vierundzwanzig.
Harry || Beinahe wäre ich an Elizabeth vorbei gefahren, da keine Ähnlichkeit mit der Liz hat, die ich kenne. Erst auf dem zweiten Blick erkenne ich, dass es sich bei dem Mädchen mit dem Bob und dem silbernen, figurbetonten Kleid um Liz Summers handelt.
Also lege ich den Rückwärtsgang ein, ignoriere das wütende Hupen des Autos hinter mir und setze das Warnblinklicht, während ich Elizabeth auf mich aufmerksam mache.
Als sie mich entdeckt, schleicht sich ein erleichtertes Lächeln auf ihre rotgeschminkten Lippen und sie eilt zu meinem Auto.
Leider scheint Liz nicht die einzige zu sein, die mich erkannt hat. Ich sehe drei Teenager, die aufgeregt in meine Richtung deuten und anfangen, fleißig Fotos zu schießen. Ich ducke mich und versuche, nicht in ihre Richtung zu schauen.
Ich öffne Liz von innen die Fahrertür, wobei ich den eindeutigen Finger des Autos hinter mir übersehe, als dieser mich überholt und wütend in meine Richtung fuchtelt. Als würde er bei diesem Tempo nicht ohnehin nur schleichend vorankommen.
„Arschloch", murmele ich augenverdrehend in seine Richtung.
„Bitte?", will Elizabeth wissen, während sie auf dem Beifahrersitz Platz nimmt. Dabei bemüht sie sich, ihr Kleid nach unten zu ziehen, während sie gleichzeitig versucht, sich anzuschnallen.
„War nicht an dich gerichtet", meine ich.
„Dann ist ja gut", erwidert sie augenzwinkernd und verstaut das individualisierte Plektrum, dass Niall auf dem Beifahrersitz vergessen hat, in der Aufbewahrung der linken Tür.
Ich muss mich bemühen, Liz nicht zu offensichtlich anzustarren, doch es fällt mir unwahrscheinlich schwer. Das Kleid bringt ihren Körper vorteilhaft zu Geltung und liegt an genau den richtigen Stellen eng an, während es andere schmeichelhaft umspielt und gerade die Stellen, die mit Stoff bedeckt sind, machen mich geradezu wahnsinnig. Ich hätte nie gedacht, Liz einmal in so einem Kleid sehen zu dürfen, weswegen ich überhaupt nicht darauf vorbereitet bin. Hölle, ich hätte nicht einmal gedacht, dass Liz so etwas Aufreizendes überhaupt in ihrem Kleiderschrank versteckt hat.
Die langen, nackten Beine des Mädchens neben mir helfen meiner Fantasie auch nicht weiter. Stattdessen versuche ich mich auf die Haarsträhne zu konzentrieren, die Liz wieder einmal ins Gesicht gerutscht ist. Diese ist mittlerweile zu ihrem persönlichen Markenzeichen geworden und ich muss mich davon abhalten, ihr diese wieder hinter die Ohren zu streichen.
Ihr Kleid sowie die dünne Jacke sind eindeutig nicht für das draußen herrschende Wetter geeignet und ihre vor Kälte geröteten Wangen verstärken diesen Eindruck nur noch. Ich drehe die Heizung hoch und stelle ihre Sitzheizung an.
„Du siehst wirklich hübsch aus, Liz", sage ich und fädele mich wieder in den Verkehr ein, der sich in den Abendstunden ohnehin nur schleichend bewegt. Die Nähe zum Piccadilly Circus trägt das Übrige dazu bei und ich stelle mich auf eine längere Autofahrt ein.
„Ich hatte ein Date", entgegnet sie, als wäre dies Erklärung genug.
Ein Stich durchfährt mein Herz, doch ich bin durch die ganze Aufmerksamkeit schon seit langem darin perfektioniert, mir nichts anmerken zu lassen. Lasse die Welt immer nur so viel sehen, wie du selbst zulassen willst, das habe ich auf schmerzliche Art und Weise lernen müssen.
„Da ich den Retter spiele, nehme ich an, dass es kein besonders gutes Date gewesen ist?", erkundige ich mich in dem Versuch, Konversation zu betreiben.
„Wer hätte gedacht, dass wir unsere Rollen einmal tauschen würden?" Liz schnaubt neben mir und entlockt mir ein Lachen. „Das Date ging ganz und gar nicht. Es war so furchtbar, dass ich flüchten musste."
Sie zittert immer noch vor Kälte, weswegen ich mich bei der nächsten roten Ampel aus meinem Pullover schäle und ihr diesen reiche. Dankbar wirft Liz sich diesen über.
„Was genau hat der arme Kerl denn angestellt?", will ich wissen.
„Anscheinend ist Chester der Meinung, dass ein Date gleichauf mit einem Sextreffen ist", berichtet mir Liz. „Da er für mich bezahlt hat, sah er es als selbstverständlich, dass ich im Gegenzug mit ihm schlafe."
Meine Hand verkrampft sich ums bei ihren Worten ums Lenkrad, während ich einen Hass auf diesen Jungen verspüre, den ich nicht einmal kennengelernt habe. Abgesehen davon, dass kein Mädchen diese sexistischen Ansichten verdient hat, trifft es mich umso mehr, dass Liz diesen ausgesetzt worden ist.
„Was für ein Arschloch! Dass das vollkommener Schwachsinn ist, weißt du? Soll ich umdrehen und ihm das einmal deutlich machen?" Meine Stimme zittert vor Wut.
Aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Liz ihren Blick über mich wandern lässt. „Du willst dich mit ihm prügeln, Sternchen?"
„Er ist ein Arschloch", presse ich hervor. „Wenn du also willst, dass ich ihm eine reinhaue, dann werde ich dies tun."
„Glaubst du, du könntest jemanden verprügeln?" Sie klingt zweifelnd.
„Ich gehe seit Jahren zum Boxen. Ich kann zuschlagen", versichere ich ihr und presse die Lippen aufeinander.
„Das meine ich nicht, Harry. Dass du körperlich dazu in der Lage bist, zweifele ich nicht an. Aber ich glaube nicht, dass du einfach jemanden schlagen könntest", entgegnet Liz.
„Ich bin wegen Vergewaltigung angeklagt. Hast du das schon vergessen?", erwidere ich mit bitterer Stimme.
„Einem Verbrechen, dass du nicht begangen hast." Unsere Blicke treffen sich kurz und ich kann ihren Glauben an mich in ihren Augen erkennen.
„Ich bin gerade so wütend auf diesen Chester, dass ich ihn wirklich schlagen könnte", versichere ich ihr. „Glaube ich jedenfalls."
Ein leichtes Lächeln legt sich auf ihre Lippen, dessen rote Farbe mich Gedanken denken lässt, die ich nicht haben sollte. Wir sind Freunde, nichts weiter. Das hat sie mir mehr als deutlich gemacht.
„Danke für das Angebot, Harry. Aber ich glaube, es ist besser, wenn wir nicht wieder zurückfahren."
Sanft löst Liz einer meiner verkrampften Hände vom Lenkrad und beginnt, diese zu massieren. Ich beginne mich unter ihrer Berührung zu entspannen, während sie gleichzeitig kleine Stromschläge durch meinen ganzen Körper jagt.
Ich räuspere mich, um meine Fassung wieder zu erlangen. „Soll ich das Radio andrehen?"
Liz tut uns den Gefallen und sofort strömt Little Mix durch mein Auto, die gerade bei BBCOne zu Gast sein zu scheinen. Nicht mehr lange und wir würden auch dort auftauchen müssen. Während ich mich zu Anfang von One Direction auf solche Termine gefreut hatte, sehe ich sie mittlerweile eher als eine Pflichtaufgabe. Manchmal befürchte ich, dass mir langsam einfach die Luft ausgeht.
„Wo hast du diesen Widerling eigentlich aufgegabelt?", erkundige ich mich.
„Er arbeitet in meiner Nähe und Isabel hat mich dazu überredet, endlich wieder einmal auszugehen", berichtet mir Liz und lehnt sich entspannt in ihrem Sitz zurück. Meine Hand hat sie immer noch nicht losgelassen.
„Ich weiß schon, warum ich es hasse, jemanden zu daten. Es ist immer die komplette Katastrophe. Als wären alle Männer absolut unfähig", lässt Liz ihren Frust raus.
„Du hast einfach noch nicht den richtigen gefunden", merke ich an. Ich hoffe für sie, dass sie denjenigen finden wird. Auch wenn ich es nicht sein werde.
