15. Kapitel - ... und Geschehnisse der Vergangenheit
Mein Ausruf ließ ihn verwirrt zu mir aufblicken und mit der Salbe auf den Fingern innehalten.
„Warum machst du das?", wollte ich von ihm wissen. Ich konnte nicht nachvollziehen, was ich bei dieser Frage spürte. Es schwankte zwischen Frust, Ungeduld, der Trauer die mich seit des Königs Worten begleitete oder Wut, auf den Elf der sein Leben einfach so fort warf. Und das wofür?! Ich verstand ihn nicht!
„Was meinst du?", fragte er, scheinbar immer noch mit den Gedanken nicht ganz im Hier und Jetzt.
„Warum bist du hier?! Warum hilfst du mir, riskierst dabei eine Verbannung von deinem zu Hause, wegen was? Du kannst mich doch nicht einmal richtig leiden?!". Mein Frust über mein fehlendes Verständnis für seine Taten machte sich durch meine ausfallenden Gesten bemerkbar.
„Ich weiß es ni...". Als er mir damit antworten wollte, konnte ich nicht länger an mich halten. Meine Müdigkeit machte mich direkter als normalerweise und so unterbrach ich ihn forsch.
„Du erzählst mir von deiner Familie. Von deinem Vater, deiner Mutter, deinen Geschwistern. Du machst es mehr als deutlich, dass du sie vermisst; dass du sie nicht verlassen möchtest. Und dennoch kommst du zu mir, verschwindest nicht einmal wenn ich dich mit meinem Feuer bedrohe, OBWOHL du gesehen hast, was ich damit anrichten kann! Ich verstehe dich nicht Conan. Diese Verbannung ist das letzte was du möchtest! Also sag mir nicht, du wüsstest nicht warum du das tust!". Doch mein Frust war noch nicht aufgebraucht und so unterbrach ich ihn erneut, bevor er überhaupt seine Stimme heben konnte.
„Nein!", meine Stimme war schrill als ich weiter sprach. „Ich trage dich gleich mit meiner letzten Kraft aus dieser Höhle hinaus zurück zu deiner Familie, wo du jetzt hingehörst! Es ist verdammt nochmal leichtsinnig von dir, mir folgen zu wollen! Das wird eine Reise ins Nichts, von der ich nicht mal weiß, ob ich sie überleben werde! Und sind wir ehrlich... lohnt es sich für dich mit mir verurteilt zu werden, nur weil ich deine Familie gerettet habe? Du verlierst sie doch direkt wieder! Du hast hier eine gute Zukunft vor dir! Du wirst der Elfenarmee beitreten, genauso wie dein Vater ein bekannter Offizier werden, deine Tarsa finden und Kinder kriegen! Du hast das ideale Leben vor dir! Warum möchtest du es mir nichts, dir nichts einfach weg schmeißen? Wir sind nicht einmal im Ansatz Freunde! Ich könnte nicht einmal beurteilen, ob ich dich leiden kann!", rief ich, womöglich ein wenig zu ehrlich aus. Das Gefühl der Müdigkeit wurde verdrängt, während ich mich immer weiter aufregte und Conan die ganze Zeit nur auf den Boden der Höhle starrte und sich nicht regte. Würden meine Beine nicht unter mir weg brechen, wäre ich bei meinen Worten vermutlich aufgeregt durch den Raum gelaufen, so wie ich es eigentlich immer tat, wenn mich etwas nicht in Ruhe ließ. Doch nun mussten ausfallende Handbewegungen reichen.
„Warum, Conan? Warum?".
Es war die einzige Frage, die ich mir seit seinem Auftauchen durchgängig stellte. Er schluckte stark, sodass ich deutlich sehen konnte, wie sein Kehlkopf aufhüpfte.
Es wunderte mich selbst, dass ich so viel gesprochen hatte. In der Zeit in der ich mich versteckt hatte, war Schweigen meine Lieblingstätigkeit in der Gegenwart anderer Elfen. Immerhin hatte ich so meist am besten sicher gehen können, dass ich nichts falsches sagte. Über die Jahre war ich somit sehr still geworden. Hörte lieber zu, anstatt zu sprechen. Es lag nicht unbedingt in meinem Wesen. Das hatte ich oft gemerkt, als ich den mir fehlenden Austausch mit unter durch Selbstgespräche ersetzte. Umso mehr hatten mir die Unterhaltungen mit Orima und Lya geholfen. Bei Ihnen hatte ich nicht schweigen müssen, denn ich brauchte nie die Paranoia haben, dass das Gespräch in eine unerwünschte Richtung laufen würde.
Doch die Unwissenheit über die Hintergründe von Conans Handeln hatten mich zuvor in den Wahnsinn getrieben. Die Intensität mit welcher Conan mich dann allerdings ansah, leitete mich zurück zu meinem Schweigen.
„Weil du das alles genauso verdient hast", meinte er dann nur. Empört wollte ich schon nach einer besseren Erklärung verlangen und mein geplantes Schweigen wieder brechen. Diese Antwort reichte in keinem Fall aus, mir die Verständnislosigkeit zu nehmen. Als er sich dann jedoch meinem Bein wieder zuwandte, hielt ich inne.
„Du hast recht", fuhr er fort, sobald er die kühlende Salbe auf meine zerstörte Haut schmierte. Etwas unangenehm war es mir doch, dass er mich derartig behandeln musste. Zu gleich war ich zu neugierig, um ihn davon abzuhalten.
„Ich könnte hier mein Wunschleben führen. Einfach so weiter machen wie zuvor. Die Zeit mit meiner Familie genießen. Aber ich kann es nicht. Ich könnte es nicht...". Meine Verwirrung wuchs mit jedem seiner Worte.
Wenn er es sich doch so sehr wünschte, warum konnte er nicht?!
„Es mag sein, dass wir uns nicht wirklich leiden können. Aber ich möchte mir nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn es dich nicht gäbe. Wenn du kein... Drache wärst. Verdammt nochmal! Ich kann nichts dagegen tun, dass in meinem Kopf sich die ganze Zeit das Szenario abspielt, wie meine Eltern dort gestorben wären! Das Naida nicht nur erblindet wäre, sondern verdammt...", er hielt inne und verkrampfte sich deutlich. „Sie wäre nicht mehr! Genauso wie der Rest meiner Familie. Und ich hätte einfach zu gesehen, wie mein Leben vor meinen Augen abgeschlachtet wird!
Wärst du nicht gewesen, läge unser Reich jetzt im Chaos! Du hast unseren König und unsere Thronfolgerin gerettet... Jetzt zu sehen, wie dir all das genommen wird, was du heute doch mit deinem Leben verteidigt hast... es ist einfach nicht gerecht! Anstatt gelobt zu werden wirst du gehasst und gejagt! Es fühlt sich nicht richtig an. Dir alles zu nehmen. Dich alleine zu lassen...". Es blieb kurze Zeit ruhig. In dieser Pause versuchte ich meine wirren Gedanken wieder zu ordnen.
„Ich habe deine Worte gehört, als du Naida beruhigt hast. Ich muss ehrlich sein, ich war kurz davor dich anzugreifen, als du dich zu ihr vorgedrängt hast. Aber als du sie dann mit deiner Berührung beruhigt hast... sie hatte so eine Angst! Und dann kommst du aus dem Nichts, kennst sie nicht einmal richtig und deine Worte geben ihr die Hoffnung die sie genau dann brauchte. Du hast ihr gezeigt, dass sie nicht schwach ist. Dass jemand bei ihr ist, der sie schützt. Und dann? Dann passiert Dir das gleiche. Nicht wortwörtlich, aber doch...". Leise entwich mir ein Keuchen, als er den Verband an meinem Bein etwas zu fest zog. Überrascht blickte er auf uns entschuldigte sich leise, um ihn augenblicklich etwas zu lösen.
„König Balthaïr hat dich ins Nichts geworfen. In eine ungewisse Dunkelheit, da du nicht mehr weißt, wie deine Zukunft aussieht. Du weißt eben nicht mehr, dass du dein Leben sicher im Elfenwald verbringen wirst. Du stehst in der gleichen Leere, in der auch Naida sich befand, als sie ihr Augenlicht verlor. Nur hattest du keine Chance auf Unterstützung, wie meine Geschwister. Jeder der dir hätte helfen können wurde durch die Verbannung von dir getrennt...".
Erwartungsvoll blickte er mich an. Zu überwältigt von seinen Worten, starrte ich nur an ihm vorbei, bis seine Frage, wo ich noch Wunden hätte, mich aus meinen Gedanken holte. Als ich dann mein Haar zur Seite hob und die Träger meines Tops zur Seite schob, blickte er mich misstrauisch an. Gedanken verloren, wandte ich ihm jedoch nur meinen Rücken zu, welcher bis dahin an der Wand hinter mir angelehnt war. Überrascht keuchte er auf.
Ich verdaute seine Worte noch eine Weile, genauer bis er mit dem abwaschen meines Rückens fertig war. Doch dann kam eine Frage in mir auf.
„Warum hast du dich dann dazu entschieden mitzukommen? Warum niemand anders?".
Nur indirekt implizierte ich eine Frag auf Lya oder Orima. Doch Conan verstand sofort wovon ich sprach.
„Lya wollte mitkommen. Aber wir konnten sie davon überzeugen, dass sie hier bleiben musste. Wir brauchen eine erfahrene Thronfolgerin. Lya ist perfekt dafür. Würde sie mit dir verschwinden würden zu viele Probleme auftreten. Nach dem Angriff können wir uns das nicht leisten. Und Orima wollte auch mit. Allerdings konnten wir nicht abschätzen, wie gefährlich die Reise wird. Deswegen konnte meine Mutter sie davon überzeugen, dass du es nicht ertragen würdest, wenn sie auf der Reise verstirbt. Sie ist zu alt für eine Reise in das Ungewisse. Wir sind uns mittlerweile im Unklaren, wie die politische Situation aussieht.
Der Angriff hat uns überrascht und kam aus dem Nichts. Keine der anderen Truppen oder Städte konnte uns warnen. Sie sind einfach in dem Wald aufgetaucht. Im Moment liegt noch zuviel Chaos vor, als das wir einschätzen könnten von wem genau und woher die Angreifer kamen. Immerhin trugen sie keine Anzeichen auf ein bestimmtes Land", er stockte kurz und hielt in seiner Arbeit inne. Da ich mit dem Rücke zu ihm saß, wusste ich nicht weshalb, doch als er weitersprach klärte sich seine Unsicherheit.
„Die meisten konnten wir dann auch nicht identifizieren, da sie... eingeschmolzene Brocken waren und alles was auf eine Herkunft hätte hindeuten können, ist in deinem Feuer jämmerlich verbrannt war."
Ich spürte wie er zum dritten Mal die Salbe auftrug und fragte mich, wie viel meine Mutter davon gemacht hatte, damit es reichte.
„Letztendlich habe ich mich gemeldet. Wahrscheinlich, da mir im Gegensatz zu den anderen Elfen klar wurde, welchen Verlust ich ohne dich erlebt hätte. Die anderen können es vermutlich besser ignorieren. Doch ich weiß genau, was ohne dich passiert wäre", erneut stoppte er kurz. Die darauf folgenden Worte waren ein leises Murmeln und vermutlich nur an ihn selbst gerichtet, doch durch mein verschärftes Gehör verstand ich was er sagte.
„Abgesehen davon konnte ich meine Mutter nicht gehen lassen. Die Kleinen brauchen sie doch gerade".
Ich schnaufte auf und ließ meinen Kopf sinken, sodass ich die seltsame Mischung aus einem kurzen und einem langen Hosenbein erblickte.
„Also bist du nur gekommen, weil du nicht wolltest, dass deine Mutter geht?". Zittrig entwich ich seinem Griff und rappelte mich unsicher wankend auf. Die Bandage an meinen Bein verhinderte, dass ich es richtig beugen konnte und so humpelte ich an der Wand entlang von ihm fort.
„Du solltest verschwinden", murmelte ich müde, blickte ihm aber entschlossen in die Augen. Von meiner Handlung überrascht rappelte er sich erst jetzt langsam auf.
„Was? Warum? Ich habe dir doch gesagt, ich werde mit dir kommen!", empörte er sich.
Entschlossen schüttelte ich den Kopf.
„Geh zum Waldgebiet östlich der Stadt. Dort wirst du die Trümmer mehrere Katapulte finden. Sag den anderen, dass du den Ort zufällig gefunden hast. Dann wirst du nicht verdächtigt bei mir gewesen zu sein. Danke für deine Hilfe, aber du solltest jetzt gehen". Stur forderte ich ihn auf und wies mit dem Kopf zu dem Ausgang der Höhle.
Er sollte gehen.
„Nyra! Wir hatten das doch schon!", rief er verwirrt aus und machte nicht den Eindruck zu verschwinden. Tief einatmend funkelte ich ihn warnend an.
„Wenn du nur hier bist, damit deine Mutter nicht mit mir geht, dann solltest du verschwinden. Ich bin nicht dumm. Ich kenne die Geschichte zwischen Arcane und Orima. Wenn deine Mutter dreißig Jahre später wieder gutmachen will, was sie meiner Mutter dort angetan hat; unwillentlich, ich weiß und dennoch...". Erstaunt starrte Conan in meine Augen. Ich seufzte müde. Verbittert schaute ich zu Boden.
„Du solltest dein Leben nicht für etwas aufgeben, für was du keine Schuld trägst. Ich komme alleine klar. Eine Begleitung wird mich letzten Endes nur unnötig aufhalten. Geh einfach. Du hast schon genug getan". Mit einem aufgesetzten Lächeln schaute ich ihn an.
Der Gedanke an jemanden, der mich begleiten würde, war beruhigend gewesen. Es hatte mir neue Hoffnung gegeben. Doch ich sollte nicht dermaßen egoistisch denken. Ungeachtet wie schwer es mir fiel wieder alleine und einsam da sitzen zu müssen, der Schmerz meine Liebsten und meine Heimat verlassen zu müssen war zu groß als, dass ich Conan das Gleiche antun wollte. Als er sich jedoch nicht bewegte, sondern Gedanken verloren vor sich hinstarrte, drängte ich die dunklen Schuppen über meine Haut. Die Höhle nun zur Hälfte ausfüllend, schritt ich auf ihn zu. Erschrocken keuchte er auf. Schneller als er reagieren konnte, drückte ich meine Schnauze in seinen Rücken, wodurch er erschrocken vorstolperte. Ihn aus der Höhle drängend, humpelte ich zum Ausgang.
Dort blickte ich ihn ein letztes Mal auffordernd an und schleppte mich wieder ins Innere. Dort verwandelte ich mich zurück, zog mir die frische Kleidung an und verband davor noch meine großflächige Schürfwunde mit einem hellen Tuch. Müde lehnte ich mich wieder an die Wand und schnappte mir einige der Brotscheiben. Ich hatte erst zwei gegessen, als der Schlaf mich übermannte und ich eingewickelt in einer der Decken zurück lehnte. Die leisen Schritte einer weiteren Person verstummten nur langsam, bis sie außer Reichweite waren.
Unterbewusstsein fragte ich mich noch, warum das Schleifen von Metall nicht mehr zu hören war. Mein müder Kopf jedoch war nicht mehr bereit dazu diese Frage zu beantworten.
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