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fünfunddreißig.

Elizabeth || Louis stürmt ohne anzuklopfen in mein Büro und schiebt mir einen Umschlag entgegen, bevor er sich atemlos auf dem Stuhl vor meinem Schreibtisch fallen lässt. Seine Haare sehen aus, als wäre er den ganzen Weg von seinem Haus hierher gerannt, so durcheinandergewirbelt, wie sie sind.

Ich lege die Unterlagen beiseite, in die ich bisher vertieft gewesen bin und nehme den Umschlag in die Hand.

Er hat ein offizielles Aussehen und strahlt große Seriosität aus. Auch ohne ihn zu öffnen, ist allen bereits klar, dass sich ein wichtiges Dokument in seinem inneren befindet.

Ich will ihm den Brief übergeben, damit er dies übernehmen kann, doch er schüttelt bloß den Kopf und nickt mir auffordernd zu. „Ich kann das einfach nicht, Liz. Du musst ihn öffnen."

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das darf", entgegne ich zögerlich. „Breche ich damit nicht das Briefgeheimnis? Ich meine, immerhin ist dieser Umschlag an dich adressiert."

Zögernd drehe ich den Brief und sehe, dass Louis ihn noch nicht geöffnet hat.

„Ist es das, was ich denke?", frage ich leise.

Louis klopft ungeduldig auf das Holz und zuckt mit den Achseln. „Das wissen wir wohl erst, wenn der Brief geöffnet ist, oder?"

Das ist das letzte, was ich heute gebrauchen kann. Das heutige Datum bereitet mir ohnehin schon genügend Kummer, da brauche ich nicht noch diese Bombe auf meinem Schreibtisch.

Ich hätte mich heute Morgen doch einfach wie geplant in meinen Bettlacken verkriechen und krank machen sollen. Doch Isabel hat mich auffordernd aus dem Bett gezerrt und zur Arbeit geschickt. Ihrer Meinung nach bringt es überhaupt nichts, Trübsal zu blasen und Ablenkung würde mir angeblich guttun. Ich habe nicht protestiert, weil ich ohnehin verloren hätte und bin arbeiten gegangen. Gerade bereue ich die Entscheidung.

Louis hat trotz der Umstände ein kleines, amüsiertes Grinsen auf den Lippen. „Du schläfst mit meinem besten Freund. Denkst du wirklich, dass ich dich wegen eines gebrochenen Briefgeheimnisses verklagen würde?", merkt er trocken an. „Die Umstände sprechen also eindeutig für dich."

„Wahrscheinlich", murmele ich zustimmend und sehe ihn noch einmal prüfend an, bevor er mich erneut auffordert, den Brief endlich zu aufzureißen.

Ich nehme meinen Brieföffner aus einem der Schubladen des Schreibtisches und ziehe diesen dann behutsam durch den Umschlag. Währenddessen rauft Louis sich die Haare und klopft angespannt mit seinen Fingern auf das Holz meines Tisches, was mich unter normalen Umständen wahnsinnig gemacht hätte. Doch heute sehe ich einfach darüber hinweg.

Vorsichtig ziehe ich den Brief heraus und falte ihn auseinander. Ich will diesen Louis überreichen, doch dieser schüttelt abwehrend den Kopf.

„Les du ihn als erstes", fordert er mich auf, wobei seine Stimme seltsam dünn klingt. Der selbstsichere, ansonsten so unbeschwerte junge Mann, der er die meiste Zeit ist, ist gerade vollkommen in den Hintergrund gerückt.

Seufzend gleiten meine Augen über das Schreiben. Ich verfliege das anfängliche Geschnatter, was Herrn Tomlinson dafür dankt, dass er sich für den Test entschieden hat und auch die weiteren Floskeln. Schließlich bleibe ich bei den Worten hängen, die über Louis ganzes weiteres Leben entscheiden werden.

„Und? Was ist das Ergebnis?", erkundigt sich Louis nervös, als er mein Stocken bemerkt. Er wackelt auf dem Stuhl hin und her, während seine Finger umso schneller trommeln.

