{ 37. Kapitel }
Das Herz schlug mir bis zum Hals und ich atmete hektisch. Meine Augen waren weit aufgerissen und saugten noch den kleinsten Lichtschimmer auf, der durch die zuckenden Blitze in mein Zimmer gelangte.
In einem unerbittlichen Griff hielt mein Angreifer meine beiden Handgelenke fest umklammert und drückte sie seitlich gegen die Wand, sodass sich mein rechter Arm eng gegen meinen Oberkörper schmiegte und beinahe schmerzhaft auf meine Brust drückte.
Beim nächsten Lichtflackern leuchteten goldene Augen vor mir auf, ein grünliches Strahlen schien ihn ihnen zu schimmern. Dunkle Haare zierten seinen Anblick - doch sein Gesicht war mir gänzlich unbekannt. Ich hatte damit gerechnet, nun Dasyl vor mir zu sehen, der mir ebendiese Situation ja beinahe angedroht hatte, doch ich hatte mich getäuscht. Instinktiv bewegte ich meinen Nacken fluchtsuchend ruckartig nach hinten und schlug ihn mir dumpf an der harten Steinwand an. Ein leises Stöhnen entfuhr mir, als der Schmerz wellenartig durch meinen Kopf schoss - offenbar war dieser nach meinem gestrigen Unfall noch leicht angeschlagen.
Mein Gegenüber verhielt sich still, starrte mich nur weiterhin an und hielt mich in seinem eisernen Griff gefangen. Möglicherweise war er in irgendeiner Art und Weise erstarrt? Ich beschloss, meine Chance zu nutzen, hob das Knie und - spürte, wie er im selben Moment sein Bein gegen meinen erhobenen Oberschenkel drückte und mich somit daran hinderte, meinen versuchten Befreiungsschlag auszuführen.
Ich ließ meinen Blick nach oben schnellen und erblickte das Aufschimmern seiner weißen Zähne in der fahlen Dunkelheit, beim nächsten Blitzschlag registrierte ich, dass sich seine vier Eckzähne zu kleinen Spitzen verformten, die Schlangenzähnen ähnelten. Ich zuckte zusammen, obwohl ich mich kaum bewegen konnte und ein leises Wimmern der Angst stieg in mir empor. Jetzt hatte ich die Situation vor Augen, vor der ich mich gefürchtet hatte, seitdem ich hier angekommen war: Ein Layph hatte mich in seiner Gewalt und seine Zähne befanden sich bereits gefährlich nah an meiner Kehle. Lähmende Panik drohte meinen Körper erstarren zu lassen, doch im letzten Moment riss ich mich zusammen. Ich konnte mir in dieser Situation keine Bewegungslosigkeit erlauben.
„Geh weg", brachte ich mit bebender Stimme hervor. Als Antwort verzog sich sein Mund nur zu einem Grinsen, und heißer Atem schlug mir ins Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen und atmete nur noch flach, den Kopf zur Seite zu drehen, wagte ich nicht, denn damit hätte ich dem Fremden nur noch besseren Zugriff auf meine Kehle ermöglicht.
„Ich werde nicht gehen", drang es plötzlich leise an mein Ohr, der unbekannte Körper presste sich nur noch enger an mich und mein Angreifer ließ seine Fingerspitzen langsam über mein Handgelenk streichen. „Ich habe lange auf deine Ankunft gewartet und nun bist du hier." Sein Atem strich über meine Kehle.
„Bitte, lass mich gehen", forderte ich ihn auf, bettelte beinahe, ein Frösteln überzog meinen Körper und ließ mich erzittern. Ein kleiner Geistesblitz drang sich in die Windungen meines Gehirns. „Bitte...ich stehe unter Navarras Schutz."
Das Lächeln des Fremden vergrößerte sich und verzog sein Gesicht zu einer Fratze. „Navarra interessiert mich nicht." Ein Schauder der Angst kroch meinen Rücken empor. Wenn Navarra kein Druckmittel war, was dann?
„Wieso nicht?", hakte ich nach, bemüht darum, an mehr Informationen zu gelangen. Ich wusste nicht, was er mit mir vor hatte, aber vielleicht verriet er etwas, dass mich ihn davon überzeugen lassen konnte, dass es besser für ihn war, mich gehen zu lassen.
„Das ist nicht relevant für dich." Ich begann, seine Stimme zu hassen. Sie hatte einen rauen Unterton, der an hartes Schmirgelpapier erinnerte. Obwohl ich mich darauf konzentrierte, meine Panik keine Überhand nehmen zu lassen, entfuhr mir dennoch wieder ein leises Wimmern und ich begann, mich wie wild zu bewegen, um frei zu kommen - natürlich ohne Erfolg. Sein Griff war so fest wie der einer Stahlzange und als Erwiderung drückte mir der Layph nur seine Fingernägel in die weiche Haut über meiner Pulsader. Ich sog scharf die Luft ein, als ein winziger, brennender Schmerz von der Stelle ausging und betrachtete beinahe hypnotisiert, wie er ebenjene Fingerspitze zu seinem Mund führte und einmal darüber leckte. Ein leichtes, deutlich hörbar genussvolles Stöhnen entfuhr ihm.
Hatte er gerade ernsthaft einen Tropfen meines Blutes von seinem Fingernagel abgeleckt? Übelkeit kroch meine Kehle empor und ließ Hitze in mir aufflammen, während meine Handflächen gleichzeitig schlagartig kalt und feucht wurden.
„Besser, als ich erwartet habe", sagte er leise und mehr zu sich selbst als zu mir. Mich schauderte es vor Ekel und ich bemühte mich noch einmal mit allen möglichen Mitteln darum, mich zu befreien, doch wieder übte er nur Druck auf mein Handgelenk aus, bis es höllisch schmerzte und ich beinahe spürte, wie das Blut aus der kleinen Wunde hervor quoll. „Pass auf, Hübsche, entweder du bleibst still und am Ende dieses ganzen Prozesses wirst du weitestgehend weiterleben können, oder aber...nicht." Wieder überzog ein fratzenhaftes Grinsen sein Gesicht und ein Blitz betonte die hervorstehenden Wangenknochen, während nächtliche Schatten die Konturen scharf abzeichneten.
Ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich weiterleben wollte, nach dem, was er mir antun würde. Pure Panik machte sich in mir breit und ich öffnete meinen Mund, um laut nach Hilfe zu schreien - etwas, das ich bereits viel früher hätte tun sollen. Doch der Fremde drückte mir die Hand auf die Lippen, bevor ich auch nur einen Mucks von mir geben konnte.
„Oh nein." Seine Augen blitzten gefährlich auf. „Das wirst du schön sein lassen, ansonsten..." Ich spürte, wie sein Fingernagel die malträtierte Stelle über meinem Puls noch einmal ankratzte. Trotz seiner Warnung versuchte ich, ihm in die Hand zu beißen. Ich musste ihm einfach entkommen, es war meine einzige Möglichkeit. Ich wollte mir gar nicht erst vorstellen, was er mit mir vorhatte, geschweige denn, es selbst erleben, doch trotzdem schlichen sich ekelerregende Bilder in meinen Kopf, in denen ich beinahe zu spüren meinte, wie sich seine Fänge in meinen Hals bohrten.
Ich schaffte es nicht, seine die Innenfläche seiner Hand mit meinen Zähnen zu erreichen, denn er hatte sie leicht gewölbt. Als ich schließlich ausversehen mit meiner Zunge über die salzig schmeckende Haut leckte, verzog ich mein Gesicht und schloss angeekelt und zugleich verzweifelt die Augen.
Im selben Moment spürte ich, wie er mich auf einmal mit Schwung von der Wand hinter meinem Rücken löste und mich quer übers Bett warf, das Gesicht in das weiche Kissen gedrückt. Als ich versuchte, meinen Kopf zur Seite zu drehen, übte der Layph Druck auf meinen Hinterkopf aus. „Versuch das und ich lass dich ersticken", drohte er mir und ich nickte einmal schwach. Er lockerte seine Hand, sodass der Druck schwand und ich schnappte nach der dringend benötigten Luft.
Der Fremde platzierte sich auf meinen Beinen, sodass diese komplett bewegungsunfähig waren und hielt mit seiner Hand meine Arme über meinem Kopf gegen den Bettpfosten gedrückt. Ich spürte, wie er irgendetwas darum wickelte, sodass er nun beide Hände frei hatte, ich jedoch gänzlich gefesselt war.
„Hübsche...", sprach er in einer beinahe zärtlich angehauchten Stimme. „Schön, wie du kooperierst." Ein heiseres Lachen stieg ihm empor, das beinahe wahnsinnig anmutete. In einer langsamen Handbewegung strich er die Flut meiner Haare von meinem Rücken zur Seite. Mich schauderte es bei dem Gedanken, dass sich ihm nun mein schutzloser Nacken präsentierte und er beugte sich vor und hauchte gegen meine kühle Haut. „Weißt du, eigentlich wollte ich nur mal wieder Blut trinken. Echtes Blut. Aber nun...da ich dich nun sehe...habe ich Lust auf etwas ganz anderes bekommen." Ich konnte die Erregung in seiner Stimme hören und nur mit Müh und Not unterdrückte ich ein gequältes Wimmern. Ich wollte nicht, dass er mein Blut trank, geschweige denn mich an intimen Stellen berührte. Meine Halskette bohrte sich scharf in meine Brust und ich blinzelte die aufsteigenden Tränen aus meinen Augen, als mir der Gedanke an Aryan kam. So ausweglos und irrsinnig mein Wunsch auch war, aber ich wünschte mir so sehr, dass er kommen und mich retten würde. Ich behielt den Blick seiner quecksilberfarbenden Augen fest vor meinem inneren Auge, als der dunkelhaarige Layph mit seinen Fingern mein Top hochzog, sodass mein Rücken frei lag. Lediglich das schmale Band meines BHs zierte nun noch meine Haut.
Eine einzige Träne rann in das Kissen unter mir, als ich seine widerwärtigen Fingernägel spürte, die langsam darüber glitten, beinahe einem zärtlich Liebenden gleich und die gierig über meinen Hintern strichen, als sie nach unten fuhren. „So...hübsch", murmelte er und ein kaum wahrnehmbarer, hoher Unterton drang in seiner erregten Stimme mit, die ihn wie einen Wahnsinnigen klingen ließ. Ich bewegte instinktiv meine Hände und versuchte, irgendwie frei zu kommen, um seinen ekelerregenden Berührungen zu entkommen, doch das Band war zu fest darum geschlossen.
Ich spürte, wie er sich vorbeugte und seine Lippen über meinen empfindsamen Nacken strichen und er mit seinen Zähnen darüber kratzte. Dabei bemerkte ich deutlich, wie sich seine wachsende Erregung gegen meinen Hintern drückte und wieder einmal erbebte ich vor Abscheu und Unbehagen. Ich versuchte noch einmal, meine Hände zu lösen und meinen Körper hin- und her zu werfen, doch ohne Erfolg. Das pure und schreckliche Gefühl absoluter Hilflosigkeit stieg in mir empor und breitete sich in den Winkeln meines Körpers aus wie pures, lähmendes Gift.
Plötzlich verdrehte er meinen Nacken so, dass sich meine Wange in das Kissen drückte und ich mit erstarrtem Blick und großen, blauen Augen in die Richtung der Balkontür schaute, bevor sich Strähnen seines Haares in mein Blickfeld schoben und ein beinahe moschusartiger Duft in meine Nase stieg, der die Übelkeit in mir wieder stärker empor trieb. Die Zähne des unbekannten Layphen fuhren immer näher in die Richtung meiner Halsschlagader und bevor ich mich aufhalten konnte, hatte ich einen lauten Hilferuf in die von Blitzen durchzuckte Nacht hinaus geschrien.
Augenblicklich lockerte er seinen klammerhaften Sitz auf meine Beine, entfernte sich von meinem Gesicht und drehte mich mit einem Ruck herum, bevor er seine Hand wieder auf meinen Mund drückte. „Ich sagte, sei still!", zischte er einer Schlange gleich und seine Augen funkelten in einem irren Goldgrün. „Ich habe dich gewarnt, aber du wolltest es ja nicht anders." Augenblicklich begann er ungeduldig, mein Top hochzuschieben, und als die Saphirkette ihm im Weg war, zerriss er sie kurzerhand mit einem lauten und unwilligen Knurren. Als das Top schließlich über meinem BH lag, fuhr er mit seinen langen Fingernägeln grob über die empfindsame Haut meines Bauches.
Die Kratzspuren brannten wie Feuer und ein Wimmern drang unter seiner Hand hervor, als ich die Augen schloss und Tränen meine Wangen hinab rannen. Das Fehlen des vertrauten Gewichtes der Kette raubte mir meine letzte Kraft. An einem schmatzenden Geräusch hörte ich, dass er wie zuvor seine Finger ableckte. Ich versuchte meinen Kopf zur Seite zu drehen, um nicht der Frontalheit seines verabscheuungswürdigen Blickes ausgesetzt zu sein, doch seine Hand war eisern und unerbittlich und erlaubte mir nicht einmal mehr diese Fluchtmöglichkeit. Mit jeder Sekunde hörte ich schließlich, wie sein Atem lauter wurde und er sich meinem Gesicht näherte. Beinahe tastend fuhr er mit seiner Nase über meine Wange und schien an mir zu schnuppern, während er seinen Unterleib an meinem rieb. „Mhmmm."
Plötzlich spürte ich die scharfen Kanten seiner Zähne an meinem Hals. In einem letzten Versuch, meinem Schicksal zu entgehen, warf ich meinen Kopf zur Seite, doch anstatt seinen Biss damit hinauszuzögern, hatte ich durch meine plötzliche Bewegung bereits die Zähne in meine Haut getrieben. Die messerscharfen Fänge bohrten sich in meinen Hals und setzten augenblicklich einen brennenden Schmerz frei.
Plötzlich wurde das Gewicht mit einem Mal von meinem Körper gerissen und auch sein Mund löste sich ruckartig von meiner Haut. Im selben Moment erklang ein dumpfer Knall.
Binnen eines Wimpernschlages riss ich die Augen auf und nahm das Geschehen um mich herum wahr. Im silbrigen Licht eines Blitzes hielt eine zweite Gestalt mit ebenso silbrig schimmernden Haar in meinem Zimmer meinen offensichtlich benommenen Angreifer fest und drückte ihn gegen die Wand. Offenbar hatte er ihn nur einen Moment zuvor gegen die kalte Steinmauer geworfen. Als sich der dunkelhaarige Layph aufrappelte, packte ihn der Fremde an der Kehle und zerrte ihn auf den Balkon. Mit einer beinahe übermenschlich wirkenden Kraft warf er ihn über das Geländer und ein heiserer Laut erklang, der leise verhallte.
Wenige Sekunden verstrichen, in denen nur das ferne Donnergrollen und das stetige Prasseln des Regens mein Zimmer erfüllte - zwei Geräuschkulissen, die nach dem grausamen Geschehen dennoch zu laut zu tönen schienen. Dann drehte mein Retter mit dem silbrigen Haar ruckartig seinen Kopf zurück zu mir und schien sich augenscheinlich nicht sicher zu sein, was er nun tun sollte. Nach einigen zögerlichen Momenten drehte er sich um und starrte über das Geländer hinaus auf das tosende Meer. Er schien mit sich zu ringen, doch dann wandte er sich erneut um und ging langsam zurück über den kleinen Balkon, bis er mein Zimmer betrat.
Rasch rappelte ich mich auf und drückte mir die Hand auf die blutende Kehle, nachdem ich mein Top nach unten gezerrt hatte. Mein Pulsschlag hämmerte laut. Panisch kroch ich an das Kopfende meines Bettes, weg von demjenigen, der mich zwar gerade gerettet hatte, aber dessen Augen golden im Licht der Blitze aufleuchteten, ebenso wie es diejenigen meines Angreifers getan hatten.
Der fremde Layph mit dem hellen Haar blieb augenblicklich stehen, das Gesicht mir zugewandt. Sein leiser Atem war das einzige Geräusch, welches ich noch von ihm vernahm, dann drehte er mir, begleitet von einem kleinen Kopfschütteln, den Rücken zu und bewegte sich wieder von mir weg. Als er beinahe den Balkon erreichte hatte, drang ein einzelnes Wort über meine Lippen.
„Warte."
Mein schmerzhaft pochender Hals schien mich nachträglich warnen zu wollen, doch wieder einmal war mein Mund schneller gewesen als mein Kopf. Der Layph machte zwar keine Anstalten, sich zu mir umzudrehen, doch er verharrte an Ort und Stelle einer Statue gleich. Wenige Sekunden vergingen in der tönenden Stille des Unwetters draußen, dann durchzog ein kleiner Ruck seine breiten Schultern.
„Was?" Das Wort erklang fragend in meinem Zimmer, füllte den Raum aus, obwohl er es nur leise aussprach, mit einer Stimme, die einem tiefen Bariton glich.
„Danke dass... Du mich gerettet hast", brachte ich stockend hervor und biss mir auf die Unterlippe, denn mit diesem Satz brach die Erinnerung an das zuvor Geschehene wieder durch meine Gehirnwindungen und ließ mich das Grauen noch einmal durchleben. Ein beinahe gänzlich unbekannter Geruch drang an meine Nase, doch binnen eines Wimpernschlages registrierte ich, dass es mein Blut war, das leicht metallisch roch und an meinen Händen klebte. Einmal mehr stieg Ekel in mir empor und ich presste meine Finger noch stärker auf die Wunde, als könnte ich so verhindern, dass mir der Duft in die Nase kroch.
Ein trockenes Schluchzen brach aus meiner Kehle hervor und der Fremde, dessen Schritte sich unterdessen wieder von mir entfernt hatten, stockte wieder, bevor er sich schließlich zu mir umdrehte und mir eine weitere Frage stellte, meinen Dank gänzlich ignorierend.
„Hat er dich gebissen?"
Ich bewegte meinen Kopf ein winziges bisschen auf und ab, war zu keiner Antwort mehr in der Lage. Dann hörte ich seine Schritte im nebenan gelegenen Badezimmer stoppen, doch binnen einer Minute wieder in meinem Zimmer erklingen.
„Hier. Nimm das." Er reichte mir ein weiches Tuch, das an einer Ecke großflächig angefeuchtet war und seine Fingerspitzen streiften gänzlich unvorhergesehen meine, denn ich hatte meinen Kopf gesenkt und war tunlichst darum bemüht, die Übelkeit zurückzudrängen, die in mir empor stieg, wann immer ich meinen eigenen Blutgeruch wahrnahm.
Ich zuckte ob der Berührung einmal zusammen, dankte ihm jedoch mit einem erneuten, kleinen Nicken und wusch mir vorsichtig das Blut von meinem Hals, bevor ich auch meine Hände säuberte.
„Ich werde es für dich entsorgen", teilte mir die Baritonstimme meines Retters mit und ich reichte ihm mit spitzen Fingern das besudelte Handtuch. Der ekelerregende Duft meines Blutes hing zwar immer noch in der Luft, doch mit jedem Moment wurde er schwächer, bis ich wieder durchatmen konnte, ohne Galle zu schmecken.
„Jetzt muss ich dir schon für zwei Dinge danken", krächzte ich heiser und räusperte mich im Anschluss. Ich hob meinen Kopf und nahm den fremden Layphen vor mir erst jetzt bewusst wahr. Das Haar, das silbrig schimmerte, hatte ich im Licht der Blitze fehlgedeutet, denn es war von seinem sanfteren Ton und wirkte nun beinahe golden. Markante Augenbrauen betonten sein Gesicht und verliehen ihm einen finsteren Ausdruck, der jedoch zugleich entschlossen wirkte.
„Keine Ursache", ging er auf meine Worte ein, ohne seine grimmige Miene abzulegen. Er zögerte kurz. „Kann ich dir sonst noch irgendwie behilflich sein?"
Erst wollte ich mit dem Kopf schütteln, doch dann deutete ich zu meiner Balkontür. „Kannst du die schließen? Ich..."
„Schon gut", unterbrach er mich, durchschritt das Zimmer und folgte meiner Aufforderung. Nachdem er die Tür fest ins Schloss gedrückt hatte, verklang der Donner zu einem dumpfen Hintergrundgeräusch. Ich zog die Beine an meine Brust und umschlang sie mit meinen Armen, bettete dann meinen Kopf auf die Knie, während mein Retter links von mir sich gegen die Glasscheibe meiner Balkontür lehnte. Mir wurde bewusst, dass ich nun mit ihm allein war und mich freiwillig mit ihm hatte einsperren lassen, nein, ihn sogar noch dazu aufgefordert hatte. Sollte ich nicht nun Panik vor allen Layphen empfinden, nachdem sich meine Angstvorstellung bewahrheitet hatte?
Ich schluckte und spürte schmerzhaft die vier Wunden an meinem Hals, als würden sie durch meine unheilvollen Gedanken nur noch stärker brennen. Doch bei dem Gedanken daran, nun alleine in meinem Zimmer zu sein, bemerkte ich augenblicklich, wie meine Handflächen wieder feucht wurden und die Angst in mir empor kroch, bis ich mich zusammenrollen wollte wie ein kleines Kind, das nach Schutz suchte.
Ich schob meine Gedanken fort und hörte auf mein Gefühl. Und das sagte mir ganz deutlich, dass ich im Augenblick lieber mit dem Layphen eingesperrt sein wollte, der mich gerettet hatte, als einsam darauf zu warten, dass das Ungeheuer zurück kehrte und die Sache beendete.
„Wie heißt du?", fragte ich ihn leise und unwillkürlich, doch dennoch drang meine Stimme laut durch den Raum.
Ich hörte es rascheln, als er sein Gewicht ein wenig verlagerte. „Cyrion."
Ich wartete auf eine entsprechende Gegenfrage, doch diese blieb aus.
„Interessiert dich mein Name nicht?"
„Jeder an dieser Akademie weiß bereits, wie du heißt, Serena Summers", drang seine gemurmelte Antwort an mein Ohr. Nicht jeder, dachte ich beklommen und schloss die Augen, als ich mich an den Namen erinnerte, den mein Angreifer mir verpasst hatte. Hübsche. Ich schauderte und schlang meine Arme noch fester um meine Knie.
„Woher wusstest du, dass ich hier oben war? Mit...ihm."
„Ich...konnte nicht schlafen und habe mir deshalb ein wenig die Beine vertreten. Ich habe einen Schatten gesehen, dann deinen Schrei gehört", entgegnete Cyrion zunächst zögerlich und dann schroff und ich bewegte meinen Kopf zu seinen Worten auf und ab, als würde ich bestätigen, was er sagte, obwohl ich doch in Wahrheit keine Ahnung hatte, wie er von dem Angriff Wind bekommen hatte.
Ich wandte meinen Kopf nach links und sah zu ihm hoch. Ein weiterer Blitz enthüllte eine Narbe an seiner Schläfe. „Danke...Cyrion. Ohne dich..."
„Ist schon gut. Ich konnte Sakras noch nie leiden. Nach diesem Vorfall wird er von der Akademie geschmissen, also gibt es einen verrückten Idioten weniger hier."
Zum ersten Mal erfuhr ich den Namen meines Angreifers und wieder rieselte ein kalter Schauder meine Wirbelsäule hinab. Sakras. Ein bitterer Beigeschmack legte sich auf meine Zunge. Fragen brannten auf meiner Seele, Fragen, die sich vor allem um Sakras drehten. Doch ich stellte sie nicht, denn jedes Mal, wenn ich auch nur an sein Gesicht dachte, begann mein Körper, unterschwellig zu zittern, sodass meine Zähne leicht aufeinander schlugen.
Einige Minuten in Stille vergingen, lediglich das Geräusch von Cyrions leisem Atem erfüllte das Zimmer, dieses Mal jedoch nicht untermalt von den Geräuschen des Regens. Meine Anspannung fiel nach und nach von mir ab, auch wenn mein Kopf schmerzte, mein Bauch brannte und mein Hals deutlich spürbar an den Wunden pulsierte. Dennoch ertappte ich mich dabei, wie mir hin und wieder die Augen zu fielen, denn die Anstrengungen des Tages waren nicht spurlos an mir vorbei gegangen. Wann immer sich jedoch Dunkelheit über meine Lider senkte, blitzten die Bilder des Angriffs in mir empor und ich spürte die scharfen Fingernägel, die kratzend über meine Haut glitten, woraufhin ich wieder hochschreckte.
Cyrion sprach kein einziges Wort mehr zu mir. Er erkundigte sich nicht nach meinem Wohlbefinden.
Ich wusste, dass er mitbekam, wie ich stets halb einnickte und dann wieder hochschreckte, doch er hielt an seinem Schweigen fest.
Irgendwann - ich konnte nicht sagen, wie viel Zeit vergangen war - stieß er sich von meiner Balkontür ab. Aus den Augenwinkeln bekam ich zutiefst erschöpft mit, wie Cyrion seine Hand auf die Klinke legte, doch er zögerte und ließ sie dann wieder sinken. Mit einigen wenigen Schritten durchquerte er danach den Raum und öffnete meine verschlossene Zimmertür.
Dieses Mal hielt ich ihn nicht zurück, als er durch die Tür verschwand.
Und Cyrion zögerte nicht, als er die Tür hinter sich zu zog und sich seine Schritte leise hallend entfernten.
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