{ 16. Kapitel }
„Serena, hast du uns zufälligerweise was zu sagen?" Mit vor der Brust verschränkten Armen schaute Lilya mich eindringlich an.
Mit der rechten Hand schloss ich die Tür zu unserem Zimmer hinter mir, dann begab ich mich auf mein freies Bett – auf dem anderen hatten sich bereits meine beste Freundin sowie Niasura niedergelassen.
Betreten senkte ich meinen Kopf und begann, auf meiner Unterlippe herum zu kauen. „Möglicherweise habe ich Mist gebaut..."
„Ach, echt?" erwiderte Niasura provozierend und wechselte einen nur schwer zu deutenden Blick mit Lilya. „Hat dieser Mist eventuell etwas mit einer anderen, sehr guten Freundin von uns zu tun?"
Ein Seufzer entfuhr meinen Lippen und ich zuckte hilflos mit den Schultern. Dann ließ ich meinen Blick zu den beiden hochschweifen und sah sie vorwurfsvoll an. „Wenn ihr eh schon wisst, was passiert ist, dann quält mich hier bitte nicht mit euren Andeutungen."
Unisono zogen die beiden eine Augenbraue hoch und musterten mich skeptisch. Dann seufzte Lilya. „Also gut, Sea. Kannst du uns bitte erklären warum Ayala uns in Tränen aufgelöst entgegenkam, an uns vorbei gerannt ist und sich seitdem in ihrem –" Ich hörte, wie Niasura kurz einwarf: „Und in meinem!" „– Zimmer verbarrikadiert?"
Jeglicher Vorwurf verschwand aus meinem Blick, ich fühlte mich einfach nur noch mies. Die Freude und Unbeschwertheit, die ich aufgrund des Treffens mit Aryan empfunden hatte, hatte sich spätestens jetzt verflüchtigt.
„Wir haben laut an ihre Tür geklopft, aber keine Antwort bekommen. Sie hat nur irgendwann diesen Zettel unter der Tür durch geschoben." Lilya zog ein winziges Blatt Papier hinter ihrem Rücken hervor. Ich stand auf, durchmaß den Raum mit wenigen Schritten und schnappte es mir.
‚Lasst mich in Ruhe und wendet euch an Serena', teilte mir ihre ordentliche Handschrift mit.
Ich ließ mich wieder auf mein Bett zurückfallen, zog meine Knie an meiner Brust und holte tief Luft.
„Das ist eine total blöde Geschichte. Ich schätze, ich bin nicht ganz unschuldig, aber Milo... egal, ich fang einfach an."
Wieder wechselten Lilya und Nia einen vielsagenden Blick. „Wir haben uns schon gedacht, dass es um Milo geht", meinte Nia. „Aber nun hast du unsere Befürchtungen auch noch bestätigt...egal, schieß einfach los."
Ich nickte und erzählte ihnen exakt dieselbe Geschichte, die ich auch Aryan erzählt hatte. Ich schmückte sie jedoch mit mehr Details aus, immerhin waren weder Lilya noch Niasura eifersüchtig auf den Kerl und außerdem besser mit Ayala befreundet. Des Weiteren wollte ich, dass sie wirklich verstanden, warum ich so gehandelt hatte.
Als ich fertig mit meiner Erzählung war, lehnte sich meine Kobold-Freundin erschöpft gegen die Wand hinter ihr und blies ihre Wangen auf. „Puuuuh. Das ist echt schwierig. Aber was ist Milo bitte für ein notgeiler Mistkerl?!", empörte sie sich.
Ich nickte bekräftigend, froh, dass sie meine Meinung teilte. „Du sagst es!"
„Und Yal hat dir echt erzählt, dass sie sich in ihn verliebt hat? Sie ist doch sonst nicht so offen", kam es von Lilya.
Ich vergrub unglücklich das Gesicht in meinen Händen und bewegte meinen Kopf auf und ab.