Ich atme tief durch. „Du bist der Vater", teile ich ihm dann mit. Kurz und schmerzlos, ohne großartig drum herum zu reden. Das würde das Ergebnis schließlich auch nicht ändern und ich habe die Ärzte meiner Mutter immer dafür gehasst, wenn sie nicht endlich zum Punkt gekommen sind. Die Wahrheit wurde durch viele Wörter auch nicht schöner.

Sobald ich ihm das Ergebnis mitgeteilt habe, wird Louis furchtbar still. Ist er vor wenigen Sekunden noch nervös herumgehampelt und hatte meinen Schreibtisch zertrümmert, so könnte man ihn jetzt für eine Statue halten.

Einen Augenblick geschieht nichts und ich betrachte ihn besorgt, während Louis einmal tief ein- und ausatmet.

Dann beginnt sich ein Lächeln auf seine Lippen zu bahnen, erst klein und zögerlich, bevor es sich schließlich in ein breites wandelt.

„Versteh mich bitte nicht falsch Liz", sagt Louis und strahlt von einem Ohr zum anderen. „Aber irgendwie freut mich das gerade."

Ich erwidere sein Lächeln. „Dann Herzlichen Glückwunsch zur Vaterschaft", meine ich ehrlich, bevor ich ihm den Brief reiche, damit er das Ergebnis selbst noch einmal überprüfen kann. Louis steckt das Schreiben ohne einen Blick achtlos in seine Jackentasche.

„Ich vertraue dir, Liz. Ich muss das nicht selbst sehen", meint er. Auch wenn die Bemerkung einfach nur beiläufig über seine Lippen kommt, freut mich das sehr.

„Ich danke dir dafür", meine ich ehrlich.

Louis schenkt mir ein Lächeln und ich bin erleichtert, dass er so wirkt, als hätte er sich wieder gefangen. Die ganze Nervosität scheint von ihm abgefallen zu sein, stattdessen scheint er anzufangen, sich wirklich auf dieses Kind zu freuen.

„Was machen wir jetzt?", will er wissen.

„Es wird Zeit für Plan B", verkünde ich.

Überrascht sieht er mich an. „Wir haben einen Plan B?"

„Nein, aber es wird Zeit für einen", entgegne ich trocken.

Louis lacht und ich bin erleichtert, dass er so gefasst mit der Situation umgeht.

Geschäftig ziehe ich die Check-Liste, welche ich bereits für unser letztes Treffen vorbereitet habe, aus einem der Schubladen und leg diese vor uns auf den Schreibtisch. Dann zücke ich meinen Kugelschreiber. Er zieht schwarze Linien und wieder denke ich an meine Mutter, die mir erklärt, dass die dunkle Farbe Sicherheit ausstrahlt und man niemals mit blau unterschreiben sollte. Doch Sicherheit ist genau das, was wir jetzt brauchen und der schwarze Kugelschreiber somit die richtige Wahl. Wir haben die Situation im Griff und müssen sie nun nur noch meistern.

Die Gedanken an meine Mutter lassen mich traurig lächeln, doch dann habe ich mich wieder gefangen und lese Louis den ersten Punkt meiner Liste vor.

„Ich habe ausgearbeitet, wie wir das Ganze möglichst lange aus der Presse raushalten werden", erkläre ich ihm. „Dabei kommt es aber auch darauf an, inwieweit Maria stillhalten wird. Kannst du das einschätzen?"

„Sie kommt mir nicht so vor, als würde sie direkt zur nächsten Zeitung rennen", sagt Louis.

„Bist du dir da hundertprozentig sicher? Falls dem nicht so ist, werden wir nämlich anders an die Sache herangehen müssen", entgegne ich.

Denn wenn Maria gegen uns arbeiten und die fünf Minuten Ruhm ausnutzen will, dann werden wir es um einiges schwerer haben, das Problem so gut es geht über die Bühne zu bekommen.

„Ich bin mir vollkommen sicher. Maria interessiert das Rampenlicht überhaupt nicht", meint Louis überzeugt.

Ich mustere ihn kurz, dann nicke ich.

