auf.
„Das kann ich aber nicht tun", murmele ich. „Ich kann nicht einfach so tun, als hätte es nichts bedeutet."
„Dann wirst du es lernen müssen. Denn dir bleibt nichts anderes übrig", entgegnet Liz.
Wieso habe ich bloß anfangen müssen, mehr für sie zu empfinden? Warum hätte mein Herz sich nicht einmal im Leben für die einfachere Option entscheiden können?
„Wenn du meinst, dass das das Beste ist." Ich schlucke und nicke dann schließlich.
„Wir sind Freunde, Harry. Nichts weiter. Und das wird auch so bleiben", entgegnet sie. Dabei weicht sie meinem Blick aus. „Wir sollten jetzt anfangen, den Plan zu besprechen, denn ich habe um zwei Uhr den nächsten Termin."
„Freunde", murmele ich tonlos, während ich nicht umhin komme, zu denken, dass ich nur ein weiterer Termin in ihrem Kalender bin. Ich habe kein Recht, mich so zu verhalten, das weiß ich. Aber dennoch tut es nicht weniger weh, so zurückgewiesen zu werden.
„Hast du schon irgendwelche Ideen, wie wir dein nächstes Date organisieren sollen?", möchte das Mädchen mir gegenüber wissen, während sie mich stirnrunzelnd ansieht.
Stumm schüttele ich den Kopf, woraufhin Liz die Mappe aufschlägt und kurz durch die bisherigen Notizen blättert, bevor sie mir wieder Beachtung schenkt.
Das Licht der Mittagssonne wirft kleine Muster auf ihr Gesicht und lässt sie leicht blinzeln, während sie erneut mit ihren Haaren kämpft. Ihre Augen strahlen trotz des wenigen Schlafes und sie wirkt so souverän, als wäre ich der einzige, den diese Situation aus der Bahn wirft.
Schließlich zieht Liz triumphierend einen kleinen Zettel aus der Ansammlung hervor und legt ihn vor mir ab. Auf der Notiz steht eine Telefonnummer und ein Name. Daneben ist ein kleines Foto von einem Mädchen gepinnt, dessen rote Haare ihre Sommersprossen auf der Nase umso mehr betonen. Sie hat ein kleines Lächeln auf den Lippen und sympathisch aussehende Gesichtszüge.
„Wer ist das?", frage ich stirnrunzelnd.
Liz beugt sich in meine Richtung, während wir beide das Foto ansehen. „Das ist Ava McKensey. Sie ist die Bekannte von Mister Wellingtons Tochter. Ich habe euch beiden ein Blind Date organisiert."
Stirnrunzelnd sehe ich sie an. „Du willst, dass ich erneut auf ein Blin Date gehe? Erinnerst du dich noch daran, wie das letzte geendet hat?"
„Als würde ich das vergessen können. Zur Not werde ich dich wieder retten müssen", entgegnet Liz grinsend. Zum ersten Mal heute sehe ich ein kleines Lächeln in ihrem Gesicht, dass ihre Augen erreicht. „Aber ich bin mir sehr sicher, dass es dazu nicht kommen wird. Ich habe sie vorher genau überprüft."
„Wie genau hast du sie bitte überprüft? Hast du irgendwelche Kontakte zum MI6, von denen ich bis jetzt noch nichts weiß?"
Ich nehme mir einen der Kugelschreiber vom Schreibtisch und drücke die Minde rauf und runter, was mir einen genervten Blick einhandelt. Grinsend mache ich weiter.
„Sei nicht so dramatisch, Sternchen. Ich habe mir ein paar Infos über sie geholt und außerdem kurz mit ihr telefoniert", entgegnet Liz und zieht ein weiteres Blatt aus ihren Unterlagen, dass sie zu mir rüberschiebt. Dabei scheint sie sehr darauf bedacht zu sein, mich auf keinen Fall in irgendeiner Weise zu berühren.
„Sie scheint wirklich nett zu sein und ist schon seit längerem Single, was verhindert, dass ihr Exfreund irgendwelche Eifersuchtsversuche starten wird", erklärt mir Liz.
„Inwieweit ist ihr Exfreund relevant für das Date?", erkundige ich mich bei dem Mädchen, das mir gegenüber gerade die Arme ineinander verschränkt.
„Eifersüchtige Exfreunde können ebenfalls für schlechte Presse und Drama sorgen. Wir wollen aber dein Image aufpolieren und dich nicht weiter in die Klatschzeilen werfen. Gerade vor drei Wochen ist das bei Perrie Edwards fast schief gelaufen, als", erklärt sie mir, bricht dann aber mitten im Satz ab.
„Als...?", hake ich nach.
„Es tut mir leid, Harry. Aber ich kann mit dir nicht über meine anderen Klienten sprechen", erwidert sie und klingt dabei fast entschuldigend.
Obwohl es mich brennend interessiert, ob Zayn in die Sache mit Perrie verwickelt war, sage ich nichts und ziehe stattdessen die Akte mit den Daten über Ava näher zu mir heran.
Stirnrunzelnd werfe ich einen Blick auf die Papiere, auf denen einige Infos zu meinem neuen Date gelistet sind. Wir haben beide im Februar Geburtstag, wobei sie ein Jahr jünger ist als ich, wie ich beiläufig feststelle. Auch der Name ihres Exfreundes sowie die ihrer Familienmitglieder sind aufgelistet. Ebenfalls deren wichtige Lebensabschnitte sowie wichtige Ereignisse in Ava McKenseys Leben.
„Soll ich die ganzen Daten auswendig lernen?", frage ich Liz perplex.
Sie zuckt mit den Schultern. „Ich habe sie vor allem gesammelt, um dir zu zeigen, dass ich dieses Mal vor dem Blind Date ordentlich geforscht habe, damit es nicht wieder so ein Disaster wie mit dem Datingportal wird. Aber ja, vielleicht könntest du die Daten auswendig lernen. Das könnte dir helfen, ein Gespräch mit Ava zu starten. Ich habe mal gehört, dass Gemeinsamkeiten zwei Menschen eher zusammenführen können."
Kurz frage ich mich, welche Gemeinsamkeiten Liz und mich wohl verbinden. Abgesehen davon, dass wir beide Modeste gegenüber nicht allzu wohlgesonnen sind, natürlich. Liebte sie es genauso wie ich an freien Tagen einfach nur im Bett liegen zu bleiben? Was war ihr liebstes Urlaubsziel? Ihre schönste Erinnerung? Ihr Traum, nachdem sie sich sehnte? All diese Dinge würde ich wahrscheinlich nie erfahren.
„Was ist deine Lieblingsfarbe, Liz?" Neugierig sehe ich zu ihr herüber.
Sie begegnet meinem Gesicht mit deutlicher Überraschung, als hätte sie die Frage vollkommen überrumpelt.
„Hellblau", entgegnet sie. Ihre Haare leuchten im Sonnenschein und sie sieht wunderschön aus.
„Wieso?, möchte ich wissen, während ich sie weiterhin mustere.
Liz zuckt mit den Achseln, um ihre Antwort abzuschwächen, doch ich kenne sie mittlerweile gut genug, um die Sehnsucht in ihrer Stimme herauszuhören. „Meine Mutter hat mir als Kind immer von den Küsten der Karibik erzählt, in dessen Meere das blaue Wasser so klar sei, dass es fast wie der Himmel wirken würde. Sie hat mir versprochen, dass wir irgendwann einmal dorthin reisen werden. Seitdem ist Blau meine Lieblingsfarbe."
Sie sieht irgendwie traurig aus.
„Warst du schon einmal dort?", frage ich sie.
Sie unterbricht unseren Blickkontakt und wirkt fast beschämt. „Nein, natürlich nicht. Wie bitte sollte ich mir das leisten? Ich bin noch nie an einem Strand gewesen, abgesehen von dem in Brighton und das ist nicht einmal ein Sandstrand."
Vor meinem Auge ziehen all die Traumstrände vorbei, die ich während meiner Karriere schon gesehen habe. Einer schöner als der andere, das Meer des einen noch blauer als das des ersten. Karibik, Thailand, Neuseeland, Australien. Die Seychellen. Und noch so viele mehr.
Das Schlimmste ist, dass es für mich mittlerweile so selbstverständlich geworden ist, dass ich es nicht einmal mehr zu schätzen weiß.
Manchmal brauche ich jemand anderen, um mir zu zeigen, wie privilegiert mein Leben eigentlich wirklich ist. Denn mit der Zeit stumpft man einfach ab.
Ich weiß noch, wie ich während unserer ersten Tour jede Möglichkeit genutzt habe, die Städte zu erkunden, mich in fremden Ländern heimisch zu fühlen und jeden Winkel zu entdecken. Sobald es uns erlaubt war, hatte ich mich ins Abenteuer gestürzt. Während unserer letzten Tour war ich einfach froh gewesen, im Hotelzimmer verweilen zu können und habe nicht einmal einen Fuß vor die Tour gesetzt.
„Brighton ist trotzdem sehr schön", entgegne ich und merke selbst, wie eingebildet und mitleidig ich klinge.
„Eines Tages werde ich mit dir an einen richtigen Strand fliegen, Liz. Das verspreche ich dir. Dann werde ich mit dir im Meer schwimmen und dabei zusehen, wie all die Wunder dieser Erde sich in dir widerspiegeln. Ich werde mit dir in jedes Land reisen, das du sehen willst. Mich mit dir in der Karibik sonnen und in Sizilien viel zu überteuerte Eiscreme mit dir zusammen genießen", schwöre ich ihr.
Die Sehnsucht deutlich in ihren Augen ist deutlich zu sehen. Ich wünschte, ich könnte diese Sehnsucht nach den einfachen Wundern der Welt ebenfalls wiedererlangen. Doch ich befürchte, dass man diesen nicht wiederfinden kann, sobald man ihn einmal verloren hat.
Sie schüttelt den Kopf mit leicht säuerlichem Gesichtsausdruck. „Mach keine Versprechen, die du nicht halten wirst, Harry."
Ihre Worte sind wie ein Stich direkt ins Herz. Ich frage mich, ob sie mich wirklich so wenig kennt. Denn ich würde nie ein Versprechen brechen. Niemals.
Ich schlucke und sehe sie einfach stumm an, was sie wohl als Aufforderung versteht, wieder zum eigentlichen Thema zurückzukehren.
„Ava McKensey. Wie findest du sie?"
Elizabeth Summers ist berühmt dafür, sich abzuschotten, sobald man auf Themen zu sprechen kommt, die sie am liebsten verschweigen würde. So wie immer, wenn es um irgendetwas Privates geht, wirkt sie so verschlossen, als müsste sie sich selbst vor jedem und der ganzen Welt schützen. Ich komme einfach nicht dahinter, warum dies so ist, aber ich bezweifle auch, dass sie es mir je sagen wird.
„Ava McKensey, Harry", erinnert mich Liz daran, dass sie mir eine Frage gestellt habe.
„Ich kenne sie nicht persönlich", entgegne ich frech.
Sie verdreht die Augen, während ihre Mundwinkel leicht zucken. „Hör auf, mir auszuweichen, Harry. Du weißt genau, wie ich die Frage meine."
Meine Gedanken schweifen zu dem rothaarigen Mädchen, das mir von dem Foto entgegenblickt, welches direkt vor mir auf dem Tisch liegt.
„Sie sieht sympathisch aus", erwidere ich.
„Also könnte sie deine Traumfrau werden?"
Ich zucke mit den Achseln. „Weiß man so etwas je vorher? Ich schätze, man findet dies nur heraus, wenn man sich darauf einlässt."
„Das freut mich zu hören, Harry. Denn ihr beide habt morgen ein Date", teilt Liz mir mit. „3 Uhr im Pancake Café in Chelsea. Versprichst du mir, dass du nicht kneifen und ein Date mit ihr haben wirst?"
Ich nicke, denn eigentlich ist es ganz egal, mit welchem Mädchen ich als nächstes ausgehen würde. Vielleicht habe ich ja Glück und Ava ist genau das Mädchen, welches wir suchen. Der Versuch ist zumindest genauso gut oder schlecht wie jeder andere.
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