Dreiundzwanzig (Stand 2025)
Das Klappern der Hufeisen der Fuchsstute, die ich gerade nach draußen führte, hallte durch die kühle Morgenluft. Obwohl ich Pferde immer noch nicht mochte, musste ich zugeben, dass Foxy mir ans Herz gewachsen war. Sie war elegant und intelligent – die Art von Pferd, die mit einem Blick zu verstehen schien, was man von ihr wollte. Vielleicht war es genau das, was sie zu meinem Lieblingspferd auf der Ranch gemacht hatte. Ein starker Windhauch brachte den Duft von nassem Gras und Erde mit sich. Es regnete leicht, und der warme Sommerregen legte sich wie ein sanfter Schleier auf meine Haut und Haare.
Nach wochenlanger Hitze schien die Natur dankbar für die erfrischenden Tropfen. Jeder Grashalm, jede Blüte reckte sich dem Himmel entgegen, begierig, jeden Tropfen aufzunehmen. Doch der Boden, ausgedörrt und staubtrocken von der langen Dürre, konnte das Wasser nicht schnell genug aufsaugen. Kleine Pützen bildeten sich überall und spiegelten den grauen Himmel wider. Ich ließ Foxy auf die Weide und blieb einen Moment stehen, um ihr nachzusehen. Sie schüttelte ihren Kopf, schnaubte und trabte dann gemächlich zu den anderen Pferden hinüber, die bereits unter einem großen Baum Schutz suchten.
Auf dem Weg zurück zum Stall zählte ich die Tage. Die Hälfte meiner Zeit hier war bereits um. Ich wusste nicht, ob ich froh oder traurig darüber sein sollte. Eine seltsame Mischung aus beidem vielleicht. Ich begann mich langsam an das Leben hier zu gewöhnen, obwohl ich mich anfangs mit Händen und Füßen dagegen gewegrt hatte. Ich war Amy nicht mehr böse darüber das sie mich ausspioniert hatte, denn obwohl ich ihr damals vorgeworfen hatte, sich in mein Leben einzumischen, wusste ich tief in mir, dass sie es nur gut meinte. Aber „nur gut meinen" – diese Worte hatten ihre Bedeutung für mich verloren. Mama und Papa hatten sie oft gesagt. Auch Nick, mein älterer Bruder, jedes Mal, wenn er mich gegen meinen Willen zur Schule geschleift hatte. Sie waren zum Synonym für Zwang geworden, für Entscheidungen, die andere für mich trafen.
Im Stall angekommen machte ich mich daran, Foxys Box auszumisten. Es war eine monotone, aber irgendwie beruhigende Arbeit. Das Kratzen der Mistgabel auf dem Boden und das Rascheln des frischen Strohs hatten fast etwas Meditatives. Plötzlich drang das leise Zwitschern der Vögel von draußen an meine Ohren. Der Regen hatte nachgelassen, und die Welt schien wieder aufzuwachen.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Erschrocken wirbelte ich herum, die Mistgabel immer noch in der Hand. Milo stand vor mir, die Hand erhoben, als wolle er mich beruhigen. Reflexartig wich ich zurück und schrie: „Nein!" Mein Herz raste, und ein Schauer durchlief mich, als wäre ein Eimer kaltes Wasser über mich ausgekippt worden.
Milo sah mich an, seine Augen weit vor Schreck. Er hob beschwichtigend die Hände und machte ein paar Schritte zurück. „Hey, ganz ruhig. Ich wollte dir nichts tun," sagte er mit sanfter Stimme, doch ich sank keuchend auf den Boden. Meine Atmung ging flach, und ich versuchte verzweifelt, mich zu beruhigen. Der Schock hatte mich wie eine Welle überrollt.
„Hast du gedacht, ich will dich schlagen?", fragte er nach einer Weile, sichtlich betroffen. Ich antwortete nicht, versuchte stattdessen, tief ein- und auszuatmen, um den Sturm in meinem Inneren zu bändigen. Langsam kehrte etwas Ruhe in meinen Körper zurück, doch das Zittern meiner Hände wollte nicht aufhören.
