Einundzwanzig (Stand 2025)
Ich hatte mich in der Nähe des Trainingsplatzes niedergelassen, wo Ellie immer noch Ich hatte mich in der Nähe des Trainingsplatzes niedergelassen, wo Ellie immer noch begeistert ihre ersten Reitversuche machte. Ihre kleine Stute, ein geduldiges, sanftes Tier, bewegte sich vorsichtig unter ihr. Ellies Lachen hallte über die Koppel, so hell und unbeschwert, dass es fast schmerzte, es zu hören. Es war ein Geräusch, das ich vor langer Zeit verloren glaubte, und doch war es hier, lebendig und echt.
Aber ich konnte nicht bei ihr bleiben. Nicht, wenn meine Gedanken von dem Gespräch angezogen wurden, das Nick und Amy am Gatter führten. Ihre Stimmen waren gedämpft, die Körper einander zugeneigt, als ob sie etwas Wichtiges besprachen. Es war, als hätte eine unsichtbare Hand meinen Körper gelenkt, meine Schritte leise gemacht, mich hinter den Stapel Heuballen gedrückt. Die raue Oberfläche des Heus kratzte an meinen Armen, aber ich spürte es kaum.
Ich wusste, es war falsch zu lauschen, aber ich konnte nicht anders.
„Lou schien vorhin wie ausgewechselt. Es scheint, als würde ihr der Aufenthalt hier gut tun", sagte Nick, seine Stimme trug eine Mischung aus Überraschung und Erleichterung.
Amy nickte langsam, ihre Augen auf Ellie gerichtet. „Ihre rebellische Art hat sie recht schnell fallen gelassen. Lou ist sehr ruhig. Liebevoll mit den Tieren und den Menschen hier. Immer fleißig. Ich denke, sie hat hier die Ruhe gefunden, die sie gebraucht hat."
Ich schluckte schwer und zog die Knie näher an meinen Körper. War das wirklich, wie sie mich sahen? Liebevoll? Ruhig? Es fühlte sich wie eine Lüge an. Aber vielleicht... vielleicht hatte ich mich verändert.
Nick ließ ein tiefes Seufzen hören, und ich spähte vorsichtig zwischen den Heuballen hindurch. Sein Gesicht wirkte angespannt, als er in die Ferne sah. „Das hoffe ich. Und noch mehr hoffe ich, dass sie dieses Verhalten beibehalten kann, wenn sie wieder nach Hause kommt. Ich verstehe bis heute nicht, warum sie so geworden ist, wie sie war. Früher wäre sie niemals straffällig geworden. Manchmal hatte ich das Gefühl, sie hat es absichtlich getan – als wollte sie unbedingt ins Gefängnis."
Ich biss die Zähne zusammen, während die Worte wie ein Dolch in meine Brust stachen. Er hatte keine Ahnung. Gar keine.
Amy zog leicht die Augenbrauen hoch, ihre Stimme blieb ruhig, aber ein Hauch von Schärfe lag darin. „Glaubst du wirklich, sie wollte das? Dass sie sich absichtlich in Schwierigkeiten gebracht hat?"
Nick zögerte, und ich konnte sehen, wie er die Stirn runzelte. „Ich weiß es nicht. Es war, als ob sie uns immer wieder herausfordern wollte. Ständig hat sie Grenzen überschritten, immer wieder Streit gesucht. Es war so... frustrierend. Und dann dieser Streit, der alles eskalieren ließ."
Meine Hände ballten sich zu Fäusten, die Nägel gruben sich in meine Handflächen. Er hatte es nie verstanden. Alles, was ich wollte, war, gesehen zu werden. Gehört zu werden. Aber Nick? Für ihn war ich nur eine Bürde gewesen, ein Problem, das es zu lösen galt.
Amy schüttelte langsam den Kopf, ihre Worte drangen leise und eindringlich an mein Ohr. „Nick, manchmal sind Menschen, die rebellisch erscheinen, einfach nur Menschen, die um Hilfe schreien. Lou hatte offenbar viel, das sie beschäftigt hat. Vielleicht konnte sie es nicht in Worte fassen und hat es stattdessen durch ihre Handlungen gezeigt."
Hilfe? War es wirklich so einfach? Oder machte sie sich nur etwas vor?
Nick ließ die Schultern sinken, seine Stimme klang müde. „Ich wollte ihr helfen, wirklich. Aber jedes Mal, wenn ich versucht habe, mit ihr zu reden, hat sie mich entweder ignoriert oder komplett abgeblockt. Ich wusste irgendwann nicht mehr, was ich machen soll. Ich hatte auch Ellie im Hinterkopf. Ich wollte sie schützen, vor allem... vor Lou."
Ich schnappte lautlos nach Luft, ein bitterer Geschmack breitete sich in meinem Mund aus. Schützen? Vor mir? Ich würde Ellie niemals wehtun! Nie.
Amy schüttelte energisch den Kopf. „Glaubst du wirklich, dass das nötig war? Ich weiß nicht, was zwischen euch vorgefallen ist, aber eines weiß ich: Lou liebt Ellie über alles. Wenn sie eines bereut hat, seit sie hier ist, dann ist es die Tatsache, dass Ellie verletzt wurde."