„Nicht hilfreich", entgegnet Liz und stöhnt dann so klagend, dass ich nicht anders kann, als anzufangen zu lachen. Kurze Zeit später stimmt sie mit ein. Ihr Lachen schafft es, jeden Tag zu erhellen.
„Nach dieser Rettungsaktion sind wir übrigens quitt", merke ich an.
Sie sieht mich kopfschüttelnd an. „Nie im Leben, Sternchen. Ich musste in meinen schlimmsten Klamotten durch ein Luxusrestaurant rennen und deine eifersüchtige Exfreundin spielen. Ich habe noch etwas gut bei dir", kommentiert sie.
„Ich hätte dich ohnehin gerettet", meine ich. „Das ist es, was Freunde tun."
Sie sieht mich mit einem Blick an, den ich nicht deuten kann.
„Soll ich dich nach Hause bringen oder willst du noch mit zu mir?", frage ich, als mir einfällt, dass ich ihre Adresse gar nicht kenne. „Louis und ich stellen gerade den neuen Weltrekord im Selbstmitleid auf."
Seit unserem Besäufnis in den Morgenstunden sind wir beide zwar wieder nüchtern, aber Louis ist trotzdem nach meiner Anwaltsbesprechung wieder vorbeigekommen und wir haben uns gegenseitig über unser Leben beschwert.
„Bist du sicher, dass das für Louis in Ordnung wäre?" Unsicher sieht Liz mich an.
„Wir könnten noch einen weiteren Teilnehmer gebrauchen", versichere ich ihr.
„Dein Selbstmitleid baut auf deinem angesetzten Gerichtstermin auf. Meines auf der verfluchten Männerwelt. Aber in welcher Disziplin nimmt Louis denn teil?", möchte sie wissen, während sie ihre freie Hand näher an die Heizung hebt, um sich zu wärmen.
„Er wird Vater", entgegne ich schonungslos. Diese Wahrheit lässt sich nicht sanft verpacken.
Liz fängt vor Schreck an zu husten.
„Wo ist dein Alkoholschrank? Ich brauche dringend einen Drink", merkt Liz an, sobald ich die Haustür meines Hauses aufgeschlossen habe.
Grinsend bedeute ich ihr, mir zu folgen und gemeinsam tragen wir eine Flasche Scotch sowie die dazugehörigen Gläser in mein Wohnzimmer, wo Louis schon auf uns wartet.
Er scheint sich nicht bewegt zu haben, seitdem ich gefahren bin. Mein bester Freund sitzt wie ein Häufchen Elend auf meinem Lieblingssessel und blickt niedergeschlagen in die Luft.
Als er uns hört, hebt er kurz den Kopf und nickt Liz grüßend zu.
„ich schätze, dein Date lief nicht ganz so gut?", meint er in ihre Richtung.
Als Antwort füllt Liz ihr Glas und nimmt einen ordentlichen Schluck, bevor sie auch mich und Louis mit Alkohol versorgt.
„Mein Date war furchtbar", kommentiert sie dann.
Ich bedeute ihr, sich zu setzen und nehme dann neben ihr auf dem Sofa Platz. Liz drückt mir mein Glas in die Hand und reicht Louis ebenfalls seine Ration.
Ich verschweige ihr, dass sowohl Louis und ich heute wahrscheinlich schon genug getrunken haben, um sie nicht in Gewissenskonflikte zu befördern. Denn immerhin ist es ihr Job, uns auf dem richtigen Blick zu halten. Hemmungslose Alkoholorgien am Vormittag zählen wohl kaum dazu.
„Mein Beileid", entgegnet Louis.
„Ebenso", erwidert Liz.
Louis mustert mich und kurz erwarte ich, dass er mich Köpfen wird, da ich Liz sein Geheimnis verraten habe, obwohl sie für Modest arbeitet. Aber dann schüttelt er einfach nur den Kopf.
„Wenn Harry dir vertraut, dass du Modest erst einmal nichts erzählen wirst, dann kann ich das auch", murmelt mein bester Freund und nimmt einen großen Schluck Scotch.
„Bei Modest sind sowieso alles nur Arschlöcher", entgegnet Liz und kippt ihre Flüssigkeit ebenfalls herunter.
Dann sehen mich die beiden abwartend an.
„Jeder meckert über sein Leben und sagt, was ihn stört, bevor er etwas trinkt. Das sind die Regeln, Sternchen", merkt Liz zwinkernd an. „Und jetzt bist du an der Reihe."
