Kapitel 24 - Kinder der Schatten
„Hidan!", rief Ára alarmiert, als hen die Ritter auf sie zukommen sah. Es waren vier, mit glänzenden Rüstungen, an denen sich kein einziger Kratzer befand. An ihren Schildern erkannte Ára das Wappen des Haues Lumi. Zwei von ihnen trugen den grünen Drachen von Kunnia und der letzte die goldenen Kornähren von Sato. Dieser war der größte, vielleicht zwei sogar zwei Meter, einen halben mehr als Ára.
Hidan lachte. Er war blutverschmiert und die Soldaten lagen tot um sie herum. Ára hatte Hidan gegen einen Ritter kämpften gesehen, während hen und Shouta gemeinsam einen erledigt hatten. Jetzt waren es vier und Ára befürchtete, dass sie nun die besten nach ihnen geschickt hatten.
Ára lotete ihre Möglichkeiten aus: Hidan war stark und hen wusste nicht, wie stark, aber diese Ritter waren es auch und auf dieser Fläche, eine weite Ebene, war Ára keine Hilfe. Einzig das Wetter, grau und bewölkt, spielten in hens Karten.
Einer der Kunnia Ritter stürmte nach vorne und Hidan nahm die Herausforderung an. Er hob seine Sense, bereit zu töten, lachte schallend und –
Ein metallenes Scheppern ertönte. Hidan stolperte mit solcher Wucht zurück, dass ihm die Sense aus der Hand flog. Der Ritter schien es nicht einmal gemerkt zu haben und holte mit dem Schwert aus und die Rüstung blieb makellos.
Zwei Ritter wandten sich weiter Hidan zu. Und der Ährenritter Ára. Hen atmete tief durch. War ja klar. Ára setzte sich in Bewegung. Der Ährenritter trug eine Hellebarde mit sich. Sie zerschnitt die Luft und bohrten sich in den Boden. Dort, wo Ára noch vor einem Herzschlag gestanden hatte.
Es war eine riesige Waffe, aber der Ritter schwang sie schnell und elegant. Ára besah sich die Umgebung, während hen den mühelosen Angriffen auswich. Der Wald! Das war hens Chance. Der war zu dicht um die Waffe zu nutzen und dunkel. Das war Áras Revier.
„Du musst alleine klarkommen!", rief Ára Hidan zu. Hen wartete keine Antwort ab, es war Hidan. Was sollten sie schon tun? Töten konnten sie ihn nicht.
Ára sprintete los und der Ritter folgte. Er war schnell und für jeden Schritt den er machte, musste Ára drei machen. Hen stürzte ins Unterholz, sprang über Wurzeln, wich dicken Ästen aus und hörte den Ritter hinter sich fluchen.
„Schattenkriecher!" Seine Stimme war wie ein Donnern. „Bleib stehen und kämpf ehrenhaft!"
Aber eigentlich meinte er, bleib stehen und lass dich töten. Ára dachte nicht daran. Die Hellebarde rauschte hinter hen und ein entsetzliches Krachen verriet, dass der Ritter sie in einen Baum gejagt hatte. Ára warf einen Blick über die Schulter. Scheiße.
Die Hellebarde war nur nicht im Baum gelandet. Sie hatte ihn in beinahe einen Streich gefällt. Der Ritter zog sie mit solcher Wucht heraus, dass der Stamm splitterte und den Baum fällte.
Er warf sie mit einem Brüllen von sich und formte Fingerzeichen. Elektrisches Summen erfüllte die Luft, Áras Haare stellten sich auf und hen machte einen Satz zur Seite. Ára landete in Büschen – gerade rechtzeitig um den gewaltigen Blitz zu entkommen. Hen griff nach Ästen, Dornen stachen in hens Hände und Äste schlugen ins Gesicht, und zog sich weiter. Noch auf dem Boden liegend formte Ára Fingerzeichen für in Tarnjutsu.
Der Brandgeruch versetzte Ára nach Arashi. Hen verschwendete kostbare Sekunden, bevor sich hen zusammmenreißen konnte. Erneut prickelte die Luft und Ára hastete geräuschlos durchs Unterholz.
Es donnerte und die Erde riss durch ein Doton-Jutsu auf. Bäume wurden entwurzelt und Ára musste nicht nur den Blitzen, sondern auch den stürzenden Bäumen ausweichen.
Blitz um Blitz durchschnitt den Wald. Holz splitterte, Tiere flohen in heller Panik. Irgendwann war es still.
Der Ritter durchschritt das Unterholz, zertrat junge Bäume und Sträucher. Er bemerkte Ára nicht. Hen saß nur Zentimeter von ihm entfernt zwischen Kiefern und Blaubeersträuchern am Boden. Nahe genug um zu sehen, dass die Rüstung keinerlei Schwachstellen besaß. Der Kürass wurde von festen Schnallen zusammengehalten, die hen nicht in einem Rutsch durchtrennen können und die Gelenke waren durch geschicktes Überlagern von Platten geschützt. Er trug einen Vendelhelm; ein halber Helm, der Stirn und Wangen wie eine Brille schützte und die Nase durch ein vertikales Metallband. Den Rest des Gesichts schützten Ketten.
„Schattenkriecher!", rief er erneut. Er schwang sein nun gezogenes Kurzschwert und durschnitt eine junge Kiefer in einem Streich. „Ich weiß, dass du nicht tot bist!"
Gratulation, Genie, dachte sich Ára. Hen bewegte sich lautlos von ihm weg. Er bemerkte hen nicht. Sah nicht wie sich Gras und Blaubeersträuche unter hens Füßen beugten. Einem Dieb wäre das nicht passiert.
Als hen weit genug entfernt von ihm war, löste hen das Jutsu. Denn jetzt hatte Ára einen Plan.
„Hallo", sagte hen leise und zog einen Dolch.
Der Ritter drehte sich um. „Da bist du ja."
Er stürmte auf hen zu als würde ihm das Gewicht der Rüstung nicht im Geringsten stören. Aber alle Diebe waren schnell. Metall blitzte im Sonnenlicht, Ára duckte sich, sprang und das Schwert jagte die Spitze voran in einen Baum.
Ára blieb nicht mal eine Sekunde. Aber hen nutzte sie.
Als der Ritter das Schwer zurückziehen konnte, ging nur ein Ruck durch seinen Körper. Er versuchte es erneut, doch das Schwert blieb im Stamm stecken.
„Was soll das?"
Ára antwortete ihm mit einem kalten Lächeln. Durch den Ausfallschritt des Schlags war sein Kopf nach unten gebeugt und Ára konnte ihm den Helm ohne Probleme vom Kopf ziehen. Hen warf ihn achtlos zu Boden. Ein weiterer Ruck ging durch seinen Körper und in Panik schnellte sein Blick auf seine Hand. Sicher versuchte er seine Hand vom Schwert zu lösen oder nach Ára mit der anderen zu schlagen oder zu treten –er konnte nichts mehr davon.
Ára wusste, was er sah: Dunkelgraue Hände, wie die von Leichen, die aus dem Schatten kamen und nach ihm griffen. Ringe an den Händen, wie sie alle Diebe trugen. Zerrissene Diebesgrau. Das war Áras liebstes Jutsu. Die Rache der Schattenkriecher, die er getötet hatte.
„Schattenkriecher! Im Namen des Königs, befehle ich d-"
Er würde nie wieder einen Befehl aussprechen. Hen jagte ihm den Dolch durch das Kinn ins Gehirn.
Sein Tod löste das Genjutsu und er fiel scheppernd zu Boden. Ára durchsuchte seine Taschen nach Befehlen, nahm die Hälfte seiner Münzen und ging zurück zu Hidan.
Der lag aufgespießt auf dem Boden. Dem Drachenritter hatte er ein Speer durchs Auge gejagt, einem den Helm vom Kopf gerissen und geköpft und den letzten nutzte er zum Beten.
Ára hockte sich auf einen Stein und atmete tief durch.
