Nuvayla Wettbewerb: 3. Platz
Hey ihr. ^^
Falls ihr euch noch erinnern solltet: Es fand mal ein Schreibwettbewerb in Nuvaylas Namen statt. Und ich habe mir gedacht, wir sollten die Gewinner noch einmal in Ehren rufen.
Hier der 3. Platz mit ihrer wundervollen Kurzgeschichte (lehnt euch zurück und genießt es):
@CCs-storyworld
"Ich setzte mich auf die Bank in dieser märchenhaften Umgebung und ließ meinen Blick schweifen. Vor mir sah ich den kleinen Teich und die Trauerweide weiter hinten leuchtete in einem kräftigen grün. Es roch nach der Jahreszeit, die von vielen Menschen sehnsüchtig erwartet wurde. Es roch nach Frühling. Die ganze Harmonie war ein kompletter Kontrast zu meiner Stimmung. Ich biss mir auf meine Lippe und ballte meine Hände zu Fäusten, um meine Tränen zurückzuhalten. Ich versuchte mich abzulenken, denn ich wollte nicht mitten in der Öffentlichkeit anfangen, wie ein kleines Mädchen zu heulen. Auf dem Teich entdeckte ich eine einzelne Seerose, die ans Ufer geschwemmt wurde. Sie hatte sich wahrscheinlich von ihren Wurzeln gelöst. Losgerissen, um frei zu sein. Nur um dann abzusterben, da sie keine Nährstoffe mehr bekam. Ich stand auf, ging zu der Seerose und hob sie auf. Sie war weiß. Weiß, wie die Farbe der Hoffnung. Hoffnung hätte ich auch gerne, aber für mich gab es keine Hoffnung mehr. Ich hatte nur einen Wunsch. Nur einen verdammten Wunsch, aber in einer Welt, wie dieser, wurden einem keine Wünsche erfüllt. Ich musste mich mit der Tatsache abfinden, dass die Realität grausam war.
Das Taxi zischte haarscharf an mir vorbei und hinterließ einen Luftzug, der meine Jacke zum Wehen brachte. Ich hatte das Hupen nicht gehört. Mein Blick wanderte geradeaus zur Ampel, die in dem Moment, als ich wenige Minuten zuvor die Straße überqueren wollte auf Rot gesprungen war. Mein rechter Fuß verharrte immer noch auf der Straße und gerade als ein weiteres Auto anfuhr und drohte mich anzufahren, wurde ich von jemandem nach hinten gerissen. Es war ein Junge, der auf mich einredete. Aus den Augenwinkeln nahm ich andere Passanten wahr, die einen Kreis um mich gebildet hatten. Ich nahm die Mundbewegungen des Jungen wahr, hörte jedoch seine Worte nicht, denn ich hatte mein Gehör bei einem Unfall vor einigen Jahren verloren.
Mein Magen krampfte sich zusammen. Umringt von den vielen Menschen, die auf mich einredeten, mich beäugten und mich anfassten, hatte ich das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen. Ich verspürte den inneren Drang mich aus dieser Situation zu befreien und drängte mich durch die Menschenmenge, die mich festzuhalten schien. Als ich keine Körper mehr um mich spürte, fing ich an zu rennen und blieb erst wieder stehen, als meine Haustüre vor mir auftauchte.
Eine unendliche Leere erfüllte mich, während ich in meinem Bett lag und mir Tränen über die Wangen liefen. Mein funktionsunfähiges Gehör betraf auch meine Sprache, da ich nicht hören konnte, was ich sagte. Meine Aussprache würde langsam verfallen, bis von mir nur noch unverständliches Genuschel zu hören war. Bald würde ich mich nicht mehr verständigen können. Meine gelernten Gebärden beschränkten sich auf ein Minimum und auch meine Mutter beherrschte nur ein paar von ihnen. Bis wir uns wieder normal verständigen könnten, würde es bestimmt viele weitere Jahre brauchen. Eine Bewegung hinter mir ließ mich hochfahren. Es war meine Mutter, die mich mit unglaublich schlechten Gebärden umständlich versuchte zu fragen, was los war. Sie hätte auch einfach mit mir reden können. Meine Fähigkeit Lippen lesen zu können wurde immer besser. Ich wischte mir unauffällig meine Tränen weg und schüttelte den Kopf. Ich wollte nicht, dass meine Mutter sah, wie ich litt und meine schwache Seite entdeckte. Sie hatte in den letzten Jahren viel für mich getan. Zu viel. Sie hatte mich unterstützt, mich getröstet und mir geholfen. Ich bekam mit, wie sie meinen Stiefvater anbettelte ihr zu helfen. Ich bemerkte, wie ihr Körper zitterte, wenn sie am Küchentisch saß und anfing zu weinen. Ich sah sie jeden Tag älter werden und auch jetzt stand sie vor meinem Bett und sah mich unendlich traurig an. Sie rieb sich die Hände und ich las an ihren Lippen, dass sie okay sagte. Dann drehte sie sich um, nur um sich gleich darauf wieder zu mir zu drehen und mir mitzuteilen, dass der Termin beim Arzt noch stand, den ich abgelehnt hatte. Mir machte der Gedanke ein Hörimplantat zu bekommen Angst, aber ich wollte unbedingt wieder hören können. Ich nickte und gebärdete, dass ich den Termin wahrnehmen würde. Meine Mutter brauchte einige Minuten, um mich zu verstehen, dann klatschte sie begeistert in die Hände und lächelte. Zum ersten Mal seit einigen Monaten lächelte sie wieder! Für mich war es ein herzerwärmender Anblick. Es machte mich so glücklich, dass ich mir ebenfalls ein ermutigendes Lächeln auf die Lippen zwang.
