
neun.
Elizabeth || Aus den Augenwinkeln beobachte ich wie Harry sich vorsorglich die Kapuze tiefer ins Gesicht zieht und nach unten sieht, während er mich an der langen Schlange vorbeizieht, in der bestimmt einige Dutzend Leute darauf warten, Eintritt in den Club zu bekommen.
Diese Location muss bekannter sein, als ich gedacht hätte. Aber das überrascht mich nicht wirklich, denn schließlich reden wir hier über Harry Styles. Den Jungen, dessen Namen man geradezu im gleichen Atemzug wie Berühmtheit, Party und Herzensbrecher ausspricht.
Vor dem Eingang werden wir von einem Türsteher aufgehalten, der uns den Weg versperrt.
6 Fuß groß und fast genauso breit. Ein Monstrum, das nur aus Muskeln bestehen zu scheint. Ich frage mich, wie viele Stunden man im Fitnessstudio verbringen muss, um so auszusehen. Nicht dass ich mich mit Fitnessstudien auskennen würde. Das letzte Mal, als ich eines von innen gesehen hatte, hatte meine beste Freundin die bescheuerte Idee gehabt, dass wir dringend einen dieser Zumba-Kurse besuchen sollten. Isabel ist allerdings sportlich noch um einiges unbegabter als ich selbst – kaum zu glauben – und hatte es geschafft, innerhalb zwanzig Minuten den Trainer so in die Verzweiflung zu treiben, dass er uns geraten hatte, uns doch lieber auf die Fitnessgeräte zu konzentrieren, um nicht die Gruppendynamik zu zerstören.
„Hey Jack", meint Harry und hebt seine Kapuze etwas an, damit der Türsteher ihn erkennt.
Jack sieht ihn an, dann mustert er mich prüfend.
„Wir waren nicht ganz auf eine Party eingestellt", meint Harry entschuldigend, mustert meine Kleiderwahl beinahe entschuldigend und schenkt dem Monstrum ein breites Lächeln.
„Beim nächsten Mal wäre ein Kleid vielleicht etwas angebrachter, Kleine", grunzt Jack.
Ich hole tief Luft und bereite mich gerade darauf vor, ihm zu sagen, wo er sich das Kleine hinstecken kann, als Harry mir mehr als auffällig auf den Fußtritt und mich warnend ansieht.
„Wir sind nicht so weit gekommen, nur damit du uns jetzt den Eintritt versaust", flüstert er mir ins Ohr und hat die Dreistigkeit, mich danach mit einem süßen Lächeln zu bedenken.
Harrys Taktik scheint aufzugehen, denn Jack nickt uns kurz zu und bedeutet uns, einzutreten.
Wir treten durch die Tür und sofort dröhnt uns die Musik entgegen. Ich zucke zusammen, denn nichts hatte mich auf die dröhnende Lautstärke vorbereitet, die uns nun entgegenkommt. Stimmengewirr, Bässe und laute Musik lassen meine Ohren fast platzen.
„Alles okay mit dir?", frage Harry mich.
Erschreckt stelle ich fest, dass ich ihm ungewollt näher gekommen bin und mich nun fast an seiner Seite befinde. Ich rücke wieder ein Stück ab.
Dann schenke ich Harry ein zittriges Lächeln. „Ich stehe nicht so auf Menschenmassen", murmelte ich entschuldigend.
Was ich nicht sage. Offensichtlicher geht es kaum noch.
„Niall auch nicht. Er findet es immer ganz furchtbar, wenn sich die Fans in Gruppen auf uns stürzen und es immer enger wird. Er hat mir mal erzählt, dass er am liebsten anfangen würde zu schreien", redet Harry in beruhigendem Tonfall auf mich ein und legt mir einen Arm über die Schulter.
Seine Worte dringen wie durch einen Schleier zu mir durch und ich behalte nicht viel von ihnen, während er bemüht ist, mir von allem und jedem zu erzählen, um mich abzulenken.