„Modest meint, mich vierundzwanzig Stunden am Tag bewachen zu müssen", beschwere ich mich lautstark und trinke mein erstes Glas. „Nichts gegen dich, Liz."
„Ich bekomme ein Kind mit einer weltfremden Person, nachdem ich mich von der Liebe meines Lebens getrennt habe, weil ich noch keine Kinder will." Louis nimmt einen weiteren Shot.
„Wer ist die Liebe deines Lebens?", erkundigt sich Liz neugierig.
„Ihr Name ist Eleanor und ich werde nie wieder eine Chance bei ihr haben." Ein weiterer Scotch läuft den Rachen meines besten Freundes herunter.
„Ich werde wegen eines Verbrechens angeklagt, dass ich nicht begangen habe", spiele ich erneut mit. Der Scotch brennt zunächst, entwickelt sich dann aber zu einem warmen Brennen in meiner Magengrube.
„Mein Vater ist ein Arschloch."
„Was hat er getan? Willst du darüber reden?" Mitleidig sehe ich Liz an, doch sie schüttelt den Kopf.
„Es geht eher darum, was er nicht getan hat. Und nein, ich will nicht darüber reden. Aber danke für das Angebot."
„Meine Mutter wird mich umbringen", murmelt Louis und erhebt sich leicht schwankend, um einen Whiskey aus meiner Alkohollagerung zu holen.
„Ich hasse mich selbst, weil ich manchmal darüber nachdenke, ob ich es nicht doch gewesen bin", gebe ich zu und lasse mir von Louis nachfüllen, bevor ich meinen nächsten Shot trinke.
„Meine Lieblingshose ist letzte Woche gerissen", beschwert Liz sich, was Louis und mich zum Lachen bringt.
„Mein Lieblingshemd ist auf der letzten Tour plötzlich verschwunden", stoße ich in die gleiche Richtung und sehe zu Louis, der meinen Blick unschuldig erwidert. Dabei bin ich mir sicher, dass er es gewesen ist, der mein pinkes Hawaiihemd ganz zufällig in einem der Hotels zurückgelassen hat und seitdem behauptet, es nie angerührt zu haben.
„Ich wünschte, ich könnte meine Lieblingskleidung vergessen. Aber ich habe nicht mal welche", meint Louis mit deutlicher Frustration.
Unsere Stimmen werden zunehmend schlurfend, während wir unseren Frust herauslassen.
Ich sollte mich wahrscheinlich miserabel fühlen, denn ich hatte heute schließlich das Datum erfahren, dass über mein restliches Leben entscheiden würde. Und ich habe mich auch schrecklich gefühlt.
Aber jetzt sitze ich zwischen Louis und Liz auf dem Sofa eingequetscht und mir kommt der Gedanke, dass dies eigentlich ein ganz schöner Abend ist.
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Hallo ihr Lieben!
Für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: Wattpad hat dieses Buch kurzfristig gelöscht gehabt, aber anscheinend haben sie es wiederfinden können und darüber bin ich echt dankbar.
Ich habe gestern Abend beinahe einen Nervenzusammenbruch gehabt, umso froher bin ich, dass dieses Buch nun doch wieder da ist.
Bitte nehmt dieses Kapitel als eine Entschuldigung an, denn mir tun die ganzen Unannehmlichkeiten super leid!
Es wäre wirklich sehr lieb, wenn ihr mir ganz kurz Bescheid sagen könntet, ob sich dieses Buch noch in eurer Bibliothek befindet. Ein ganz kurzes "Ja" reicht da schon.
Danke an alle, die Liz und Harrys Weg auch weiterhin verfolgen wollen! Ich liebe euch dafür und freue mich jedes Mal, wenn ich ein Vote bekomme oder ein Kommentar - egal wie klein - von euch lesen darf.
Dieses Kapitel ist übrigens der lieben @screamrave gewidmet, die sich gestern mein Problem anhören musste und die mir sehr weitergeholfen hat! Deine Kommentare zaubern mir jedes Mal ein großes Lächeln auf die Lippen und ich danke dir für deine Unterstützung!
Vielleicht habet ihr Lust auch bei ihren Geschichten einmal vorbeizuschauen. Ich kann euch ihr Buch "Red Roses" sehr ans Herz legen ;)
Danke noch einmal an jeden einzelnen von euch! Ihr seid die Besten!
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