„Dann werden wir erst reagieren, wenn irgendwelche Gerüchte auftreten sollten und ansonsten im Hintergrund arbeiten. Wir werden neben der Vaterschaftsanerkennung ebenfalls einen Juristen hinzuziehen, der sich mit Unterhaltsansprüchen auskennt", erkläre ich ihm.

Dann gehen wir die nächsten Punkte meiner Liste durch, bis es bereits dunkel geworden ist und wir beiden vollkommen geschafft in meinem Büro sitzen. Keiner von uns kann mehr einen klaren Gedanken fassen und ich beschließe, dass es für heute genug ist.

„Wir machen nach Weihnachten weiter", sage ich und ziehe mir meine Winterjacke an. Louis tut es mir gleich und wir verlassen mein Büro, welches ich hinter uns beiden abschließe.

Wir sind die letzten im Gebäude und bei Modest Management brennt bis auf die spärliche Nachtbeleuchtung kein Licht mehr.

„Das ist wirklich gruselig, oder? Wie in einem Horrorfilm", meint Louis schaudernd, während er mir durch die Flure nach draußen folgt.

„Solange uns niemand kidnappt, werden wir es schon überleben", entgegne ich grinsend.

„Pass auf, dass dir das nicht doch noch passiert. Schließlich bist du jetzt mit Harry Styles zusammen, was sich wirklich hervorragend zur Lösegelderpressung eignet." Ich kann seine Gesichtszüge nur erahnen, da sein Gesicht beinahe vollständig im Schatten liegt, doch ich meine, ein Grinsen auf seinen Lippen zu sehen.

„Sehr witzig", lache ich. „Jetzt werde ich nachts nie mehr ohne Angst zu haben durch die Straßen laufen zu können."

„Du hast doch mich, da brauchst du keine Panik zu haben", meint Louis zwinkernd.

Wir albern noch ein wenig herum, bis wir schließlich vor dem Gebäude stehen bleiben und ich bin froh darüber, dass Isabel mich heute Morgen doch noch zur Arbeit gezerrt hat. Es graut mir schon davor, in meiner Wohnung meinen Gedanken ausgesetzt zu werden.

„Elizabeth? Ist alles okay mit dir?"

Erst jetzt fällt mir auf, dass Louis mich verwirrt ansieht. Ich bin so in Gedanken versunken gewesen, dass ich gar nicht mitbekommen habe, dass er mir eine Frage gestellt hat.

„Alles okay", versichere ich ihm eilig. „Es war einfach nur ein langer Tag und ich schlafe beinahe im Stehen ein. Ich sollte mich wohl mal auf den Weg zur Bahn machen."

Louis grinst leicht. „Ich habe dich gerade gefragt, ob ich dich fahren soll."

„Das ist nicht nötig", lehne ich ab, obwohl ich am liebsten Ja geschrien hätte. Aber Louis ist trotz allem immer noch mein Klient und ich möchte mich nicht aufdrängen. Das wäre nicht professionell. Also stelle ich mich gedanklich schon einmal auf die lange Fahrt in der U-Bahn ein, in der ich mit hunderten anderen in ein Abteil gequetscht sein werde.

Louis versichert mir, dass ihm das gar keine Umstände bereiten wird. Das ist so eindeutig gelogen, dass ich protestiere. Doch er lässt nicht locker, drängt mich beinahe dazu, in seinen schwarzen Porsche einzusteigen und fährt dann los.

„Wo soll es denn hingehen?", fragt er mich, nachdem ich mich meinem Schicksal ergeben und ihm gedankt habe.

Kurz überlege ich, ob ich nicht doch noch bei Jette vorbeischauen sollte. Schließlich hat sie heute vor einigen Jahren ebenfalls ihre Mutter verloren. Aber ich will sie mit meinen düsteren Gedanken nicht belasten und bin auch nicht in der Lage, ihr zu erklären, warum genau ich heute so traurig bin. Also gebe ich Louis meine eigene Adresse.

„Da bin ich noch nie gewesen", kommentiert Louis, als er die Adresse in sein Navigationsgerät eingegeben hat und das Ziel sehen kann.
„Das hatte mich ehrlich gesagt auch überrascht", sage ich.