Ich atme bewusst langsam aus und ein, um die aufkommende Panik in Schach zu halten.
Harry zieht mich Richtung des VIP-Bereichs, in dem es hoffentlich etwas ruhiger zugehen wird und ich stelle fest, dass er dankenswerterweise versucht, mich so weit wie möglich von zu großen Gruppen fernzuhalten.
Vielleicht ist das Ganze doch keine so gute Idee gewesen. Ich fange an zu bereuen, dem Plan zugestimmt zu haben.
Die Qual scheint mir wohl ins Gesicht geschrieben zu sein, denn Harry wirkt froh, als wir endlich hinter die Absperrung des VIP-Bereichs getreten sind.
Er wirft mir einen prüfenden Seitenblick zu und ich bemühe mich, ihm ein Lächeln zu schenken.
„Hey Harry! Was läuft?" Ein Mann, der Olly Murs zum Verwechseln ähnlich sieht, klatscht Harry grinsend ab und lässt sich dann von einer hübschen Blondine willig weiterziehen.
Kopfschüttelnd sehe ich ihm hinterher, während er auf die Tanzfläche tritt und direkt von einem Dutzend Mädchen umschwärmt wird. Manchmal hat das Berühmtsein schon seine Vorteile.
„War das da gerade eben Olly Murs?", erkundige ich mich bei Harry und lasse mich auf einen der Hocker an der Bar fallen.
„Ja, wie er leibt und lebt", erwidert er und setzt sich mir gegenüber hin.
„Interessant", erwidere ich. Ich bin weder überrascht, noch allzu begeistert. Nach einigen Wochen bei Modest hat man es raus, sich von irgendwelchen Berühmtheiten nicht mehr aus der Bahn werfen zu lassen. Das wäre ja noch schöner.
„Ich schätze, Menschenmassen sind auch einer der Gründe, warum du nicht so auf Partys stehst?", stellt Harry das Offensichtliche fest.
Ich grinse leicht. „Richtig geraten. Aber jetzt, wo wir ohnehin schon hier sind, sollten wir versuchen, das Beste daraus zu machen. Also?"
„Was also?", hakt Harry nach.
Ich schlage die Beine übereinander und versuche zu vergessen, dass ich in meinem Penneroutfit wohl mehr als deplatziert wirke.
„Was macht man normalerweise auf einer Party, Sternchen? Womit fängst du normalerweise an?", erkundige ich mich dann bei ihm.
Er zuckt mit den Schultern. „Nun, ich kippe normalerweise ein paar Drinks herunter, bevor ich tanzen gehe, aber ich denke nicht, dass- "
Noch bevor Harry den Satz zu Ende gesprochen hat, bestellte ich zwei Shots beim Barkeeper und schiebe einen zu ihm herüber.
Wenn ich schon auf einer Party bin, dann werde ich verdammt nochmal eine Erfahrung daraus ziehen und das Ganze so richtig wie möglich machen.
„-dass das eine so gute Idee ist", beendet Harry seinen Satz.
„Ein Nobelrestaurant zu stürmen ist normalerweise auch keine so gute Idee und dennoch habe ich es getan", erwidere ich achselzuckend und hebe das Glas.
Lachend sieht er mir zu, wie ich ihm zuproste und hebt seins ebenfalls.
„Auf verrückte Einfälle", meine ich.
„Und auf das beste Mädchen, das ich seit langem kennengelernt habe", ergänzt Harry.
Ich habe keine Zeit, mich darüber zu wundern, was genau er damit meint, denn wir haben unsere Gläser und kippen die Shots zeitgleich in uns herein.
Dann hebe ich die Hand, mache den Barkeeper auf uns aufmerksam und bestelle eine weitere Runde Shots.
„Weißt du, vielleicht bist du doch nicht so langweilig wie ich gedacht habe", merkt Harry zwinkernd an. Wenn ich mich nicht allzu sehr täusche, kann ich so etwas ähnliches wie Beeindruckung in seinen Augen erkennen.
„Seit wann kannst du überhaupt denken?", erwidere ich frech. Ich merke schon jetzt, wie sich der Alkohol einen Weg durch meinen Körper bahnt und mich innerlich wärmt.
Lachend sieht Harry mich an. „Gute Frage. Das habe ich in letzter Zeit viel zu oft anderen überlassen."
„Ach ja?" Ich sehe ihn wartend an und sorge dafür, dass der Barkeeper uns erneut mit alkoholischen Getränken versorgt.
„Ja", meint Harry nickend. „Das Management, unsere Tourplaner, unsere Bodyguards. Selbst die Jungs hatten in den vergangenen Wochen mein Leben so weitestgehend bestimmt, dass ich gar nicht mehr dazu kommen konnte, wirklich für mich alleine zu sein."
Ich bin mir nicht sicher, ob er mir dies unter normalen Umständen ebenfalls erzählt hätte, aber ich bin mittlerweile nicht die einzige, die angetrunken ist.
Nach weiteren sieben Shots und diversen Cocktails merke ich, wie ich so langsam schummerig im Kopf werde.
„Elizabeth, ich denke, es wäre für uns beide besser, wenn wir jetzt aufhören würden", merkt Harry an.
Ich frage mich, seit wann er so vernünftig geworden ist.
„Ach komm schon, Sternchen! Sei doch kein Spielverderber! Hier nimm!" Enthusiastisch schiebe ich ihm ein neues Glas herüber.
Seine Augen wirken leicht glasig und wahrscheinlich ist er überrascht, dass ich bis jetzt so gut mit ihm mitgehalten habe.
„Doch, ich denke wirklich, dass es nun reicht", versucht Harry mich zu Vernunft zu bringen und nimmt mir vorsichtig das nächste Glas ab.
Tief in mir drinnen weiß ich, dass ich wohl besser auf ihn hören sollte. Doch meine innere Stimme der Vernunft ist schon längst verstummt.
Sobald Harry also versucht, das Glas auf der Theke abzustellen, nehme ich es mir wieder und sehe ihn triumphierend an.
Anscheinend sieht er keine andere Möglichkeit, als es nun selbst zu trinken und kippt den Inhalt in einem herunter.
Achselzuckend hebe ich den Arm und bestelle mir ein neues Getränk.
Dieses Spielchen führen wir noch ein paar Mal durch, bis Harry mir die Arme festhält, damit ich nicht erneut bestellen kann.
Kichernd sehe ich ihn an. „Wenn du schon nicht trinken willst, dann lass uns wenigstens tanzen."
Ich stehe auf, wobei ich kurz uns taumeln komme und ziehe Harry schwungvoll von seinem Barhocker. Er braucht einen Moment, um sein Gleichgewicht wiederzufinden.
Dann lässt er sich von mir auf die Tanzfläche im VIP-Bereich ziehen, die ebenfalls ganz gut besucht ist und fange an, neben ihm im Takt der Musik zu wippen.
Er lacht und fängt ebenfalls an zu tanzen.
Ich pikse ihm mit einem Finger in die Wange. „Wenn du lachst, dann hast du Grüppchen", stelle ich das Offensichtliche fest.
Unter normalen Umständen wäre ich jetzt wahrscheinlich schon im Boden versunken.
„Ja?", fragt er mich und dreht mich einmal im Kreis, wobei ich bei der Drehung beinahe den Mann neben uns umreiße. Seine Stimme klingt leicht lallend. Ich bin mir sicher, dass ich mich in keiner besseren Verfassung befinde.
„Ja, die hast du!", kichere ich und strahle ihn an.
Vorsichtig streicht er mir eine Haarsträhne aus den Augen, die sich dahin verirrt hat. Ich frage mich, wieso mir dies nicht schon vorher aufgefallen ist.
Der DJ kündigt das nächste Lied an. Und das nächste. Und das nächste.
Die Minuten ziehen nur so an uns vorbei und schließlich bin ich ganz außer Atem. Meine Wangen sind ohne Zweifel gerötet und ich fühle mich leicht fiebrig, aber habe so viel Spaß wie schon seit langem nicht mehr.
Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal so sorglos gewesen bin.
„Lass uns kurz rausgehen und etwas frische Luft schnappen", schlägt Harry schließlich lächelnd vor. Auch er muss zwischen den Worten nach Luft schnappen.
Gemeinsam schieben wir uns durch die Menschenmenge und Harry zieht mich in Richtung des Hinterausgangs.
„Hier", murmelt er und schiebt mich durch die Tür, wobei er sich dabei an der Wand abstützen muss, wenn mich nicht alles täuscht. Anscheinend haben wir beide ein bisschen mehr getrunken, als ich dachte.
Außer uns beiden befindet sich nur ein Pärchen hier, die in einer Ecke stehen und sich eine rauchen. Die Umrisse der beiden sind aufgrund der Dunkelheit völlig verschwommen und ich bin mir nicht allzu sicher, ob es sich dabei um legales Zeug handelt, aber es ist mir auch egal. Ich habe dringendere Probleme.
„Mir ist so warm. So furchtbar warm", stöhne ich und versuche, mir meinen Pullover auszuziehen.
Lachend sieht Harry mir dabei zu, wie ich mich in den Ärmeln verhake und hilft mir schließlich, mir den Pullover über den Kopf zu ziehen.
Dadurch trennen uns nur noch ein paar Zentimeter voneinander und ich merke plötzlich, wie nah wir uns sind.
„Hier. Siehst du, schon viel besser", murmelt er und sieht zu mir herunter.
Lächelnd sehe ich ihn an und anstatt zurückzuweichen verschränke ich die Arme hinter seinem Nacken.
Ich kann seinen Atem spüren. Harry hält meinen Blick gefangen und scheint genauso wenig Interesse daran zu haben, etwas Abstand zwischen uns zu bringen.
Mir kommt der entfernte Gedanke, dass das hier falsch ist. So furchtbar falsch. Aber es fühlt sich richtig an. Und ich habe einfach keine Lust mehr zu denken.
Stattdessen lächele ich leicht.
„Du bist so wunderschön, wenn du lächelst. Das solltest du öfter tun. So wunderschön", flüstert Harry.
Seine Stimme klingt leicht belegt und ich bin mir nicht sicher, ob dies am Alkohol liegt. Es ist mir auch egal.
„Harry." Das ist alles, was ist sage.
„Liz", murmelt er. So leise, dass ich es kaum hören kann.
Ich sehe zu ihm hoch und unsere Blicke verfangen sich ineinander. Sie necken sich. Sie tanzen.
„Liz", wiederholt er flüsternd.
Ich kann seinen Atem auf meinen Wangen spüren.
Vielleicht ist es die Dunkelheit der Nacht um uns herum, die uns alle Vorsicht vergessen lässt.
Harry beugt sich zu mir herunter und ich merke, wie mein Atem schneller wird.
„Sorry", murmelt er, als seine Lippen nur meine Mundwinkel treffen.
Ich bin mir nicht sicher, ob dies an der Dunkelheit liegt oder ob er genauso nervös ist, wie ich mich fühle.
Ich lache, vergrabe meine Hände in seinen Haaren und ziehe ihn vorsichtig zu mir herunter.
Nur sekundenspäter treffen sich unsere Lippen. Anfangs zögerlich, dann voller Verlangen.
Es entstehen keine explodierenden Feuerwerke. Keine Schmetterlinge im Bauch. Kein Gefühl, ohne dass man nicht weiterleben möchte. Nichts von all dem.
Es ist eine willkommene Ablenkung. Nicht mehr und nicht weniger. Das wissen wir beide.
Aber deswegen ist es nicht weniger echt. Echt und verletzlich und unfassbar dumm.
Es ist dunkel um uns herum.
Dennoch könnten wir in diesem Augenblick nicht heller scheinen.
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