Der Doktor, der von oben auf mich herabschaute erklärte mir, wo genau sie das Implantat einsetzen würden und was das für mich bedeuten würde. Nachdem meine Mutter und ich zweimal in die Klinik gefahren waren und an mir einige Untersuchungen angestellt wurden, war der Tag gekommen, an dem ich das Implantat bekommen sollte. Ich lag in einem Bett und würde gleich in den OP-Saal gebracht werden. Es bestand eine Chance von 99 Prozent, dass ich wieder Hören würde, jedoch bestand auch ein gewisses Risiko, dass etwas schiefgehen könnte und natürlich bestünde noch die Möglichkeit, dass nichts passierte und alles so blieb, wie es jetzt war.
Meine Mutter hielt meine Hand. Mein Stiefvater hatte sich noch nicht mal darum bemüht in die Klinik zu kommen und mir Mut zu machen. Aber ich hatte schon immer gewusst, dass er ein verlogener Mensch war.
Ich wachte nach gefühlten zwei Minuten wieder auf und das grelle Licht im Krankenzimmer blendete mich. Meine Mutter stand an meinem Bett und lächelte mich an. Ich lächelte schwach zurück. Hören konnte ich jedoch noch nichts. Dazu musste das Implantat zuerst eingeschaltet werden.
Als ich mich nach einigen Tagen von der Operation erholt hatte, bat mich der Doktor in ein Behandlungszimmer, um das Implantat einzuschalten. Ich nahm die Hand meiner Mutter und drückte sie fest, als wir durch den langen, weißen Gang der Klinik gingen. Mein Herz klopfte und vom Zentrum meines Bauches bauten sich Wellen der Nervosität auf. Das Blut wich aus meinen Händen. Sie waren eiskalt.
Als meine Mutter und ich das Behandlungszimmer betraten, begrüßte uns der Doktor und bat meine Mutter sich auf einen Stuhl zu setzten. Ich sollte mich ihm gegenüber an einen Tisch setzten, auf dem ein Computer stand. Dann sollte es losgehen. Der Arzt bediente den Computer und fragte mich einige Male, ob ich etwas hören konnte. Und jedes Mal musste ich verneinen, denn immer noch hörte ich absolut gar nichts.
Nach ewigen vergangenen Minuten, sah mich der Doktor mit einem mitleidigen Blick an. Ich wusste was das bedeutete. Ich konnte nicht länger in diesem Raum bleiben. Also löste ich die Kabel, mit denen ich verbunden war, schob den Stuhl mit Kraft nach hinten, sodass er umfiel und lief aus der Klinik.
Meine Lunge brannte, aber ich blieb nicht stehen und lief immer weiter. Über Straßen, Feldwege und durch kleine Gassen. Mittlerweile war ich von der außerhalbliegenden Klinik bis in die Stadt gelaufen. Plötzlich spürte ich, wie ein Regentropfen auf meine Haut platschte. Ich sah zum Himmel und prompt suchte sich ein weiterer Regentropfen den Weg in mein Auge. Schnell schaute ich nach unten und wischte mir über das Auge. Als ich wieder aufsah, war die graue Farbe des Himmels einem bedrohlichen schwarz gewichen. Plötzlich setze der Platzregen ein und ich blickte durch eine Regenwand, die mir nun auch noch die Sicht erschwerte. Einen Regenschirm hatte ich nicht dabei. Die Passanten auf der Straße suchten unter Bäumen Schutz, aber ich lief immer weiter. Auf einmal tauchte vor mir ein Mensch auf, über den ich fast gestolpert wäre. Es war ein Obdachloser, der durchnässt und zitternd mitten auf der Straße lag. Wahrscheinlich fehlte ihm die Kraft aufzustehen und Schutz zu suchen. Sein Blick suchte meinen. Unschlüssig, was ich tun sollte, sah ich mich um. Ich konnte ihn doch nicht einfach hier liegen lassen. Also zog ich meine Jacke aus, gab sie ihm und half ihm hoch. Zusammen gingen wir zu der Baumgruppe hinter uns. Der Mann nahm meine Hand und nickte mir mit einem dankbaren Lächeln zu. Ich nickte zurück und drehte mich um, um weiterzulaufen. Ich hatte jetzt zwar nur noch einen Pulli an, der binnen weniger Sekunden auch durchnässt war, aber wenigstens hatte ich einem Menschen geholfen. Ich meinte mich zudem daran zu erinnern, dass in der Jacke noch ein wenig Schokolade gewesen war.
