Drei (Stand 2025)
Leise tappte ich aus meinem Zimmer und den langen, schmalen Flur entlang. Die alten Dielen knarrten unter meinen Füßen, obwohl ich versuchte, so wenig Lärm wie möglich zu machen. Das Haus war ruhig, aber von unten drangen bereits gedämpfte Stimmen zu mir herauf – aus der Küche. Ein verheißungsvoller Duft nach frisch gebackenem Brot und geröstetem Kaffee stieg mir in die Nase, und mein Magen knurrte vorfreudig. Endlich etwas zu essen.
Die knarrenden Stufen der Holztreppe unter mir schienen den Morgen zu begrüßen, als ich vorsichtig hinunterging. Die Luft war kühl und trug den Hauch von Heu und Stall, ein ständiger Begleiter dieses alten Hofes. Unten angekommen, trat ich durch die schmale Tür in die große, helle Küche. Die Morgensonne strahlte durch die bodentiefen Fenster und warf goldene Rechtecke auf den abgenutzten Holzboden. Der Raum war erfüllt vom Geräusch klappernder Teller und gedämpfter Gespräche. Am massiven Esstisch aus dunklem Eichenholz saßen Amy und ihre beiden jüngeren Schwestern. Ihre goldenen Haare, geflochten und unordentlich von der Nacht, leuchteten im Licht, und ihre Stimmen mischten sich mit dem Knistern des noch warmen Holzofens. Drei Teller lagen bereits verlassen auf dem Tisch, leer und von Krümeln übersät.
„Bin ich etwa schon wieder zu spät? Du hast um sieben gesagt. Es ist gerade mal dreiviertel!", sagte ich und zog fragend eine Augenbraue hoch. Ich war mir sicher, die Zeit richtig verstanden zu haben. Amy blickte kaum von ihrem Teller auf, zog aber mit der freien Hand den Flechtstuhl mit dem weichen, roten Kissen neben sich zurück. „Du bist nicht zu spät. Setz dich." Ihre Worte klangen durch einen Bissen frischen Brötchens gedämpft, während sie sich mit einer nachlässigen Geste ein paar Brotkrümel von der Lippe wischte.
Mein Blick glitt über den reich gedeckten Tisch. Es gab noch dampfende Brötchen in einem geflochtenen Korb, eine Schale mit gekochten Eiern, mehrere Sorten Aufschnitt und bunte Gläser mit Marmelade, die im Morgenlicht schimmerten. Ein wahres Festmahl. Mein Magen knurrte erneut, und ich musste unweigerlich daran denken, dass der Frühstückstisch zu Hause nie so aussah.
Ich ließ mich auf den Stuhl neben Amy sinken und warf einen schnellen Blick in die Runde. Die kleine Malea, mit ihren wilden braunen Locken und Sommersprossen über der Nase, schluckte hastig einen großen Bissen ihres Brötchens herunter, bevor sie zu sprechen begann. Ihre Stimme war klar und voller kindlicher Energie: „Mama und Papa stehen immer früher auf als wir, weil sie so viel arbeiten müssen. Und Luke – der muss den Traktor reparieren." Ihre Worte sprudelten wie ein kleiner Wasserfall aus ihr heraus, begleitet von einem freudigen Glitzern in ihren blauen Augen. Die Morgensonne tanzte auf ihrem Gesicht und ließ ihre Sommersprossen golden wirken. Sie grinste mich breit an, als sie fortfuhr: „Amy isst immer noch mit uns und bringt uns dann normalerweise zur Schule. Aber jetzt sind ja Ferien, also können wir ihr mit den Pferden helfen!"
Die Begeisterung in ihrer Stimme ließ mich unwillkürlich lächeln. So viel ungetrübte Freude und Unschuld. Malea war das genaue Gegenteil von mir, und in diesem Moment fühlte ich mich plötzlich fehl am Platz in dieser perfekten, harmonischen Idylle.
„Ah, okay", sagte ich leise, während ich den brennenden Blick von Amy auf mir spürte. Ihre goldenen Haare schimmerten im Sonnenlicht, und ihr Gesichtsausdruck war eine Mischung aus Geduld und gereizter Erwartung. „Was? Ist unterhalten auch verboten? Soll ich deine Schwestern jetzt mit Schweigen strafen, obwohl sie nichts gemacht haben?", fügte ich mit einem Anflug von Gereiztheit hinzu.
Amy seufzte und verschränkte die Arme. „Du bekommst immer gleich alles in den falschen Hals. Arbeite mal an deiner Einstellung", entgegnete sie, bevor sie mit einer flüssigen Bewegung eine Tasse vor mir abstellte. „Trink einen Kaffee, verbessert die Laune."
„Danke", murmelte ich zögernd. Kaffee war nicht gerade mein Lieblingsgetränk, aber ich wollte keine weitere Diskussion provozieren. „Ehrlich gesagt, mag ich keinen Kaffee. Ich nehme lieber ein Glas Wasser."
Noch während ich sprach, sprang Malea mit so viel Schwung auf, dass ihr Stuhl gefährlich kippte. „Bleib sitzen, ich hole dir eins!", rief sie begeistert und lief zum Schrank, um ein Glas herauszuholen. Ihre kleinen, geschäftigen Hände füllten es an der alten Holztheke mit Wasser, bevor sie es vorsichtig vor mir abstellte.
„Danke, Malea, das ist sehr nett von dir", sagte ich und zwang mich zu einem Lächeln. Sie strahlte über das ganze Gesicht und entblößte dabei ihre Zahnlücke, die ihr ein unschuldiges, schelmisches Aussehen verlieh. Diese ständige gute Laune und Harmonie – es war fast erdrückend. Ich war es nicht gewohnt. Zuhause war der Morgen oft ein Minenfeld, ein ständiges Aufeinandertreffen von Worten und Stimmungen, vor allem zwischen mir und meinem Bruder.
Ich schnitt mir ein Brötchen auf und ließ meinen Blick über den Tisch schweifen. Der Überfluss an Belägen machte die Wahl fast unmöglich. Amy bemerkte meinen zögernden Blick. „Keinen Hunger?", fragte sie, während sie einen Schluck aus ihrer dampfenden Kaffeetasse nahm.
„Doch, und wie", antwortete ich und zog ein Glas Marmelade zu mir heran.
„Dann iss. Es liegt viel Arbeit vor uns. Du wirst deine Energie brauchen", meinte sie mit einem sanften Lächeln, bevor sie sich zurücklehnte. Ihre Haltung war gelassen, fast einladend, und für einen Moment verwirrte mich das. Wie konnte ein Mensch nur so facettenreich sein? Sie machte es mir wirklich nicht leicht, sie einschätzen zu können.
„Du bist die Erste seit Langem, die sich nicht beschwert, dass sie so früh aufstehen muss", fügte sie hinzu.
„Ich bin eher der Morgenmensch", murmelte ich und begann, mein Brötchen mit Marmelade zu bestreichen. „Wenn ich Ellie Frühstück gemacht habe, war ich meist schnell aus dem Haus, um Nick nicht zu begegnen." Meine Stimme war leise, fast ein Flüstern, als ich den ersten Bissen nahm. „Zumindest, wenn ich schnell genug war."
Amy hob die Augenbrauen. „Du hast ihr Frühstück gemacht?"
„Ja. Nick kann überhaupt nicht kochen. Er schafft es sogar, ein Schulbrot zu verbrennen, obwohl man dafür weder einen Herd noch einen Ofen braucht. Keine Ahnung, wie er das macht."
Malea kicherte so laut, dass ihre Augen zu leuchten schienen. „Das würde Amy auch hinbekommen", platzte sie lachend heraus.
„Hey!", protestierte Amy und stieß ihre Schwester sanft an.
„Was denn? Du kannst auch nicht kochen", rief Malea mit einem frechen Grinsen. Amy warf ihr einen spielerischen Blick zu, bevor sie sich wieder mir zuwandte.
„Bist du fertig?", fragte sie schließlich.
Ich nickte und schob meinen Teller zur Seite. „Ja, eigentlich schon."
„Gut. Dann mal an die Arbeit", sagte sie, während sie aufstand und ihre Jacke vom Haken im Flur nahm. Sie zog sich die Stiefel über, drehte sich aber noch einmal zu uns um. „Liz, wenn du abgespült hast, kannst du mit Malea rauskommen und anfangen, die Pferde für die nächste Reitergruppe fertig zu machen. Wir nehmen Rieke, Amigo, Cesar, Orlan und Amira", erklärte sie knapp und verließ das Haus mit einem Schwung, der keinen Widerspruch duldete.
Hastig schob ich meinen Stuhl zurück und zog mir ebenfalls meine Schuhe an, bevor ich ihr hinterherlief.
„Was für eine Reitergruppe?", fragte ich, als ich neben ihr herging.
Amy schnaubte leise, aber in ihrem Ton lag ein Hauch von Amüsément. „Ob du es glaubst oder nicht, es gibt Leute, die mögen Pferde. Manche sind sogar so verrückt, dass sie ihren Familienurlaub hier verbringen und auch noch reiten wollen."
Ich sagte nichts. Ihre gute Laune war selten und wirkte fast ansteckend. Das wollte ich nicht kaputt machen. Stattdessen atmete ich die kühle Morgenluft tief ein und hörte in der Ferne das Wiehern eines Pferdes, das bereits auf uns wartete.
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