Nick sah zu Boden, seine Hände auf dem Gatter verkrampft. „Ich wusste nicht mehr, wie ich damit umgehen soll. Ich hab meine Kontakte bei der Polizei einige Male genutzt, um Lou rauszuhauen. Aber irgendwann war ich an einem Punkt, an dem ich nicht mehr wusste, warum ich es noch machen sollte. Sie hatte immer wieder neue Probleme am Hals. Irgendwann musste ich zulassen, dass sie zur Rechenschaft gezogen wird. Ich hatte gehofft, dass sie dann endlich einsieht, dass es so nicht weitergehen kann."
Eine heiße Welle der Wut und Scham durchfuhr mich. Rechenschaft? Er hatte zugesehen, wie ich zerbrach, und dachte, das sei eine Lektion?
Amy legte ihm eine Hand auf die Schulter, ihre Stimme wurde sanfter. „Manchmal verstehen wir Menschen, die uns am nächsten stehen, am wenigsten. Vielleicht hat Lou sich in ihrem Schmerz verloren. Und vielleicht... hat sie gedacht, du würdest sie verurteilen, anstatt sie zu verstehen."
Nick hob den Kopf, seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. „Natürlich liebe ich sie. Aber vielleicht... habe ich es ihr nicht genug gezeigt."
Ein Kloß bildete sich in meiner Kehle, während ich die beiden beobachtete. Vielleicht hatte er recht. Aber war es nicht seine Aufgabe gewesen, stärker zu sein? Mich zu sehen, selbst wenn ich mich unsichtbar gemacht hatte?
Amy sprach weiter, ihre Worte durchdrangen den dichten Nebel in meinem Kopf. „Manche Menschen tragen ihren Schmerz nicht offen, Nick. Vielleicht hat Lou das gelernt, weil es zu wehgetan hätte, ihn zu zeigen."
Ich schloss die Augen und ließ mich gegen die Heuballen sinken. Vielleicht stimmte das. Vielleicht trug ich meinen Schmerz wie ein schweres Geheimnis – doch würde je jemand die Kraft aufbringen, ihn zu entschlüsseln?
Amy nickte nachdenklich, ihr Blick haftete auf Nick, während sie die Arme locker über das Gatter legte. „Bevor euer Vater starb, wie war Lou da?"
Nick schloss für einen Moment die Augen, als ob er die Erinnerung vor sich beschwören wollte. Seine Stimme klang entfernt, fast geisterhaft, als er antwortete: „Ruhig. Zurückgezogen. Aber auch... irgendwie gelassen. Sie hatte ihren eigenen Kopf, ja, aber es war nie destruktiv. Und dann... über Nacht hat sich alles verändert. Sie war plötzlich wie ausgewechselt. Doch wenn ich versucht habe, mit ihr darüber zu reden, hat sie abgeblockt. Sie wollte nie über unsere Eltern sprechen."
Amy legte den Kopf schief, ihre Mimik zeigte sowohl Mitgefühl als auch Neugier. „Wie waren eure Eltern? Lou hat viel von dir und Ellie erzählt, aber über sie selbst... kaum ein Wort."
Ein schmerzliches Lächeln zog über Nicks Gesicht. Es war das Lächeln eines Mannes, der in Erinnerungen an bessere Zeiten schwelgte, die gleichzeitig unerreichbar schienen. „Sie waren liebevoll. Warmherzig. Unser Vater... er war der Fels in der Brandung. Er hatte immer einen Rat, immer ein Lächeln. Unsere Mutter war das Herzstück der Familie. Streng, aber gerecht. Wir haben sie verehrt." Er hielt kurz inne, ein Schatten huschte über sein Gesicht. „Ich kann mir nicht erklären, warum Lou so kalt auf all das reagiert. Bei unserer Mutter verstehe ich es noch irgendwie. Sie ist einfach abgehauen. Aber unser Vater? Dafür, dass er gestorben ist, konnte er doch nichts."
Hinter dem Heuballen presste ich die Lippen zusammen. Es fühlte sich an, als ob eine unsichtbare Hand meinen Brustkorb zusammendrückte. Gar nichts hatte er verstanden. Rein gar nichts.
Amy runzelte leicht die Stirn, als ob sie versuchte, etwas zu ergründen, das Nick selbst noch nicht begriffen hatte. „Eure Mutter... Sie ist gegangen, nachdem euer Vater gestorben ist?"
Nick nickte, seine Schultern sanken herab. „Ja. Vater war tot und noch in der selben Nacht ist sie verschwunden. Sie ist nicht mal auf seiner Beerdigung aufgetaucht. Sie hat uns einen Zettel hinterlassen. Nur ein Zettel." Seine Stimme wurde leiser, ein bitterer Unterton mischte sich ein. „Darauf stand, dass wir sie nicht suchen sollen. Dass sie nicht mehr Teil unseres Lebens sein kann. Lou hätte das irgendwie weggesteckt. Sie hat nie darüber gesprochen, nie geweint, nie geschrien. Sie hat einfach weitergemacht. Ich habe geglaubt, sie wäre stark. Aber offensichtlich hatte ich mich da geirrt denn in der Nacht in der unsere Mutter ging, ging auch die Lou die ich gekannt hatte"
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