Der Regen hörte so plötzlich auf, wie er begonnen hatte. Der Himmel lichtete sich. Auf der Straße herrschte das vollkommene Chaos. Durch den plötzlichen Wetterumschwung und der Verdüsterung des Himmels, hatten mehrere Autos Unfälle gebaut. Ich konnte mir die Geräusche vorstellen, die wohl gerade zu hören waren. Das Hupen nicht betroffener Autos, diskutierende Menschen und die sich nähernden Sirenen der Polizei. Von rechts näherte sich ein weiteres Auto mit rasender Geschwindigkeit. Vor mir stand eine Familie auf der Straße, in deren Auto ein anderes gefahren war. Das Kleinkind entfernte sich einige Schritte weit auf die Fahrbahn, da seine Mutter gerade wild gestikulierte und nicht aufpasste. Wahrscheinlich war sie wütend. Und dann ging alles ganz schnell. Im Hinterkopf hatte ich immer noch das Bild des sich schnell nähernden Autos. Vor mir stand das Kleinkind mitten auf der Fahrbahn. Ich schrie der Familie zu und in dem Moment war es mir egal, wie ich mich anhörte, doch sie nahmen mich nicht wahr. Ohne zu überlegen, sprintete ich los, schnappte mir das Kind, gerade in dem Moment, als das Auto über die Fahrbahn raste und übergab es seiner Mutter, deren Mund schockiert offen stand. Sie drückte ihr Kind fest in ihren Armen und bedankte sich bei mir. Ich nickte ihr zu.
Mit der Seerose in der Hand, setzte ich mich wieder auf die Bank. Ich war bestimmt Stunden gelaufen, bis ich den Park entdeckt hatte, der eine wundervolle Harmonie ausstrahlte und hatte mich meinen Gedanken hingegeben. Die Rose linderte meinen Schmerz ein wenig, aber tief in meinem Herzen wusste ich, dass mir nichts mehr helfen konnte. Ich war für immer verloren. Sein Gehör zu verlieren, war so, als würde man einen Teil seines Herzens verlieren.
Andere Menschen konnten sich nicht vorstellen, wie es mir ging. Viele dachten vielleicht, dass es schwierig war taub zu sein, aber es war viel mehr als das. Taub zu sein war eine lebenslange Herausforderung, die einen in den Wahnsinn treiben konnte.
Wenn man taub ist, prägen sich andere Sinne aus.
Vielleicht war das bei anderen so, bei mir jedenfalls nicht.
Ich sah mich um. Alles war so schön bunt. Ich mochte mir nicht vorstellen, wie schlecht es Menschen ging, die nicht sehen konnten. In meinem Sichtfeld tauchte eine Person auf. Sie kam auf mich zu und ich erkannte den Obdachlosen wieder, der immer noch meine Jacke trug. Er blieb vor mir stehen, setzte sich neben mich auf die Bank, zog meine Jacke aus und gab sie mir. Ich nahm die Jacke dankbar an und fühlte den Schokoriegel, der immer noch in der Jackentasche war. Ich nahm ihn heraus und gab ihn dem Obdachlosen. Er zögerte, nahm ihn dann jedoch dankbar an und lächelte. Während er ihn auspackte, sah er mich an und zeigte dann auf meine Ohren. Er hatte bemerkt, dass ich nichts hören konnte. Ich nickte traurig und er biss in den Schokoriegel. Mit einem Daumen nach oben, signalisierte er mir, dass es ihm schmeckte. Ich nickte traurig. Als er den Riegel aufgegessen hatte, nahm ich das Papier und warf es in den Mülleimer neben mir, dann sah ich wieder den Obdachlosen an, der mittlerweile aufgestanden war. Er nahm meine Hand und schüttelte sie.
„Danke", sagte er und ging.
Hätte ich jemals gedacht, dass ein einziges Wort mein ganzes Leben verändern könnte?
Die Antwort: Nein.
Und so kam es, dass ein Wirrwarr von Gefühlen auf mich einprasselte, genau in dem Moment, als ich das Wort „Danke" hörte. "
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro