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{ 53. Kapitel }

Im Laufe des Tages wurde ersichtlich, dass es keine weitere Wunderheilung geben würde.

Nach der Zunahme von Tierblut ging es Brax stets für wenige Stunden besser. Die Striemen verblassten und der Layph schöpfte Kraft. Doch immer schneller gewannen die Zeichnungen unter seiner Haut wieder an Farbkraft hinzu, das Fieber meldete sich zurück und die Schmerzen verschlimmerten sich. Im Laufe des Sonntags und Montags wurde deutlich, dass auch die Abstände, in denen das Tierblut ihn heilte, kürzer wurden und die Wirkung des Giftes rascher wieder zuschlug. Keiner wusste genau, wie lange das Tierblut überhaupt noch kurzfristig helfen würde – oder was geschah, wenn es dies nicht mehr tat.

Ich fühlte mich furchtbar. Obwohl ich wusste, dass es egoistisch war, sich schlecht zu fühlen – schließlich litt nicht ich unter dem Einfluss des Giftes – konnte ich gegen das Gefühl der Machtlosigkeit nichts unternehmen, das sich meiner bemächtigte und wie eine Flut über meine Seele schwappte.

Es tat weh, Brax dabei zuzuschauen, wie er litt. Mir fehlte seine Unbeschwertheit, sein Lachen, seine gute Laune.

Als die Sonne am zweiten Tag ihren Höchststand erreicht hatte, wollte ich nur noch eines: Dass es ihm besser ging.

Doch wollte ich dies auch um jeden Preis? Wollte ich, dass er Menschenblut zu sich nahm? Mein emotionales, hitzköpfiges und unbeherrschtes Herz schrie mir ein lautes Ja entgegen, während meine Seele und mein Kopf sich schwer taten.

Allein die Fleischzunahme von Tieren sprach gegen alles, was ich als harmonieliebende, Umwelt schützende Neyin vertrat. Gegen alles, was mir seit jeher beigebracht wurde, was mir eingeflößt worden war, seitdem ich die Akademie meiner Artgenossen in jungen Jahren betreten hatte. Es war bereits eine Herausforderung gewesen, mich an den Verzehr von gebratenem und rohem Fleisch in meinem Umfeld zu gewöhnen. An der Zunahme von Tierblut nagte meine Seele noch immer. Allein die Sorge um Brax und der Wunsch, ihm zu helfen hatten dazu geführt, dass ich dazu in der Lage gewesen war, es ihm zu geben.

Aber die Zunahme von Menschenblut...das war noch einmal etwas ganz anderes.

Ein Teil meiner Vorfahren waren menschlich gewesen. Sie waren der Grund, warum ich eine Halbnymphe war, eine Neyin. Damals, als es noch nicht das größte Ziel der Menschheit gewesen war, die Natur zu zerstören, um möglichst viel Gewinn und Profit zu machen.

Ich erinnerte mich an die Worte Adriennes, der Wächterin, die uns besucht hatte. Es fühlte sich an, als wären Jahre vergangen, seitdem ich ihrer Erzählung gelauscht hatte, in der sie uns damit konfrontiert hatte, dass die Kraft der Nereiden manchmal dazu führte, dass Menschen starben.

Aber dadurch schützten wir die Natur und verteidigten die wenigen Lebensräume, die wir noch hatten. Es war keine Absicht. Wir taten es nicht nur für uns, sondern für die Umwelt. Die Layphen jedoch entführten die Menschen, um ihr Volk zu erhalten. Sie taten es nicht aus Wohlwollen, sondern aus Egoismus.

Aber taten wir dies denn nicht auch? Es war doch nicht unser recht, uns besser zu fühlen, nur weil unser Leben an die Natur gekettet war und wir nicht nur uns, sondern auch die Umwelt schützten.

Und ich wollte doch nicht wirklich, dass Brax langsam zugrunde ging, nur weil ich mich nicht dazu überwinden konnte, meine Ansicht bezüglich der Zunahme von Menschenblut zu ändern. Es zumindest ein einziges Mal zu tun, bis es ihm besser ging. Immerhin wurde dabei kein Mensch getötet, so wie es durch uns und unseren Schutz der Natur geschah. Wenn unsere Wellen Schiffe und ihre Insassen verschlangen.

Die Gedanken fuhren in meinem Kopf Achterbahn.

Mehr unterbewusst als bewusst trugen mich meine Schritte zu Brax' Krankenzimmer. Leise öffnete ich die Tür. Cyrion saß auf einem Stuhl neben dem Bett des vergifteten Layphen. Er hatte seinen Kopf in die Hände gestützt, sodass nur noch ein Teil seiner Nase und seiner Augenpartie zu sehen war. Die Schatten, die auf sein Gesicht fielen, betonten die dunklen Ringe unter seinen geschlossenen Lidern. Er sah unheimlich müde aus und ich war mir sicher, dass er ähnlich wie ich seit zweieinhalb Tagen keine Ruhe mehr gefunden hatte. Mein Eintreten hatte er nicht bemerkt, ruhige Atemzüge verrieten mir, dass sich die Erschöpfung seines wachen Geistes bemächtigt hatte – selbst in dieser unbequemen Position.

Ich ließ meinen Blick zu Brax schweifen und verankerte ihn auf seinem Gesicht. Er wirkte noch geplagter als sein lockenköpfiger Freund. Sein Gesicht war mittlerweile nicht mehr nur noch kalkbleich, sondern an Wangen- und Stirnpartie von den rötlichen Striemen überzogen. Sein Kiefer war selbst im Schlaf angespannt, sodass seine Wangenknochen hervortraten. Schweiß glänzte auf seiner Stirn und immer wieder zuckten seine Finger, die auf der Bettdecke ruhten.

Ein Stich fuhr mir ins Herz und ich schloss meine Augen, während ich mich wieder umdrehte und die Tür leise hinter mir ins Schloss fiel.

Ich nahm kaum war, wie Wände und Grund an mir schemenhaft vorbei flogen. Bevor ich es merkte, hatten mich meine Schritte eigenständig zu Navarras Tür geführt und ich öffnete sie, ohne anzuklopfen. Als ich eintrat, schaute der Akademieleiter überrascht von den Unterlagen auf, in welche er sich gerade vertieft hatte.

„Serena. Was kann ich-?"

„Brax braucht Menschenblut, oder? Dann geben sie es ihm." Meine Stimme klang entschlossen, spiegelte jedoch die Qual wider, die ich beim Anblick meines ersten Freundes in dieser Akademie empfunden hatte. In diesem Moment war mir gar nicht bewusst, dass es reichlich naiv von mir gewesen war, zu denken, dass Navarra damit gewartet hatte, Brax zu helfen, bis ich mein Einverständnis gab.

Navarra schüttelte den Kopf. „So leicht ist das nicht."

„Was soll das heißen?" Es war mir egal, ob es leicht oder schwer war. Er sollte ihm gefälligst helfen! Verstand er die Dringlichkeit der Situation nicht?

Der Schmerz in seinen Augen zeugte davon, dass er sehr wohl den Ernst der Lage erkannte.

„Der Pakt zwischen deinem und meinem Volk erlaubt es uns nicht, ihm Blut zu geben. Er hat noch keine Partnerin."

Ich hatte nicht damit gerechnet, dass dieser Pakt, der im Grunde genommen meine Lebensversicherung darstellte, einmal ein Hindernis für mich sein könnte. „Dann geben Sie es ihm im Geheimen. Ich weiß von nichts und verrate auch nichts. Bitte!" Flehend blickte ich in Navarras goldrote Augen. Ich wollte nur, dass es Brax besser ging. Egal, wem ich irgendetwas verschweigen oder wen ich anlügen musste.

„Wir können das nicht riskieren. Ein Verstoß würde den ganzen Pakt nichtig machen." Navarra schüttelte nur langsam den Kopf.

„Dann berufen sie eine Sondersitzung ein, oder was auch immer. Erklären Sie das Ganze. Mein Volk wird sicher Verständnis haben", drängte ich ihn.

Navarra sah mich ruhig und abwartend aus seinen goldroten Augen an. „Wird es das? Wird es Verständnis für uns haben? Für Blutsauger, mit denen es nur aus der Not heraus einen Pakt geschlossen hat?"

Ich wollte nichts lieber, als ihm aus voller Kehle entgegen zu rufen, dass es genau das war, was die Neyen tun würden. Doch die Abscheu in den Gesichtern meiner neyischen Professoren, wann immer das Gespräch auf die Layphen gekommen war, stand mir nur zu deutlich vor Augen. Und ich erinnerte mich nur zu deutlich an meine Gedanken, bevor ich die Layphen persönlich kennen gelernt hatte. An meine Reaktion, als ich Navarra zum ersten Mal begegnet war.

In meinen Augen erkannte Navarra wohl das Eingeständnis, das sich still in meinem Kopf äußerte, denn er nickte nur.

„Es tut mir Leid", wisperte ich. Wofür ich mich entschuldigte, war mir in diesem Moment nicht einmal bewusst. Für die Meinung, die meine Artgenossen vertraten? Die Hilfe, die sie den Layphen unter Garantie verweigern würden? Für meine eigene Unfähigkeit, zu helfen? Für die Aussichtslosigkeit der Situation?

Mit müdem Blick drehte ich mich um und verließ mit schleppenden Schritten den Raum. Ich konnte Navarra nicht mehr in die Augen blicken.

Wie würde es nun weitergehen? Wie lange würde Brax noch durchhalten? Wie viel Zeit mit ihm blieb mir noch?

Ich wagte es nicht, die Gedanken weiterzuspinnen.

***

Gegen Abend kehrte ich in Brax' Krankenzimmer zurück. Den halben Tag lang, seitdem ich Navarras Büro verlassen hatte, waren meine Gedanken Achterbahn gefahren, um eine Lösung für meinen kranken Freund zu finden. Doch ich hatte mich so hilflos gefühlt wie ein Reiher, der in einem Teich voller Algen im Trüben fischte.

Als ich den Raum betrat, schlief Brax. Cyrion verharrte beinahe in der gleichen gekrümmten Position wie am Mittag. Einen Augenblick lang dachte ich, dass auch er schlief, doch als ich die Tür leise hinter mir schloss, bewegte sich der Layph mit den goldblonden Locken und verzog gleich daraufhin das Gesicht. Stöhnend ließ er seinen Nacken kreisen und massierte sich für einige Momente lang die Schultern. Seine muskuläre Verspannung war förmlich greifbar.

Ich brachte kein Wort über die Lippen, als ich näher zum Bett trat. Mittlerweile hatten die Striemen eine feuerrote Farbe angenommen und zeichneten sich geisterhaft unter Brax' kalkbleicher Haut ab. Ein leichtes Pulsieren schien von ihnen auszugehen und ich wandte den Blick ab, als dem Layphen im Schlaf ein gequältes Stöhnen entfuhr.

„Es sieht schlecht aus", durchbrach Cyrion die Stille, die sich nach Brax' Laut im Zimmer ausgebreitet hatte. Seine Stimme klang hohl und trocken. Und müde. So müde. Aber ihr fehlten die Emotionen.

Ich schluckte hörbar. „Wir müssen etwas unternehmen", wisperte ich und rieb mir über die Stirn, als wenn ich mein Gehirn dazu antreiben wollte, stärker nachzudenken. Welche Möglichkeiten gab es? Welche Menschen konnte ich fragen, die sich dazu bereit erklären würden, ein wenig ihres Blutes zu spenden? Ana war seit dem gestrigen Tag mit Liones auf der Insel unterwegs. Er hatte ihr gesagt, dass er ihr einige, schöne Plätze zeigen wollte und sie mit dem Dorf vertraut machen wollte, in dem beide in nicht allzu ferner Zukunft einmal leben würden. Diese Option konnte ich also vergessen.

Der Gedanke an Lou stieg mir zum wiederholten Male in den Kopf. Sie hätte sicherlich nichts gegen eine kleine Blutspende einzuwenden. Und Cyrion würde sie sicherlich schneller erreichen als ich.

„Wie schnell kannst du zu dem Dorf gelangen, in dem einige Menschenfrauen leben? Ich habe eine von ihnen kennengelernt. Lou. Sie würde uns sicherlich helfen." Welche Konsequenzen drohen dann? flüsterte eine Stimme in meinem Kopf. Du könntest den Friedenspakt zerstören und dein eigen Fleisch und Blut gefährden. Lilya. Aryan. Willst du das? Ich biss mir auf die Lippen. Was war die richtige Entscheidung? Wessen Leben war mehr wert?

Cyrion unterbrach meine gespaltenen Überlegungen.

„Selbst mithilfe des Schattenwanderns wäre ich mindestens einen halben Tag lang unterwegs. Ich glaube nicht, dass Brax noch so lange..." Er brach ab. Dennoch glitt das Wort wie von geisterhaften Schwingen getragen, still durch den Raum. Durchhält...

Ich sog scharf den Atem ein. Ich wusste, dass es um Brax nicht gut stand. Aber dass ihm nur noch so wenig Zeit verblieb...das konnte ich nicht glauben. Das wollte ich nicht glauben.

„Bist du dir sicher?", hakte ich drängend nach.

„Ja", erwiderte Cyrion schlicht und starrte weiterhin nur auf Brax' Gesicht. Er hatte mich noch kein einziges Mal angesehen und seine Stimme war so leer. Wo blieben seine Gefühle? Wo war die Verzweiflung? Ich konnte nicht glauben, dass ihm sein Freund egal war, und ich wollte nicht glauben, dass er Brax' Tod schon akzeptiert hatte. War er nicht der Kämpfer, den ich in ihm gesehen hatte?

„Selbst wenn es zu spät ist, wir müssen etwas unternehmen", erwiderte ich fest und erlaubte mir noch nicht, die Hoffnung aufzugeben.

„Es ist zu spät."

„Das kann nicht – "

„So ist es aber!" Mit einem Ruck erhob sich der Layph mit dem goldblonden Haar und zerzauste verzweifelt seine Locken, während er sich von mir abwandte. „Hör auf, nachzudenken! Hör auf, zu hoffen! Brax wird sterben!"

Als hätte mich Cyrion geschlagen, fuhr ich zurück. „Nein", sagte ich leise. „Sag' so etwas nicht." Ich konnte und wollte nicht einsehen, dass er recht hatte. Nicht, bevor es wirklich vorbei war.

„Serena!" Zum ersten Mal seitdem ich den Raum betreten hatte, traf mein Blau auf sein Rotgold. Funken schienen aus den Augen des großen Layphen zu sprühen und mit einem Satz hatte er mich gepackt und mit seinen Fingern meine Handgelenke schmerzhaft umschlungen. „Hör. Auf!"

Ich wandte meine Augen nicht von den seinen ab. Das, was ich in seiner Stimme als fehlende Emotion interpretiert hatte, war in Wahrheit erloschene Hoffnung. Und Schmerz, den Cyrion verborgen hatte, der sich so tief in seine Seele gefressen hatte, dass er in seinem Körper förmlich gefangen war. „Ich kann es riechen", wisperte Cyrion mit seiner dunklen Stimme. „Ich kann riechen, wie das Gift Brax' Duft verändert. Er riecht immer weniger...lebendig." Das letzte Wort verklang als Hauch im Raum, sodass ich mir nicht einmal wirklich sicher war, ob er es ausgesprochen hatte.

Ich verbat mir jegliche Gedanken über die Geruchsfähigkeiten der Layphen und ob das, was er behauptet hatte, wirklich möglich sei.

Nach wie vor hielt er meine Handgelenke fest in seinem Griff und ich glaube, es war ihm nicht bewusst, dass seine Finger später deutliche Male auf meiner Haut hinterlassen würden. „Ich...", brachte ich nur hervor und richtete meinen Blick schließlich auf seine Brust. Ich ertrug das, was ich in seinen Augen lesen konnte, nicht mehr und spürte beinahe, wie seine Hoffnungslosigkeit in Wellen zu mir herüber schwappte und sich auch meines Herzens bemächtigte.

Meine Gedanken waren zu einem Stillstand gekommen.

Mein ganzes Sein fokussierte sich auf Cyrions Finger, die spürbar leicht zitterten und seine warmen, unregelmäßigen Atemzüge, die immer wieder auf meine Stirn trafen. Unter seinem Griff spürte ich das Blut in meinen Adern pulsieren.

Gesundes Blut.

Blut, das Brax heilen würde.

Zunächst tröpfelte die Erkenntnis einem kleinen Bächlein gleich in meine Gedanken, bevor sie sich zu einem reißenden Strom manifestierte. Ich... Ich wäre dazu in der Lage, ihn zu heilen.

Bevor zweifelhafte Gedanken mich von der Idee abbringen konnte, die eigentlich den gesamten Tag lang schon auf der Hand gelegen hatte, richtete ich meinen Blick wieder mit einem Ruck auf Cyrions Augen. „Hast du schon einmal jemandem Blut abgenommen?"

Er blinzelte langsam, als wüsste er nicht ganz, worauf meine Frage abzielte. „Unzählige Male. Den Tieren."

Natürlich. Ich schob das grausige Bild, das Cyrion neben einer Hirschkuh mit einer gigantischen Spritze zeigte, ganz schnell aus meinen Gedanken. „Denkst du, du würdest das auch bei einem Menschen hin bekommen?"

Der Layph wandte seinen Blick nicht von mir ab. „Ja", erwiderte er fest, aber ich konnte Unverständnis in seinen Augen aufflackern sehen.

„Und denkst du, dazu wärst du auch bei einer Nereide in der Lage?"

***

Es waren nur wenige Minuten vergangen, seitdem ich Cyrion meine letzte Frage gestellt hatte. Ich verdrängte die Gedanken an eine Nadel, die sich nur zu bald in mein Fleisch bohren würde und mir mein Lebenselixier rauben würde. Es ist für Brax, wisperte mein Herz. Und es war die perfekte Lösung. Der Friedenspakt sah vor, dass Layphen keine Neyen angreifen durften. Und dass sie das Blut der Menschen verschonten – außer, sie hatten in ihnen die Partnerin gefunden, die ihnen ein Kind gebar. In dem Pakt stand nichts von einer freiwilligen Blutabgabe – und ich beabsichtigte so oder so nicht, es irgendeiner Seele zu verraten. Das Geheimnis würde gewahrt werden – zwischen Cyrion, Brax und mir.

Vorausgesetzt, unser Freund würde sich wirklich erholen.

Mit einem leisen Quietschen öffnete sich die Tür und ich hob meinen Blick, der sich nachdenklich auf den Boden geheftet hatte. Im Dämmerlicht des Abends zeichnete sich Cyrions muskulöse Gestalt auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes ab. Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, wandte er sich mir zu und überbrückte mit seinen langen Schritten innerhalb weniger Wimpernschläge die Entfernung zwischen uns. In seinen Händen hielt er eine Spritze inklusive Kanüle und ich schluckte hörbar, als ich die spitze Nadel erblickte. Scheiße.

Ich konnte mich nicht daran erinnern, wann mir zum letzten Mal Blut abgenommen worden war. Wir Neyen verfügten allgemein über eine gute Konstitution und wurden so gut wie nie krank. Im Grunde genommen sollte ich einer Spritze dennoch nicht negativ gegenüberstehen, schließlich verband ich ja nichts Schlechtes damit. Allerdings erinnerte mich die Nadel an Sakras scharfe Zähne, was mir wahrlich kein gutes Gefühl vermittelte.

„Möchtest du dich lieber hinlegen?", erkundigte sich Cyrion leise, während mich ein unergründlicher Blick aus seinen goldroten Augen traf. Es waren die ersten Worte, die er wieder an mich richtete, seitdem ich meine Frage gestellt hatte. Ich wusste nicht, ob er dachte, dass ich meine Meinung eventuell wieder änderte oder ob er einfach keine passende Erwiderung gefunden hatte – auf alle Fälle hatte er nur schweigend den Raum verlassen.

„Ich... Nein, das geht schon." Schluckend bohrte ich meine Nägel in die weiche Matratze, auf welcher ich mich sitzend niedergelassen hatte. Ich hatte den geschwächten Layphen gut im Blick und murmelte ein innerliches Mantra vor mich hin, in welchem ich mir sagte, dass ich all dies für Brax tat.

„Okay", erwiderte Cyrion nur schlicht. Dann krempelte der Layph ohne lange zu zögern mit seinen langen, rauen Fingern den linken Ärmel meines dunklen Sweatshirts hoch und griff nach dem Desinfektionsmittel, das offensichtlich nicht weggeräumt worden war, seitdem Navarra es verwendet hatte. Obwohl ich das Gefühl hatte, nur noch aus Anspannung zu bestehen, spürte ich dennoch das Kribbeln, dass sich nach Cyrions Berührung wellenförmig auf meiner Haut ausgebreitet hatte.

Eine leichte Kühle auf meiner Haut und der stechende Geruch verrieten mir, dass er es das Mittel auf meinem Arm verteilt hatte. Ich atmete tief durch und versuchte, mein pochendes Herz zu beruhigen. Es war nichts Schlimmes, was hier passierte. Ich überließ Brax lediglich ein wenig Blut und gestattete Cyrion, es mir abzunehmen. Nichts weiter.

Dennoch beschleunigte sich mein Atem, als Cyrion einen kleinen Druckverband an meinem Oberarm anlegte und die Nadel schließlich zu der Vene führte, die sich schwach unter der blassen Haut meiner Ellenbeuge abzeichnete. Der Layph hatte sich links von mir platziert und sein schwacher Duft gelangte in meine Nase.

„Locker lassen, okay?", flüsterte Cyrion und ich nickte schwach.

Dass die Nadel meine Haut durchstach, spürte ich nur, weil sich ein deutliches Brennen an der Stelle bemerkbar machte. Ich vermied es, den Blick dorthin schweifen zu lassen, sondern fokussierte mich weiterhin auf meinen kranken Freund, der deutlich mit seiner Vergiftung zu kämpfen hatte. Ich sollte mich nicht so anstellen, weil mir Blut abgenommen wurde, wenn Brax auf dem Nebenbett dem Tode nahe war. Dennoch spürte ich, wie sich leichtes Rauschen in meinem Kopf bemerkbar machte, als die Blutabnahme kein Ende fand und ich aus den Augenwinkeln sah, wie Cyrion mit den Kanülen herum hantierte.

Ein leiser Laut der Qual entfuhr meiner Kehle. Zaghaft spürte ich, wie Cyrion die freie Hand kurz auf meiner Schulter ablegte und sie Trost spendend drückte. Bevor ich mich noch weiter auf mein Unwohlsein konzentrieren konnte, ließ das Brennen nach und Cyrion drückte seinen Daumen auf die winzige Wunde, nachdem er die Spritze beiseitegelegt hatte.

„Alles in Ordnung?", erkundigte er sich leise und musterte mich besorgt. Da ich nach wie vor Brax fixierte und mich irgendwie nicht dazu in der Lage fühlte, den Blick von meinem Fixpunkt abzuwenden oder Cyrion zu antworten, wusste ich nicht, was er in meinem Gesicht las. Aber einen Augenblick später drückte mich der Layph bestimmt in die Kissen des Bettes, nahm meine Hand und führte sie zu meiner Ellenbeuge.

„Einfach drauf drücken, okay?"

Ich nickte leicht und folgte seiner Anweisung mit meinem Zeige- und Mittelfinger. Langsam verflüchtigte sich die Schwummrigkeit, die sich meines Geistes bemächtigt hatte. Ich schloss die Augen und bemühte mich darum, meine innerliche Ruhe wiederzufinden, während ich Cyrion leise herum hantieren hörte.

Plötzlich klopfte es an der Tür.

„Cyrion? Warum ist die Tür verschlossen?" Parallel zu Navarras Worten rüttelte der Akademieleiter hörbar an der Klinke.

Erschrocken warf ich Cyrion einen panischen Blick zu und richtete mich so schnell auf, dass mir kurzerhand wieder schwindlig wurde. Mit einer Geste bedeutete ich ihm, sich zu beeilen und betrachtete angespannt, wie er mein rotes Lebenselixier in Brax' Adern pumpte.

„Cyrion? Was ist los?" In Navarras Stimme vernahm ich Beunruhigung und Ungeduld.

Cyrion schwieg und beeilte sich damit, Brax die letzte Kanüle Blut zu geben. Dann eilte er mit den Resten zum Badezimmer, legte sie irgendwo ab und kehrte mit leeren Händen in den Raum zurück. Rasch krempelte ich meinen Ärmel wieder herunter, bevor Cyrion die verschlossene Tür öffnen konnte und einem sichtlich aufgebrachten Navarra Eintritt gewährte.

„Verdammt! Was sollte das?", fuhr dieser den jüngeren Layphen an und warf mir einen flüchtigen Blick zu. Bevor Cyrion ihm eine Antwort geben konnte, stockte der Akademieleiter sichtlich. Er hob den Kopf und schien zu... schnuppern.

„Was habt ihr getan?", rief er aus und eilte auf Brax zu. Wusste er, dass ich dem Layphen mein Blut gegeben hatte? Nachdem Navarra ihn prüfend betrachtet hatte, warf er mir einen Blick aus seinen rotgoldenen Augen zu, den ich absolut nicht zu deuten wusste.

„Wir haben das getan, was nötig war", erwiderte ich mit fester Stimme.

„Es gab keine andere Lösung", pflichtete Cyrion mir bei. „Er hätte nicht mehr bis zum Morgen durchgehalten." Er warf mir einen Blick zu, in dem ein Gefühl aufschimmerte. Dankbarkeit? Ich konnte es nicht genau sagen.

Einen Augenblick lang schien es so, als wolle Navarra mit seinen nächsten Worten explodieren, doch auf einmal brach seine aufrechte Haltung ein und er wischte sich erschöpft über die Stirn. „Nun denn", sagte er nur. „Es ist so oder so geschehen. Wir können nur hoffen, dass..." Er beendete seinen Satz nicht. Stattdessen warf er mir nur einen langen Blick zu. Dann machte der Leiter der Akademie auf dem Absatz kehrt und verließ den Raum. Er bat uns nicht, bei Brax zu bleiben. Ob er nun wusste, dass wir so oder so dableiben würden oder ob er sich sicher war, dass Brax die Nacht überstand... Ich konnte es nicht sagen.

Nachdem Navarra den Raum verlassen hatte, spürte ich, wie Cyrion mich ansah. Sein rotgoldener Blick war unergründlich, schien Vieles zu sagen und gleichzeitig doch Nichts. Als wir unsere Blicke gleichzeitig voneinander lösten, wechselten wir kein Wort mehr miteinander. Stattdessen legte ich mich schweigend wieder auf das Bett, auf welchem ich mich zuvor ausgeruht hatte und Cyrion platzierte sich erneut auf dem Stuhl, auf welchem er auch am Morgen gesessen hatte.

Gemeinsam wachten wir die Nacht über unseren Freund, während mein Blut in seinen Adern gegen die Herrschaft des Giftes kämpfte. Obwohl die Hoffnung auf eine baldige Heilung von Brax in meinem Herzen hell loderte, spürte ich in meinem Inneren den Drang des beinahe vollen Mondes, der in dier Nacht von Wolken bedeckt am Himmel stand und sich nur hin und wieder zeigte.

Nur allzu deutlich wurde mir bewusst, dass in der übernächsten Nacht Vollmond sein würde - und zeitgleich begannen Unruhe und erotische Vorfreude in mir um die Vorherrschaft zu kämpfen.

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