„Du lebst", sagte Hidan unbeeindruckt.
„Natürlich", sagte Ára. „Ritter sind leicht zu besiegen, wenn man weiß wie."
Sie schwiegen. Hidan hatte die Augen geschlossen, es sah beinahe aus als würde er schlafen. Ára besah sich die Befehle, aber fand nichts Interessantes. Hier und da Sadaos Name, nichts Neues.
Hen seufzte frustriert und schmiss sie in den Schnee. Es klebte ein wenig Blut an ihr, weil hens Hände von den Dornen bluteten.
„Was ist?", fragte Hidan mit geschlossenen Augen.
Ára fuhr sich frustriert durch die Haare. Sie waren lang geworden, dachte sich hen. Hen sollte sie kürzen. „Ich weiß nicht, was er vorhat."
„Wer?"
„Sadao?"
Hidan lachte. Ára fragte sich, wie er das konnte, wenn seine Lunge durchstoßen war.
„Was ist daran so lustig?", fragte hen mit gerunzelter Stirn.
„Ist doch egal, was er vorhat", sagte Hidan.
Ára runzelte die Stirn. „Wie meinst du das?"
„Na ja, was soll er groß vorhaben?"
„Du verstehst das nicht", fauchte Ára. „Er hat immer irgendetwas vor!"
„Na und? Er ist irgendein alter Sack."
„Das mag sein", flüsterte Ára, doch es fühlte sich nicht danach an.
„Ára?" Hidans Stimme drang dumpf zu hen durch.
„Das ist nicht so einfach", sagte Ára mechanisch. „Sadao ist..." Aber hen wusste nicht, was hen sagen wollte. Ja, er war alt geworden. Noch vor zehn Jahren wäre er Shouta nicht so leicht unterlegen. Verdammt, vor zehn Jahren hätte er Shouta den Kiefer gebrochen! Sadao hatte viel an Stärke verloren, aber Sadaos Macht war nie seine Kraft gewesen, es war sein Gift und das war wahrscheinlich stärker denn je. Er hatte viele Kontakte...
Plötzlich spürte hen die Kälte. Sie kroch durch hens Kleidung, um an den Knochen zu nagen. Die Welt war grau. Áras Knochen wurden brüchig.
„Ein alter Mann", antwortete Hidan für Ára. „Und alte Männer kann man leicht töten. Die meisten Menschen sterben, wenn man sie köpft. Gibt da nur verdammt wenige Ausnahmen und der schien mir keine davon zu sein."
Der Schnee war kalt und weiß und brennend. „Ja", hörte sich Ára sagen.
„Wieso habt ihr so Angst vor ihm?"
„Weil wir wissen, zu was er in der Lage ist." Ára machte sich klein. Hen spürte Sadaos Hand auf der eigenen Schulter. Unglaublich schwer und groß und kalt. Seine Stimme donnerte in hens Ohren.
„Sadao tötete meine Familie", platze es aus Ára hinaus. Hen musste es jetzt erzählen. „Mein Volk lebt halbnomadisch, schon seit Jahrtausenden. Wir folgen den Rentieren und bis die Menschen aus dem Süden kamen, störte es niemanden."
Zu Áras Überraschung sagte Hidans nichts. Er sah hen nur erwartungsvoll an.
„Wir haben unsere Routen geändert, aber sie überschnitten sich immer mit denen der Händler und das störte sie und Sadao war einer von ihnen."
Die Worte fielen weiter, unaufhörlich und immer mehr. „Dass er den Befehl gab habe ich erst vor einigen Jahren erfahren, seine Version war stets anders."
Ára lachte traurig. Die erste Geschichte, die Ára gehört hatte, war, dass er sich gegen den Angriff ausgesprochen hatte und sie es hinter seinem Rücken getan haben. In seiner Verzweiflung habe er Ára, damals ein kleines Kind, retten können. Im Laufe der Zeit hatte sich die Geschichte geändert, aber eines war immer gleichgeblieben: Ára hatte es ihm zu verdanken, dass hen überhaupt noch lebte.