„Naja, theoretisch war das, was im Wasser passiert ist ja, bevor sie dir von ihren Gefühlen erzählt hat. Deshalb kann sie dir eigentlich keine Vorwürfe machen", überlegte Lilya.
„Aber Serena hat ihr doch gesagt, dass im Wasser gar nichts zwischen ihr und Milo war. Sie hat sie also praktisch angelogen, schließlich hat Ayala das, was wirklich passiert ist, ja von Milo gehört", warf Niasura ein.
„Stimmt", musste Lilya niedergeschlagen zugeben. „Aber im Endeffekt ist das, was in der Umkleide gelaufen ist, ja noch viel schlimmer für Ayala. Sie wird dir nur schwer glauben, dass du ihn nur geküsst hast, um irgendwie aus der Situation zu fliehen. Immerhin wusste sie ja, dass Serena und ich uns vorher schon mit Milo und Nyle am See hatten treffen wollen. Sie wird dir niemals glauben, dass du dich nicht zu ihm hingezogen fühlst."
Ich vergrub mein Gesicht wieder in meinen Händen, nachdem ich den beiden aufmerksam zugehört hatte und mein Blick dabei von Lilya über Niasura wieder zu Lilya geglitten war. Was hatte ich bloß schon wieder angestellt?
„Hätte Ayala nur mal früher was gesagt. Dann hätten wir dieses Date am See gar nicht erst geplant und Milo hätte niemals gedacht, dass ich mich ernsthaft für ihn interessieren würde", stöhnte ich dumpf unter meinen Handflächen hervor.
Ich spürte, wie meine beiden Freundinnen aufstanden und sich neben mir aufs Bett setzten. Mitfühlend glitt Lilyas Hand über meine Schulter und meinen Rücken und ich seufzte laut auf.
„So ist sie nun mal nicht", sagte Niasura leise. „Sie hat dir heute echt den größten Beweis überhaupt ihres Vertrauens geschenkt und du..."
„Ja, ich habe ihn mit Füßen getreten, ich weiß", entgegnete ich mit einer leidend klingenden Stimme.
Eine Weile lang sagte niemand etwas, ich spürte nur, wie sich Lilyas Hand kurz anspannte und ich vermutete, dass sie Niasura einen vorwurfsvollen Blick schickte. Manchmal war ihre Ehrlichkeit wirklich schwer zu verdauen.
Irgendwann hob ich meinen Blick. „Was können wir - was kann ich - nur tun, um das wieder gerade zu biegen?"
Lilya und Nia blickten mich ratlos an und zuckten beide mit den Schultern.
Nach ein paar schweigsamen Augenblicken, meldete sich schließlich Lilya zu Wort. „Du solltest versuchen, mit ihr zu reden und ihr die ganze Sache in Ruhe zu erklären. Normalerweise überstürzt sie ihre Reaktionen nicht so und sie ist auch nicht nachtragend. Ihr kriegt das sicher wieder hin."
Zweifelnd musterte ich sie. „Meinst du?"
Sie zuckte mit den Schultern und Niasura antwortete mir. „Sie wird dir sicherlich verzeihen können, aber was das Vertrauen anbelangt..."
Ich zuckte getroffen zurück, ihre Worte waren hart gewesen, aber leider nur zu wahr. Niasura entschuldigte sich mit einem Blick bei mir, aber ich wusste, dass sie die Worte nicht zurücknehmen würde, selbst wenn dies möglich wäre. Wir alle schätzten sie für ihre ehrliche und direkte Ader, aber manchmal...naja. Waren die Konsequenzen schwer zu ertragen.
„Übrigens Sea, wo warst du eigentlich so lang? Und, nimm es mir nicht übel, aber was hast du mit deinen Haaren angestellt? Und warum ist meine Bluse so dreckig?" fragte mich Lilya schließlich und blinzelte mich verwirrt an.
Ups.
Ich senkte verlegen meinen Blick. „Naja, wie soll ich sagen, ich hatte heute mein Gespräch mit Aryan."
Lilya riss überrascht ihre Augen auf und setzte zu einer weiteren Frage an, als sie Niasura unterbrach.
„Moment mal, welches Gespräch?" Prüfend musterte sie uns und Lilyas fragender Blick fiel auf mich. Ich zuckte die Schultern als Antwort und begann, sie darüber aufzuklären, was sich gestern alles ereignet hatte. Früher oder später würde sie die ganze Sache ja eh erfahren, außerdem gehörte sie zu meinen engsten Freundinnen.
„... und jetzt werde ich nach meinem zwanzigsten Geburtstag seine Sýntrofa, ja", schloss ich nach einer langen, ausschweifenden Rede.
Niasura blickte mich aus großen, grauen Augen an und war offenbar noch dabei, meine Worte zu verarbeiten, während Lilya eine Kerze auf meinem Nachttisch anzündete – die Sonne war mittlerweile schon fast ganz verschwunden.
„Moment mal, das...wow. Echt? Aber...wie..und...krass."
Jap, sie war definitiv noch mittendrin.
Lilya unterbrach ihr Gestammel schließlich ungeduldig. „Was war denn jetzt heute?"
„Achso, ja. Also Aryan hat neben Ayala gewartet und die ganze Sache mit Milo sozusagen auch live miterlebt. Daraufhin ist er ebenfalls abgehauen und ich bin ihm hinterher gerannt. Er hat mich zu eurer Höhle geführt." Mein Blick schweifte zu Nia, die mir aufmerksam zuhörte und offenbar die anderen Neuigkeiten so halbwegs verdaut hatte. „Dort bin ich dann irgendwann in so einen finsteren Nebenweg gegangen und –"
„Moment, aber du fürchtest dich doch im Dunkeln?", unterbrach mich Lilya. „Und dann gehst du freiwillig in so eine stockfinstere Gruft?"
„Naja, Aryan war in dem Moment irgendwie wichtiger als meine Angst", gab ich mit dem Hauch eines Lächelns zurück. „Aber glaub mir, in Gedanken habe ich ihn so oft verflucht!"
Diese Aussage brachte die beiden Neyinnen vor mir zum Kichern. Schön, dass sie wenigstens noch kichern konnten, mir verdarb die Sache mit Ayala immer noch die Laune. Aber andererseits war ich ja auch die Hauptverantwortliche – im Grunde genommen hatten Lilya und Niasura nicht wirklich viel damit am Hut. Ich konnte mich generell glücklich schätzen, dass die beiden jetzt bei mir waren und meiner Geschichte gelauscht hatten – wenn Ayala ihnen ihre Geschichte zuerst erzählt hätte, hätte es gut sein können, dass alle drei die nächsten paar Tage kein Wort mit mir geredet hätten.
Als sich meine Freundinnen etwas beruhigt hatten, sprach ich weiter. „Auf alle Fälle war ich kurz davor, total in Panik zu geraten und umzudrehen, aber dann hab ich diesen Pfiff gehört. Dem bin ich dann gefolgt und kurz darauf in einen Gang gekrochen, der versteckt an der Höhlenwand lag. An der Seite hab ich dann so Einkerbungen gefunden, an denen ich hochgeklettert bin und dann hat mich Aryan auf einmal hochgezogen. Er saß da versteckt in einem kleinen Loch und hat sich köstlich darüber amüsiert, dass ich mich so erschrocken habe."
Lilya begann wieder, zu kichern und Niasura wackelte vielsagend mit ihren Augenbrauen. „Er hat dich ernsthaft in die Kussgrotte geführt?"
Verwirrt blinzelte ich sie an. „Kussgrotte?"
„Ja, Kussgrotte! Da schleppen Oreaden oft ihre Angebeteten hin, weil es einfach so eng dort oben ist. Man kann sich kaum da oben aufhalten, ohne zu kuscheln."
Ich musterte sie grinsend. „Sprichst du aus Erfahrung, meine Liebe?"
Niasura lief leicht rot an und stammelte etwas Undeutliches vor sich hin, dann bedeutete sie mir mit einer verlegenen Handbewegung, fortzufahren.
„Auf jeden Fall haben wir uns in der Kussgrotte ausgesprochen und die Sache mit uns ist jetzt wohl amtlich. Wir wollen auf jeden Fall nicht verstecken, dass wir jetzt zusammen sind, aber die Sýntrofa-Sýntrofo-Sache wollen wir erst einmal für uns behalten. Glaube ich zumindest...darüber haben wir nicht wirklich geredet." Verwirrt runzelte ich die Stirn, offenbar hatten wir doch noch nicht alles geklärt.
Ich beendete meine Erzählung und sah die beiden Neyinnen aufgeregt an. „Und, was sagt ihr dazu?"
"Immerhin weiß ich nun, warum meine Bluse so dreckig ist", grinste Lilya. Dann verschränkte sie aber die Arme vor der Brust und schaute mich herausfordernd an. „Hast du nicht noch was vergessen?"
Ich kratzte mich nachdenklich am Hinterkopf. Sie konnten nur das wissen, was ich ihnen erzählt hatte und das hatte ich aufs Wesentliche beschränkt. Erstens, weil uns aufgrund der Uhrzeit nicht mehr so viel Zeit zum Reden blieb, und zum anderen, weil ich nicht alles haarklein erläutern wollte. Lilya sah mir offenbar an, dass ich keinen Schimmer hatte, was sie von mir wollte und stieß ungeduldig die Luft aus, während sie ihre Arme in die Höhe warf.
„Herrgott, Sea! Manchmal denke ich echt, du weißt nicht, was in meinem Kopf vorgeht."
Das dachte ich allerdings auch.
„Ich – wir – wollen wissen, ob ihr euch geküsst habt!"
Achso. Na, das hätte ich mir auch gleich denken können.
Mit einem kurzen Blick zu Nia versicherte ich mich, dass sie tatsächlich auch an diesem Detail interessiert war. Sie nickte heftig.
„Also naja...ja."
„Ja, was?" fragte mich Lilya.
„Ja, haben wir!"
„Oh mein Gott, ihr habt euch echt geküsst?!"
Ich verdrehte die Augen und musste dann kurz lachen. „Ja!"
War es nicht das gewesen, was die beiden erwartet hatten? Wenn ich mir ihre ungläubigen, aber amüsierten Gesichter ansah, dann war ich mir nicht mehr ganz so sicher.
„Naja, es heißt nicht umsonst Kussgrotte...", warf Niasura ein und Lilya grinste sie an, bevor sie ihren waldgrünen Blick auf mich richtete.
„Tut mir Leid Sea, das hätte mich nicht so überraschen sollen. Aber...ich weiß nicht. Ich dachte wirklich, ihr empfindet nur Freundschaft füreinander."
„Das dachte ich auch...", meinte ich leise und rief mir den Kuss zurück in Erinnerung.
Nein, das war definitiv nicht nur freundschaftlich gewesen! Ich spürte, wie eine verräterische Hitze in meine Wangen kroch.
„Oh mein Gott, und es hat dir gefallen! Mein Gott Sea, so hab ich dich echt noch nie gesehen!", quietschte Lilya begeistert und drückte mir einen übermütigen Schmatzer auf die Wange. „Ich freu mich für dich", flüsterte sie leise in mein Ohr und zog mich einmal an sich.
Mein Herz drohte, vor warmen Gefühlen überzulaufen. Ich wusste, dass Lilya nicht unbedingt in Aryan verliebt gewesen war, aber dass sie doch mehr für ihn empfunden hatte und stets bewundernd zu ihm aufgesehen hatte. Umso mehr bedeutete es für mich, dass sie unsere...Beziehung akzeptierte.
Ich schenkte ihr ein liebevolles Lächeln, bevor ich spürte, wie mich auch Niasura einmal umarmte. Dann sah mich die zierliche Oreade ernst an. „Ich reiß dich ja nur ungern von deinem Höhenflug runter, aber vergiss bitte Ayala nicht. Bitte rede gleich morgen mit ihr, ich möchte nicht, dass sie in ihrem Irrglauben bleibt."
„Natürlich", versicherte ich ihr. „Am liebsten würde ich gleich heute noch mit ihr reden, aber ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee ist..."
„Wahrscheinlich nicht", stimmte mir Lilya zu, „Eine Nacht über die Sache zu schlafen, bringt meistens schon Klarheit in die ganze Angelegenheit. So hat sie auch etwas Zeit, sich zu beruhigen."
„Ich hoffe nur, dass sie mich wieder in unser Zimmer lässt", warf Nia ein und seufzte. „Ayala ist die letzte von uns, die es verdient hat, dieses Gefühlschaos durchzumachen."
Wir stimmten in ihre Seufzer ein, sie hatte so Recht. Wenn ich könnte, würde ich am liebsten alles rückgängig machen. Die liebe, freundliche, für alle ein offenes Ohr habende, Geheimnisse bewahrende und einfühlsame Ayala hatte diesen ganzen Mist wirklich nicht verdient. Ich hoffte wirklich, dass sie mir Morgen zuhören würde und mir vielleicht sogar verzeihen könnte.
Niasuras Blick schweifte zum Fenster. „Ich sollte nun gehen, bald beginnt die Sperrstunde. Außerdem möchte ich Yal in ihrem Zustand so auch nicht allein lassen. Nachher stellt sie noch irgendetwas Blödes an."
Lilya und ich nickten verständnisvoll und verabschiedeten unsere kleine Kobold-Freundin mit einer herzlichen Umarmung. Nia öffnete die Tür und blieb kurz stehen. „Wünscht mir Glück", sagte sie und wir zeigten ihr unsere gedrückten Daumen. Dann ging unsere Freundin und schloss die Tür wieder hinter sich.
Einen Moment lang blieb es still, Lilya und ich hingen beide unseren Gedanken nach.
Ich durchbrach die Stille. „Danke."
Verwundert schaute mich meine beste Freundin an, während sie sich auf ihr Bett sinken ließ. „Wofür, Sea?"
„Dafür, dass ihr mir geglaubt habt. Ich hätte auch ganz alleine da stehen können", erwiderte ich und zog eine kleine Grimasse.
Lilya lächelte mich aufmunternd an. „Wir wissen doch, wie Milo ist. Wie konnten wir dir da nicht glauben? Außerdem wissen wir, dass du manchmal, übermütig wie du bist, über das Ziel hinausschießt, aber das du niemals absichtlich jemanden verletzen würdest, der dir am Herzen liegt."
Mir stiegen beinahe schon wieder die verdammten Tränen in die Augen, so gerührt war ich. „Danke, Lil", schniefte ich. Man konnte sich wirklich keine besseren Freundinnen wünschen.
„Aber –" Lilya hob mahnend ihren Zeigefinger. „– solltest du jemals behaupten, dass Aryan so einen Mist abzieht, dann werde zumindest ich dir nicht glauben. Er ist nämlich viel zu perfekt dafür."
Ihre Aussage ließ ein Grinsen über mein Gesicht huschen. „Schon klar, keine Sorge. Und ich bin mir sicher, dass du - wenn du meine Lüge dann aufgedeckt hast -, dich auch liebend gern bereit erklärst, Aryan zu trösten wenn er wegen der Sache traurig sein sollte?"
„Aber selbstverständlich!" erwiderte sie großspurig und kicherte. Dann bemerkte ich, wie sie wieder ernst wurde. „Mal ehrlich, Sea. Du weißt gar nicht, was du für ein Glück hast. Du hast dir wohl den tollsten Neyen an der ganzen Akademie geangelt, der zudem noch super verständnisvoll ist. Außerdem musst du dir nun nicht einmal mehr Gedanken über deine Zukunft machen, denn es ist jetzt schon klar, an wessen gutaussehender Seite du diese verbringen wirst. Verbock es bitte nicht, okay?"
Ich lächelte Lilya an. „Keine Sorge."
Während wir uns nun bettfertig machten, erfüllte hin und wieder unser Geplapper den Raum. Mit halbem Ohr bekam ich mit, wie meine beste Freundin mir von ihrem anstrengenden Dryaden-Tag erzählte, aber meine Gedanken glitten in eine ganz andere Richtung. Sie hatte Recht mit allem, was sie gesagt hatte. Tatsächlich hatte ich nun den perfekten Freund an meiner Seite, der meiner Meinung nach immer noch mit einer Person zusammen war, die ihn absolut nicht verdiente. Und ja, ich hatte eine sichere Zukunft, über die ich keine weiteren Sorgen verschwenden musste. Selbst im Unterricht musste ich mich theoretisch nicht mehr anstrengen, denn Wächterin würde ich vermutlich nicht mehr werden können. Aber eben dieser Grund bereitete mir widerwilliges Kopfzerbrechen. Wollte ich überhaupt eine dermaßen rosige Zukunft, in der bereits alles vorherbestimmt war? Wollte ich nicht lieber für die Natur kämpfen, als mein Leben meinem Gefährten zu widmen?
Aber dieser Gefährte ist immerhin Aryan, dachte ich. Und selbst wenn ich mir persönlich eine andere Zukunft vorgestellt hatte...er ist es wert, dass ich diese Gedanken nach hinten schiebe.
Als wir schließlich in unseren Betten lagen, spürte Lilya wohl, dass ich nicht ganz bei der Sache war. In der mondbeschienenen Dunkelheit spürte ich ihren prüfenden Blick auf mir ruhen.
„Sea? Was ist denn los? Du hörst mir ja gar nicht richtig zu." Sie klang etwas vorwurfsvoll.
„Tut mir Leid, Lil", entschuldigte ich mich kleinlaut. „Mir schwirrt einfach noch so viel im Kopf herum."
„Na, wenn ich heute den perfekten Kerl geküsst hätte, wäre das wohl auch so", neckte sie mich. Als ich ihr nicht antwortete, hörte ich, wie sie weitere, leise Worte in die fahle Dunkelheit hinein flüsterte. „Ich bin ehrlich gesagt etwas neidisch..."
Ich öffnete meine Augen wieder und ließ meinen Blick zu Lilya rüber schweifen. Sie starrte an die Decke und hatte ihre Worte wohl mehr der beruhigenden Nacht um uns herum anvertraut, als mir.
„Ich weiß, Lilya", wisperte ich zurück und sah, wie sie mich wieder anblickte. „Glaub mir, ich würde dir die ganze Sache auch mehr gönnen als mir. Aber..." Ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Alles, was ich mir im Kopf zurecht spann, klang unpassend und wenig hilfreich.
„Schon gut, Sea. Irgendwann wird sich mein Traumprinz wohl auch noch blicken lassen...", seufzte sie leise, aber mit einem kleinen Lächeln in ihrer Stimme, dass ihren Worte die Melancholie nahm und mir zeigte, dass sie nicht zu eifersüchtig war.
„Hoffentlich bald, sonst muss ich Aryan wohl mit dir teilen", antwortete ich, ebenfalls mit einem kleinen Lächeln.
Dieser Gedanke ließ sie kichern. „Uääh, nein. Ich tröste ihn gerne, wenn er wegen dir traurig ist, aber gleichzeitig mit dir...? Ich verzichte. Da warte ich lieber auf meinen eigenen Freund, egal wie lange er noch auf sich warten lässt."
Ich stimmte in ihr kurzes Kichern ein und wir tauschten noch einige Sätze aus, die sich in ihrer Abstrusität immer wieder übertrafen, bevor wir uns gegenseitig eine gute Nacht wünschten, und sich schließlich Stille über unser Zimmer legte.
Mein letzter Gedanken drehte sich um meine wunderbare, beste Freundin. Ich hoffe, dein Traumprinz lässt sich bald blicken...ansonsten muss ich ihn wohl an den Haaren hierher zerren. Dann glitt ich in den Schlaf, der mir in der letzten Nacht gefehlt hatte.
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