„Ist es schön dort?"

„Ganz und gar nicht." Ich lache kurz auf. „Aber die Miete ist bezahlbar und mehr verlange ich gar nicht."

Louis nickt, als würde er mich wirklich verstehen, weshalb ich ihn irritiert mustere.

„Meine Mutter ist alleinerziehend gewesen und hat mich bekommen, als sie viel jünger gewesen ist als du. Sie hat eine Ausbildung gemacht, aber gerade in den ersten Jahren hatte sie durchgehend Geldprobleme. Als ich klein war, habe ich im Armenviertel von Doncaster gwohnt", erklärt er mir, als er meinen Blick bewirkt. „Ich kann es also wirklich verstehen."

Er scheint kein Problem daran zu haben, mir solch persönlichen Dinge zu erzählen, auch wenn er mich kaum kennt.

„Modest bezahlt wirklich nicht schlecht, aber ich muss nicht nur für mich aufkommen, sondern auch für meine Mutter bezahlen und etwas Geld für meine Schwester anlegen. Alles was ich irgendwie erübrigen kann, wird auf ein Sparkonto gebracht, dass ich an Jettes erstem Geburtstag eröffnet habe", erzähle ich ihm schließlich.

Es ist überraschenderweise unwahrscheinlich einfach, mich ihm zu öffnen. Louis ist ein angenehmer Gesprächspartner und ich habe mittlerweile gelernt, dass sich hinter seiner lustigen Fassade auch ein wirklich ernsthafter Mensch versteckt.

Er stellt keine Fragen und will auch nicht wissen, was mit meiner Mutter passiert ist. Er hört einfach nur zu und erzählt mir etwas aus seinem eigenen Leben.

So erfahre ich, dass seine Schwester Lottie unwahrscheinlich gerne Stylistin werden will, während Phoebe und Daisy seiner Meinung nach viel zu schnell erwachsen wurden. Er liebt seine Geschwister von ganzem Herzen, das ist nicht zu übersehen. Damit ist er mir sehr ähnlich, denn ich würde auch alles für Jette tun.

„Du kannst die Sitzheizung ruhig anmachen", meint Louis schließlich, nachdem er meinen schielenden Blick entdeckt hat.

Sofort drücke ich auf den Knopf und warte darauf, dass die Heizung meine von der Winterkälte gefrorenen Knochen erwärmt.

„Wieso hat Harry so etwas nicht in seinem Auto? Ich habe mir gestern beinahe den Hintern abgefroren bei der Kälte", grummele ich und kuschele mich in den Sitz, der so langsam anfängt, warm zu werden.

„Harry ist zu cool für sowas", lacht Louis.

„Vor einigen Monaten hätte ich dir das vielleicht noch abgekauft, aber mittlerweile kenne ich Harry gut genug, um zu wissen, dass das nicht stimmt. Er friert wahrscheinlich sogar eher als ich."

„Er hat vergessen, den Haken bei der Sitzheizung zu setzen, als er den Audi bestellt hat", gibt Louis lachend zum Besten. „Seitdem lassen wir ihn das nicht mehr vergessen. Liam hat jedes Mal schlechte Laune, wenn wir im Winter mit Harrys Auto fahren müssen."

Ich lache ebenfalls, denn das klingt so sehr nach meinem Freund.

Das Gespräch verselbstständigt sich und viel zu schnell biegen wir in meine Straße ein, wo Louis das Auto am Straßenrand parkt.

Er lässt den heruntergekommenen Eindruck meines Wohnviertels unkommentiert und wartet geduldig, während ich meine Tasche aus seinem Kofferraum hole.

„Mach dir keine Sorgen, Louis. Wir bekommen das schon hin", verabschiede ich mich schließlich von ihm. „Danke fürs Herbringen."

„Nichts zu danken", meint er augenzwinkernd. „Schöne Weihnachtsfeiertage wünsche ich dir."

„Die wünsche ich dir auch", lächele ich und winke ihm nach, während er sich wieder auf den Weg macht.