„Das kannst du mit mir nicht machen," brachte ich schließlich hervor, meine Stimme noch immer zitternd. „Du kannst mich nicht so erschrecken." In diesem Moment kam Luke hereingelaufen. „Was ist denn hier los?", fragte er mit gerunzelter Stirn, als er mich am Boden sitzen sah.
Milo verschränkte die Arme, seine Miene eine Mischung aus Verwirrung und Frustration. „Das würde ich auch gerne wissen. Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, war sie noch eine harte Nuss, die sich von niemandem was sagen lässt, und jetzt kriegt sie Panik, weil sie denkt, ich wollte sie schlagen oder so."
Ich sprang auf, meine Wut überwand die Fassungslosigkeit. „Vielleicht hätte mir jemand sagen sollen, dass du beschlossen hast, weiterzuleben, ohne dich dabei halb umzubringen. Du bist der einzige Mensch den ich kenne, der es schafft, eine Treppe runterzufallen und sich dabei ein Bein zu brechen! Das wäre nicht passiert wenn mir jemand bescheid gesagt hätte!"
„Lou," unterbrach Luke mich mit ruhiger, aber bestimmter Stimme. „Was?", schnappte ich zurück.
„Mach mal eine Pause," sagte er nur, und ich wusste, dass er recht hatte. Mit einem genervten Schnauben entfernte ich mich ein Stück von den beiden und ließ mich auf einem der Heuballen nieder. Luke warf Milo einen bedeutungsvollen Blick zu. „Es ist einiges passiert, seit du weg warst," erklärte er leise. „Zum Beispiel hat deine Freundin Amy, Lou angegriffen. Du musst vorsichtig sein mit dem, was du tust. Du weißt nicht, wie sie reagiert."
Ich hörte jedes Wort. Wütend stand ich wieder auf und trat in Foxys Box zurück. „Lou, es tut mir leid, okay? Ich wollte dich nicht erschrecken oder was auch immer gerade das Problem war," sagte Milo, ein Hauch von Genervtheit in seiner Stimme.
Ich drehte mich zu ihm um, meine Augen funkelten vor Zorn. „Halt dich einfach fern von mir! Du kannst dort hinten anfangen," fauchte ich und deutete mit einer Handgeste ans andere Ende des Stalls. Meine Stimme triefte vor Ironie, als ich seine eigenen Worte von meinem ersten Tag auf der Ranch wiederholte.
„Seit wann hast du hier das Sagen?", fragte er empört.
Ich schritt auf ihn zu, die Mistgabel in der Hand, und spürte, wie meine Wut überkochte. „Ohne mich wäre der Laden hier die letzten Wochen zusammengebrochen. Während du dich die Treppe runterwirfst, um ein paar Wochen Pause zu machen, habe ich hier alles alleine geschmissen. Jeden einzelnen Tag. Und jetzt kommst du hierher und willst mir irgendwas sagen? Vergiss es!" Ich drückte ihm die Mistgabel in die Hand und stapfte aus dem Stall.
Draußen trat ich gegen einen Heuballen, Tränen der Wut und Frustration liefen über meine Wangen. „Scheiße," murmelte ich und vergrub das Gesicht in meinen Händen.
„Lou, was ist mit dir los?" Luke's tiefe Stimme erklang hinter mir. Er kam näher, sein Blick suchte meinen. „Du bist sonst nicht so launisch."
Ich schwieg. Was hätte ich auch sagen sollen? Er trat vor mich, seine großen Stiefel hinterließen Abdrücke im nassen Boden. Als er die Träne bemerkte, die über meine Wange lief, wurde sein Blick weicher. „Soll ich Amy holen? Vielleicht hilft es dir, mit ihr zu reden."
Ich schüttelte hastig den Kopf. „Ich brauche nur mal kurz eine Pause. Ich muss allein sein," sagte ich heiser und ging davon, ohne ihn anzusehen. Ich hörte, wie er mir zunächst zu folgen schien, doch die Schritte verstummten. Stattdessen kehrte er in den Stall zurück.
Der Regen hatte aufgehört, aber die Welt fühlte sich schwer und feucht an – genauso wie ich.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro