{ 52. Kapitel }
Hallo ihr Lieben! :)
Wie jeden Freitag wünsche ich euch ein hoffentlich entspanntes und schönes Wochenende. In einigen Teilen Deutschlands gab es in den vergangenen Tagen ziemlich viel Regen - falls ihr betroffen wart, hoffe ich, dass es euch allen gut geht und sich bald auch mal wieder die Sonne am Himmel blicken lässt :)
Liebsten Gruß, eure Lara ♥
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Zaghaft hob ich die Hand und atmete ein letztes Mal tief durch, bevor ich an die hölzerne Tür klopfte. Die Sonne hatte ihren Höchststand am Himmel erst vor geringer Zeit überschritten. Ich hatte mich nach meinem kleinen Mittagsschlaf in meinem Zimmer wirklich darum bemüht, ansatzweise Konzentration aufzubauen und mir etwas Sinnvolles für meinen Abschluss anzueignen. Aber meine Gedanken waren erfüllt gewesen von Brax' bleichem Gesicht und seiner von Schmerz gepeinigten Mimik, ebenso wie von Navarras unheilvollen Worten und Cyrions angespanntem Gesichtsausdruck. Wenig überraschend war mir mit diesen Bildern vor Augen relativ egal gewesen, dass ich anhand einer chemischen Probe den pH-Gehalt des Wassers bestimmen konnte, welcher meine Schwimmgeschwindigkeit laut des Nereiden-Lehrbuches für die oberen Stufen nachhaltig beeinflusste.
Mit einem genervten Knurren war mir bewusst geworden, dass mein planloses Blättern in den Büchern für mein Gesamtziel und die Abschlussprüfung wenig hilfreich war – ich würde mir irgendeine Strategie überlegen müssen, die mir hoffentlich das Lernen erleichterte. Bloß waren Pläne ebenso wie Durchhaltevermögen was schulischen Lehrstoff anging nie meine Stärke gewesen, was mir wiederum wenig Hoffnung machte.
Nach nur kurzer Zeit hatte ich also bemerkt, dass das Lernen für mich heute keinen Sinn machte und das Buch seufzend mit einem Knall zugeschlagen. Widerwillig hatte ich mir ein Herz gefasst und war zu Anas Zimmer aufgebrochen – oder zumindest zu dem Raum, in dem sie gefangen gehalten worden war, bevor sie sich selbst verletzt hatte. Ich hatte eine erneute Begegnung zwischen dem Menschenmädchen und mir schon viel zu lange aufgeschoben und nahm Liones' Worte als kleinen, zusätzlichen Anstoß, während ich nur hoffen konnte, dass sie mir keine großen Vorwürfe machte und sich ihre Meinung über die Layphen zwischenzeitlich ein wenig gewandelt hatte.
Als Ana mir schließlich die Tür öffnete, weiteten sich ihre Augen. „Serena", murmelte sie überrascht und trat einen Schritt zur Seite. „Komm doch rein."
Mit verkrampften Schultern betrat ich das Zimmer, dessen Grund und Wände von jeglichen Blutüberresten gesäubert worden war. Dennoch haftete die Erinnerung an den Anblick in meinen Gedanken wie Harz an einer Baumrinde.
Unschlüssig sah ich mich um. An der Wand gegenüber der Eingangstür befand sich ein größeres Bett. Recht mittig war ein dunkelbrauner Holztisch platziert, an welchem zwei Stühle standen. Das Fenster zur rechten Seite des Raumes war geöffnet, ein frischer Wind brachte nach Meersalz und Tang duftende Luft hinein, geschwängert vom Geruch nach Kiefernadeln. Ein leises Quietschen verriet mir schließlich in meine Beobachtungen hinein, dass sich das zierliche Menschenmädchen auf ihr Bett gesetzt hatte. Als ich meinen Blick zu ihr gleiten ließ, betrachtete sie mich zaghaft aus ihren großen, ebenholzfarbenden Augen, die die gleiche Farbe aufwiesen wie ihre langen Haare.
„Setz' dich doch zu mir", schlug Ana vor und klopfte leise auf den Platz neben sich. Vorsichtig trat ich auf sie zu und atmete noch einmal tief durch, bevor ich mich zu ihr begab und der Einladung folgte. Ich wusste überhaupt nicht, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. War Ana mir böse, weil ich ihr weder zu einem Selbstmord, noch zu einer Flucht verholfen hatte? Oder war ihr Groll bereits verflogen? Ich glaubte zu erkennen, dass ihre Augen keine Wut ausstrahlten, aber ganz sicher war ich mir nicht.
„Danke für die Einladung", sagte ich schließlich in die Stille hinein und richtete meinen Blick auf meine Zehen, die unruhig auf den Steinboden tippten. Ich fühlte mich unbehaglich und hatte nach wie vor keine Ahnung, wie ich mit ihr umgehen sollte. Mir fehlte einfach die Empathie, die Lilya besaß und wieder einmal wünschte ich mir, ein wenig mehr zu sein, wie sie – oder sie zumindest an meiner Seite zu haben.
„Keine Ursache. Ich wollte...mit dir reden." Anas helle Stimme war gefärbt von Heiserkeit und sie räusperte sich, um den Kloß in ihrem Hals zu lösen. Nach einer kleinen Pause sprach sie weiter. „Ich wollte dir danken."
Überrascht warf ich ihr einen erstaunten Blick zu. Danken? Wofür? Dafür, dass ich mein Versprechen ihr gegenüber gebrochen habe? „Versteh' das bitte nicht falsch, aber ich hatte eher mit Vorwürfen gerechnet, als mit einem ‚Dankeschön'", antwortete ich ehrlich und teilte ihr so meine früheren Bedenken mit.
„Es war nicht richtig von mir, dir dieses Versprechen abzunehmen", murmelte das Menschenmädchen und wandte ihren Blick von mir ab. „Ich konnte nicht klar denken. Aber ich glaube, das ist nach einer Entführung nur wenig verwundernswert." Sie lachte leise auf, aber es klang humorlos. „Liones hat mir erzählt, was du bist und dass du nicht dazu in der Lage gewesen wärst, mir zu helfen." Neugier flammte in ihrem Blick auf, als sie mich wieder musterte. „Das alles ist noch so neu für mich... Layphen, Neyen... Was es wohl noch so gibt?" Ihr Blick flog in die Ferne. Mich überraschte die Selbstverständlichkeit, mit der sie mittlerweile die Existenz von mystischen Wesen in ihrer Welt aufnahm. Sie wirkte so ruhig. War das typisch für Menschen? Schnell an etwas zu glauben, das sie vorher noch nicht als Teil ihrer Welt betrachtet hatten? Lous Erzählungen ließen mich daran zweifeln. „Ich wollte dir dafür danken, dass du mir die Wahrheit erzählt hast. Ich weiß das zu schätzen. Die ganze Geschichte hat es Liones zwar nicht leichter gemacht, mein Vertrauen zu erhalten, aber er war gezwungen, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen." Ein kleines Funkeln schlich sich in ihre Augen. Ob es von dem Gedanken an ihren zukünftigen Gefährten verursacht wurde?
Ich war ehrlich gesagt ein wenig überfordert von ihrer offenen Art und ihren Worten, die in völligem Kontrast zu dem Verhalten stand, dass sie vor etwas mehr als einer Woche an den Tag gelegt hatte und so antwortete ich erst nach einer kleinen Pause. „Ich hätte nichts davon gehabt, dich zu belügen. Außer vielleicht weniger Stress mit den Layphen." Kurz musste ich schmunzeln, aber die Regung auf meinen Zügen erlosch schnell, als ich seufzte. „Ich weiß immer noch nicht, was und wie ich darüber denken soll." Nachdenklich richtete ich meinen Blick zum Fenster.
Ana stimmte in mein Seufzen ein und wusste offensichtlich genau, wovon ich sprach. „Ich weiß, was du meinst. Sei froh, dass du nicht in meiner Lage bist." Sie fing meinen Blick ein. „Eigentlich bin ich kein Mensch, der einem beinahe fremden Gegenüber schnell sein Herz ausschüttet, aber meine Gedanken fahren Achterbahn und hier gibt es kein anderes Mädchen, mit dem ich reden kann. Würde es dich sehr stören, kurz als Beste-Freundinnen-Ersatz herzuhalten? Ich könnte wirklich einen Rat gebrauchen." Eine hauchzarte Bitte ruhte in ihrem Blick, war jedoch umwölkt von einer Trauer, die ihre dunklen Augen beinahe schwarz färbte und preisgab, wie sehr sie ihre eigentliche beste Freundin vermisste. Ich wusste exakt wie sie sich fühlte – wie oft hatte ich mir in den vergangenen Wochen Lilya hierher gewünscht? Einfach, um mit ihr zu reden, ihre Meinung zu vernehmen und ihr glockenhelles Lachen zu hören, das meine Laune stets erhellt hatte und die Wolken um mein Herz herum vertrieben hatte wie strahlende Sonne nach einem heftigen Sommergewitter.
„Ganz und gar nicht", antwortete ich leise und hörte selbst nur zu deutlich den Trennungsschmerz, der meine Stimmfarbe kaum merklich veränderte.
Und dann erzählte Ana. Davon, wie sehr sie ihre Familie vermisste, ihre getrennt lebenden Eltern, aber vor allem ihren Hund Flo. Wie sehr ihr ihre Freundinnen fehlten, vor allem ihre beste, die sie bereits seit unzähligen Jahren kannte und mit der sie immer und überall über alles hatte reden können. Aber sie berichtete mir auch von zart aufkeimenden Gefühlen gegenüber Liones und dass sie die Situation der Layphen irgendwie nachvollziehen konnte. Dennoch verbarg sie auch ihre Angst nicht vor mir, die sie vor der Aufgabe empfand, die ihr bevorstand – ein Kind zu empfangen und zu gebären und das von einem blutsaugenden Wesen. Sie verriet mir, dass sie am liebsten fliehen wollen würde, aber dass es auch irgendeine Seite in ihr gab, die Liones nicht traurig sehen wollte. Die ihm helfen wollte. Loyal ihm gegenüber sein wollte.
Ich hörte ich zu, stellte hin und wieder Nachfragen, um Ana zu helfen, ihre Gedanken zu ordnen, aber auch, um das Mädchen besser kennen zu lernen, dessen Zwiespalt und innere Zerrissenheit mit jeder Minute deutlicher zu spüren war. Am Ende, als die ersten Dämmerungsfarben das Blau des Himmel bereits verwaschener färbten, konfrontierte ich sie mit einer Frage, auf die sie mir keine eindeutige Antwort geben konnte.
„Was überwiegt in dir? Dein Fluchtwunsch? Oder das Bedürfnis, Liones zu helfen?"
Das entfernte Rauschen des Meeres glich einer leisen Melodie, während Ana unzählige Momente lang schwieg. „Ich weiß es nicht", flüsterte sie schließlich und eine einzelne Träne rann über ihre Wange, bahnte sich den Weg an einem kleinen, aber markanten Muttermal vorbei und tropfte auf die hellblaue Bettdecke. Nichts mehr gab ihrem inneren Unglück eine bessere, lautlose Stimme als dieser kleine Tropfen, der wie der erste Ausläufer einer Gebirgsquelle nach dem Winter begann, den Fluss zu füllen und seinen Lauf auszuhöhlen.
Ich war überrascht davon, dass Ana nicht wie aus der Pistole geschossen gesagt hatte, dass sie um jeden Preis fliehen wollen würde, wenn ihr die Möglichkeit dazu offen stünde, aber ich vermutete, dass es an den aufkeimenden romantischen Gefühlen liegen mochte, die Ana begann, für Liones zu empfinden. Liebe ändert alles, flüsterte eine Stimme in mir und unzählige Gedanken fluteten meinen Kopf. Bevor ich sie ordnen konnte, hatte das Menschenmädchen plötzlich ihren Kopf an meine Schulter gebettet. Überrascht schlang ich meine Arme um sie, während ich sie festhielt und ihr Trost spendete.
Wenn ich meine Augen schloss und Anas schwachen Duft ausblendete, fühlte es sich ein wenig so an, als würde Lilya bei mir nach der vertrauten Geborgenheit suchen, die wir uns gegenseitig schon so oft gegeben hatten.
Es fiel mir zunehmend schwerer, meine eigene Trauer zu unterdrücken, denn die Gedanken an meine Liebsten, die durch Anas Erzählung immer wieder aufgetaucht waren, gewannen immer mehr Stärke und Macht, bis sie sich meines Geistes bemächtigt hatten. Brennende Sehnsucht kroch in mir empor und ich erinnerte mich an so viele wunderbare, schöne Momente mit meinen Freundinnen und Aryan, die von der Erinnerung an die erhaltenen Briefen lautlos untermalt wurden.
Obwohl ich in diesem Moment nicht allein war, sich ein Menschenmädchen an mich lehnte und mit ähnlichen Gefühlen kämpfte, fühlte ich mich so einsam wie selten zuvor an der Akademie. Das Loch, das die Trennung von meiner Heimat, meinen Artgenossen, meinen Freunden, meinen Liebsten hinterlassen hatte, machte sich mit einer stillen Explosion bemerkbar, die dazu führten, dass mir das erste Mal seit meiner Beinahe-Vergewaltigung durch Sakras Tränen über das Gesicht liefen. Und irgendwann spendete nicht mehr ich dem zierlichen Menschenmädchen Trost, sondern Ana mir, indem sie sachte über meinen Arm strich und mich nun ihrerseits in ihre Arme zog ohne weitere Nachfragen zu stellen, während ich weinte. Um Lilya, um Aryan, um Brax, um Ana und auch ein wenig um mich selbst.
***
Am nächsten Morgen machte ich mich schon früh auf den Weg zu Brax' Krankenzimmer. Am gestrigen Abend war ich bis weit nach Sonnenuntergang bei Ana geblieben. Die meiste Zeit hatten wir geschwiegen, nachdem wir uns nebeneinander auf ihr Bett gelegt hatten, erschöpft vom Ausbruch unserer Emotionen. Verabschiedet hatte ich mich schließlich mit einer langen Umarmung von ihr, über alle Maßen froh darüber, dass ich sie schließlich doch noch besucht hatte und mit einem Gefühl in meinem Körper, das mich ein wenig leichter zurück ließ. Als wäre ein Ballast von meiner Seele genommen worden, obwohl ich doch das erste Mal bewusst alle negativen Gefühle zugelassen hatte, die mich belastet hatten. Mit knurrendem Magen war ich schließlich in mein Bett gefallen und bedingt durch meine psychische und physische Erschöpfung schnell eingeschlafen. An Cyrion oder unser Training hatte ich keinerlei Gedanken mehr verschwendet.
Als ich nun jedoch den hellen Raum betrat, war Besagter jedoch ganz schnell wieder präsent, denn er saß bereits an Brax rechter Seite und hielt seinen Blick nachdenklich auf den verletzten Layphen gerichtet, welcher die Augen geschlossen hatte.
Ich ließ mich auf der linken Seite auf ein Bett sinken und stützte das Kinn auf meine Handflächen ab, während ich mich nach vorne lehnte. „Wie geht es ihm?", erkundigte ich mich leise wispernd und warf Cyrion einen kleinen, fragenden Blick zu.
Mit einem Mal öffneten sich flatternd Brax Augenlidern.
„Ja, Cy, wie geht es mir?", krächzte er mühsam und versuchte, sich in seinem Bett aufzurichten. Als ich seine Kraftlosigkeit bemerkte, brach mir wieder einmal das Herz. Der Layph mit dem goldblonden Haar war augenblicklich zur Stelle und stützte seinen Freund, bis dieser eine ansatzweise sitzende Position erreicht hatte.
„Ich weiß es nicht. Sag du es uns", erwiderte Cyrion mit einem ernsten Ausdruck in seinem goldroten Blick.
„Ich fühl mich...ich weiß nicht. Durstig", meinte Brax mit nach wie vor heiserer Stimme. Er räusperte sich und griff ungeschickt nach dem Blut auf seinem Nachttisch. Bevor er es umstoßen konnte, drückte ich es in seine leicht zitternden Finger. Er dankte mir mit einem kleinen Blick und trank dann die halbe Flasche in kurzer Zeit auf. Anschließend ließ er sich wieder in die Kissen zurücksinken.
„Besser", stellte der Layph knapp fest. Als ich sein Gesicht musterte, fiel mir auf, dass es nicht mehr ganz so bleich wirkte und auch der fiebrige Schweiß verschwunden war, der am gestrigen Tag auf seiner Stirn geschimmert hatte.
„Hast du Schmerzen?", fragte ich ihn besorgt, auch wenn mich sein Anblick ein wenig beruhigter stimmte.
„Ein wenig. An meinem Bein...und irgendwie...überall." Brax stieß ein leises Stöhnen aus und kratzte sich am Hals. „Was ist mit mir passiert? Navarra sagte, ich wäre vergiftet worden..."
„Wir wissen es nicht genau", antwortete Cyrion und schüttelte seinen Kopf. „Die Munition, die du abbekommen hast, war in irgendetwas getränkt, das dein Blut nicht auflösen konnte. Deshalb musste Navarra die Holzsplitter manuell entfernen."
Brax verzog sein Gesicht. „Erinner' mich nicht daran." Vorsichtig beugte er sich vor und schlug die Bettdecke zurück, dann strich er über die mit Mull abgedeckte Wunde. "Scheint fast geheilt zu sein." Vorsichtig wickelte er den Verband ab und enthüllte eine hellrote Stelle, die eindeutig von heilendem Fleisch zeugte. Ein dünner, roter Rand war noch darum herum zu sehen und deutete auf eine bestehende Entzündung hin, aber im Vergleich zum Anblick von vor zwei Tagen glich es einer Wunderheilung.
Ich konnte ein erleichtertes Aufatmen nicht verhindern, denn ich hatte zuvor angespannt die Luft angehalten. Brax befand sich nun doch auf dem Weg der Besserung und somit musste ich mir zumindest um ihn weniger Sorgen machen.
Teilweise gemeinsam, teilweise allein verbrachten Cyrion und ich den restlichen Tag mit unserem layphischen Freund und gestalteten die erzwungene Anwesenheit im Krankentrakt erträglicher für ihn. Brax versuchte sogar einmal, aufzustehen, doch die rätselhaften, angesprochenen Schmerzen, die sich laut seinen Erklärungen durch seinen ganzen Körper fraßen, behinderten ihn bei seinen Bewegungen und manipulierten seinen Gleichgewichtssinn. Gegen Abend zeichnete sich schließlich jedoch das Fieber wieder auf Brax Stirn ab und der sonst so vor Worten übersprudelnde Layph wurde merklich stiller. Das Gespräch ebbte ab und es dauerte nicht mehr lang, bis Brax eingeschlafen war. Beunruhigt einigten wir uns darauf, dass Cyrion die Nacht bei seinem Freund verbringen und sich dafür am frühen Morgen ein wenig Schlaf gönnen würde. Als ich mich kurz vor Sonnenuntergang von ihm verabschiedete, schimmerte die mittlerweile so vertraute Sorge in Cyrions Augen und ich wusste, dass sie sich auch in meinen abzeichnete, doch unsere Bedenken behielten wir für uns.
***
Als ich bei Sonnenaufgang das Zimmer wieder betrat, schreckte ich unwillkürlich zurück.
Der Raum war bis auf Brax verlassen und dieser warf sich in seinen Laken unruhig hin und her. Dumpfe Laute drangen aus seinem Mund.
Wo ist Cyrion? Augenblicklich eilte ich auf den Layphen mit dem flachsblonden Haar zu und berührte ihn an der Stirn, die förmlich kochend heiß war. „Brax?" Ich schüttelte ihn ein wenig. Was hatte er denn nur? Gestern schien doch beinahe alles wieder gut zu werden. Er war auf dem Weg der Besserung gewesen. Warum der Wandel zum Schlechteren? „Brax?", rief ich erneut. Panik klang in meiner Stimme mit.
Laute Schritte näherten sich der geöffneten Tür und Navarra eilte gefolgt von Cyrion in den Raum. Ich wich hastig vom Bett zurück. Wie auch ich berührte der erfahrenere Layph Brax an der Stirn und fluchte. „Er braucht Blut", stieß er hervor und bemühte sich darum, den Jüngeren zu wecken, während Cyrion den Raum mit schnellen Schritten verließ – vermutlich, um das geforderte Nahrungsmittel zu holen. Brax jedoch behielt die Augen geschlossen und warf sich nur immer und immer wieder von einer zur anderen Seite, während weiterhin unverständliche Laute der Qual aus seinem Mund drangen. An seinem Hals entdeckte ich schließlich rote, striemenartige Gebilde, die sich kaum wahrnehmbar auf seiner Haut abzeichneten.
„Was ist das?", murmelte ich beinahe tonlos und trat fassungslos einen Schritt näher. Navarra folgte meinen Blick und zog das Shirt, das Brax trug, ein wenig herunter. Prüfend strich er mit seinen Fingern darüber und schüttelte den Kopf, bevor sich Brax wieder einmal mit einem Ruck umdrehte und unseren Blicken den Anblick auf seine Halspartie entzog. „Ich habe keinen blassen Schimmer."
„Warum geht es ihm denn so viel schlechter? Gestern schien doch fast alles gut?" Ich konnte es einfach nicht fassen und wich ein wenig überfordert zurück, wobei mich beinahe Cyrion über den Haufen rannte, der in diesem Moment wieder den Raum betreten hatte.
Er betrachtete seinen Freund nur einen kurzen Moment lang. „Verdammt, Brax, du musst aufwachen!", stieß er hervor, warf die Blutflasche achtlos auf ein Nebenbett und verpasste seinem Freund achtlos einen Schlag mit der flachen Handfläche auf die Wange. Bei einem blieb es nicht. Es wurden zwei-, drei- ... Bis Brax endlich die Augen aufschlug und schwer keuchte.
„Es tut weh", brachte er hervor und verzog vor Schmerz das Gesicht. „Blut!" Augenblicklich versorgte ihn Navarra mit Gewünschtem und der unruhige Layph beruhigte sich ein wenig, nachdem er die Flasche komplett geleert hatte.
„Was passiert mit mir?", stieß er krächzend hervor und sein Blick verankerte sich auf dem anwesenden Professor. Navarra schüttelte nur den Kopf, Qual spiegelte sich in seinen goldroten Augen und Angst um seinen Schützling. War es ein Abbild des Schmerzes, den Brax empfinden musste?
„Es ist bestimmt das Gift", ließ Cyrion plötzlich verlauten. „Nichts anderes könnte eine Heilung zurückwerfen und nichts anderes würde sich so über den Körper ausbreiten." Sein Blick wanderte über Brax' Arme, an denen sich nun ebenfalls Striemen abzeichneten, die mir zuvor noch gar nicht aufgefallen waren.
Nachdenklich wiegte Navarra seinen Kopf, während er Cyrions Blicken folgte. „Du hast vermutlich recht. Es ist in seinen Blutkreislauf gelangt und dieser kann es aus irgendeinem Grund nicht verarbeiten. Er braucht mehr Blut, frisches Blut, um es zu tilgen."
„Ich kann welches holen", bot ich mich augenblicklich an. Ich wollte, dass es Brax wieder gut ging. Ich würde ihm, wenn nötig, alle Blutreserven dieser Akademie einflößen.
Navarra hielt mich mit einem Blick zurück, der Achtsamkeit und Unheil verkündete. „Tierblut wird nicht genug sein, um ihn zu heilen."
Ich stockte in meiner Bewegung, und auch meine Gedanken verstummten. „Was? Aber...?"
„Abraxas wird Menschenblut brauchen."
Und mit dieser winzigen Aussage zersprang mein Gewissen in Scherben.
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