Ára selbst konnte sich nicht daran erinnern. Manchmal träumte hen von blutigem Schnee und Schreien und Feuer, es musste dieser Tag sein, doch mehr war da nicht und Ára war dankbar dafür. Hen hatte schon genügend furchtbare Erinnerungen.
„Er nahm mich zu sich."
„Er hat dich adoptiert?", fragte Hidan ungläubig.
„So würde ich das nicht nennen, ich war mehr sein Mündel. Sein Haustier vielleicht." Ára versuchte an hens Eltern zu denken, doch da war nur Sadaos Gesicht. Kalt und weiß und ernst. Dafür hasste hen ihn am meisten.
Ára spürte Tränen in den Augen brennen. „Spätestens als meine Ausbildung begann, hat er mir das deutlich gemacht."
Weiteres Schweigen von Hidan.
„Ich weiß wenig über Sadao und noch weniger was davon wahr ist", sprach Ára stockend weiter, „ich weiß nur, dass er irgendwann in die Reihen der Diebesgilde gelangte und damit begann, Kinder auszubilden. Shouta und mich und die anderen."
Ára stoppte.
„Und was war daran so schlimm?", fragte Hidan ungeduldig, nach dem er eine Weile lang hen angesehen hatte.
„Sadao ist ein böser Mensch, aber er arbeitete mit einem Monster zusammen. Ein Handelspartner und Freund von ihm, Tadashi und-"
Ára brach ab. Sie hatten alle Narben auf dem Rücken. Zeichen für ihre Fehler und Widerworte. Sie würden dafür sorgen, dass Ára Sadao und Tadashi nie vergessen würde. Tadashi hatte es geliebt, ihnen Schmerzen zuzufügen. Ihnen allen, aber besonders Shouta, so sehr sie auch davor die Augen verschließen wollten.
Áras Magen wurde schwer vor Schuld. Sadao hatte gewollt, dass sie so dachten, aber letztlich hatte er sie nie dazu gezwungen.
„Er ... es ist so schwer zu erklären."
„Versuch's einfach", sagte Hidan.
Und Ára erzählte. Davon, wie Sadao die Kinder, die sonst niemand haben wollte, in seine Fänge bekam. Wie die anderen Diebe aus Arashi vertrieben worden sind und wie Arashi immer ärmer wurde. Von den Strafen und dem Monster, das Tadashi gewesen war, doch Ára ließ aus, was das für Shouta bedeutet hatte. Das war seine Geschichte.
Ára erzählte von dunklen, kalten Räumen und Folter. Davon, wie sie sich gegenseitig Messer in die Rücken gejagt hatten, weil es das gewesen war, was Sadao wollte. Ára erzählte sogar von Sakaris Verrat und das schlechte Gewissen wurde stärker.
„Dann bring ihn doch einfach um", sagte Hidan, nachdem Ára einige Zeit geredet hatte.
„Das ist-"
„Nicht so einfach, das hast du gerade schon gesagt", sagte Hidan und zog sich den Speer aus der Brust. Er stand umständlich auf, wobei er sich den Schnee vom Mantel klopfte. „Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat, dass du Sadao nicht töten kannst."
„Ich...", fing Ára an.
„Er ist alt und hat ein paar reiche Freunde, na und?"
Ára starrte Hidan an. Hidan hatte Recht. Es wäre einfach Sadao einen Dolch ins Herz zu jagen... So einfach. Aber was dann? Ára legte sich die Arme um den Körper. Es war so kalt.
„Was ist?", fragte Hidan ungeduldig.
„Ja", sagte Ára langsam, „ich kann ihn töten."
Die Welt verlor an Grau.
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Und mit diesem Kapitel nähern wir uns schon den 2K Views! Dafür würde ich gerne wieder ein Special haben, also! Wenn ihr wieder Fragen an mich über die Geschichte oder die Charaktere habt, haut sie hier drunter raus! Ansonsten habe ich selbst noch ein wenig was vorbereitet, ihr könnt also gespannt sein!
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
euer Cato <3
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