Damit bin ich alleine mit meinen Gedanken, die mich zu überwältigen drohen. Sobald ich in meiner Wohnung bin, eile ich zu dem Schrank, in dem ich meinen hochprozentigen Alkohol versteckt habe und öffne mit zittrigen Fingern die Flasche Whiskey.

Ich mache mir nicht die Mühe, ein Glas zu benutzen, sondern ertränke mich direkt mit dem Brennen des Whiskeys.

Ohne die Flasche abzusetzen lasse ich den Alkohol meinen Rachen herunterlaufen.

Nach der Hälfte macht sich endlich der leichte Schwindel bemerkbar, der die Gedanken an meine Mutter verdrängt. An die schlechten Zeiten, aber auch an die wunderschönen.

Als auch diese verschwinden fange ich an zu weinen und mache mich schwankenden Schrittes auf den Weg aufs Dach. Dort lasse ich mich einfach auf den Boden fallen und trinke einen weiteren Schluck Whiskey, während ich auf die Skyline Londons starre.

Wie vielen der Millionen von Einwohnern geht es wohl genauso wie mir gerade? Oder bin ich die einzige, die heute beinahe von ihrem Kummer umgebracht wird?

Mein Handy klingelt, doch ich sehe nicht einmal nach, wer versucht mich zu erreichen und lehne den Anruf ohne Zögern ab. Heute nicht. Heute will ich einfach nur alleine sein mit meinem Elend.

Ein weiterer Schluck Whiskey. Mehr Schummern.

Noch ein Schluck. Weniger Gedanken.

Und noch ein Schluck. Ein trostloses Lächeln.

Nur am Rande bekomme ich mit wie sich die Tür des Daches erneut öffnet und dann lautstark wieder zufällt. Ich drehe mich nicht um, denn es ist mir egal.

Stattdessen lasse ich mich erneut von meinem Whiskey trösten. Er gibt mir die Wärme, die ich heute so schmerzlich vermisse.

Einen Augenblick später nimmt mir jemand mit leichter Gewalt die Flasche aus der Hand und stellt sie außer Reichweite für mich wieder ab. Mein Blick schnellt zur Seite und ich sehe Harry neben mir stehen, der besorgt auf mich heruntersieht.

Der Wind weht ihm seine Haare wie wild ins Gesicht und ich hätte schwören können, dass ich nicht einmal in seinem Leben etwas Schöneres gesehen habe.

Er legt mir vorsichtig seinen Mantel über die Schultern.

„Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht kommen sollst", meine ich unwirsch. Wirkliche Wut kann ich nicht einmal mehr empfinden, dafür hat mich der Alkohol schon zu sehr in seinen Klammern.

Schulterzuckend setzt er sich neben mich, so nah, dass sich unsere Schultern berühren. Seine Wärme ist zu warm und zu kalt, zu nah und viel zu fern.

„Höre ich je auf dich?", erwidert er.

Harry klaut sich einen verstohlenen Kuss und scheint sich nicht daran zu stören, dass ich nach Alkohol schmecke. Er sieht mich grinsend an. „Ich bin furchtbar schlecht darin, Regeln zu befolgen. Das solltest du doch mittlerweile gelernt haben."

„Wahrscheinlich", antworte ich und meine Stimme klingt leicht schlurrend.

Harry verschränkt unsere Hände miteinander und streichelt mir mit dem Daumen über den Handrücken. Wir befinden uns nur Zentimeter vom Abgrund entfernt und lassen unsere Beine über den Rand des Daches baumeln. Dennoch fühle ich mich sicherer, seitdem er hier aufgetaucht ist.

Er gibt mir Halt und er weiß es nicht einmal.

Harry mustert mich besorgt und sein Gesicht wirkt leicht verschwommen. Ich blinzele, um ihn wieder scharf zu bekommen.

Zu viele Alkohol strömt bereits durch meine Adern und führt dort einen inneren Kampf, den die Droge letztendlich gewinnen würde.

„Warum hast du getrunken?" Fragend sieht Harry mich schließlich an, nicht sicher, ob er überhaupt eine Antwort bekommen wird.

„Heute ist ein Scheißtag", murmele ich.

„Wegen Louis? Das ist doch eigentlich ganz gut gelaufen", meint er und liegt dabei so falsch. Die Wahrheit könnte nicht weiter entfernt sein.

„Nein, nicht wegen Louis." Ich lache trocken. „Heute ist das Datum, an dem die Diagnose meiner Mutter endgültig bestätigt wurde. Am 22. Dezember vor einigen Jahren wurde mir der Boden unter den Füßen weggerissen und ich habe immer mehr verloren."

Harry streichelt mir durch die Haare und ich kuschele mich an seine Seite. „Das tut mir unendlich leid."

„Jedes Jahr erinnere ich mich erneut an dieses Scheißgefühl und all die Gedanken, die ich einfach nicht stoppen kann", flüstere ich.

„Deswegen der Alkohol." Es ist keine Frage, sondern vielmehr eine Feststellung.

Langsam, unendlich langsam und dennoch so schnell, hat er begonnen zu verstehen. So als hätte ich mit jedem Wort, das sie zu ihm gesagt habe, so banal und unwichtig es auch gewesen sein mag, ein bisschen mehr von mir preisgeben. So als wäre meine Fassade mit jedem Satz, jeder Silbe, langsam abgebröckelt, bis Harry schließlich verstanden hat.

Ich habe kilometerhohe Mauern zwischen mir und allen anderen errichtet und erlaube es niemandem dahinter zu sehen. Dennoch hat Harry es irgendwie geschafft, diese zum Einstürzen zu bringen. Mit voller Wucht.

Ich erwidere nichts, sondern nicke bloß stumm. Am liebsten hätte ich gerade einen weiteren Schluck Whiskey, doch ich komme nicht mehr an die Flasche heran, weil Harry sie vorsorglich aus meiner Reichweite weggebracht hat.

„Immerhin ist es der gute Whiskey", meint Harry aufmunternd.

Das erste Mal seit zwei Stunden lache ich leicht. Dann fange ich an zu weinen. Ohne Worte zieht Harry mich an sich und streicht mir beruhigend über den Rücken. Immer wieder verteilt er federleichte Küsse auf meiner Haut, bis ich mich schließlich wieder beruhigt habe.

„So gefällst du mir schon viel besser", lächelt er und wischt mir vorsichtig die verbleibenden Tränenspuren mit seinem Pullover aus meinem Gesicht.

„Das Leben ist manchmal einfach viel zu viel", murmele ich schließlich und reibe mir über die Augen. „Manchmal kann ich es einfach nicht mehr ertragen. Verstehst du das?"

Doch natürlich versteht Harry es nicht, das weiß ich. Er versteht wahrscheinlich besser, als alle anderen. Aber mich wahrlich zu erstehen, dazu ist niemand in der Lage. Man kann es höchstens versuchen. Und das tut Harry mit jeder Faser seines Herzens. Deswegen liebe ich ihn.

Er hält mich einfach nur fest und gibt mir die Sicherheit, die ich gerade so dringend brauche.

„Was ist eigentlich mit deinem Vater?", fragt er mich schließlich zögerlich, als wüsste er nicht, ob er die Frage überhaupt stellen darf. Die Worte sind so leise und verschwinden beinahe in dem Dezemberwind dieser Nacht, sodass ich ihn kaum verstehen kann.

„Der ist abgehauen, bevor ich mein erstes Lebensjahr erreicht habe", entgegne ich bitter. „Jettes Vater war noch schlimmer. Der ist weggewesen, bevor sie überhaupt geboren wurde."

Harry sitzt einfach stumm neben mir und hört mir zu. Stellt keine Fragen. Dafür bin ich ihm dankbar.

„Ich vermisse meinen Vater nicht, das habe ich nie getan. Ich habe eine Mutter gehabt, die mir so viel Liebe gegeben hat, dass mir nie etwas fehlte. Aber für Jette tut es mir leid. Denn sie hatte weder Mutter noch Vater." Meine Stimme bricht. „Und ihre Schwester hat sie ebenfalls verlassen."

„Lizzie", murmelt Harry, doch dann bricht er ab, als hätte er keine Ahnung, was er sagen soll. Als wüsste er, dass mich ohnehin nichts trösten könnte.

„Was für ein Mädchen lässt ihre kleine Schwester in einer Pflegefamilie wohnen?", schreie ich. „Ich bin ein Monster."

„Das bist du nicht", versichert Harry mir. „Du bist einfach ein Mädchen, das das Beste für seine Schwester will."

Ich küsse ihn, lasse mich von ihm ertränken, bis ich mich schließlich wieder von ihm löse und nach Luft schnappe.

„Besser?", fragt Harry mich schließlich außer Atem.

Ich lächele. „Viel besser."

Der Alkohol brennt durch meinen Körper, Harrys Wärme bringt mich zum Glühen und die Kälte der Nacht lässt mich zittern.

Er zieht mich in seine Arme und hält mich einfach nur fest.

„Hast du mal darüber nachgedacht, Jettes Vater auf Unterhalt zu verklagen?", murmelt Harry schließlich.

„Sicher nicht. Ich bin froh, wenn er sich einfach aus unserem Leben heraushält."

„Es könnte aber helfen", wirft Harry ein.

Mein Blick ist nach vorne gerichtet. Trotz der tiefen Nacht erstrahlt London immer noch im hellsten Licht. Eine Stadt, die niemals schläft.

„Wir werden es aber nicht tun. Da sind Robert, Lisa und ich uns einig. Er soll nicht in Jettes Leben vorhanden sein."

„Liz-"

Ich sehe ihn an und kneife die Augen zusammen, um ihn scharf zu sehen. „Wie wäre es, wenn du dich einfach raushältst! Das geht dich doch überhaupt nichts an!", fahre ich ihn an.

Er zuckt zusammen und schon im nächsten Augenblick bereue ich meinen scharfen Ton.

„Tut mir Leid, Harry. Das habe ich nicht so gemeint", murmele ich. „Ich bin nur heute Nacht einfach nicht ich selbst."

„Schon okay", flüstert er und schenkt mir ein verzeihendes Lächeln.

Dann zieht er mich enger an sich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Ich wünschte, ich könnte immer in seinen Armen bleiben.

„Ich wollte eigentlich immer studieren gehen", murmele ich schließlich.

Überrascht sieht er mich an, als hätte er diesen Themenwechsel nicht erwartet. Doch heute laufen meine Gedanken nicht gerade, sie sind unwirsch und völlig durcheinander. Als würden sie in einem Karussell herumwirbeln und langsam zufällig herausfallen.

„Warum hast du es nicht getan?"

Ich zucke mit den Achseln. „Weißt du, wie unwahrscheinlich teuer ein Studium ist? Gerade die Unis in London kosten ein Vermögen und ich kann mich doch so schon kaum über Wasser halten. Das wird in diesem Leben nichts mehr werden", meine ich. „Damit habe ich mich bereits vor Jahren abgefunden und es ist okay. Nur manchmal mache ich mir einfach darüber Gedanken, wie viel anders mein Leben mit einem ordentlichen Studium verlaufen wäre."

„Was hättest du denn studiert?", möchte Harry wissen.

Ich lächele. „Musikgeschichte.

„Du wärst die beste Studentin in Musikgeschichte geworden, die es je gegeben hätte", meint er vollkommen überzeugt.

„Vielleicht in einem anderen Leben", murmele ich. Dann küsse ich ihn.

„Du machst mir Angst, Harry", gebe ich zu, als wir uns wieder voneinander gelöst haben.

Er streicht mir eine Haarsträhne hinter das Ohr und sieht mich fragend an. „Warum?"

„Weil ich dir Dinge erzähle, an die ich normalerweise nicht einmal denke", flüstere ich.

Lächelnd stupst er mich an. „Ich schätze, zum Teil ist da sicherlich der Wodka dran Schuld."

„Whiskey. Es ist Whiskey gewesen", lache ich.

Harry grinst mich an und zuckt die Achseln. „Die Wirkung ist die gleiche. Glaub mir, ich kenne mich damit aus."

Seine Finger malen ein Muster auf meine Oberschenkel und bereiten mir eine Gänsehaut. Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und kann seinen warmen Atem auf meinen kalten Wangen spüren.

„Ich möchte, dass du meine Mutter im neuen Jahr kennenlernst", meint er plötzlich. „Du wirst sie mögen, das verspreche ich dir."

Gerade jetzt kurz vor Weihnachten hat er mir unzählige Geschichten von seinen Eltern erzählt und ich habe sie schon jetzt ins Herz geschlossen. Sie scheinen Harry genauso zu akzeptieren wie er ist und haben ihn immer unterstützt. Dennoch halte ich dies für keine gute Idee.

Ich sehe zu ihm hoch und schüttele leicht den Kopf. „Das geht mir zu schnell, Harry. Viel zu schnell", gebe ich zu. „Außerdem wissen wir nicht einmal, ob wir im neuen Jahr noch zusammen sein werden."

Er stupst mich an. „Hör auf, dir so viele Sorgen zu machen, Liz."

„Kann ich nicht", gebe ich zu. „Was ist wenn Modest doch von unserer Beziehung erfährt? Und was passiert, wenn deine sechs Monate abgelaufen sind?"

Dies sind nur Gedanken, doch ich weiß, dass sie mehr als einen Funken Wahrheit enthalten. Die Zukunft macht mir Angst und wir werden ihr gegenübertreten müssen, ohne sie beeinflussen zu können. Das hat mich schon mehr Nächte wach gehalten als mir lieb ist, während Harry seelenruhig in meinen Armen geschlafen hat.

„Was ist, wenn ich dir sage, dass ich eine Lösung finden werde?", sagt Harry, nachdem wir eine Weile geschwiegen haben.

Ich sehe ihn stumm an und eine Falte bildet sich auf meiner Stirn, weil ich versuche, mich trotz des Alkohols auf jedes seiner Worte zu konzentrieren. „Es gibt keine Lösung, Harry. Das hier ist unser Leben. Und es ist verdammt beschissen."

„Du musst einfach daran glauben, dass alles gut laufen wird", meint Harry überzeugt. „Du machst dir viel zu viele Gedanken."

Ich schüttele den Kopf. „Das kann ich nicht. Sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage existiert für die wenigsten Menschen."

„Viellicht nicht für alle", sagt Harry unbekümmert. „Aber für uns beide auf jeden Fall."

„Glaubst du das wirklich?" Ich zweifle.

„Ich glaube an uns."

Plötzlich bin ich der Diskussion müde und schweige einfach, während mein Blick nach vorne gerichtet ist.

Unter uns haben die Spuren des Elends dieses Viertels große Spuren hinterlassen. Zerbrochene Flaschen waren auf dem Pflasterstein zerplatzt. Dies war wahrlich kein Ort, an dem man den Superstar Harry Styles vermuten würde. Dennoch sitzt er hier neben mir.

Ich strecke mich und lasse meine eigene Whiskeyflasche ebenfalls über den Rand des Daches fliegen. Mit einem Knall landet sie und zerspringt in tausend Teile.

Zerfetzte Müllsäcke liegen neben den Flaschen auf der Straße und umgekippte Mülltonnen versperren den Gehweg.

Wendet man aber seinen Blick nach oben, so kann man zahllose Sterne sehen, die die tiefschwarze Nacht erhellen. Und genau das tun wir.

Stumm blicken wir in das Wunder der Nacht und vergessen dabei die Welt um uns herum.

Wenigstens für eine Weile. Bevor uns morgen früh das Leben wieder einholen wird.


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Hallo ihr Lieben!

Mir ist ein riesiger Fehler passiert und ich habe ganz vergessen, dieses Kapitel hochzuladen.

Also würde ich euch bitten, dieses und dann auch das darauffolgende noch einmal zu lesen, damit ihr besser im Geschehen drin seid.

Morgen gibt es dann direkt das 37. Kapitel, versprochen!


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