{ 43. Kapitel }
Hallo ihr Lieben! <3
Nach beinahe sechs Wochen melde ich mich an einem Freitag zurück mit dem neuen Update! :) Es tut mir schrecklich Leid, dass ich tatsächlich so lange nichts hochladen konnte, aber ich hatte schlicht und einfach keine Gelegenheit zum ungestörten Schreiben - und sehr viele andere Dinge zu Erledigen. Ich hoffe, dass es nun wieder regelmäßig Freitags weitergehen kann und danke euch für eure unglaubliche Geduld <3
Ich hoffe, ihr wisst noch, wo wie stehen geblieben sind und seid schnell wieder im Geschehen eingebunden :)
Ich schicke ein dickes Dankeschön und jede Menge Umarmungen an alle, die dies hier lesen und wünsche euch nun viel Spaß mit dem folgenden Kapitel! <3
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„Ana."
Der Laut drang einem Windhauch gleich aus meinen leicht geöffneten Lippen. Ich hatte mich zuvor zwar schon davon überzeugt, dass sie noch atmete, doch sie mit geöffneten Augen und zart geröteten Wangen lebendig auf dem Krankenbett sitzen zu sehen, verdrängte auch den letzten verbliebenen Zweifel aus meinem Kopf. Einen Moment lang war ich zu nichts anderem in der Lage, als sie wortlos anzuschauen und auch das Menschenmädchen verharrte still in ihrer sitzenden Position. Dann nahm ihr Gesicht jedoch verzerrte und beinahe fassungslos anmutende Züge an.
„Ich lebe?"
Schnellen Schrittes näherte ich mich ich und stellte das Wasserglas auf dem kleinen Beistelltischchen neben ihrem Bett ab. Behutsam ließ ich mich auf die Matratze sinken, die mich mit einem leisen Quietschen begrüßte. „Zum Glück, ja." Aufmerksam musterte ich das Mädchen, unter dessen faszinierenden, ebenholzfarbenden Augen tiefdunkle Schatten lagen und von ihrer Erschöpfung kündeten.
„Du hast mich nicht gerettet, oder?" Aufmerksam ruhte ihr außergewöhnlicher und für mich gänzlich unbekannter Blick auf mir und zu meiner Verwunderung machte sie keinerlei Anstalten, vor mir zurückzuweichen. Nach einem versuchten Selbstmord und der haarsträubenden Geschichte, die ich ihr erzählt hatte, hätte ich vermutlich zu keinem Wesen mehr Vertrauen gefasst – nicht einmal zu einem Mädchen in meinem Alter, das mir vorher versichert hätte, dass sie nicht zu den blutsaugenden Monstern gehörte.
„Nein. Ein Layph namens Dasyl hat dich gefunden", teilte ich ihr mit sanfter Stimme mit.
„Natürlich." Ihr trockener Tonfall wurde von einer deutlich hörbaren Verbitterung begleitet und von zarten Furchen, die sich auf ihrer blassen Stirn bildeten. „Ich soll schließlich als Geburtsmaschine für ihren Nachwuchs dienen. Aber darauf können sie lange warten." Ihre raue Stimme gewann zusehends an Kraft und Härte und ich musterte sie besorgt.
„Was meinst du damit?"
„Du musst mir helfen, meinen Plan zu verwirklichen."
Eine leichte Nervosität machte sich in mir breit. Ich ahnte, worauf sie hinauswollte, doch ich hoffte stark, dass ich mich irrte. „Welchen Plan?"
„Der Plan, mich umzubringen, natürlich." Fest sah sie mir in die Augen, lediglich ihre Finger verkrampften sich um die dunkelblaue Bettdecke, die den unteren Teil ihres Körpers verhüllte.
Ich schloss meine Augen, denn meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. „Das kann ich nicht."
„Wieso nicht?" Ein leichtes Beben hatte sich in ihre Stimme geschlichen.
Ich kann einfach nicht. Abgesehen davon, dass Navarra mich vermutlich vierteilen würde, wenn ich Ana nun dazu verhelfen würde, sich selbst umzubringen, hatte ich gerade erst am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlte, vermeintlich verantwortlich für den Tod eines Lebewesens sein zu müssen. Und ich wollte diese höllischen Minuten keinesfalls noch einmal durchleben müssen.
„Du kennst mich nicht. Du solltest dich nicht schlecht fühlen, nur weil du mir bei der Umsetzung meines Plans hilfst. Es geht um mein Leben, nicht um deins", fügte Ana hinzu und ich öffnete meine Augen wieder, schenkte ihr ein schwaches Lächeln. Sie bezeichnete einen erneuten Versuch des Selbstmordes so beschönigend als „Plan", wusste sie überhaupt, was sie sich antat?
„Es geht nicht um dein Leben, sondern um deinen Tod. Um einen Mord an dir selbst. Und bevor du mich zu einer Beihilfe daran überredest, habe ich dir noch einiges zu erzählen, dass du wissen solltest. Etwas, dass deine Ansicht eventuell ändern könnte."
Das Menschenmädchen verschränkte die Arme vor ihrem Körper und sah mir auffordernd ins Gesicht. „Dann erzähl mir davon. Aber vermeide unnötige Ausführungen, nicht dass meine Chance durch die plötzliche Ankunft eines dieser Monster dahin ist."
„In Ordnung." Ich atmete tief durch, richtete meinen Blick auf Ana und begann, ihr von dem zu erzählen, was Brax wiederum mir mitgeteilt hatte. Während meines Monologes blieb Anas Körperhaltung unverändert starr und auch ihre Miene zeigte keine weitere Emotion. Stattdessen blieb ihr Blick auf mir ruhen, fixierte mich regelrecht. Die Anspannung war beinahe in der Luft zu greifen, aber schließlich war das, was von ihrer Ansicht über die Situation nach meiner Erzählung abhing, von höchstem Belang, denn es würde über ihr Leben entscheiden.
Nachdem das letzte Wort meines Berichtes verklungen war, hing die Stille einige Momente über dem Raum wie eine dichte Decke, die uns von jedem äußerem Geschehen abschirmte. Anas Blick verharrte nicht mehr auf mir, sondern irrte durch den Raum, während sie angespannt an ihrer Unterlippe nagte.
„Sie manipulieren mich also. Sie manipulieren mich, Zuneigung zu empfinden um freiwillig für einen Fortbestand ihrer Art zu sorgen", ließ sie mich schließlich an ihren Gedanken Teil haben.
„Ich weiß nicht, ob man es als Manipulation bezeichnen kann. Man kann niemanden dazu überreden, Gefühle für ein Wesen zu entwickeln. Es geschieht einfach. Sie beschleunigen den Prozess lediglich durch die Auswahl eines Layphen, der dir äußerlich gefällt", gab ich zu bedenken, weil ich die Räder in ihrem Kopf in eine Richtung rollen sah, die ich nicht vorhatte, zu unterstützen.
„Das ändert nichts daran, dass es mies und ausgeklügelt ist – und dass dem Ganzen eine Entführung vorausgeht. Meine Entführung."
„Du hast Recht", lenkte ich ein. „Das will ich nicht bestreiten. Aber sie haben keine andere Wahl. Wenn sie ihre Existenz sichern müssen, können sie nicht anders handeln."
Das Menschenmädchen schüttelte den Kopf. „Wie kannst du ihr Vorgehen nur unterstützen? Ich dachte, du wärst kein Layph. Und gestern Nacht klangst du noch ganz anders. Was ist in der Zwischenzeit geschehen? Haben sie dir eine Gehirnwäsche verpasst?"
Ich holte tief Luft, um zu einer langen Verteidigungsrede anzusetzen, doch ich stockte. Ana hatte Recht. Ich hatte meine Meinung geändert – und ich verteidigte die Layphen gerade immens, obwohl ich vor nicht allzu langer Zeit entsetzt von ihren Handlungen gewesen war. Der Entführung. Den Vergewaltigungen vor dem Bündnispakt. Der Auswahl der Mädchen durch das Herausfinden ihrer Vorlieben.
Was hatte meine Meinung geändert? War es die Offenheit von Brax gewesen? Oder die Angst vor einer Bestrafung durch Navarra? Ich war mir relativ sicher, dass ich kein Opfer einer Gehirnwäsche geworden war, aber andererseits wusste ich bestimmt noch nicht alles über die Fähigkeiten der Layphen. Was gab mir die Sicherheit, dass ich nicht doch manipuliert worden war?
Ana, die wohl die Zweifel in meinem Blick sah, fing diesen ein. „Hör auf, diese Monster zu verteidigen. Sie haben deine Großherzigkeit nicht verdient."
Zweifel stiegen in mir empor und stürzten sich auf Anas Worte wie halb verhungernde Raben auf die Kadaver anderer Tiere. Hatte Ana Recht? Hatte ich die Seite zu schnell gewechselt?
Langsam schüttelte ich meinen Kopf. Nicht die Erzählung von Brax hatte mich falsch beeinflusst, sondern die Vorurteile, die durch die neyischen Professoren in meinem Kopf gesät worden waren. Brax hatte mir die Wahrheit gesagt. Er hatte mir die unschönen Details verraten und mir eine andere Position dargelegt. Dies hatte zu der Bildung einer eigenen, selbstständigen Meinung geführt. Ich konnte nach wie vor nicht gutheißen, was die Layphen taten, aber ich sah ein, dass ihnen zum jetzigen Zeitpunkt keine andere Wahl blieb.
„Es tut mir Leid, Ana. Aber ich habe mir meine Meinung gebildet. Wenn du eine andere hast, dann muss ich dies leider hinnehmen."
Nun war es an dem Menschenmädchen vor mir, den Kopf zu schütteln.
„Ich weiß nicht, was sie mit dir gemacht haben. Aber bei mir haben deine Worte keine Veränderung ausgelöst. Ich will nicht...manipuliert oder was auch immer werden und für einen Fortbestand einer Art zu sorgen, die sich von Blut ernährt und junge Frauen ausnutzt. Dann möchte ich lieber sterben."
Ihre Entscheidung ließ mich frösteln und ließ leise Panik in meinen Adern kribbeln. „Ana. Tu doch bitte nichts, was du später bereust. Warte doch erst einmal ab. Lern sie kennen."
„Damit sie mir irgendwelche Lügen erzählen und mein Gehirn umpolen, so wie bei dir? Nein." Wieder schüttelte sie unwillig den Kopf, sodass ihre Haare hin- und her flogen. Sie griff nach meiner Hand und ich begegnete ihrem intensiven Blick. „Bitte hilf mir und bring mir ein Messer oder eine Scherbe oder sonst etwas." Die Entschlossenheit in ihren Augen flackerte. Ihre Stirn glänzte leicht, so, als ob sich ein Fieber in ihrem Körper bemerkbar machte. Eine leichte Übelkeit stieg in mir empor, als ihre kalte Hand meine wärmere berührte, doch die Empfindung rührte von der Vorstellung, ihr zu ihrem eigenen Tod zu verhelfen.
Langsam erhob ich mich von ihrem Bett, meine Finger glitten aus ihrem lockeren Griff. „Nein, Ana. Das werde ich nicht tun. Ich kann nicht, verstehst du? Ich kann dir nicht dabei helfen, dein Leben zu beenden." Ich schluckte.
Panik schlich sich in ihren Blick, während sie mich noch einmal bittend ansah. „Du weißt, was für ein Schicksal mir droht. Du warst es, die mir davon erzählt hat. Bitte nimm mir nicht die Wahl, über mein eigenes Leben entscheiden zu dürfen, bevor die Gelegenheit verstreicht und ich für immer in den Klauen dieser Monster gefangen bin."
„Es...es ist nur zu deinem Besten. Bitte, warte noch ein wenig. Wenn du dann immer noch bei demselben Entschluss verweilst, findest du sicher eine andere Gelegenheit. Überstürze so eine hastige Entscheidung nicht, es geht um dein Leben." Und verdamme mich bitte nicht zur Beihilfe an deinem Mord.
Tränen sammelten sich in ihrem Blick und ihre Unterlippe bebte, während sie mein Gesicht fixierte, das sich Schritt für Schritt von ihr wegbewegte. „Das kannst du nicht machen", wisperte sie. „Serena. Bitte."
Es war das erste Mal, dass sie mich von Angesicht zu Angesicht mit meinem Namen ansprach. Und es brachte mich beinahe dazu, meine Füße wieder zu ihrem Bett hinzubewegen und Ana bei dem Wunsch, Selbstmord zu begehen, doch behilflich zu sein.
Doch ich blieb standhaft, brachte mehr und mehr Entfernung zwischen uns und verließ das Zimmer. Mein letzter Blick galt dem zitternden und weinenden Mädchen, welches elfengleich und fürchterlich blass alleine und verloren wirkend auf ihrem Krankenbett zurückblieb, bis mir die zufallende Tür auch diesen Anblick raubte.
Auf dem Gang angelangt, lief ich wie betäubt in irgendeine Richtung. Mir war egal, wohin ich ging, ich wollte einfach nur Abstand gewinnen. Abstand zu dem Mädchen, das sich immer noch nichts sehnlicher wünschte als ihren eigenen Tod und Abstand von dem unerträglichen Gefühl der Schuld, die wie ein riesiger Felsbrocken auf meinen Schultern lastete.
Mit jedem Meter gewann ich an Entfernung zu dem Raum, dessen Fenster zu hoch waren, als dass sie sich hinausstürzen könnte und dessen Inhalt keine Utensilien barg, um sich ohne große Mühe wieder die Pulsadern aufzuschlitzen. Bis auf den Spiegel im Badezimmer vielleicht. Ich befahl meinem Unterbewusstsein, zu schweigen, doch Wunder über Wunder verweigerte es meinen Wunsch und belastete mich weiter mit kritischen Gedanken.
Ich vertraute darauf, dass Ana nun zu entkräftet und durcheinander war, um ohne meine Hilfe ihren Selbstmord in die Tat umzusetzen, aber ganz sicher sein konnte ich mir nicht. Ich musste schnellstmöglich einen Layphen suchen, der darüber Kenntnis besaß, was geschehen war und dafür sorgen konnte, dass jemand Ana im Blick behielt und sie von voreiligen Entschlüssen abhielt. Ich konnte sie gut verstehen – auch meine erste Reaktion war eine Flucht gewesen, als ich realisiert hatte, an welchem Ort ich hier gelandet war. Nur war meine Flucht räumlich lokalisiert gewesen, während sie keine andere Option besessen hatte, als den Sprung aus ihrem Leben zu wagen. Es war nun nicht alleine der innige Wunsch, meine Beihilfe an einem Mord zu verhindern, sondern der Gedanke daran, dass ich innerhalb der wenigen Tage, die ich nun hier verweilte, eine andere Sicht gewonnen hatte – und ich wollte Ana davon abhalten, den größten Fehler ihres jungen Lebens zu begehen.
Ich hätte mich am liebsten selbst neben dem Mädchen platziert und dafür gesorgt, dass sie keine Dummheit beging, doch ähnlich wie ich musste sie vermutlich selbst begreifen, dass die Layphen nicht ausnahmslos Dunkelheit und zwielichtige Absichten in sich trugen, sondern Gründe hatten, die sie zu ihrer Lebensweise bewogen. Eine ruhige Erklärung meinerseits hatte sie nicht überzeugt – welche nach meinem gestrigen Verhalten auch reichlich unglaubwürdig war, das musste ich ihr zugestehen – nun musste sie wohl oder übel gegen ihren Willen mit den Wesen in eine Konversation gelangen, die auch mir durch Brax' überschwängliches Verhalten aufgedrängt worden war und mich letztendlich zum Umdenken bewogen hatte. Wenn selbst dies keine Wirkung zeigen würde, dann würde sie wohl nichts oder niemand davon abhalten können, ihrem Leben ein Ende zu setzen. Aber dann konnte ich mir zumindest sagen, dass ich mein Möglichstes getan hatte, um dies zuvor zu verhindern.
Zu meinem Glück – oder zu meinem Unglück, je nachdem, wie man es sehen wollte, begegnete mir auf meiner kopflosen Flucht Dasyl, der sich ausnahmsweise mit sarkastischen Kommentaren zurück hielt. Ich hielt ihn mit einer Handbewegung auf und erklärte mit raschen Worten, was ich Ana erzählt hatte und wie ihre Reaktion ausgefallen war. Innerhalb weniger Herzschläge schlussfolgerte der Hüne, dass sie Ana unter Beobachtung stellen mussten und verschwand danach in Richtung des Krankenzimmers, ohne mir versichert zu haben, dass er sich darum kümmern würde. Aber das war auch nicht vonnöten, denn seine angespannte Mimik und die Ernsthaftigkeit in seinem Blick hatten es mir mitgeteilt – offenbar war auch für Dasyl der Spaß vorbei, wenn es um die Existenzsicherung seines Volkes ging.
Nicht eine winzige Sekunde dachte ich darüber nach, ob ich nun am Unterricht teilnehmen sollte. Nicht, weil Dasyl augenblicklich so oder so beschäftigt war, sondern weil ich keine Nerven dafür hatte, sinnlos am Rand zu sitzen und meinen Gedanken nachzuhängen – denn die Schuld an den verzweifelten Gedanken Anas trug nun mal ich. Und das war unwiderruflich.
Nach und nach ließ ich den Nebentrakt des schlossähnlichen Gemäuers hinter mir und trat auf den Hof, stets begleitet von den neugierigen Blicken der Layphen, die ich aus den Augenwinkeln wahrnahm. Erstaunlicherweise machten mir diese im Augenblick nichts aus, vielleicht auch, weil mich schwerwiegendere Dinge beschäftigten.
Als ich den kleinen Pfad an den Klippen entlang erreichte, war keine Layphenseele mehr zu entdecken. Ich war unglaublich froh, Brax nicht begegnet zu sein, denn der sommersprossige Layph mit dem flachsblonden Haar hätte mich vermutlich nicht ohne neugierige Fragen gehen lassen. Aber ich wollte mit niemandem sprechen, benötigte im Augenblick das Gefühl, für mich allein zu sein.
Der Gang hinunter zum Strand gestaltete sich nicht so schwierig wie beim letzten Mal, denn die Felsen waren weitestgehend trocken und nur an vereinzelten Stellen von der Meeresgischt feucht und somit rutschig. Als meine Zehen den kühlen und festen Sand berührten, atmete ich tief durch und sog die Luft in meine Lungen. Ich überwand die Distanz zum Meer mit wenigen, langen Schritten und genoss das Gefühl der Kühle des Wassers, die einen kleinen Kälteschock durch meinen Körper sandte. Endlich verstummten die Gedanken in meinem Kopf, wurden leiser und leiser, bis sie zu einem unverständlichen Murmeln am Rande wurden.
Eine kleine gefühlte Ewigkeit lief ich am Strand entlang und genoss die Stille, die lediglich durch einen seltenen Möwenschrei und der Brandung des Meeres unterbrochen wurde. Irgendwann blieb ich stehen und wandte mich in Richtung Horizont um. Der Umriss einer fahlen Sonne war kaum sichtbar hinter der hellen Wolkenschicht zu erkennen, die den Himmel bedeckte und grau färbte. Der auflandige Wind pfiff vom Meer her meine Haare nach hinten, blies sie aus meiner Stirn und liebkoste beinahe gewalttätig anmutend meine Wangen, die von der Kälte zu Glühen begannen.
Ich schloss meine Augen und meine Hand wanderte, bevor ich es merkte, zu meiner Brust, um die vertraute Form des Saphirherzens zu berühren, doch es begrüßte sie nur Leere und der weiche Stoff meines Oberteils. Ein leises Schniefen entwich mir und ich atmete tief durch, um mich zu sammeln und einen nervlichen Zusammenbruch zu verhindern. Ohne, dass ich etwas dagegen tun konnte, wanderten meine Gedanken zu Aryan, der mir in diesem Moment unendlich fehlte und dessen Umarmung mir den so dringend benötigten Halt gespendet hätte. Doch Aryan war nicht hier. Ebenso wenig wie Lilya. Die beiden fristeten ihr Dasein in unserem Zuhause, während ich mich hier wohl oder übel allein durchschlagen musste. Auch wenn ich wusste, dass ich keinesfalls ungerechtfertigt hier festsaß, es schmerzte dennoch, allein zu sein und meine Sorgen nicht wie sonst immer mit meinen Freunden teilen zu können. Ein verräterisches Brennen machte sich hinter meinen geschlossenen Augenlidern bemerkte und wieder holte ich tief Luft, bevor ich meine Augen öffnete und die Tränen zurück drängte.
Ohne einen klaren Gedanken zu fassen folgte ich meinem neyischen Instinkt, zog mein Shirt über den Kopf und ließ meine Hose zu Boden gleiten. Meine Unterwäsche folgte und so begrüßte ich nackt und wie die Natur mich erschaffen hatte das eiskalte Meer, welches nur allzu bald um meine Hüften spielte und an den ersten Strähnen meiner Haare zupfte.
Ich hätte meine Kleidung auch ohne Bedenken anlassen können, möglicherweise noch als Schutz gegen die Kälte des Wassers, doch mein Instinkt war in diesem Augenblick stärker und mein Körper benötigte das reine und unverfälschte Gefühl des Meeres auf jedem Zentimeter meiner Haut, um den Ballast und die bedrückende Stimmung abzuwerfen – selbst wenn es eine Gänsehaut produzierte und mich auskühlte. Vielleicht war es auch gerade dieses Stück Taubheit, das dafür sorgte, dass die Gedanken schwiegen und es war weniger Last, die ich abwarf sondern vielmehr Last, die die Kälte lähmte und benebelte.
Meine Fingerspitzen legte ich flach auf das unruhige Wasser und ich nahm wahr, wie die Wellen sich einen Weg über meine Handrücken bahnten. Ein Kribbeln stieg in meinem Körper auf, als ich immer weiter in das Wasser hinein watete und es schließlich einem eisigen Liebhaber gleich meine Brust streichelte und sich um meine ganze Gestalt schmiegte. Die Gedankenspirale in meinem Kopf kam gänzlich zum Stehen, als schließlich auch der letzte Rest meines Körpers im tiefen Blau verschwand und ich in die Welt abseits des Geschehens das mich belastete, eintauchte.
In mir kehrte Stille ein. Stille und Frieden.
Und die wunderbare und kühle Farbe um mich herum, die mir ein anderes Universum eröffnete welches neu und unbekannt war, nahm mich gefangen und war alles, was ich noch hörte und sah.
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